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Ehepaar Schwartz. Schwarz wurde zu fünf Jahren Gefängnis und 5000 Franken Geldstrafe, Frau Schwartz zu drei Jahren Gefängnis und 3000 Franken Geldstrafe verurteilt, beide unter Verbot des Aufenthalts in Frankreich und unter Verlust der bürgerlichen und der Familienrechte auf zehn Jahre.
Ueber die gemeldeten jüngsten Christ engemetzel in Kleinasien liegen noch immer keine zuverlässigen Nachrichten vor. Die Botschafter in Konstantinopel haben es daher auch einstweilen abgelehnt, der Bitte des armenischen Patriarchen um Schutz der Armenier seitens der Mächte nachzukommen, weil einerseits eine Intervention auf Grund unbeglaubigter Meldungen unmöglich ist, während anderseits die Pforte den Armeniern die Schuld an allen Vorkommnissen der jüngsten Zeit beimißt.
vermischtes.
Aus den Kaisertagen im Reichsland teilt der Berichterstatter der „Köln. Ztg." einige Beobachtungen mit, die hier interessieren werden. Er schreibt: „Der zweisitzige gelbe Jagdwagen des Kaisers ist dem Sitze gegenüber mit einer Uhr mit großem Zifferblatt ausgestattet. Daneben ist links ein Behälter für die Patronen, rechts ein anderer für ein Opernglas und darüber ein Gestell für eine kurze zweiläufige Jagdbüchse angebracht. Die vier ungarischen Jucker, die mit dem leichten Gefährt sehr große Entfernungen in unglaublich kurzer Zeit zurücklegen, sind ein Geschenk des Kaisers von Oesterreich an unsern Kaiser; schlankgebaute, mittelhohe Grauschimmel, die mit dem Gsenbahnfahren auf so vertrautem Fuße stehen, daß sie, während sich fast jedes andere Pferd gegen die Unterbringung in Eijenbahnwaggons sträubt, nach dem Ausspannen ohne jedes Drängen von selbst in den ihnen zugewiesenen Wagen spazierten. Besonders fern geschult muß auch das Reitpferd des Kaisers sein. Ueberaus feurig beim Heransprengen. stand es während der Feierlichkeit von Wörth trotz Kanonendonners, Musik und Menschengetümmels. ohne eine Muskel zu rühren, wie aus Marmor gemeißelt da."
Ein Begrüßungsschreiben war an den Kaiser anläßlich seines jüngsten Aufenthaltes in Elsaß Lothringen von einem jungen Lothringer gerichtet und zu etwaiger Beantwortung eine Briefmarke beigefügt worden. Hierauf ist dem Briefschreiber vom Oberhofmarschallamt folgender Bescheid nebst Einlage zugegangen: „Zehn Pfennig, welche Sie als Briefbeschwerer Ihrem Sr. Maj. dem Kaiser übermittelten Glück Wunsch beigefügt hatten, erhalten Sie hiermit unter Beifügung eines Gnadengeschenks von 10 vkL wieder zurück.
Der „Blut- und Todesritt" der Seydlitz-Kürassiere und altmarkischen Ulanen in der Schlacht bei Mars la Tour war bis jetzt nur durch Freiligraths Gedicht „Die Trompete von Gravelotte" künstlerisch verewigt. Das Lahr, das die Erinnerungen an den großen Kricgsso lebhaft erwachen läßt, hat die Kunde von jenem Heldenstück auch durch ein Denkmal aus Stein und Erz der Nachwelt überliefert. In Quedlinburg, wo seil langer Zeit ein Teil jenes Kürasster-Regiments steht, wurde nach Bericht der „Tgl. R." am 27. Okt. ein Kriegerdenkmal eingeweiht und enthüllt, durch das der Künstler Anders in Berlin im Besonderen an jene Schlachtscene erinnern will. Auf hohem Sockel aus poliertem Granit erhebt sich die Gestalt eines jungen Kriegers. Hoch aus bäumt sich ein Roß, um über einen Baumstumpf und Bruchstücke von Kanonen hinwegzusetzen. In seiner Linken schwingt der Krieger die aufgeraffte Standarte. Die Rückseite des Sockels zeigt die beiden ersten Strophen des Freiligrathschen Gedichtes. Der.Dichter Julius Wolf sprach ein schwungvolles Weihegedicht, das mit den Worten schloß: „Den Nachgeborenen sei's ins Herz geschrieben, daß eines Volkes Heil darauf beruht, bis in den Tod das Vaterland zu lieben, — ihm freudig hinzugeben Gut und Blut. — Drum, wenn verwittert dieses erzne Bild. —
wenn Krieg und Kriegeshelden schon umwoben
— von Sage sind, noch dann wird sich's erproben: — Mannstreue ist des Reiches Schwert und Schild." —
Münster, 1. Nov. Ein „Anti-Katzen- verein" besteht in Münster i. W. Man hat nämlich die. Erfahrung gemacht, daß die vielen Katzen für Landwirtschaft und Gartenbau vom Nebel sind. Die Katze fängt nur so lange Mäuse, als es deren nicht zu viele giebt. Sie ist eine Feinschmeckerin. Sobald sie sich an den Mäusen übersättigt hat, treibt sie mit wahrem Blutdurst die Vogelfängerei. Jede Katze, die sich nicht auf Haus und Scheune beschränkt, ist schädlich. Dem „Anti-Katzenverein" in Münster sind im letzten Jahre 1579 Schwänze erschlagener, herumstrolchender Katzen eingeliefert worden.
Meran. 20. Okt. Auf einer jüngst hier abgehaltenen Versammlung österreichischer Gastwirte wurde, wie schon berichtet, beschlossen, daß die Kellner und auch die HH. Hausknechte, ihrem Wunsche gemäß, in Zukunft nicht mehr bei ihrem Vor-, sondern bei ihrem Familiennamen gerufen werden sollen. Diese Neuerung gibt österreichischen Blättern Stoff zu folgendem Zukunftsbild: Stammgast: „Jean! Was ist denn? Was essen möchl' ich!" Jean: „Bitte gleich, bitte sehr! Muß aber auch recht schön bitten, Herr v. Biegler, daß S' mich nimmer Jeanrufen." Stammgast: „Hm?" Jean: „Sie wissen ja, Herr v. Biegler, die neue Ordnung. Die Kellner müssen beim Familiennamen".
— Stammgast: „Ah, ja richtig. Alsdann wie heißen S'denn?" —Jean: „Agorastoriopopu- los — meine Voreltern sind Griechen gewesen."
— Stammgast: „So, so? Ein bissel weitläufig, die werten Ahnen. Also mein lieber Jean . . . pardon . . . Angora" — Jean: „Agora" . . . Stammgast: „Agorahistori" . . . Jean: . . . „storiopopulos . . . Stammgast: „Nein, lieber Freund, das geht nicht. Ich will mittagmahlen, und bis ich mir Ihren Namen merk', ist's Mitternacht. Schicken S' mir den Pepi." Jean: „Moment, bitte!" (Ab.) Pepi (Herantrend): „Womit kann ich dienen, Herr Biegler?" Stammgast: „Vor allem mit Ihrem Familien- stamen." Pepi: „Ich heiß' Wierziechopowski"
. . . Stammgast: „Habe die Ehre! Der Karl soll kommen!" Pepi (lächelnd): „Oh, mit dem werden Herr v. Biegler noch weniger zu frieden sein." Stammgast: „Hat mich immer sehr gut bedient." Pepi: „Ja, aber seinen Namen können Sie wahrscheinlich nur aussprechen, wenn Sie d' Strauchen (Schnupfen) haben. Er heißt nämlich Trzitrziczek" . . .Stammgast: „Trizi"
. . . Der Wirt (an den Tisch tretend): „Zum Wohlsein, Herr v. Biegler!" Stammgast: „Ach was, Wohlsein! Bei einer solchen Bedienung!" Der Wirt: „Haben eine Klag'?" Stammgast: „Ja, eine gewaltige. Der Appetit ist mir ver- gangen, und ich hab's satt, nichts zu essen, weil ich . . . kurz und gut: Ich Hab' meine Zunge zu etwas anderem, als zum Auskegeln. Also: Entweder Sie schauen sich um Kellner um, die kürzere oder vor allem weniger unaussprechliche Namen haben, oder ich bleib' aus. Und gleich jetzt such ich mir ein Lokal, wo die Kellner höchstens Meier, Müller oder Bauer heißen . . . Adio!"
(Im Examen.j Professor: „Was wissen Sie aus dem Leben Friedrichs des Großen, Herr Kandidat? Erzählen Sie alles so kurz wie möglich!" — Kandidat: „Geboren, erzogen, konfirmiert, verliebt, verlobt, verheiratet, gestorben." — (Druckfehlerteufels Würste, Schinken, Fleischsorten, jeder Art verkaufe ich von heute ab um 20 Prozent billiger, soweit der Vorrat riecht.
(Ein unglückliches Weib.) Sie (mit Thränen in den Augen): „. . Karl, das thur weh! Ich weiß es, ich seh' es ja, daß Du mich nicht mehr liebst!" — Ec: „Aber, liebes Kind, soll ich Dir denn noch öfter meine Liebe schwören?!" —Sie: „Nein, nein, (schluchzend) ich glaub es nichl! Eine Frau mit einem so alten Hut — kannst Du nicht lieben!"
(Unpassend.) Hauslehrer: So, Lilly, jetzt kommen wir zum Storch. — Mutter (ihn unter, brechend): Pardon, Herr Doktor — ich bitte, meiner Tochter nur über anständige Tiere vorzutragen.
Telegramme.
Berlin, 3. Nov Der „Vorwärts" veröffentlicht das Facsimile des bekannten Briefs Slöcker's vom 11. Aug. 1888 an Hammerstein betr. die damalige Haltung der konservativen Partei gegenüber Bismarck. — In einer heute staltgehabten Versammlung für Interessenten und Garantiefondzeichner der Berliner Gewerbe- Ausstellung wurde durch eine mit allen gegen 4 Stimmen angenommene Resolution gegen den Beschluß des Ausschusses betr. die Nichtbeleuchtung der Ausstellung Protest erhoben, indem darauf hingewiesen wurde, daß jener Beschluß eine Schädigung des Gewerbes und der Industrie darstelle.
Königsberg. 3. Nov. In der letzten Nacht wurde ein Posten, welcher an der Pionierkaserne vor dem Sachsheimer Fort Wache stand, von mehreren Personen, welche gestern zur Kontrolversammlung erschienen waren, insultiert. Als nach dem Posten mit Steinen geworfen worden war, gab dieser Feuer, wobei ein Tumultuant durch einen Schuß in die Brust gerötet wurde; ein zweiter erhielt einen Streifschuß quer über die Brust und wurde dadurch schwer verletzt.
Rottweil, 4. Nov. In den Dienst- Wohnungen der Eisenbahngebäude am Bahnhof drohte gestern früh ein Brand auszubrechen, der gerade noch rechtzeitig durch einen vorübergehenden Fuhrmann bemerkt wurde, ehe das Feuer um sich gegriffen und 3 Kindern den Feuerlot bereitet hätte. Die Ehefrau des Lokomotivführers Rapp hatte ihre 3 Buben im Alter von 3—7 Jahren in die Wohnstube eingeschloffen und sich auf den Wochenmarkt begeben. Die Knaben gerieten zu den Zündhölzern und zündelten damit, wodurch einige Betten und Mobiliarstücke Feuer singen. Es entstand ein starker Qualm» die Kinder waren dem Ersticken nahe, wurden aber gerade noch zu rechter Zeit, nachdem die Fenster eingeschlagen waren, herausgeholt.
Bern, 4. Novbr. Die von der Bundesversammlung beschlossene Vereinheitlichung des Militärwesens durch Uebertragung desselben an den Bund wurde in der Volksabstimmung mit ungefähr 252 000 Stimmen und mit 17'/r gegen 4'/e Kantonsstimmen verworfen.
Paris, 3. Nov. Die neuen Minister traten heute Vormittag unter dem Vorsitze Bourgeois zu einer Sitzung zusammen, in welcher der Wortlaut der morgen in der Kammer zu verlesenden Erklärung festgesetzt wurde. Die Erklärung wird morgen vormittag dem Präsidenten unterbreitet werden. Bourgeois richtete an den Präfekten des Departements Tarn ein Telegramm, worin es heißt die Regierung hege den lebhaften Wunsch, dem Ausstande in Carmaux ein Ende zu setzen, sie sei der Ansicht, daß das einzige Mittel, die Zwistigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf schnellem Wege zu beendigen, das wäre, auf ein Schiedsgericht zurückzukommen. Bourgeois fordert den Präfekten auf, beide Teile zu fragen, ob sie gewillt seien, ein Schiedsgericht anzunehmen.
Konstantinopel. 3 Nov. Nach offiziellen türkischen Berichten, griffen die Armenier vorgestern die Moscheen in dem Vilajet Diarbekr an, wobei es auf beiden Seiten Tote und Verwundete gab. Es sind Maßregeln zur Wiederherstellung der Ordnung getroffen worden.
Newyork, 4. Nov. Der „World" veröffentlicht eine Depesche aus Pahunca in Mexiko» wonach 10 Personen in dem Gefängnis zu Texakata auf Befehl des Richters als Ketzer lebendig verbrannt wurden. Der Richter erklärte, er habe den Auftrag von Gott und ließ die Opfer in den Betten verhaften und ins Gefängnis verbringen. Er schloß sie daselbst ein und legte Feuer au das Gebäude. Die Bevölkerung ließ unter dem Einfluß der religiösen Manie alles zu. 20 Personen wurden verhaftet und die Untersuchung gegen sie eingeleitet.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.