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gebracht 324 Stück Rindvieh, 19 Körbe Milchschweine, 62 Stück Läufer. Der Handel in Rindvieh zeigte sich ziemlich belebt bei zum Steigen neigenden Preisen. Milchschweine wurden mit 10—20 per Paar bezahlt.
Deutsches Weich.
Berlin, 13. Novbr. In der heutigen Sitzung der Kommission des Reichsjustizamtes, welcher der Kaiser beiwohnte, wurde zunächst ein Ueberblick über die Arbeiten der ersten und zweiten Kommission für das bürgerliche Gesetzbuch gegeben. Hierauf wurden Bestimmungen beraten, welche in das Einführungsgesetz zum bürgerlichen Gesetzbuch, betreffend das Anerbenrecht bei bäuerlichem Besitz, aufzunehmen sind. Als ein fernerer Gegenstand der Beratungen, betreffend das Eherccht, wird die Behandlung der schon bestehenden Ehen nach dem Inkrafttreten des bürgerlichen Gesetzbuches in Aussicht genommen.
Berlin, 13. Novbr. Heute Nachmittag 2 Uhr fand unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe eine Sitzung des Staatsministeriums statt. — Den Blättern zufolge empfing der Reichskanzler Fürst Hohenlohe den Präsidenten des Reichsvcrsicherungsamtes Dr. Bödiker zu längerem Vortrag über seine Vorschläge zu einer Reform der Versicherungsgesetzgebung.
Je näher der Termin zum Wiederzusammentritt des Reichstags heranrückt, desto eifriger beschäftigen sich die Organe der verschiedenen Parteien mit der Wahl der Reichstagspräsidenten. Wenn die beiden konservativen Fraktionen wieder wie bisher zusammenstehen, gebührt ihnen der Posten des ersten Präsidenten, es fragt sich nur, ob Herr v. Levetzow geneigt ist, sich nochmals wählen zu lassen. Das Zentrum, dem jedenfalls die erste Vizepräsidentenstelle gebührt, verlangt für den Frhrn. v. Buol-Beeren- berg wieder den ersten Posten. Am meisten umstritten ist die Frage, ob den Freisinnigen wieder eine Vizepräsidentensteüe eingeräumt werden kann und ob das Zentrum wieder durch 2 Mann im Präsidium vertreten sein darf. Gegen die Wiederwahl des Freisinnigen Schmidt werden nachdrückliche Bedenken persönlicher Art erhoben.
Wilhelmshaven, 13. Nov. Der Lloyddampfer „Salier" ist mit dem Ablösungskom- mando der Kriegsschiffe der westafrikanischen Station hier eingetroffen.
Breslau, 14. Nov. Heute Vormittag begann die Verhandlung gegen den sozialdemo- kratischenReichstagsabgeordneten Liebknecht wegen Majestätsbeleidigung. Der Zuhöreraum war überfüllt. Nach Schluß der Verhandlung beantragte der Staatsanwalt ein Jahr Gefängnis und Aberkennung des Reichstagsmandats. Das Urteil lautete auf vier Monate Gefängnis
München, 13. Novbr. Die Regierung soll nicht abgeneigt sein, die Kilometerhefte auf den Staatsbahnen einzuführen, soll aber erst die Meinungsäußerung der Abgeordnetenkammer abwarten wollen, um sich darnach zu richten.
Der badischeLandtag wurde am Dienstag vormittag um 11'/, durch den Präsidenten des Staatsministeriums, Dr. Nokk, im Aufträge des Großherzogs eröffnet. Die Thronrede kündigt an, die auf dem letzten Landtage von der Regierung ausgesprochene Hoffnung auf eine Reform des Reichsfinanzwesens im Sinne der fiananziellen Selbständigkeit des Reiches und der Beseitigung der Matrikular-Beiträge habe sich nicht erfüllt. DreRegierung werde Vorschlägen, bis auf Weiteres die Deckung der reinen Matrikular-Beiträge in der Form von Zuschlägen zur Einkommensteuer zu bewirken, und ob dadurch eine Erhöhung der Einkommensteuer erforderlich werden wird, bleibe von dem Bedürfnisse im Abschluß des Reichsetats abhängig.
Karlsruhe, 14. Nov. In der heutigen Sitzung des Landtags wurde die Wahl von Professor Heimburger (Demokrat) im 22. Wahlkreise Lahr-Land mit Stimmenmehrheit bean- standet.
In der antisemitischen Karlsruher „Volkswacht" erschien vor einiger Zeit folgende Warnung: „Vertrauet Euer Recht keinem
jüdischen Advokaten, vertrauet Euren Leib keinem jüdischen Arzt und vertrauet Eure Kinder keinem jüdischen Lehrer an. damit sie nicht Schaden nehmen an ihrem Leib und ihrer Seele." Die israelitischen Aerzte und Rechtsanwälte in Karlsruhe fühlten sich dadurch beleidigt und erhoben gegen den Redakteur der Volkswacht, Faaß, Klage. Das Schöffengericht verurteilte ihn zu 14 Togen Haft, sowie in die Kosten.
Badenweiler, 12. Novbr. Ein bemerkenswerten Fortschritt in der Entwickelung der hiesigen Verhältnisse hat uns die diesjährige Badesaison gebracht. Während des vergangenen Sommers ist nämlich das hiesige Bad an be- stimmlen Tagen zu festgesetzten Stunden der Schuljugend unentgeltlich geöffnet worden. Welche Wohlthat dies für die Kleinen war. konnte man ihren fröhlichen Gesichtern deutlich arischen.
Württemberg.
Die an der Bauingenieur-Abteilung der technischen Hochschule in Stuttgart neuerrichtete Hilfslehrstelle für Wasserversorgung rc. wurde dem Privatdozenten Dr. Lueger übertragen.
Gerabronn, 13. Nov. Bei der gestrigen Reichstagsersatzwahl im Kreise Gerabronn- Künzclsau ist der Kanditat der Volkspartei, Kupferschmied Augst, gewählt worden. Der bisherige Vertreter des Wahlkreises, Pflüger, der gleichfalls der Volkspartei angehörte, hatte fein Mandat wegen Kränklichkeit niedergelegt. Die Deutsche Partei hatte auf ein Eintreten in den Wahlkampf verzichtet, das Zentrum und die Sozialdemokraten hatten Gröber, bezw. Kloß als Kandidaten aufgestellt. Das Ziffernergebnis ist: Augst 5823, Gröber 2718, Kloß 236, Zerspl. 110. Es haben sich nur etwa 36 Proz. der Wähler an der Wahl beteiligt. Ueber 15000 Wähler sind zu Hause geblieben, der stärkste Beweis dafür, wie verfehlt es war, daß eine Aufstellung eines nationallibcralen Kandidaten versäumt wurde.
Vom Dienstag bis einschließlich Donnerstag dieser Woche wurde in dem großen Königsbausaal in Stuttgart ein sogen. Bazar abgehalten zu Gunsten der Erbauung einer neuen Eberhardskirche in Stuttgart. Der Bazar, welcher gleich bei der Eröffnung von beiden Majestäten, dem Herzogpaare Albrecht und den übrigen Prinzen und Prinzessinnen unseres Hofes besucht wurde, bietet ein ebenso schönes als reiches Bild. Junge Damen aus den besten Kreisen erschienen in oberbaherischen, elsässischen rc. Originaltrachten als Verkäuferinnen. In den Waren- wie in den Wirtschaftsbuden ging ein flottes Geschäft und das ganze Erträgnis aus diesem Bazar wird, da beinahe ausnahmslos nur geschenkte Gegenstände verkauft und von den Käufern freiwillig über den geforderten Preis bezahlt wurden, für den Kirchenbauverein von St. Eberhard ohne Zweifel eine beträchtliche Summe abwerfen, was dieser gut brauchen kann; denn eine Kirche, die mindestens 4000 Sitzplätze enthalten muß, kostet sehr viel Geld, mindestens eine Million, wenn nicht mehr.
In Stuttgart wie in einer ganzen Reihe von Städten unseres Landes haben am 11. Nov. dem Geburtstag unseres großen Reformators, zum Teil auch am Vorabend Luthcrfeiern stattgefunden.
Ein Diebstahl auf dem Stuttgarter Hauptpostamt hat in der letzten Zeit von sich reden gemacht. Die Zahl der entwendeten eingeschriebenen Briefe beträgt 16. Sieben davon enthielten Wertpapiere, welche der Dieb aus begreiflichen Gründen nicht an sich nahm. Aus den übrigen 9 Briefen dagegen siel dem Dieb, wie nunmehr fcstgestellt ist, Geld zu und aus einem derselben sogar die Summe von 500 Die Post hat die 9 eingeschriebenen Briefe als solche mit je 42 vIL zu bezahlen, erleidet aber selbst keinen Verlust, da die Unkosten von zwei Beamten, welche bis zu einer gewissen Beziehung die passive Schuld trifft, zu tragen sind. Vom Dieb hat man bis jetzt auch nicht die mindeste Spur.
Gingen a. B., 8. Novbr. Nach einer Mitteilung des hiesigen Stadtschultheißenamts an die Polizeibehörden des Landes wurde am
5. Nov. d. I. in unserer Stadt ein völlig mittelloser, etwa 10—12 Jahr alter Knabe aufgegriffen. welcher angiebt, daß er längere Zeit von Zigeunern in einer Kiste gefangen gehalten worden und daß er denselben vor ca. 14 Tagen in der Gegend von Paffau entlaufen sei. Derselbe will nicht wissen, wie er sowohl als auch seine Eltern heißen, außerdem nicht, wann und wo er geboren, bezw. wie alt er ist. Ueber den rätselhaften Findling wird nachstehendes Signal« element veröffentlicht; Größe 1,39,° w, Gesicht länglich, Augen blaugrau, etwas hervorstehend, Haare dunkelblond, Nase groß, Gestalt ist sehr kräftig gebaut.
Die bürgerlichen Kollegien in Untertürk- heim haben, um der Schuljugend mehr Gelegenheit zum Schlittschuhlaufen zu geben, die Errichtung einer Eisbahn beschlossen und für die Herstellung derselben 2000 ^ genehmigt.
Schwenningen a. N.. 11. Nov. Ein ausgesuchtes Bubenstück verübte auf der Fahrt von Schwenningen nach Deißlingen ein junger Fabrikarbeiter. Während ein anderer Arbeiter zum Fenster des Eisenbahnwagens hinaussah, stellte ersterer sein geöffnetes Messer auf den Platz desselben, so daß der Arbeiter beim Niedersitzen sich in dasselbe setzen mußte. Er erlitt eine tiefe schmerzende Stichwunde. Der Uebel» thäter wurde schlimm „verhauen" und dann der Polizei übergeben.
Ausland.
Wien, 13. Nov. Bei der heute wiederholten Bürgermeisterwahl erhielt Dr. Lueger 92 Stimmen; 45 Stimmzettel waren leer. Lueger erklärte, die Wahl anzunehmen, worauf der kaiserl. Kommissär Fribeis namens des Statthalters die Auflösung des Gemeinderats aussprach. — Während der Wahl waren die zum Reichsratsgebäude führenden Straßen polizeilich abgesperrt. Nach Beendigung der Wahl drängte sich eine große Menge gegen das Reichsratsgebäude. Berittene Polizei und Sicherheitswachen räumten die Straßen. Die Kundgebung wiederholte sich, als Dr. Lueger in geschloffenem Wagen vom Rathause fuhr. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen. (Diese Maßregel war bereits in Aussicht gestellt worden. Leider wird durch sie der Zwist eher vertieft und erweitert, als beigelegt oder gemildert werden. Gegenwärtig deuten alle Anzeichen daraufhin, daß die Antisemiten bei den anzuberaumenden Neuwahlen wieder siegen werden.)
Der furchtbare Kurssturz der Wiener Börse zu Ende voriger Woche hat die österr. Privatkapitalisten um mehrere hundert Millionen geschädigt. Es ist kein Zweifel, daß das tolle Treiben der Wiener Börsianer, ohnehin eine fortgesetzte Gefahr für den Volkswohlstand, diesen Krach verursacht hat. Derselbe gab nun den Antisemiten im österr. Landtag erwünschte Gelegenheit, sehr scharfe Anträge gegen die Börse zu stellen und der Regierung heftige Vorwürfe wegen ihrer Duldung jenes Börsenunfugs zu machen. Schließlich wurde ein Antrag der Deutschliberalen angenommen, die Regierung solle die Ursachen jenes Krachs untersuchen und das Ergebnis dieser Untersuchung dem Abgeordnetenhause baldmöglichst mitteilen.
Das französische Ministerium Bourgeois hat einen Geniestreich verübt, der ihm viel Feinde gemacht hat. Es stellte den überaus geschäftstüchtigen Präsidenten der großen Hypothekenbank „Credit foncier" namens Christophle vor die Wahl, entweder auf sein Abgeordnelen- mandat oder auf seine Stellung beim „Credit foncier" zu verzichten. Christophle that letzteres und brachte damit den noch fehlenden Tropfen in das übervolle Faß der Pariser Ueberspekulation, welche nun zusammenkrachte, weil ihr der „Credit foncier" keine Hilfe mehr gewährte. Die übrigen großen Finanzinstitute beraten jetzt mit der Regierung, was zu thun sei, um weiteres Unheil von den französ. Kapitalisten abzuwenden. — Die französ. Regierung hat ihre Mittelmeerflotte, welche sonst während des Winters in der Nähe der türkischen Küste in Kleinasien zu üben pflegte, einen ganzen Monat früher als gewöhnlich dorthin abgeschickt.