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IlnteryakLender Heil.

Polizeirats Jagd.

Humoreske von Friedrich Schreiber.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Nach einer angenehmen Fahrt in der frischen Morgenluft langte der Polizeirat bei dem Guts­besitzer Schmidt an; schnell wurde ein Frühstück eingenommen, die Gewehre besichtigt, von denen unser Freund sich ein Zentralfeuergewehr aus- suchte, die Jagdpfeifen gestopft und hinaus ging es in das Feld, das im Morgentau glänzte. Dem angehenden Nimrod wurde das Herz weit; die kühle Septemberlust strich ihm um Haupt und Brust, die Lungen dehnten sich, das Auge ergötzte sich an dem durchsichtigen Himmelsblau und den glitzernden Gräsern, aus der Forst drang der verhallende Schall der Holzoxt, sonst Ruhe überall. Der Polizeirat war entzückt, nach langer Zeit hatte er, der in einer kleinen Pro­vinzialstadt seine Kindheit verlebt hatte, endlich Gelegenheit. Feld und Flur zu begrüßen; er freute sich, seiner Frau gegenüber standhaft und nicht wankend geworden zu sein in seinem Ent- schlösse.

Jetzt waren sie an ein umfangreiches Kar­toffelfeld gelangt, wo nach des Gutsbesitzers Ansicht Hühner lagen. Sie trennten sich und gingen in bedeutender Entfernung von einander an den Grenzen des Feldes entlang. Der Polizeirat hatte den besten Hühnerhund seines Gastfreundes bei sich, wenigstens versicherte Schmidt ihm, daß so eine feine Nase, wie die seines Nero, auf hundert Meilen in der Runde nicht zu finden sei.

Pohl hatte sein Gewehr unter den Arm genommen, wie er es seinen Wirt hatte thun sehen; still und vorsichtig schritt er dem Hunde nach, bis dieser stehen blieb, den feinen Kopf mit dem herrlichen Behang langsam hob. die Nase vorstreckte und mit der Rute wedelte. Pohl streichelte ihm, erfreut über die Zutraulichkeit des Hundes, sein glänzendes Fell, krauelte ihm den Behang und ging, als Nero noch immer keine Miene machte, von der Stelle zu weichen, allein weiter.

Brrr ein ganzes Volk Rebhühner stieg in kurzer Entfernung vor ihm auf; erschrocken blieb er stehen und dachte gar nicht an die Flinte in seinem Arm. Wo waren die Vögel nur ge­blieben? Es war doch zu schnell gegangen das Auf- und Davonfliegen; da tönte von seinem Nachbar her ein Schuß herüber, und zwei Hühner sanken zur Erde. Der Polizeirat fing an. sich zu ärgern, er hätte gewiß ebensoviel geschossen, wenn er nicht durch den dummen Hund abge­halten worden wäre; bleibt dies unverständige Tier gerade vor seinen Füßen stehen, um sich von ihm liebkosen zu lassen; das sollte er nur noch ein Mal probieren.

Wieder ging Nero vor ihm her. um nach zehn Minuten richtig wieder stehen zu bleiben und ihn anzuwedeln, ein Fußtritt ließ ihn jämmer­lich ausschreien; brrr wieder stieg ein Volk Hühner vor ihm auf, ohne daß er zum Schuß kam. Dieser verdammte Köter, wahrhaftig, er mußte ihm noch einen Fußtritt versetzen; doch Nero, das drohende Unheil ahnend, klemmte den Schwanz zwischen die Beine und lief, ohne sich umzusehen, dem Gutshose zu. Der Polizeirat atmete erleichtert auf, jetzt war er den Stören­fried los, jetzt konnte die Jagd beginnen. Er ging vorsichtig eine Kartoffelfurche entlang, von drüben tönte wieder ein Schuß und noch einer, und wieder waren zwei Hühner seinem Begleiter zur Beute geworden.

Nur Geduld, auch an ihn wird die Reihe kommen; da, jetzt ertönt vor ihm jenes Geräusch, das ihn zuerst so erschreckt hatte, schnell ist die Flinte an die Backe gerissen, er drückt los, aber kein Schuß ertönt, befremdet blickt er auf das Schloß: o weh, er hat im Jagdeifer ganz das Spannen der Hähne vergessen.

Noch ein zweites Mal kam unser Freund zum Schuß, aber stets zu spät, die Hühner flogen ihm zu schnell; ja, wenn er vorher ge- wußt hätte, wo sie lagen, aber bevor er anlegen

konnte, waren sie in sicherer Entfernung. Miß­mutig kehrte er nach mehreren Stunden zu dem Jagdherrn zurück.

Wo ist denn Nero?" fragte dieser.

Der Polizeirat erzählte, wie es ihm er­gangen sei.

Schmidt lächelte etwas verlegen.,

Nehmen Sie mir es nicht übel, Herr Polizeirat, daß ich danach frage, sind Sie schon je auf Hühnerjagd gegangen?"

Nein, noch niemals", erwiderte Pohl offen.

Nun, dann trage ich die Schuld an Ihrem Jagdunglück; ich hätte Sie gleich zu Anfang darnach fragen und instruieren sollen; haben Sie nicht gefunden, daß Sie nur deshalb nicht zum Schuß kamen, weil Sie die Nähe der Hühner zu spät bemerkten?"

Jawohl, natürlich," bestätigte Herr Pohl.

Sehen Sie, dafür hatte ich Ihnen meinen Nero mitgegeben; sein Stehenbleiben, sein Wedeln sollte Sie auf die Hühner, die er mit seiner Naseangezogen" hatte, wie der Jäger sagt, aufmerksam machen; hätten Sie sich nun auch schußbereit gehalten, dann hätte Nero auf einen Wink von Ihnen, die Hühner aufgejagt, die in der kurzen Entfernung ein nicht zu verfehlendes Ziel bieten. Na, darum keine Feindschaft, für jetzt wollen wir die Hühnerjagd ruhen lassen und nach Hause gehen, um rechtzeitig zu Tisch gehen zu können. Dann legen Sie sich ein Stündchen aufs Ohr, und nachmittags gehen Sie auf den Rehbock; sehen Sie dort drüben jene Walbecke? Dort ist der Anstand; ich habe ein Loch graben und mit Zweigen überdachen lassen, so daß sie ganz bequem darin sitzen können. Der Wind steht ausgezeichnet und cs müßte ja nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn Sie den Bock nicht erlegten."

Die Herren hatten die Flinten auf den Rücken geworfen und den Landweg, der in den Gutshof führte, gewonnen. Herr Pohl war etwas niedergeschlagen, erstens wegen seines Miß­erfolges und dann wegen der Behandlung, die er dem armen Nero hatte angedeihen lassen.

Der Gutsbesitzer sah ihm seine trübe Stim­mung an und that das Möglichste, um ihn ihr zu entreißen.

Sehen Sie dort die Weidenbüsche? Das ist das sogenannte Luch; ein Wassertümpel, kaum so groß wie mein Hof, aber der Lieblingsaufent­halt von den wilden Enten, die vom Fluß her­überziehen und dort einsallen. Wenn Sie heute nachmittag auf den Anstand gehen. verfehlen Sie nicht einen Blick ins Luch zu thun; er könnte sich lohnen.

Die Mittagstafel war reich besetzt, der Wein trinkbar, die Unterhaltung animiert und unser Polizeirat bald wieder in guter Laune. Was lag auch schließlich an ein paar armseligen Reb­hühnern? Wenn er nur den Rehbock heute abend bekäme! Doch der war ihm nach der Darstellung des Herrn Schmid so gut wie gewiß; vielleicht schoß er sogar noch eine Ente hurrah. wie stolz sollte sein Leuchen auf ihren Otto als Jäger werden.

(Fortsetzung folgt.)

Kaufmännisches Deutsch. (Ein weiteres Beispiel.) Daß da viel gesündigt wird, weiß eigentlich Jedermann und doch nimmt man sich nicht die Mühe, ein ordentliches Deutsch zu schreiben. Nur einige wenige Beispiele: Eine Ungeheuerlichkeit allerschwersten Kalibers ist die Bildung des Wortesgrößtmöglichst". Wie oft kann man lesen:Wir bitten Sie. die Absend­ung der Waren mit größtmöglichster Schnellig- keit zu besorgen." Man bildet einen doppelten Superlativ, wahrscheinlich in der Meinung: Doppelt genäht, hält besser!", das ist aber ein Unding. Manche empfinden das denn auch und schreibengrößtmöglich". Aber auch das ist falsch: es kann nur heißenmöglichst groß" oder mitgrößter Schnelligkeit". Recht häufig begegnet man auch Wendungen, wie folgender: In Beantwortung Ihres Schreibens sind die 20 Ztr. Reis heute angekommen." Welcher Unsinn! In der Beantwortung eines Schreibens kann man wohl Mitteilen, daß die 20 Ztr. Reis angekommen sind, aber unmöglich können sie in

Beantwortun eines Schreibens ankommen.. Besserung thut not.

Vom Bodensee, 20. Nov. In Lindau kam dieser Tage eine tragikomische Heldenthat, bei der ein .Schiffsheizer in einer Rauferei wegen 10 einem anderen Heizer die Nasen­spitze abgebissen hatte, zur gerichtlichen Verhand- lung. Der Verletzte, der iünf Wochen in der Klinik lag. sah seine Nasenspitze in Spiritus auf dem Gerichtstische wieder. Der geschickte Beißer erhielt zwei Monate Gefängnis.

Wien. Anläßlich ber binnen Kurzem stattfindenden ersten Aufführung von Johann Strauß'Waldmeister" wird erzählt: Strauß machte in seinen Jünglingsjahren einer schönen Müllerstochter den Hof; er komponierte ihr zu Ehren ein LiedKlipp klapp." Als ihm das Libretto zumWaldmeister" von Gustav Davis vorgelegt wurde, fand er darin ein Lied:Klipp klapp" (in einer Mühle spielend). Der Meister erinnerte sich der schon längst vergessenen Me­lodie und benützte dieselbe für sein neues Werk. Das Lied enthält echt Strauß'sche Töne von einschmeichelnder Zartheit und Innigkeit.

(Wie viel Honig braucht ein Volk im Winter?) Die Jmkerschule von Pfarrer Wey- gand bringt einen interessanten Bericht über die von Dr. Tseselsky angestellten Versuche, um den Honigverbrauch eines Volkes im Winter zu er­mitteln. Das Endresultat der Zehrung vom 10. Oktober bis 1. April war im Durchschnitt folgendes: a) bei Freistandsüberwinterung in dünnwandigen Beuten 5,300 KZ, d) bei Frei- standsüberwinderung in doppelwandigen Beuten 4,050 KZ, o) bei Ueberwmderung im Keller 2.100 KZ, ä) bei llebcrwinterung in der warmen Stube 2,070 KZ, tz) bei Uederwinterung in der Erdmiete 2,050 KZ. Demnach zehrten die Völker, welche den Winter über dem Schooß der Erde anvertraut wurden, am wenigsten. Diese, sowie die im Keller und in der Stube überwinterten Völker, kamen am 1. April erst wieder auf den Stand, während die anderen Völker schon am 14. Januar einen Reinigungsausflug gehalten hatten. Hinsichtlich der Zahl der Toten soll kein wesentlicher Unterschied bemerklich gewesen sein.

(Privatier-Stolz.j Richter:Der Ange­klagte hat Sie also mißhandelt; waren Sie dadurch eine Zeit lang arbeitsunfähig?"- Zeuge:Herr Richter, ich kann doch gar nicht arbeitsunfähig werden; ich bin ja Privatier!"

(Litteraturgespräch.) Herr:Kennen Sie Schenkendorf, mein Fräulein?" Dame:Nein, aber in Reinickendorf bin ich schon gewesen!"

Telegramme.

Berlin, 22. Nov. Aus Sansibar wird gemeldet: Die Karawane des im Congostaate erhängten Stokes kam mit erbeutetem Elfenbein im Werte von 40 000 Pfund Sterling an der deutsch-ostasrikanischen Küste an.

Wien, 21. Novbr. Der englische Bot­schafter in Konstantinopel, Sir Philipp Currie, konferierte heute Vormittag mit dem Minister des Aeußern, Grafen Goluchowski, und wird heute Abend 11 Uhr nach Konstantinopel abreisen.

Paris, 22. Nov. Der Finanzminister ermächtigte den Syndikus der Börsenmakler zu erklären, die Orientfrage brauche die Geschäfts­welt nicht zu beunruhigen.

Chicago, 22. Nov. Gestern nachmit­tag brach in dem Geschäftsviertel ein großes Feuer aus. Der Schaden beträgt über eine Million Dollars.

New-Jork, 22. Novbr. Einem Tele­gramm aus Havanna zufolge nahm der Jnsur- gentenführer Gomez gestern das Fort Paleyo in der Provinz Santa Clara. Die Insurgenten sprengten in der Nähe von Santa Vita einen Teil des Eisenbahnzuges, worin sich General Balgez befand, mittelst einer Dynamitbombe in die Luft. 14 Soldaten wurden verwundet, Balgez blieb unverletzt und kehrte zu Pferde nach Jsperanza zurück.

Redaktion. DUtck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.