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welcher im Enzthäler vom 29. ds. Mts anfragt. „ob man als National- liberaler einen Mann in den Reichstag wählen könne, der in der sogen. Umsturzvorlage für den Antrag Rintelen (Zentrum) gestimmt hat,"
das Ersuchen, diesen Antrag näher zu bezeichnen.
Nach dem Gesamt-Register zu den stenographischen Berichten des Reichstags 1894/95 S. 2546, 2556/57 hat Hr. Rintelen zu der Umsturz- Vorlage keinen Antrag gestellt, überhaupt das Wort gar nicht ergriffen.
Vas 'Wsd.IkorriLtS.
Was der deutsche Getreidebau erzielt, und was er erzielen könnte und sollte!
Nach der endgiltigen Feststellung des Kaiserlich statistischen Amtes liegt der Ernteertrag im Deutschen Reiche für das Jahr 1894 heute vor. Obgleich derselbe den Durchschnittsertrag der letzten 10 Jahre um ein Geringes übersteigt muß derselbe immerhin als ein s»hr mäßiger bezeichnet werden, als ein solcher, welcher noch ganz gewaltig erhöht werden kann und muß.
Es wurden im Durchschnitt erzielt:
Weizen
auf den Hektar
1,52 Tonnen, also
auf den Morgen
7.60 Ztr.
Spelz
1,23
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6,15
Roggen
1.17
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5,85
Gerste
,» »»
„
1,49
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», »
7,45
Hafer
„
1,34
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6,70
Kartoffeln
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9,60
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„ „
„
48,00
„
Wiesenheu
3.21
„
16,05
Dem möchten wir eine kurze Mitteilung zur Beherzigung hinzuiügen: Schon im vorigen Jahre brachte die „Kieler Zeitung" aus Meldors.
dem Hauptorte Dithmarschens, an der holsteinischen Westküste, die Mit- teilung, daß dort durch rationelle Anwendung der Kali-Phosphat-Düngung sich die Landwirtschaft und Ertragsiähigkeit des von Natur sehr armen Geestbodens in einer kaum glaublichen Weise gehoben habe. Als Beispiel wurde angeführt, daß der arme Boden, meist aus Moor und Sand bestehend, bezüglich des Kornbaues selbst die besten Marschböden in mehr als einer Beziehung überflügelt habe. — Ein dortiger Besitzer schrieb: „Es ist kein zweites Düngemittel, welches in diesiger Gegend seit etwa 6 Jahren zur Steigerung der Fruchtbarkeit der Felder in so hohem Grade beigetragen hat, wie die Thomasschlacke. Felder, welche früher beim Roggen kaum 28 bis 30 Zentner auf den Hektar, also 7 bis 7*/- Ztr. auf den Morgen, lieferten, zum Weizenbau ganz unfähig waren, liefern heute 55 dis 60 Zentner Weizen mit ziemlicher Sicherheit. Die Erträge haben sich überall ganz außerordentlich erhöht, vielfach verdoppelt. — Und ganz besonders gilt dies uuch hinsichtlich des Futterbaues. Felder, welche früher nur arme Bestände zeigten, sieht man reich mit Klee und Gras besetzt, und sind die Erträge aus den Futtcrernten ebenso erhöht wie aus dem Getreidebau. Der allgemeine Wohlstand hebt sich infolgedessen zusehends, und vergleicht man die jetzigen Ernten mit denen, als noch der Stalldünger der einzige Dünger war, welcher zur Fruchtbarerhaltung der Felder benutzt wurde, so glaubt man kaum, noch auf denselben Feldfluren sich zu befinden."
Unter dem 27. August dieses Jahres bringt nun die „Kieler Ztg." einen weiteren Bericht über die Erträge der dortigen Gegend; derselbe lautet: „Der Ertrag der diesjährigen Ernte ist im Allgemeinen als ein durchaus reicher zu bezeichnen und geeignet, mit den sehr niedrigen Getreidepreisen etwas auszusöhnen. Ist es doch gar nichts Seltenes, daß hier auf der Geest 70 Zentner Roggen auf den Hektar, gleich 17,5 Ztr. auf den Morgen,' geerntet werden, ein Beweis, daß die Anwendung der künstlichen Dünger die glänzendsten Erfolge liefert." —
Sowohl die oben angeführten Zahlen des statistischen Amtes, wie die letzten Angaben, sind in der That geeignet, unsere Landwirte zu ernstem Nachdenken zu mahnen.
Kriegschronik 1870/71.
28. Oktober 187«.
Versailles, 28. Oktbr. Se. Majestät der König haben den General Freiherrn von Moltke in den Grasenstand zu erheben geruht. Bei der im gestrigen Telegramm erwähnten württembergischen Expedition wurden 5 Offiziere und 297 Mobilgarden gefangen. Außerdem in Montereau 500 Nationalgarden entwaffnet. Diesseitiger Verlust 1 Fähnrich, 9 Mann tot, 1 Stabsoffizier, 1 Lieutenant und 40 Mann verwundet. Bor Paris Alles unverändert. von Podbielski.
2S. Oktober 187«.
Die deutschen Truppen nehmen von der Festung Metz Besitz.
3 Marschälle (Bazaine, Canrobert, Leboeuf), 6000 Offiziere, etwa 173000 Mann kamen rn Kriegsgefangenschaft, 56 Adler und Fahnen, 622 Feldgeschütze, 72 Mitrailleusen. 876 Festungsgeschütze, 137 000 Chassepots, 123 000 andere Gewehre und sonstige Kriegsvorräte wurden erbeutet.
Berlin. Die Kapitulation Bazaines hat im In- und Auslande einen tiefen Eindruck gemacht. Alle deutschen Städte feierten das Ereignis.
Tonrs. Keine hiesige Zeitung hat den Mut, den Fall von Metz mitzuteilen, man fürchtet die Wut des Pöbels. Dagegen hat Gambetta folgendes Rundschreiben an die Präsekten veröffentlicht:
„Ich erhalte von mehreren Seiten wichtige Nachrichten, über deren Ursprung und Wahrhaftigkeit ich trotz meiner eifrigen Nachforschungen keine offizielle Auskunft habe. „Gerüchte über die Kapitulation von Metz sind im Umlauf .... Bleiben Sie überzeugt, daß, was auch kommen mag, wir uns nicht durch die fürchterlichsten Mißgeschicke entmutigen lassen werden. In dieser Zeit der Kapitulationen und Niederträchtigkeiten giebt es noch Eines, das weder kapitulieren kann noch darf: das ist die französische Republik.
London. Eine hiesige Zeitung veröffentlicht einen Brief Garibaldis an einem englischen Geistlichen, an dessen Schluffe Garibaldi sagt, der Feldzug werde mit einem Brillantfeuerwerk französicher Siege endigen.
Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Neuenbürg. 29. Okt. (Eingej.) Zu Ehren des von hier wegziehenden Hrn. Max Schmid versammelten sich am Samstag Abend die Mitglieder des Turn-Vereins und sonstige Freunde desselben zu einer gemütlichen Abschiedsfeier in der Karcher'schen Bierbrauerei. Durch Vortrag einiger stimmungsvollen Lieder des Turn-GcsangvercineS, welcher dem Scheidenden zuvor ein Ständchen darbrachte, wurde die Feier eingeleilet, worauf Vorstand Bogt das Wort ergriff, um dem langjährigen Mitglied? und Kassier für seine ersprießliche Wirksamkeit Dank zu sagen. Als bleibendes Angedenken übermittelte er demselben das vom Vereine gestiftete Geschenk, sowie die Urkunde zum Ehren- mitgliede. Hr. Schmid dankte bewegt für die ihm gewordene Auszeichnung mit dem Hinweise,
daß er nur seine Pflicht und Schuldigkeit ge- than und bringt auf das fernere Wohl und Gedeihen des Vereines ein kräftiges „Gut Heil" aus. Es folgten noch einige weitere Ansprachen, in welchen der Familie, sowie den Leistungen des Gefeierten, als Sänger, gedacht wurde, worauf man sich erst in später Stunde trennte, mit dem Wunsche auf baldiges Wiedersehen.
Deutsches Weich.
EinBundallerJndustriellen. Der Besitzer eines Glaswerkes in Bunzlau, Karl Breuer, empfiehlt den Unternehmern in Deutschland einen Bund der Industriellen zu gründen. Es schwebt ihm, wie er schreibt, als lockendes Ziel vor ein mächtiger Bund sämtlicher Industriellen, der nur Deutschland umfaßt, aber die größten wie die kleinsten Betriebe aufnehmen soll. An die Spitze des Bundes soll eine freigewählte, imponierende Persönlichkeit von erprobter That- krast gestellt werden, die besonders die Hauptklippe der widerstrebenden Interessen der verschiedenen Industrien zu umschiffen verstehen soll. Der Bund soll als seine Aufgabe betrachten, vor allem die „wilde Anarchie auf dem Gebiete der Gütererzeugung zurückzudämmcn", die „Produktion mit dem Konsum wieder in Einklang zu bringen", dem „unlauteren Wettbewerb den Boden zu entziehen", auf dem Gebiete der Fachschulen, Fachbibliotheken Neues zu schaffen und sich vor allen Dingen auch die Förderung des Arbeiterwohles angelegen sein zu lassen.
Berlin, 29. Okt. Der „Reichsanz." ent hält eine vom Kult- und Justizminister, sowie vom Minister des Innern erlassene Anweisung über die Aufnahme und Entlassung von Geisteskranken, Idioten und epileptischen Kranken in und aus Prioatanstalten sowie über die Ein richtung, Leitung und Beaufsichtigung solcher Anstalten.
Berlin. 29. Okt. Der Kriminalpolizei gelang es gestern eine Falschmünzerbande fcstzu- nehmen, welche falsche 2-Mark-Stücke herstellle. Ein Arbeiter und zwei mit den Arbeiten betrauten Personen wurden heute verhaftet. Biele teilweise recht gut gefälschte Stücke sind vorge- funden. Die Falsifikate sind vorzüglich geartet, auch die Prägung und der Klang sind echtem Silber ähnlich.
München, 28. Okt. Die Kammer der Abgeordneten nahm mit 69 gegen 53 Stimmen den Zentrumsanlrag, über den Antrag auf Ab- änderung des Landlagswahlgesetzes zur Tagesordnung überzugehen, an.
München, 29. Oktbr. Dem „Berliner Lokalanzeiger" zufolge ist Adele Spitzeder, die bekannte Begründerin der seiner Zeit verkrachten „Dachauer Bank". im tiefsten Elend gestorben.
Theorie und Praxis. In Hannover ist eine sozialdemokratische Druckerei zur Herstellung des Parteiorgans kürzlich begründet worden. Man sollte meinen, daß Angesichts der fortgesetzten Deklamation über „menschenwürdige Behandlung," Frauenschutz u. s. w. dort mindestens die Arbeiterschutzbesttmmungen der Gewerbeordnung eingehalten würden. Aber in der neuen Druckerei des „Volkswille" mußte nach dem H. Kur. zum Schutz für dort beschäftigte fünf Arbeiterinnen die Polizei eintreten, weil die Frauen über die gesetzlich vorgeschriebene Zeit Zeit hinaus bei der Arbeit behalten wurden.
Aus Baden, 28. Okt. (Korresp.) Der auf dem Breslauer sozialdemokratischen Parteitag ausgeschlossene Dr. Rüdt hat mit seiner Agitation zur Gründung einer „neuen Partei" bereits begonnen. Seine erste Versammlung hielt er gestern in Pforzheim ab, wobei er Veranlassung nahm, die Häupter der „offiziellen Sozialdemokratie" insbesondere Bebel und Liebknecht, einer Kritik von beispielloser Rücksichtslosigkeit zu unterziehen. Lug und Trug sei das hervorragendste Merkmal der sozialistischen Parteipäpste, von welchen die armen leichtgläubigen Arbeiter in der gewissenlosesten Weise genas« führt würden, durch die Vertröstung auf den baldigen „allgemeinen Kladderadasch", während die Führer doch recht wohl wüßten, daß die heutige Gesellschaft noch eine sehr gesunde Konstitution habe, deren Zusammenbruch wir Alle nicht erleben würden. Dr. Rüdt fand stürmischen Beifall, der nur von einigen Pfuirufen unterbrochen wurde. Ein Anhänger der „Offiziellen" , ein gewisser Lutz, der sich durch Zwischenrufe bemerkbar machte, wurde hinausgeworfen. (1 ^-)
Freiburg i. B. Die Anzeichen für einen strengen Winter mehren sich! Zuerst die Schneegänse und nun noch die Mitteilung» daß auch in diesem Herbste die Hamster ihre Baue bis zu einer Tiefe von 3,50 Meter in das Erdreich verlegt haben — ein Umstand, der nach der Annahme ländlicher Wetterpropheten wiederum auf das Eintreten großer Kälte schließen lassen soll.
Fortsetzung in der Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.