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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Von der Evang. Oberschulbehörde wurde die zweite Schulstelle in Bonlanden. Bezirk Plieningen, dem Schullehrer Eisenmann in Conweiler, die Schulstelle in Würzbach, Bez. Calw, dem Schulamtsverweser Veit daselbst übertragen.
Seine Maj. der König hat die Revisorstelle bei der Oberrechnungskammer in Stuttgart dem Kameralamtsbuchhalter Sailer, Kanzlei- Hilfsarbeiter bei der Oberrechnungskammer, (vorher in Neuenbürg) übertragen.
Zur Reichstagswahl. (Eingesendet.) Am kommenden Dienstag den 12. d. M. findet Reichslagswahl statt. Wenn man aber an- nehmen sollte, daß sich der ganze Bezirk in voller Wahlbewegung befinde, so kann man dies bis dato ruhig verneinen. Wohl finden seit einiger Zeit da und dort, besonders in den Orten, deren Bewohner großenteils nach Pforzheim ihren Schwerpunkt haben, gewisse Versammlungen statt. An Kandidaten fehlt es nicht, man munkelt sogar, daß neben dem Sozi, neben dem auf den Schild erhobenen demokratischen Freiheitsmann und seinem Gegner, dem Judenfeind, auch noch einer von der Schwarzen Farbe in der Person des Hrn Gröber als Zählkandidat aufgestellt zu werden im Werke feie. Was es damit für ein Bewandtnis hat, muß erst noch bestätigt werden. Unter allen Umständen ist man in unseren Gauen an solch ein sonderbares Kleeblatt nicht gewöhnt. Es ist zu viel der Kost. Wem fällt dabei nicht ein „Sucht nur die Menschen zu verwirren, sie zu befriedigen ist schwer", aber auch „Es giebt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumen läßt." In den Nachbarstädten Herrenberg und Nagold trat der demokratische Kandidat am Samskag und Sonntag erstmals auf den Plan, um sich als Neuling in unserem Wahlbezirk vorzustellen. Man sagl ihm nach, daß er sehr bescheiden auftrete, daß er von der hinter ihm stehenden Partei geschoben werde. Um so redegewandter seien die ihn begleitenden Stuttgarter Rechtsanwälte wie Konrad Haußmann, der 2'/s Stunden lang in jeder Versammlung zu sprechen pflege, um schließlich den auserkorenen Kandidaten den Wählern 'zu empfehlen. Der Bezirk Neuenbürg scheint als letzte Etappe in dem Wahlfeldzug ausersehen zu sein. Es ist dem Herrn Müller und Landwirt eben auch nicht möglich, zu gleicher Zeit in Person überall zu sein; dafür hat er aber, wie schon gesagt, kräftige Unterstützung durch Gesinnungsgenossen, denen die nötige Zeit zur Verfügung steht. So ist seit Beginn dieser Woche Hr. Buchhändler Galler von der Residenz Stuttgart daran, die Bezirksorte zu bereisen und in Wahlversammlungen Allokutionen in waschecht demokratischem Sinne zu halten. Wer die Wahl, hat die Qual. Bei der großen Zahl der Kandidaten ist eine Stimmenzersplitterung unvermeidlich und eine Stichwahl mit all ihren häßlichen Hetzereien und Folgen fast wahrscheinlich, wenn nicht die Freunde der Kandidatur unseres bisherigen Vertreters im Reichstag, Hrn. v. Gültlingen, nicht mannhaft zusammen- treten, wenn sie sich nicht bewußt wären, daß es gilt, im Auge zu behalten, daß der Wahlkreis auch fernerhin durch einen nationalgesinn- tcn Mann vertreten sei. Die Ansichten und Wünsche der einzelnen Wähler, auch wenn sie ein- und derselben Partei angehören, können ja in wirtschaftspolitischen Fragen manchmal ver- schieden und dies mag auch in Bezug auf die Haltung des bisherigen Reichsboten da und dort der Fall sein, aber den anderen Kandidaten gegenüber möge man doch bedenken, daß ein treuer Zusammenhalt reichsfreundlich gesinnter Wähler notwendig ist. Durch die Folgen eines leidigen Krankseins verhindert, ist es diesmal — besonders bei der Kürze der Zeit — dem Hrn. v. Gültlingen bedauerlicherweise nicht möglich, persönliche Wahlreisen zu machen, da er aber ein alter Bekannter ist, so werden seine zahlreichen Anhänger im Bezirk um so mehr in Wort und That für ihn eintreten. Seine Ansprache an die Wählerschaft ist so schlicht und recht, daß man derselben bei dem überzeugungstreuen Charakter und dem Ver
ständnis für die hervortretenden Fragen unseres > bisherigen Vertreters volles Vertrauen entgegenbringen kann. Bei ihm heißt es nicht: „Die Gründe der Regierung kenne ich nicht, aber ich muß sie mißbilligen." Er prüft und geht der Sache auf den Grund, er spricht jederzeit und wo er steht, rückhaltlos seine Ueberzeugung aus und dies ebenso freimütig dem Regierungstisch als Anderen gegenüber. Also auf zur Wiederwahl unseres bewährten Gültlingen.
Calw, 3. Novbr. Gestern abend erlag Mädchenschullehrer Wilhelm Roos, von einem Spaziergang heimkehrend, einem Schlaganfall. Derselbe war nahezu 30 Jahre hier als Lehrer und Organist thätig.
Pforzheim, 2. Nov. In einer Beratung der evang. Kirchengemeindcversammlung vom 3l. Oktober wurde beschlossen, die Pfarrwah l, welche schon so viel Staub aufwirbelte, nächsten Dienstag vorzunehmen. Es ist ein älterer, tüchtiger Geistlicher des Oderlandes zur Wahl vorgeschlagen; er wird auch einstimmig aus der Urne hervorgehen. — Im Kaufmännischen Verein sprach Prof. Dr. van der Borght aus Aachen über das Thema: „Krieg und Volkswirtschaft". Der gewandte Redner erntete durch seine interessanten Ausführungen den lebhaftesten Beifall des zahlreichen Publikums.
Pforzheim. 4. Novbr. Wegen Erweiterung der Grösselthaler Wasserleitung, Aufstellung eines Kanalisationplanes für die hiesige Stadt, sowie wegen der alten Wasserleitung haben sich Stadtrat. Baukommission, Finanzkommijsion, sowie der geschäftsleitende Vorstand der Stadtverordneten unter Beizug des Gr. Amtsvorstandes, der Vorstände der Wasser- und Straßenbau-Sektion und des städt. Tiefbauamtes mit dem Sachverständigen Prof. Dr. Lueger in Stnttgart beraten und wurden die daselbst gestellten Anträge vom Stadtrat gutgeheißen.
Pforzheim, 4. Nov. Die in Nr. 170 vom 25. Okt. mitgeteilte Korrespondenz, wonach bei dem Städtchen Nagold eine solche Menge von Flößen lagern — nahezu 100 —, daß bei eintretendem Hochwasser dem Flußgebiet Gefahr drohe, entspricht den thatsächlichen Verhältnissen nicht, ja sie ist übertrieben. Erkundigungen an zuständiger Stelle haben ergeben, daß auf der oberen Nagold im Ganzen höchstens noch 15—20 Flöße, von welchen ein Teil noch nicht eingebunden ist, zur Verflößung kommen. In der Gegend des Städtchens Nagold lagern gar keine Flöße und waren auch keine gelagert.. In der Mohnhardter Wasserstube, 2 Stunden oberhalb der Stadt Nagold, kann es Vorkommen, daß ganz vorübergehend höchstens 4—7 Flöße zu gleicher Zeit lagern, in der Regel lagern nur 2—3 Flöße daselbst. Bon einer durch die Flöße bei plötzlich eintretendem Hochwasser drohenden Gefahr kann nach Lage der Sache also nicht die Rede sein.
Deutsches Reich.
Potsdam, 5. Nov. Der König von Portugal ist gestern Abend abgereist. Der Kaiser gab ihm das Geleise zum Wildparkbahnhofe und verabschiedete sich herzlich von ihm. — Die gestrige Meldung, daß der Kaiser den König von Portugal g, la, 8uito des Infanterie-Regiments Nr. 20 gestellt habe, ist dahin zu berichtigen, daß der König zum Chef dieses Regiments ernannt wurde, dessen früherer Chef schon sein Vater gewesen ist.
Berlin. 5. Novbr. Im Reichsamt des Innern ist gestern vormittag die Konferenz von Bertrauensmännern eröffnet worden, in welcher die gesetzlichen Maßnahmen betreffs der Arbeiterversicherung beraten werden sollen. Hauptsächlich steht im Vordergrund die Frage der Revision der Alters- und Invaliditäts-Versicherung. Das Reichsamt des Innern und das Reichsversicherungsamt haben in dieser Richtung eine Vorlage entworfen und der gestern zusammen getretenen Konferenz unterbreitet. Außerdem soll die Frage der Verschmelzung der Unfall- Versicherung, der Kranken-Versicherung und der Alters- und Jnvaliditäts-Versicherung zur Diskussion gestellt werden. Von dem Ausfall der . Erörterung über die letztere Angelegenheit wird
es abhängen, ob die Regierung sich dazu entschließen wird, gesetzgeberisch vorzugehen.
Berlin, 6. Nov. Die Mitglieder der Konferenz zur' Besprechung der Revision der Versicherungsgesetzgebung sind auf Mittwoch Abend bei dem Haudelsminister Freiherr von Berlepsch zu einem Glase Bier eingeladen.
Berlin, 4. Nov. Der „Lokalanz." meldet aus Eydkuhnen: Auf dem Onegasee ereignete sich ein furchtbares Unglück. 3 von einem Bugsierdampfei geschleppte Holzkähne stießen an das Fundament eines Leuchttucms. Sämtliche Schiffe zerschellten, wobei 11 Personen ertranken.
Berlin, 5. Nov. Der Lokalanz. meldet aus Konstantinopel: Zwischen dem russischen Dampfer „Zarewitsch" und dem deutschen Dampfer „Berrhilde" fand ein Zusammenstoß im Bosporus statt. Beide Dampfer wurden stark beschädigt. — Dasselbe Blatt meldet aus Amsterdam: 40 mit Knitteln bewaffnete Burschen drangen nach Mitternacht in dre Kaffeehäuser der Warmusstraße ein und zwangen die Gäste, ihre Wertgegenstände auszuliefern. Wer sich weigerte, wurde geprügelt. Erst nach einer stunde wurden die Raubgesellen verhaftet.
München, 5. Nov. Die Wirkung der 2jährigen Dienstzeit äußert sich im bayerischen Etat durch eine Ersparnis von 2628 »fL infolge Rückgangs der milrtär. Bestrafungen. — Die Generaldirektion der bayr. Staatseisenbahnen hat in Uebereinstimmung mit den württemb. und badischen eine Unterbrechung der Sonntagsruhe im Güterverkehr dahin angeordnet, daß vom vorigen Sonntag an Kohlenzüge aus dem Ruhrgebiet auch an Sonntagen expediert werden dürfen, so lange, bis der Gcsamlbedarf gedeckt ist. — Die M. N. N. melden aus Berlin: Frau Justizrat Groddek als Erbin des wissenschaftlichen Nachlasses Nachtigals hat der Gesellschaft für Erdkunde 60000 ^ zur Erbauung eines eigenen Hauses vermacht. — Heute Vormittag stürzte infolge Ueberlastung das Baugerüst des Kuppelbaus der neuen Passage an der Schwanthalerstraße ein. 2 Arbeiter wurden getötet, 3 lebensgefährlich und 2 leicht verletzt.
Dortmund, 6. Nov. Endresultat der Stichwahl. Möller erhielt 21408, Lüttgenau 24 465 Stimmen.
Lahr. 4. Nov. Durch einen eigentümlichen Zufall, nämlich durch einen Formfehler, der 25 Jahre zurückliegt, wird im 21. Landtagswahl- bezirk, Lahr-Stadt, eine nochmalige Wahl notwendig. Der am 19. v. Mts. einstimmig gewählte Rentner und frühere Apotheker, Stadtrat Höring, ist nämlich von Geburt Würltemberger, hätte aber, als er vor 25 Jahren seine Apotheke hier kaufte, zugleich mit der Konzession, wie es nach damaliger badischer Ordnung noch erforderlich war, auch um die Verleihung des badischen Staatsbürgerrechtes nachgesucht. Seit der s. Z erfolgten Erteilung der Konzession glaubte sich Höring wie auch seine Mitbürger im Besitze des bad. Staatsbürgerrechts. Aus Anlaß seiner Wahl zum Landtagsabgeordneten wurde nun eine Bescheinigung über den Erwerb desselben einverlangt. Eine solche hatte aber Höring, wie es scheint, s. Z. mit der Apolherkonzeffion nicht erhalten und, da sich auch bei den Akten keine vorfand, mußte der Form nachträglich noch genügt und infolge dessen auch eine neue Wahl angeordnet werden, welche am 11. d. M. stattfinden wird.
Die heurige Besuchsziffer Baden-Badens ist die höchste, die jemals erreicht wurde, sie betrug 63 156. Im Jahre 1869, der stärksten Frequenz zur Spielzeit, belief sich die Fremdenzahl nur auf 62037. Im Jahre 1890 wurde diese Zahl schon überholt (62137).
Aus Baden, 2. Nov. Es mehren sich die Nachrichten aus den Weingegenden, daß neben der Güte auch die Menge doch noch besser ausgefallen ist, als man vielfach erwartete; auch mit dem Absatz des Weines und mit den Preisen scheint man im ganzen zufrieden, doch wirb auch aus einzelnen Orten mitgeteilt, daß das Erscheinen zahlreicherer Käufer ersehnt wird. — Dem Vernehmen nach soll für Fahrradbesitzer der Erwerb einer Legitimationskarte mit einer Taxe von 5 ^ eingeführt werden, im Zusammenhang mit der Erlassung einer Fahrradordnnng für das