Die Gewißheit über den Grund seiner häufigen Besuche sollte nicht mehr lauge auf sich warten lassen.
Eines Tages, als Mariechen gerade allein im Laden war, erschien Onkel Wiese abermals und sein Gesicht trug heule einen feierlichen Ausdruck.
„Fräulein." begann er nach einer kurzen Verlegenheitspause, als er seinen gewöhnlichen Einkauf einer Anzahl Kragen beendet, „ich habe etwas auf dem Herzen, das herunter muß. Zunächst erlauben Sie, daß ich mich Ihnen vorstelle. Ich bin der Bäckermeister Wiese, glücklicher Besitzer zweier Neffen, beide treffliche Jungen, die nur einen Fehler an sich haben."
„Und der ist?" fragte Mariechen, unter Erröten lächelnd.
„In Sie zu gleicher Zeit verliebt zu sein, Fräulein," entgegnete Onkel Wiese, indem er direkt auf die Sache losging.
„In mich?" fragte das junge Mädchen höchlichst erstaunt.
„Ja, in Sie, Fräulein Marie. Nicht wahr, ich darf Sie doch so nennen?"
„Aber davon habe ich ja noch gar nicht das Geringste gemerkt." lachte das Mädchen. „Habe ich denn das Vergnügen, Ihre beiden Herren Neffen zu kennen, die mir die Ehre angethan, sich in mich zu verlieben?"
„Gewiß, Fräulein Mariechen."
Der gute Onkel schilderte nun die Persönlichkeiten seiner Neffen und die Vorzüge eines jeden in den glänzendsten Farben. Er pries die Talente, die Liebenswürdigkeit und Lehcns- freudigkeit seines Neffen Paul himmelhoch, vergaß jedoch der Wahrheit gemäß auch nicht, hin- zuzusügen, daß er ein ganz klein wenig zum Leichtsinn geneigt sei
„Und von dem letzteren soll ihn eine Ver- bindung mit mir kurieren, nicht wahr?"
Onkel Wiese machte eine Kunstpause.
„Wenn Sic es mit ihm versuchen wollen," nahm er dann die Konversation wieder auf, „doch getreu meiner übernommenen Verbindlichkeit bin ich auch verpflichtet, Sie auf meinen zweiten Neffen Franz Steindorf hin zu sondieren. Er ist eine wahre Musterkarte sämtlicher Tugenden, und wenn mich jemand im Ernst nach seinen Fehlern fragte, wäre ich in der That in Verlegenheit, obgleich es von mir, einem nahen Verwandten, vielleicht nicht ganz unparteiisch klingt. Beide bewerben sich durch mich um Ihre Hand, Fräulein Marie, und jeder von ihnen behauptet, der Glücklichste der Sterblichen zu sein, wenn Sie sich entschließen könnten, ihm Ihre kleine Hand zu reichen."
„Ich weiß in der That nicht, was ich Ihnen antworten soll," erwiderte der Gegenstand der Anbetung beider »elterlichen Konkurrenten, „cs kommen mir die Anträge so überraschend, und dann muß ich Ihnen offen bekennen, daß ich Ihre beiden Herren Neffen bisher nur ganz flüchtig kennen gelernt habe und daß mir bisher nicht der geringste Gedanke an eine derartige Eventualität gekommen ist."
„Darf dann nicht auch vielleicht einer von den beiden die Hoffnung hegen, auf Erfolg bei Ihnen rechnen zu dürfen," fragte Onkel Wiese, „oder können Sie mir auch darüber heute noch keine Antwort geben? Oder ist vielleicht", fragte er weiter. „Ihr kleines Herzchen nicht mehr ganz frei?"
„Ganz frei, ich versichere Sie. Herr Wiese," sagte das junge Mädchen verschämt, „aber . . ."
Wir wollen den folgenden Teil der Unterhaltung jetzt nicht verraten und nur konstatieren, daß, als Peter Wiese nach längerem Aufenthalt den kleinen Laden verließ, sein Gesicht einen vergnügten Ausdruck trug und er sich noch mehrfach nach dem kleinen Haus umsah, dessen Mauern das kleine reizende Wesen umschlossen, mit welchem er eben die wichtige Unterredung gehabt hatte.
„Nun, Onkelchen, wie steht cs mit Deinem Brautwerben?" fragte Paul gleich, als er des Onkels nach seiner Rückkehr ansichtig wurde.?
„Pst, Junge, wirst alles erfahren am Weih- nachtsabend. Du weißt doch, so lautet die Abmachung."
^ „Darf ich denn auch nicht wissen, ob ich ein bißchen Chance habe?"
„Geht nicht, geht nicht, Amtsgeheimnis. Diskretion ist Ehrensache!" erwiderte Onkel Wiese mit geheimnisvoller Miene.
„So muß ich mich denn bis dahin ge dulden", seufzte Paul, „glücklicherweise sind es nur noch acht Tage."
„Freilich, mein verliebter Junge, bis dahin mußt Du Dich gedulden. Siehst Du, das kommt davon, wenn man sich für so unüberwindlich in betreff der Liebe hält. Uebrigens ist es eine nette Bejchcerung, daß Franz sich gleichfalls in den Gegenstand Deiner Neigung verliebt hat. Er hat Dir wohl davon erzählt?"
„Ja, leider," entgegnete Paul, „er hat es mir mitgetcilt."
Eine Interpellation des Onkels seitens des Langen über denselben Gegenstand hatte keinen besseren Erfolg
„Lieber Onkel", bat Franz, „sage mir doch nur, ob ich hoffen darf; ich fürchte, ich fürchte, mein lieber Vetter ist auch diesmal wieder der Glückliche."
„Wirst alles erfahren, mein lieber Franz, gedulde Dich nur noch bis zum Weihnachls- abend."
Onkel Wiese wurde in der Zeit bis zu dem fröhlichen Weihnachtsfeste für seine Umgebung kaum mehr sichtbar; hatte er-nicht im Geschäft zu thun, war er außer dem Hause. Dabei trug er ein äußerst vergnügtes Gesicht zur Schau und befand sich überhaupt in frohster Laune.
Seine Besuche bei Frau Bertram setzte er inzwischen fleißig fort, noch immer schien nicht olles klar zu sein. Eines Abends jedoch halte er eine lange, eingehende Unterredung mit der Mutter des holden Töchterleinö, in welche sodann auch letzteres hineingezogen wurde. Als er diesmal, am Tage vor dem Weihnachtsabend, das Betram'sche Haus verließ, hatte er vor Freude beinahe einen Hopfer gewagt, noch ein- mal wandte er sich um und rief den beiden Frauen, die ihn zur Ladenthür begleitet hatten, zu: „Also morgen abend, Punkt 7 Uhr, hole ich Sie ab;" eine Einladung, deren Annahme mit beiderseitigem freundlichen Kopfnicken bestätigt wurde. Seeienvergnügt ein Liedchen vor sich hinpfeifend, steuerte Onkel Wiese um die nächste Straßenecke.
(Fortsetzung folgt.)
Eine für Jäger wichtige Bestimmun g hat jetzt die bad. Eisenbahnverwaltung getroffen, indem sie angeordnet hat, daß frischgefchoffencs Wild, welches von den Jägern nach der Jagd gleich mitgenommen wird, nicht als Reisegepäck anzusehen und deshalb für derartige Sendungen bei Auflieferung derselben an den Gcpäckav- fertigungsstellen stets die volle Gepäckfracht ohne Anrechnung von Freigewicht zu erheben ist. Dagegen ist es den Jägern gestattet, einzelne leicht zu tragende Stücke Kleinwild in Jagdtaschen oder dergleichen mit in die Wagenadteil- ungen zu nehmen, sofern hierdurch nicht die Mitreisenden belästigt werden und durch genügende Verpackung des Wildes oder festes Verbinden der Schußstellen eine Verunreinigung des Wagens durch aussickerndes Blut verhindert wird.
Edler Wettbewerb. Auf die Frage: „Wo kauft man am billigsten?" giebt der Anzeigeteil des Südpfälzischen Wochenbl. zu Bergzabern Antwort, in dem wiederholt zu lesen steht: „Freie Fahrt nach Landau und zurück gewährt die Firma I. u. Sch. von jeder pfälzerischen Station aus bei Einkauf von nur 20 vfL" Daraufhin zeigt die Firma A. H. zu Steinfeld an: „Um jede Konkurrenz, besonders aber einer Landauer Firma zu überbieten, habe mein ohnehin großes Lager in Manufakiurwaren vergrößert und verkaufe sämtliche Artikel, den heutigen Wollpreisen entsprechend, zu bedeutend herabgesetzten Preisen. Bei Einkäufen von 20 vergüte ich die Eisenbahnfahrt sämtlicher pfälzischer Stationen, bei größeren Einkäufen gebe freien Mittagstisch, eventuell auch noch den Kaffee.,,
Würzburg, 28. Okt. Am vergangenen Freitag ließ in Elsenfeld in Unterfranken ein dortiger Orlsbürger, dem etwa 20 Kranthäupter entwendet wurden, durch die Octsschelle Folgendes bekannt machen: „Derjenige, der meine Kraut- Häupter auf der sog. Dammwiese mitgenommen hat, wolle sich melden, da er auch das Fleisch noch dazu bekommt."
Das weltberühmte Heidelberger Faß hat einen Genoffen erhalten, vor dem es mit seinen 790 Hektolitern Rauminhalt zu einem Spielzeug herabsinkc. Auf der Gewerbeausstellung in Teplitz Schönau steht ein Rießenfaß von 1453 Hektolitern Rauminhalt. In dem Fasse ist ein nett eingerichtetes Restaurant iüc ungefähr 30 Gäste.
Ein singender Sperling. In der jüngsten Satzung des Greizer Vereins für Naturfreunde wurde mitgeteilt, daß der Kriegsinvalide Pfeifer in Greiz einem ungefähr feit einem Jahre in Gefangenschaft gehaltenen Sperling das Singen beigebracht habe, wozu ihm ein früher durch die Zeitungen gegangener Hinweis, daß der Haussperling von Natur aus olle physischen Vorbedingungen zum „Kunstgesang" ebenso wie die anderen Singvögel besitze, die Anregung gegeben.
(Fatal.) Student (von der Kneipe heimtaumelnd) : Hm — Sonnenbäder soll ich nehmen, hat der Arzt schon so lange gesagt — heul' wür' ich nun endlich einmal dazu aufgelegt — jetzt scheint aber wieder keine Sonne!
(Aus der Jnstruktionsstunde.) Unteroffizier: „Sie Poplowski, was ist ein Einjähriger?" — Poplowski: „Einjähriger is sich, was in Windeln liegt und in Wiege elendiges wie kleine Ferkel im Trog. Kriegt's Flasche auch — aber nicht mit Gilka, Rum oder Mampe."
(Vcrschnappt.) „Ach, mein Herr, kaufen Sie doch 'was ab! Ich Hab' heut' noch nichts verkauft! Meine Mutter ist im Krankenhaus und mein Vater im Gefängnis, und wenn ich kein Geld nach Hause bringe, prügeln mich beide durch!"
Telegramme.
London, 30 Okt. Das Reuterbureau ist von der russischen Botschaft zu erklären ermächtigt, daß der russische Botschafter St aal dieser Tage ein Telegramm von Lobanoff empfing, welches die Behauptungen der in London viröffentlichten Hvngkunacr Depeschen bezüglich des russisch chinesischen Vertrags und bezüglich der Nachricht von dem Besuche der russischen Flotte in Port Arthur für vollkommen unbegründet erklärt. In unterrichteten Kreisen wird hervorgehoben, ein solcher Bisuch sei allein mit Zustimmung Japans möglich, welches gegenwärtig Porth Arthur besetzt hält.
London, 30. Okt. In einem 3stöckigen Wohnhause verengen Straße „naev dnirelreourt" fand gestern Abend eine furchtbare Explosion statt. Das Haus ist völlig eingestürzt, auch die beiderseitigen Nachbarhäuser sind teilweise zerstört. Die Trümmer, welche Feuer fingen, brennen noch. Es handelt sich um eine Gas- ixplosion. Zahlreiche Personen seien unter den Trümmern begraben; über 20 sind bereits gerettet. Eine einstürzende Mauer begrub 10 Feuerwehrleute, einer davon ist schwer verletzt. Während dem Rettungswcrk fand eine Explosion in einem Nachbarhause statt. Eine Anzahl von Personen wird vermißt, vermutlich sind dieselben verbrannt.
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Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.