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Freude und Frohsinn lagern an dem Abend auf allen Gesichtern und nur diejenigen, deren mühevoller Beruf ihnen selbst an dem weihe­vollsten aller Festabende das Beisammensein im frohen Familienkreise nicht erlaubt, geben sich wenig frohen Gedanken hin. Hier Glück und Freude, dort harte Arbeit und Not, traurige Gegensätze!

In den Wohnungen, vom stolzen Palast herab bis zur kleinen bescheidenen Hütte, sucht am Weihnachtsabend elterliche Liebe ihren Kin­dern eine Freude zu bereiten. Geschäftig regen sich die Hände, den Weihnachtsbaum zu schmücken und die Gaben aufzubauen, welche das Christ- kinüchen gebracht hat. Jetzt ist alles vollendet. Nun flammt es hell auf. Im Kerzenglanze strahlt jetzt der Weihnachtsbaum. Hell jubeln die Kinder und freuen sich alle der Herrlichkeit.

Stimmungsvoll umsteht die erwachsene Ge­neration den Weihnachtsbaum. Ihnen ist er mehr als der einfache grüne Baum des Waldes. Mitten in der tiefsten Finsternis erstrahlt er in Hellem Kerzenglanz als Symbol des wieder­erwachenden Lebens. Durch Nacht zum Licht!

Auch in der Wohnung Peter Wieses stand der mächtige Tannenbaum bereit, sich in strahl­endem Glanze zu zeigen. So schön als dies­mal war noch nie ein Baum geschmückt worden, so lange der gute Onkel das Weihnachtsfest im Kreise seiner Neffen feierte. Von den Gold- und Silberfäden, welche den riesigen Baum wie ein dichtes Spinnennetz umzogen, hob sich das dunkle Grün der Tanne wirkungsvoll ab. Hübsch arrangiert schaukelten sich Aepfel, vergoldete Nüsse und Konfekt lustig in den Zweigen mit den buntfarbigen Kerzen.

Unter dem Baum lagen auf einem mächtigen Tisch ausgebreilet die zahlreichen Geschenke, welche die freigebige Hand des Onkels für seine Anverwandten und seine gesamte Hausgenossen­schaft, die Jungfer Mine, die Gesellen u. Lehr­linge, gebracht hatte.

Noch einmal ging der Onkel umher» prüfte alles und fand, daß es gut war. Da lagen vor jedem der beiden Teller, die neben den üblichen Aepseln, Nüssen, Pfefferkuchen und Konfekt die NamenPaul" undFranz" von Onkels zarter Hand sorgsam kalligraphiert trugen, außer anderen Gegenständen zwei gleich große Pakete von vier­eckiger Form. Zu den von alters her gewohn­ten Plätzen waren zwei neue hinzugekommen, die besonders die Aufmerksamkeit Mines er- regten.

I", dachte sie, als sie von unbezwinglicher Neugier geplagt durchs Zimmer huschte, das Peter Wiese soeben verlassen hatte, um sich in Wichs zu werfen.Für wen mögen wohl diese beiden Plätze und die dort aufgespeicherten Pa­kete sein?"

Frau Bertram", murmelte sie,Fräulein Marie. Das ist ja wunderbar!" und sie hätte gewiß noch einen längeren Monolog gehalten, wenn nicht ihres Prinzipals Stimme sie gerade jetzt zur Unzeit abkommandiert hätte.

Das ist prächtig, daß Ihr Euch pünktlich einstellt!" bewillkommnete Onkel Wiese seine Neffen, die gleichfalls Gala Kostüm angelegt hatten,nun machts Euch nur bequem. Ist wohl tüchtig kalt draußen?"

Ein prächtiges Wetter, lieber Onkel", ent- gegnete Franz.

Du hast Dich ja heute höllisch fein ge- macht, lieber Onkel", sagte Paal, indem er ihn von allen Seiten betrachtete.Den Schwalben- schwänz hast Du sogar angezogen, Du siehst ja aus, wie ein Bräutigam."

Ja", entgegnete Onkel Wiese lächelnd, mit komischen Pathos,wir haben uns konserviert. Nun Jungen, heute ist der von Euch so heiß ersehnte Abend. Bebt Euch nicht das Herz?"

Ach. mir furchtbar, Onkelchen," entgegnete Paul,eine so lebhafte Unruhe habe ich noch nie empfunden "

Ich wünschte die Geschichte wäre erst vor­über." stimmte ihm Franz bei;ich habe eine dunkle Ahnung, als wenn mir heute noch etwas sehr Unangenehmes begegnen sollte."

Na. Kinder, wir wollen mal sehen." rief der Onkel.In einer Stunde ist die Entscheid­

ung da," und dabei lächelte er verschmitzt.Aber Ihr versprecht mir hier nochmals beide, daß Ihr Euch zufrieden geben wollt, sie falle, wie sie auch falle."

Wir versprechen es", riefen Franz und Paul unisono.

Nun gut, dann sollt Ihr die Entscheidung aus ihrem eigenen kleinen Munde hören."

Ja. kommt sie denn hierher?" fragte Paul.

Ich bin soeben im Begriff, sie nebst der Mutter hierher zu holen. In einer halben Stunde bringe ich sie beide mit."

Nun, dann mag uns der Himmel gnädig sein!" rief Paul mit komischer Emphase.

Die Drotschke, welche Onkel Wiese in ihrem Innern barg, trottete langsam von dannen.

Franz, ich wollte Dir noch ein Wort sagen", sprach Paul in herzlichem Tone.In einer halben Stunde sollen wir die Entscheidung vernehmen, wem von uns das herrliche Mädchen für immer angehören soll. Nicht wahr, wie sie auch ausfallen möge, wir bleiben gute Freunde und Vettern, wie wir es bis zu dieser Stunde gewesen?"

Franz, dem die Hellen Thränen in den Augen standen, umarmte schweigend seinen Kon­kurrenten.Paul. Du weist, daß ich Dich wie einen Bruder liebe, mehr noch, wie ein Bruder den andern zu lieben vermag; ich gebe Dir hie- mit die heilige Versicherung, daß ich Dir Dein Glück von Herzen gönnen werde, wenn Du der Auserwählte bist, mein Gefühl sagt es mir. Ohne Neid will ich mich an Deinem Glücke weiden, aber eins versprich mir, Paul, wenn sie Dich zu ihrem Gatten wählt, mache sie glücklich, wie sie es verdient. Sie war meine erste Liebe und wird meine letzte sein."

Das verspreche ich Dir, Franz, von ganzem Herzen, falls ich der Auserwählte sein sollte. Andererseits brauche ich ein Gleiches von Dir nicht erst zu erbitten; du Seele von einem Menschen würdest, glaube ich, sogar mit einer Tantippe eine glückliche Ehe führen."

Beide bekräftigten ihre Abmachungen durch einen Handschlag.

(Schluß folgt.)

Freiburg i. B , 29. Okt. Katholisches Flaschenbier. Das hiesige Zentrumsorgan enthielt, wie wir derBreisg. Ztg." entnehmen, am Sonntag folgende Anzeige, die als ein Pracht­stück des Geschäftskatholizismus unter Glas und Rahmen gesetzt zu werden verdient:Bringe bei der großen liberalen Konkurrenz meinen geehrten Gesinnungsgenossen als alter treuer Mitkämpfer für unsere gute katholische Sache und seil 3 Jahren unentgeltlicher Errichter der Darstellungen am heil. Frohnleichnamstage, beim Brunnen auf dem Rotlecksplatz hier, auch mein gutes Flaschen­bier von Heitzler in freundliche Empfehlung. V. Heimlich, Gauchstraße 35."

Die in Frankreich eingeführte Fahrrad­steuer brachte im Jahre 1894 dem Staate gegen 1,5 Millionen Francs ein. Versteuert wurden, wie uns das Intern. Patentbureau von Heimann u. Co. in Oppeln berichtet, 147 977 Räder. Die Steuer ergab fast 6 mal soviel als die Steuer für Pferde und sonstige zum Ziehen von Wagen benutzte Tiere. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den geschätzten Abonnenten dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patent­sachen gratis.)

New-Jork, 28. Oktbr. Die Hochzeit von Fräulein Banderbilt soll an Glanz und Pracht alles bisher Dagewesene übertreffen. Das Brautkleid, welches heute fertiggestellt wurde, ist von ersins-weißem Atlas mit Volants von Brüsseler Spitzen, deren Dessin die Mutter der Braut selbst entworfen hat. Die Robe ist mit der Schleppe 5 m lang. Der train äs cour wird an den Schultern mit Brillantagraffen zusammengehalten. Das Brautbouquet wird aus den Treibhäusern des Marlboroughschen Schlosses Blenheim geliefert und hat einen Umfang von 12 Fuß. _

(Brauchen die Bienen im Winter Wasser?) Die Bienenzüchter waren bis jetzt verschiedener

Ansicht in der Frage, ob man den Bienen im Winter Wasser reichen soll oder nicht. Um festzustellen > ob wirklich ein Bedürfnis zum Tränken der Bienen im Winter vorhanden ist, erging seiner Zeit ein Rundschreiben an eine ganze Anzahl von hervorragenden Imkern, die um ihre Anschauungen nach dieser Richtung hin bezw. um diesbezügliche gemachte Erfahrungen angegangen wurden. Es dürfte nicht ohne In- teresse sein, zu erfahren, daß von 63 Imkern, welche sich einer Beantwortung dieser Fragen unterzogen, 50 sich entschieden gegen das Tränken aussprcchen, während in 7 Ausnahmefällen z B. bei kandiertem Honig ein Tränken gulheißen; 4 halten das Tränken mit Beginn des Brut- ansatzes im Frühjahr für vorteilhaft und nur 2 treten für ein Tränken der Bienen auch wäh­rend des Winters ein.

(Obst Jahre lang frisch zu erhalten.) Es wird klarer, weißer Sand so lange gewässert, bis das Wasser auf ihm ganz hell bleibt, dann gießt man dieses ab, trocknet den Sand an der Sonne und gießt Cognac oder Franzbranntwein darauf. Hierauf nehme man nach Belieben irdene oder hölzerne Behälter, um die Früchte, die nicht zu reif, aber auch nicht zu unzeitig abgenommen werden dürfen, hineinzupacken. Man streue in das Gefäß jenen präparierten Sand, doch so, daß die Früchte einander nicht zu nahe kommen. Dabei ist noch zu bemerken, daß irdene Gefäße nicht zu feucht, hölzerne nicht zu warm stehen dürfen.

Eine aus einem einzigen Stein blocke her­gestellte Kirche besitzt eine kleine Gemeinde in Nord-Amerika. Wie wir durch das Intern. Patentbureau von Heimann u. Co. in Oppeln erfahren, hatte die steinarme Gegend nur diesen einzigen Stein zur Verfügung, einen erratischen Block, von fast 1000 ebin. Inhalt, den zersprengt und zerkleinert vollkommen ausreichte, das Kirch­lein herzustellen.

(Ohne die gehts nicht.) Bräutigam:O Geliebte, mit dir allein auf einer Insel im Welt­meer beseligender Gedanke! Sie:Aber nicht war . . . eine Modistin könnte auch dort sein?" (Die junge Hausfrau.) Mann: Was blätterst du den vor dem Konzertbesuch noch im Kochbuch?" Frau:Ich will morgen waschen aber ich finde gar kein Rezept, wie man die Wäsche kocht."

Telegramme.

Berlin, 31. Okt. DieNordd. Allg. Ztg." meldet: Der Kaiser für gestern Abend 10 Uhr nach der Rückkehr aus Großlichterfelde beim Reichskanzler Fürsten Hohenlohe vor und nahm einen längeren Vortrag desselben entgegen.

München, 31. Okt. Im Ministerium des Aeußeren ist heute zwischen den bayrischen und den wücttembergischen Bevollmächtigten, Baudirektor v. Fuchs und Direktor Majer, ein Staatsvertrag über die Herstellung einer Bahn­verbindung von Lindau nach Fiedrichshafen abgeschlossen und vollzogen worden. (Wenn dann noch die Strecke Ueberlingen-Friedrichs- hafen ausgebaut sein wird, ist die lange ersehnte Bodensee-Gürtelbahn fertig.)

Paris, 31. Okt. Bourgeois ließ heute vormittag dem Präsidenten der Republik Faure sagen, daß er für die Berichterstattung über seinen Versuch, ein neues Ministerium zu bilden, noch um Aufschub bitte. Hanotaux hat nun endgiltig abgelehnt, das Portefeuille des Auswärtigen zu behalten; Bourgeois fahndet für das Auswärtige Amt auf einen Berufs­diplomaten.

London, 31. Okt. DerTimes" wird aus Konstantinopel gemeldet, der Sultan habe die ihm von Kiamil Pascha vorgelegten Namen der Reform-Kommissionsmitglieder aus­gestrichen. weil die Verzeichneten ihm nicht ge­fielen. Der Zustand in den Provinzen soll so beunruhigend sein, daß die Reserven in Europa und Asien einberufen werden.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbitrg.