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Hlntechattender Heit.
Polizeirats Jagd.
Humoreske von Friedrich Schreiber.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Wenn ein gutes Gewissen ein sanftes Ruhekissen ist. so hatte Otto Pohl ein ausgezeichnetes Gewissen; er schlief bis nach Sonnenuntergang. Erschrocken über die schon herrschende Dämmerung sprang er von seinem Lager auf und eilte die Treppe hinunter, gerade seinem Wirt in die Arme, der ihn Wecken wollte. Nachdem dieser ihn noch über den Weg unterwiesen, marschierte der Polizeirat ab. Seine Flinte hatte Schmidt bereits geladen und zwar den einen Lauf mit Rehposten, den andern mit Nr. 5.
In einiger Entfernung vom Gehöfte sah er Nero umherbummeln; ob er sich wieder mit ihm aussöhnte? Seine Schuldigkeit war es sicherlich. Er pfiff dem Hunde, und wirklich kam dieser nach anfänglichem Zögern und unter furchtsamen Geberden herangekrochen. Pohl gab ihm nun viele gute Worte, streichelte nnd schmeichelte, so daß schließlich der Friede geschlossen wurde und Nero vergnügt an ihm emporsprang. Selbstverständlich begleitete er unsern Freund und jagte vor Freuden in großen Bogen im Felde umher. Der Polizeirat war stehen geblieben, um sich eine Zigarre anzustecken; da ließ sich zu seiner Rechten ein Ton hören, der ihn un- beweglich still stehen hieß, so daß er sich an dem ruhig weiterbrennenden Streichholze die Finger verbrannte.
„Pak, Pak, Pak," klang es in geringer Entfernung zu ihm herüber; zwar kamen diese Naturlaute nicht aus dem ziemlich entfernt liegenden Luche, sondern von links her. wo ein kleiner von Gestrüpp umfriedigter Teich lag.
„Die Enten" murmelte Pohl. Vorsichtig spannte er den Hahn des mit Nr. 5 geladenen Laufes und schlich sich hochklopfenden Herzens an den Teich. Kein Indianer konnte auf dem Kriegspfade vorsichtiger austreten, kein Tiger sein Opfer schlauer beschleichen wie er; erst ging es in gebückter Stellung vor. dann, als ihm das Buschwerk nicht mehr hinlängliche Deckung zu gewähren schien, kroch er auf allen Vieren heran. O, er war nicht umsonst Gardeschütze gewesen.
Und nun hatte er auch den herrlichen Lohn seiner Um- und Vorsicht; in einer Entfernung von 20 Schritt unter den herunterhängenden Zweigen eines Weidenbusches patschelte und watschelte es, mindestens 10—15 Enten saßen aus einem Klumpen und schnabulierten, schwatzten und schmatzten. Der Polizeirat hob leise das Gewehr, Nero, der zu ihm gekommen war, hatte sich ruhig neben ihn gesetzt. Schon hatte Pohl das Gewehr bis zur Backe gebracht, da überfiel ihn ein derartiges Herzklopfen, ein förmliches Jagdfieber, daß er wieder absetzen mußte. Die Enten ahnten nicht das Geringste von der Nähe ihres furchtbaren Feindes, vergnügt schwammen und tauchten sie, jagten und bissen sich, als gäbe es auf der Welt keine mordgierigen Jäger. Da donnerte ein Schuß und zwei der schönsten und kräftigsten von ihnen mußten ihre Harmlosigkeit mit dem Leben bezahlen; die übrigen erhoben sich schwerfällig und zogen mit jammerndem Geschrei von dannen. Nero sprang wie elektrisiert ins Wasser und brachte dem glücklichen Schütze» seine erste Jagdbeute; frohlockend hing er sie an die von Schmidt entliehene Jagdtasche und ging stolz wie ein Sieger jener Waldecke wo der Rehbock vorüberwechselte, zu. Ein ungekanntes Hochgefühl schwellte seine Brust; wer hätte aber auch gedacht, daß er sich als ein so sicherer Schütze, ein so firmer Jäger entwickeln würde; jetzt waltete kein Zweifel bei ihm ob, daß auch der Rehbock ihm zum Opfer fallen würde, wenn er überhaupt kam. Nero war ihm gehorsam gefolgt; Pohl überlegte, was er mit dem Hunde ansangen sollte; war es notwendig uud gebräuchlich, ihn mit auf den Anstand zu nehmen? Nun, sicher doch, wozu hielt der Jäger sich sonst Jagdhunde; auf Hühner
allein waren sie sicher nicht abgerichtet, sie mußten doch auch auf Rehböcke dressiert sein.
Leicht fand er den Stand; er setzte sich in das Loch, seine Flinte krampfhaft mit beiden Händen in die Höhe haltend, jede Sekunde bereit, das tödliche Blei auf den Bock zu entsenden. Doch Minute auf Minute verrann und Nichts ließ sich blicken; vor ihm lag eine kleine Wald- wieje, in welche die von ihm besetzte Ecke hineinragte, so daß er das Terrain recht und links von sich genau übersehen konnte. Die Dämmerung nahm immer mehr zu; Pohl waren die Arme von dem beständigen Hochhalten des Gewehrs lahm geworden. so daß er gezwungen war, dasselbe abzusetzen und auf den Schoß zu legen. Wo mochte nur Nero geblieben sein? Noch beim Abbiegen vom Wege nach dem Waldrande hatte er ihn hinter sich gesehen, später aber sich nicht mehr um ihn bekümmert; wahrscheinlich hatte Nero dem Frieden nicht recht getraut und war nach Hause gelaufen. Wohl ihm, der Polizeirat hätte auch gar nicht gewußt, wo er den Hund in dem engen Loche hätte unterbringen sollen. Behaglich wollte er gerade seinen schmerzenden Rücken an die Wand lehnen, da — ein Helles Gekläff in weiter Ferne, das allmählig immer näher zu kommen schien. Kein Zweifel, es näherte sich ihm schneller und schneller. Pohl wurde unruhig, was konnte so auf ihn zujagen? Noch nie hatte er einen Hund so hell und anhaltend bellen hören; sollte Nero ihm den Rehbock zujagen? Aber Nero's Gebell klang doch ganz anders. Da knickte und knackte es hinter ihm. Getrappel näherte sich, unserm Nimrod stiegen vor Angst die Haare zu Berge, da er wegen der Zweige, die das Loch und ihn von hinten vollständig verdeckten, nichts sehen konnte, ein Satz und hoch in Bogen flog ein dunkler Körper über ihn hinweg. „Der Reh- bock" schrie Pohl in seiner Erregung ganz laut, schnell wie der Blitz halte er den Kolben an der Backe und — Blautz — donnerte er dem flüchtigen Tiere nach. Ein jämmerliches Geheul antwortete ihm, entsetzt sprang er auf; er hatte zwar noch nie einen angeschossenen Rehbock schreien hören, aber das sagte er sich doch, ein derartiges Geheul kann nur ein Hund ausstoßen.
(Schluß folgt.)
Kamerun.
Kamerun ist im Jahre 1894 unter unseren Schutzgebieten in einer Weise in den Vordergrund getreten, daß man wünschen muß, es möchte dies so nicht mehr geschehen. Heuer hörten wir wenig von demselben. Die Bakokoorte haben die ihnen auferlegte Kriegsentschädigung bezahlt, und um den Leuten Frieden und Ruhe wiederzugeben, wurde eine allgemeine Amnestie verkündet. Die zerstörten Malimbadörfer sind wieder auf- gebaut, wobei sich, wie Gouverneur v. Puttkammer im „Kolonialblatt" hervorhebt, der zivilisierende Einfluß derMission unverkennbar geltend machte. So konnten im Mangambagebiet Eingeborenenschiedsgerichte eingeführt werden, da sich dort durch die Bemühungen der Basler Missionare eine größere Anzahl von Leuten befindet, die des Lesens kundig sind. In aller Stille, ohne bewaffnete Macht, allein auf den Schutz Gottes vertrauend unternehmen diese Männer Vorstöße ins Innere, um auch dort das Reich Gottes und dadurch Zivilisation auszubreiten. Missionar Autenrieth ist ganz allein bis zum Nkosigebirge, das bisher noch von keinem Europäer besucht war, vorgedrungen und hat trotz der größten Hindernisse im vergangenen Frühjahr den Grund zu einer Missionsniederlassung inmitten wilder Volksstämme gelegt. In seinem neuesten Brief kann er schon berichten, daß ihm die Nkosileute — durch kleine Geschenke gewonnen — beim Bau einer Wohnung durch Lieferung von Holz u. a. sowie durch Handarbeit behilflich seien, und er begrüßt mit Freuden diese seine Aufgabe. Aber freilich auch welche Entbehrungen muß er übernehmen, und wie muß er sein Leben dranzugeben bereit sein! Im Mai dieses Jahres sind rasch nacheinander ein Missionar und die Frau eines solchen in Kamerun dahingerafft worden. Für die Missionsgesellschaft in
Basel ist die Kamerunmission zwar eine überaus schöne und hoffnungsreiche, aber auch sehr opfer- reiche und kostspielige Aufgabe. Im letzten Jahr erforderte dieselbe einen Aufwand von nahezu 130 000 -/A, während die Einnahmen mit 38 000 einen sehr bedauerlichen Rückgang erlitten. Die Gesellschaft hat die Kamerunmission lediglich um Deutschlands Willen übernommen im Vertrauen darauf, daß die allen Missionsfreunde in Deutschland mithelfcn und auch neue Freunde gewonnen werden. Der Verein für evangelische Mission in Kamerun bittet daher herzlich, der letzteren treulich zu gedenken und durch vermehrte Handreichung die Missionsleitung in den Stand zu setzen, in das so wunderbar aufgeschlossene Land das Evangelium und damit wahre Bildung und Gesittung immer weiter und tiefer hineinzutragen.
Aus Oesterreich, 19. Novbr. Einen städtischen Rattenfänger hat Brünn anzustellen beschlossen. Die Stadt leidet derart an Ratten- übcrfluß. daß kein anderes Mittel übrig bleibt, als die Errichtung eines städtischen Rattenamtes. Hoffentlich schneiden die Männer von Brünn besser ab, als einstmals die Männer von Hameln.
Auf welche absonderliche Ideen manchmal Erfinder kommen, zeigt wiederum eine aus England kommende Erfindung. Bekanntlich haben die Fahrrad-Gummireifen durch die auf dem Wege liegenden Nägel sehr zu leiden, da sich diese in den Reifen einbohren und ein Undichtwerden bewirken. Nach dieser neuen Erfindung soll, wie uns das Intern. Patentbureau von Heimann u. Co. in Oppeln mitteilt, ein Magnet vor dem Rade, nahe dem Erdboden, angebracht werden, der die Nägel und sonstige Eisenteile anzieht. Ob sich diese Ideen in der Praxis bewähren wird, bleibt abzuwarten. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den geschätzten Abonnenten dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patentsachen gratis).
(Unfreiwillige Komik.) In H. Louran's Roman „Auf Dülmenau" heißt es: „Jda nahm ihr kleines Hütchen ab und vor dem Spiegel ihr Haar, das in natürlichen Löckchen auf ihre reine weiße Stirn niederfiel." Hoffentlich hat der Geliebte sie nicht beim Haarabnehmen belauscht. — Hübsch heißt es in Heinrich Robert's Original-Roman „Wege des Schicksals": „Aber es dauerte geraume Zeit, bis sich der Alte wieder erholte. Er schlug dann die Augen vor's Gesicht uud stöhnte so recht von Herzensgründe." Der Alte muß eigentümlich beschaffene Augen gehabt haben. — Im „Sprechsaal" der „Bremer Nachrichten" vom 26. Oktober nimmt sich ein Tierfreund der armen Bären an, die an einem durch die Nase gezogenen Ring auf den Jahrmarkt geführt werden. Sehr hübsch sagt er von den beklagenswerten Geschöpfen: „Man muß sehen, wie die Tiere von Früh bis Abends in unbarmherzigster Weise gefoltert werden, indem sie, Schmerzensgeschreie ausstoßend, ihre Kunststücke ausüben müssen, gezwungen durch den Nasenring, bekanntlich der empfind lich sie Teil des Kö rpers." — Dieser Tierfreund mit seinem Nasenring ist ja ein Phänomen ersten Ranges. Vielleicht bekommt man ihn einmal samt seinem neuen „Körperteil" im Panoptikum zu sehen.
(Gedächtnisschwäche.) „Was wollen Sie denn jetzt schon auf dem Bahnhof? Ihr Zug geht doch erst in zwei Stunden ab?" — „Ja, mir fällt immer erst auf dem Bahnhof ein, was ich alles vergessen habe, und da muß ich doch Zeit zum Zurückgehen haben."
(Im Cafä.) Backfisch: „Mama, der Lieutenant drüben fixiert mich unausgesetzt." — Mama: „Dann halt' Dir beim Lesen die Zeitung vor's Gesicht." — Backfisch: „Aber dann seh' ich 'ihn ja nicht!"
(Gut gegeben.) A.: „Warum stellt sich denn Dein Pferd immer auf die Hinterfüße, wenn ein Zug kommt? — B.: „Aus Hochachtung vor dem Dampfroß!»
Redaktion, DDuck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.