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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

(Eingesandt zur Reichstagswahl.s Bei einem Reichstagsabgeordnelen kommt es vor Allem darauf an, ob er ein gewissenhafter, seiner Aufgabe gewachsener und auf das Wohl des Volkes bedachter Mann ist. Ist er das, dann ist er gleich hochzuschätzen, ob er adelig oder bürgerlich ist. Im Krieg von 1870 hat Niemand den Feldmarschall von Moltke den Freiherrn, oder dem Reichskanzler von Bismarck den Grafen zum Vorwurf gemacht. Trotz ihres Adels war man an ihnen froh, weil sie tüchtige, um das Vaterland hochverdiente Männer waren. Ohne irgendwie eine Vergleichung sonst an. stellen zu wollen, weisen wir darauf hin. daß die Demokratie im Jahre 1890 im VIII. Wahl­kreis ohne jedes Bedenken den Freiherrn von Münch gewählt hat. Also die Ausstellungen wegen dem Baronen sind eitel Flunkerei! Was sich bewährt hat, wirft man nicht weg. Nicht olle Neuerungen sind gut; im Gegenteil, das Alte ist oft viel besser als das Neueste. Warum soll denn Gültlingen verdrängt werden? Die Demokratie sagt, er ist ein Baron und kein Demokrat, also fort mit ihm. Es wäre an der Zeit, den übelwollenden und sinnlosen Schimpfer- ereien kein Gehör mehr zu schenken und einem Manne das ihm gebührende Vertrauen zu er­weisen, der in Worten und Werken für das Volk schon etwas geleistet hat. Sehen wir hinein unter die Menschen, so kommt es bei dem Charakter nicht auf die Geburt an. Der Charakter ist bei Adeligen und Bürgerlichen derselbe. Unter beiden Ständen giebt es gute und schlechte, edle und unedle Leute. Die Gesinnung eines Menschen hängt nicht von der Geburt ab. Gült­lingen ist ein trefflicher und tüchtiger Mann, ein Edelmann im wahren Sinne des Worts, der es mit seinen übernommenen Pflichten genau nimmt und sein Mandat gewissenhaft ausgeübt hat. Er ist ein guter Redner und imstande, im Reichstag auch seiner Ueberzeugung Ausdruck zu geben, wie er dies schon oft gethan hat. Er hat ein warmes Herz für das Volk, Er hat dies unter anderem auch dadurch bewiesen, daß er im Notjahr 1893 seinen Pächtern den größten Teil des Pachles erlassen hat u. daß er im Landtag sür Abgabe von Waldstreu energisch eingetreten ist. Die Hagelbeschädigten im Nagoldthal haben es ihm zu verdanken, daß von der Berliner Gabe 300 unserem Bezirk zugekommen sind; außerdem hat er selbst durch eine Sammlung 1000 aufge. bracht. Es wäre undankbar von den Wählern, wenn sie einen Mann verlassen wollten, der nach Kräften für das Wohl des Volkes einge­treten ist. Einer der edelsten Vorzüge, welche die Bewohner des Schwarzwaldes auszeichnen, ist die Treue. Diese Treue laßt uns halten bei der Wahl am 12. November ds. Js.

(Wahlkampfblüten.) Eingesandt. Der »Neue Albbote" sitzt in seinem Ebingen zwar weit vom Schuß, so schreibt dieWürtt. Volks- zeitung", er will aber doch auch den volkspartei­lichen Kandidaten im 7. Wahlkreis Wasser auf seine Mühlen treiben. Er nimmt den Mund gleich recht voll und donnert den Bauern des 7. Wahlkreises wutentbrannt einen aus der hintersten Rumpelkammer volksparteilicher Rhe­torik hervorgeholten Bombenunsinn in's Gesicht. »Ja Bauer, paß wohl auf! Für den vorwärts drängenden, mit Privilegien ausgestopften, auf Sonderrechte beharrenden, auf Volksverdummung hinarbeitenden, die Steuern dem Volk aufbürden­den Geld- und Titcladel warst du bisher als Stimmvieh und sonst nichts weiter ganz recht, du wirst es aber, °da du es gemerkt und bittere Erfahrungen gemacht hast, heute nicht mehr wollen. Darum rafft euch auf, Männer des Volkes, und gebt dem Adel den Laufpaß, ihm, der so gerne die alten Zustände der Leib- eigenschaft wieder haben möchte." Herr v. Gült- lingen ein Vorkämpfer der Leibeigenschaft! Mehr kann man nicht verlangen. Weißt du was, edler Neuer Albbote". wenn Herr v. Gültlingen ein Vorkämpfer der Leibeigenschaft ist. dann ist Herr Schuster von Deufringen ein Anarchist das eine ist so wahr wie das andere.

T Neuenbürg. (Die Börsenreform.) Die Mängel des Börscnwesens, welche sich gerade in den letzten Jahren durch eine ganze Reihe bekannter Katastrophen von Bankhäusern in mehr oder weniger drastischer Weise gezeigt haben, wurden bekanntlich zum Anlaß der Einberufung einer Enquetekommission von Sachverständigen durch den Reichskanzler im April 1892. Die Kommission arbeitete sehr gewissenhaft und sehr fleißig, sie konnte am II, Februar 1893 ihren Schlußbericht der Regierung und dem Reichstage vorlegen, und auf Grund der Ergebnisse, zu welchen die genannte Kommission in diesem Be­richte gelangte, erfolgte dann die Ausarbeitung eines Börsenreform-Gesetzentwurfes für ocn Reichstag. Die Vorlage wurde auch vom Bundes­rate noch durchberaten und genehmigt, gerade zum Zeitpunkte, als sich die ausgedehnte vorige Reichstagssession ihrem Ende zuneigte. Es mußte deshalb davon abgesehen werden, das Parlament damals noch mit dieser wichtigen neuen Materie zu befassen, voraussichtlich wird aber die Börsesreform-Vorlage dafür dem Par­lamente in der bevorstehenden Wintersejsion baldigst zugehen. Es ist eine bekannte Sache, daß der Entwurf von jenem Teile der Presse, der wesentlich mit die Interessen der Hochfinanz und der Börse verficht, also bekanntermaßen vorzugsweise von der freisinnigen Presse, seiner­zeit abfällig kritisiert wurde, man sprach von drakonischen Straf- und Polizeibestimmungcn, durch welche das ganze Börsengeschäft in eine Zwangsjacke gesteckt und ihr einebefruchtende" freie Lebensbethätigung unmöglich gemacht werden würde. Solche Jeremiaden über die mutmaß­lichen Wirkungen des geplanten Börsenreform­gesetzes sind natürlich weit übertrieben, es läßt der Börse noch mehr als genug Selbstständigkeit und Bewegungsfreiheit, geht aber allerdings längst anerkannten schweren Mißständen des Börsentreibcns scharf zu Leibe. Sicher ist der Entwurf noch verbesserungsbedürftig, aber die Hauptsache bleibt doch, daß mit ihm die ganze Frage der Börsenreform endlich einmal zur ge­setzgeberischen Lösung vor den Reichstag gelangt; von der parlamentarischen Erörterung des Ent­wurfs steht dann zu hoffen, daß sie dessen Un­klarheiten und Schwächen beseitigen werde. Von unserem bisherigen Reichsboten, von Gültlingen, wären wir sicher, daß er für eine Börsenreform eintrelen würde.

f Arnbach, 8. Novbr. Gestern abend starb hier Andreas Jäck, Rothenbacharbeiter. Derselbe hatte sich vor einigen Tagen eine un­bedeutende Verletzung an der Hand zugezogen. Er beachtete anfangs die Wunde nicht. Es trat aber bald Blutvergiftung ein und der Unglück­liche, Vater von 4 unmündigen Kindern, erlag denselben unter fürchterlichen Schmerzen. Wieder ein Fall, der zur Vorsicht auch bei den kleinsten Verletzungen mahnt.

Altensteig, 7. Nov. Auf Schwarzen- berger Markung kamen in voriger Woche die Waldungen des verst. Karl Frey, Schultheißen in Schwarzenberg, zum Verkauf. Von Bier­brauereibesitzer Sinner in Grünwinkel bei Karlsruhe wurden 250 Morgen um 175 300 ^ erstanden.

Neuenbürg, 9. Nov. (Schweinemarkt). Etliche 40 St. Milchschweime wurden bei leb­haftem Handel zu 911 per Paar verkauft.

Württemberg.

Bon seiten desLandesverbandes der Wirte Württembergs" ist dieser Tage eine Eingabe an die Generaldirektion der württembergischen Ver­kehrsanstalten gerichtet worden, es möge bei Ber- gebung von Wirtschaftsbetrieben oller Art nicht Brauereien, sondern der konzessionierte Wirls- stand bevorzugt werden; auch an das Ministerium des Innern ist eine Eingabe gerichtet worden behufs gutachtlicher Beiziehung der Wirtsvereine zur Prüfung der Bedürfnisfrage bei Konzejsions- erteilungen.

Ludwigsburg, 8. Nov. Wie bestimmt verlautet, besteht die Absicht, in unserer Stadt ein Volksbad zu errichten, ähnlich dem Schwimmbad in Stuttgart. Dasselbe soll mit elektrischer Beleuchtung versehen werden. Es

I steht in Aussicht, daß sich die hiesigen größeren Fabriken an der Einrichtung der elektrischen Beleuchtung beteiligen. Als Platz für das neu zu errichtende Volksbad ist vorerst das Westende der Stadt in der Nähe des Schlachthauses und der Frank'schen Cichorienfabrik ausersehen.

Der Vatermörder Roth in Meßstetten hat nun ein Geständnis dahin abgelegt, daß er seinen Vater im Stalle mit einem Beil vorsätz­lich erschlagen habe, als dieser im Begriff war, eine Kuh zu melken. Der Schädel des Er­mordeten soll 17 Brüche und Wunden zeigen. Daß der Ermordete ahnungslos überfallen sein .mußte, wurde von erster Stunde an deswegen angenommen, weil der alte Roth ein großer starker Mann war, der seinen Angreifer stets überwunden hätte. Der Mörder ist das einzige Kind, die Mutter starb vor mehreren Jahren, weshalb Vater und Sohn allein wohnten und den Haushalt besorgten. Der Bursche ist nach Balingen ins Gerichtsgefängnis verbracht worden.

Leonberg, 7. Nov Für die hiesigen Abgebrannten sind bis jetzt außer Kleidungs­stücken und Naturalien über 26 000 einge­gangen. Das Forsthaus wurde vergangene Woche von 11 abgebrannten Familien bezogen.

Ausland.

Wien, 8. Novbr. Die Antisemiten stellten heute im Reichsrat einen dringlichen An­trag, die Regierung möge ihre Entscheidung in der Angelegenheit Luegers begründen. Der An­trag ist unterstützt von den Dcutschnationalen, den Jungczechen und den Deutschklerikalen. Eine heute von derNeuen Freien Presse" ange« kündigte antisemitische Srraßenkundgebung vor dem Reichsral hat nicht stattgefunden, doch traf die Polizei besondere Vorsichtsmaßregeln. Wie cs heißt, wollen die Antisemiten bis zur Neu­wahl Luegers am nächsten Donnerstag Ruhe halten. Die Pest er Universitätsjugend der verbündeten Nationalitäten, Rumänen, Slovenen und Serben, begrüßte Lueger telegraphisch als Vorkämpfer der christlichen Völker und als Freund der unterdrückten Nationen.

Aus Holland, 5. Nov. Aus Amsterdam wird demN. W. Tagbl." gemeldet: Ein un­gewöhnlicher Raubansall ruft größtes Auf­sehen hervor. Vierzig mit Knitteln bewaffnete Burschen drangen nach Mitternacht in die Kaffee­häuser der Warmonsstraße, einer der belebtesten Straßen Amsterdams, in der Nähe des Königs- Palastes, ein und zwangen die anwesenden Gäste, ihnen die Portemonnaies, Uhren und sonstige Wertgegenstände auszuliefern. Wer sich weigerte, wurde mit den Knütteln gehauen. Erst nach einer Stunde konnte dem Treiben durch das Erscheinen von 25 Polizisten ein Ende gemacht werden. Die Raubgesellen wurden festgenommen.

Vermischtes.

Straßburg. Zur Warnung! Erst vor kurzer Zeit fiel ein Bäckergeselle von Aus­wärts hier Bauernfängern in die Hände. Gestern wurde wiederum einem Bäckergesellen von aus­wärts von Bauernfängern im Kümmelblättchen­spiel seine ganze Barschaft abgenommen. Einer der Spieler ist ermittelt und in Haft gebracht worden. Die anderen werden folgen.

Das große Loos von 500000 »16, das auf Nr. 14 842 in eine Breslauer Kollekte ge­fallen ist, kommt, wie man demB. T." meldet, ausschließlich kleinen Leuten zugute. Ein Tischler­meister und seine zwei Gesellen sind mit je einem Zehntel an dem Gewinne beteiligt.

Mit Rücksicht auf die Reichstags­wahl am Dienstag wollen wir die nächste Nr. (das Dienstagsblatt) am Montag vormittag ausgeben, so rechtzeitig, daß es noch mit den um 12 Uhr abgehenden Postboten Beförderung findet. Größere Inserate hiefür müssen heute Samstag abend, kleinere bis Montag früh 8 Uhr eingercicht sein, wenn sie noch Aufnahme finden sollen.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck undIBerlag von T. Meeh in Reuenbürg.