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Denn die Versicherung beruht auf dem Groß­betriebe, sie setzt einen möglichst großen Kreis voki Teilnehmern voraus und läßt sich in den Landesgrenzen nicht einzwängen. Darum ist es eine Notwendigkeit, daß die Staatsaufsicht, auf die selbstverständlich nicht verzichtet werden kann, auch nach einheitlichen Grundsätzen aus- geübt wird. Daß eine Versicherungsgesellschaft, welche durch das ganze Reich ihr Geschäft be­leibt. mit zwei Dutzend Einzelregierungen zu thun hat und ihren Geschäftsbetrieb überall deren Vorschriften entsprechend einrichten soll, ist geradezu unerträglich. Dorum wäre es zu Wünschen daß diese wichtige Materie endlich für das ganze Reich nach einheitlichen Gesichts- Punkten geregelt würde, wie das ja längst schon verheißen ist.

Stuttgart. 21. Okt. (Wer ist ein echter Sozialist?) Das hiesige Organ be­antwortet heute die Frage, wer ein echter Sozialist und wer ein unechter, ein Scheinsozialist, ist. Derjenige, welcher bloß auf die gegenwärtigen Zustände schimpft und dieParteinicht materiel l oder moralisch unterstützt und namentlich der­jenige. welcher zu der sozialistischen Lehre hinneigt, »ermöglich ist, aber nichts für die Sozi bezahlt das sind Scheinsozialisten;echte" Genossen sind natürlich diejenigen, welche das Gegenteil thun.

Die Mitglieder der ehemaligen Feldjäger. Eskadron beabsichtigen nach einer Anzeige im Schwäb. Merkur" Nr. 249 am 1. Dez. 1895 in Stuttgart ein Erinnerungsfest an den Feldzug 1870/71 abzuhalten. Alle ehemaligin Offiziere, Beamte und Unteroffiziere, die diesen Feldzug mitgemacht haben, werden dazu einge­laden und sind Anmeldungen bis 10. Nov. an Frhr I. v. Ellrichshauscn, Oberst a. D. in Assumstadt-Züttlingcn zu richten.

Schorndorf, 22. Oktbr. Der hiesige Gemeinderat hat kürzlich mehreren Weinberg­besitzern Prämien für die Verjüngung ihrer Weinberge aus der Kasse der Stadlpflege ausgesctzt. Auch in künftigen Jahren werden derartige Prämien wieder zur Verteilung kommen.

In den letzten Tagen sind in Tuttlingen 60 Tausend Mäuse abgeliefert worden. Für das Stück wird ein Pfennig bezahlt.

Bon einer Treibjagd bei Uttenweiler OA. Riedlingen berichten oberschwäbische Blätter, es feien erlegt worden 6 Hasen, 3 Dachse, 2 Rehe, 1 Fuchs, 1 Katze; der Förster und der Dachshund des Forstwächters wurden ange­schossen.

Dornstetten, 21. Okt. Der erste Ge­winn der Pfedelbacher Kirchenbaulotterie mit 15000 ist einem vermöglichen Bauern in Schopfloch zugefaüen. Derselbe konnte sich erst einige Tage vor der Ziehung auf wiederholtes Zureden eines hiesigen Kaufmanns entschließen, ein Los zu nehmen und dadurch dem Glück die Hand zu bieten.

Alten steig, 24. Okt. Recht empfindlich wurde dieser Tage ein hiesiger Gasthofbesitzer geschädigt. Er ließ mit seinem eigenen Fuhr­werk durch den Knecht im Bühlerthal im Badi­schen eine Ladung Wein abholen. Unterwegs aber brach die Sperrkette, der Wagen geriet in Schuß, fiel um und ein Faß platzte, wodurch 2 Eimer Wein verloren gingen; auch der Knecht, der unter den Wagen kam, wurde am Bein schwer verletzt.Ein Unglück kommt selten allein", hcißt's im Sprichwort. So ging es auch dem Wirt. In seinem Keller hatte er alten Wein abgelassen, ein Faß gefüllt und zuge­spundet. Als er nach einiger Zeit nachsah, war ein Reif am Faß gesprungen und der gute, alte Markgräfler sämtlich flöten gegangen.

Wernpreiözettel vom 24. Okt.

Wäldenbronn. Noch einige gute Reste. Letzte Anzeige. Grunbach i. R. Heute zum Preise zu 160 Mk. verkauft, ca. 70 Eimer sehr- gute Partien wurden eingekeltert und werde» hiezu Käufer einge­laden. Schnaith. Der Mittel- bezw. Durchschnitts­preis beträgt Per 1 Hl. 65 Mk. und per 3 Hekt. 168 Mark. Für eingekellerten Wein wurden 182 Mk. bezahlt. Rittergut Helsenberg. Frhrl. v. Gaisberg'sche Kelter. Bei der Versteigerung wurden erlöst für 100 Liter: Weißwein 6070 Mk., Trollinger und Lem- berger 7085 Mk., Klevner Burgunder 8090 Mark, Weißrießling 8090 Mk., Traminer 100 Mk.

Anstand.

In Frankreich ist zwar die Deputierten­kammer noch nicht zusammengetreten, wohl aber deren Budgetkommission schon eifrig mit der Beratung des Budget beschäftigt. Für Schiffs- Neubauten sollennur" 84 Millionen bewilligt bezw. deren Bewilligung im Kammerplenum be­antragt werden. Der Vorsitzende der Budget­kommission, Pelletan, hatte eine weit höhere Summe beantragt als der Marineminister Bernard selbst, und ersterer trat, weil er mit seinem An­trag unterlag, von dem Vorsitz des Budget- ausschusses zurück. In Frankreich zeigt sich also wieder einmal, daß die Volksvertreter sogar größere Ausgaben für Heer und Marine be­willigen wollen, als die Regierung selbst sie fordert. In Deutschland ist es bekanntlich um­gekehrt. Wenn die französische Kammer Zu­sammentritt, wird sie zuerst eine ganze Reihe von Interpellationen über Madagaskar bezw. über den erfolgten Friedensschluß mit der Hovas- Königin und über die äußerst schlechte Verpfleg­ung der französischen Expeditionstruppen zu verhandeln haben, dann erst wird das Budget selbst an die Reihe kommen. Außer der schon erwähnten Verstärkung der Marine soll auch das französ. Landherr eine beträchtliche Verstärk­ung erfahren. Das bisher in Algier stehende Armeekorps soll an die deutsche Grenze verlegt und in Algier ein neues für den Kolonialdienst bestimmtes Armeekorps errichtet werden. Dies alles natürlich blos zur Erhaltung des europä­ischen Friedens.

Die türkische Regierung hat nunmehr dem gemeinsamen Andrängen Englands, Frank- reichs und Rußlands nach Reformen in Armenien entsprochen ja sogar Reformen für das ganze türkische Reich beschlossen. Damit diese Reformen auch richtig ausgeführt werden, ist ein besonderer Oberkontrolleur mit den nötigen Hilfskräften er- nannt worden und mit diesen können die Dol­metscher der fremden Botschafter direkt Verkehren. Man darf begierig sein, wie diese Reformen nunmehr praktisch durchgeführt werden und ob die Armenier damit auch sich zufrieden geben.

Auf der Insel Kuba dauert der Aufstand gegen die spanische Regierung noch immer fort. Letztere hat neuerdings 25 000 Mann nach Kuba abgesandt und hat nunmehr dort so viel Truppen stehen, daß es geradezu merkwürdig erscheint, wie der Aufstand noch immer an einzelnen Orten neu auflodern kann. Die Spanier werden sich mit der völligen Unterdrückung der Insurrektion beeilen müssen, denn wenn das Parlament der nordamerikanischen Union diesen Spätherbst zu- sammentritt, wird es wahrscheinlich den Präsi­denten Cleveland dazu drängen, daß er die Auf- ständischen auf Kuba als kriegführende Macht anerkennt und dann werden die Zuzüge von Freibeutern aus den Ver. Staaten von Nord­amerika so massenhaft in Kuba eintreffen, daß die Spanier die Insel bald verlieren dürften.

Todesurteil einer Frau. Der König von Serbien bestätigte das vom Kreisgreicht in Jagodina gefällte Todesurteil gegen die Bäuerin Stana Mihalovic, welche ihren 18jährigen Sohn, während er schlief, erschlug. Im König­reich Serbien ist dies der erste Fall, daß eine Frau zum Tode verurteilt wird. Die Todes, strafe in Serbien wird durch Erschießen vollstreckt.

Vermischtes.

Antwerpen, 14. Okt. Auf eine sehr in- telligente Weise ist es dem hies. Polizeikommissär van Oeteren gelungen, die Eltern eines auf der Straße aufgefundenen Kindes zu ermitteln. Traf da vorgestern ein Polizeiagent auf der Straße einen Jungen von zwei Jahren, der bitterlich weinte und dabei fortwährend nach seiner Mutter rief. Neben dem Jungen stand ein kleines Hündchen, das ebenso betrübt und ratlos wie das Kind zu diesem emporblickte. Auf die Fragen nach dem Namen seiner Eltern und deren Woh­nung wußte der Knabe keinerlei Bescheid zu geben, so daß dem Polizeiagenten schließlich nichts übrig blieb, als das Kind mit nach dem Polizeibureau zu nehmen, wohin das Hündchen beiden mit gesenktem Kopfe und Schweife folgte. Als auch der Polizeikommissär nicht das Ge-

ringste aus dem Kinde herauszubringen ver. mochte, verfiel derselbe schließlich auf folgende Idee. Er schrieb einen Zettel, daß ein Kind von dem und dem Aeußern auf der Straße ge- funden und nach dem Polizeibureau Nr. 6 ge- bracht worden sei, und diesen Zettel bano er dem Hündchen um den Hals und jagte dasselbe hierauf aus die Straße. Es dauerte etwa eine Stunde, da erschien denn auch die Mutter des Kleinen, die das wiedcrgefundene Kind stürmisch an ihr Herz drückte und sich mit demselben wieder entfernte, nachdem ihr der erfinderische Polizei- kommissar die verdiente Ermahnung hatte zu Teil werden, in Zukunft auf ihre Kinder etwas besser aufzupassen. Ehre dem intelligenten Be­amten und nicht weniger dem klugen und wackeren Hündchen.

(Man hüte sich vor Kurpfuschern). In Alten stadt hatte der Losverkäufer Erlanger ein in der Zeitung angepriesenes Heilmittel gegen Epilepsie sich bestellt und nach der gegebenen Anweisung eingenommen. Die Folge hiervon war war. daß er in Tobsucht verfiel und kurze Zeit darauf der Tod eintrat.

Telegramme.

Berlin, 26. Okt. Die Morgenblätter melden aus Warschau: Lasocin im Gouverne­ment Radom ist größtenteils niedergebrannt. 1500 Personen sind obdachlos. 5 werden ver­mißt. Es wird Brandstiftung vermutet.

Berlin, 26. Okt. Das Berliner Tage­blatt erfährt aus Wien: 28 nicht 50 junge türkische Parteiführer wurden in Konstantinopel geköpft und die Leichen ins Meer geworfen. Der Prozeß gegen die 50 wegen Verschwörung gegen den Sultan dauerte 3 Tage.

Köln, 26. Oktbr. Aus Trapezunt vom 18. Oktober wird gemeldet: An Bord des Oesterreicher Lloyddampfer Venus schreibt ein Köln. Landsmann als Augenzeuge derKöln. Zeitung" Einzelheiten über die grauenhaften Metzeleien unter den Armeniern Trapezunts. Wenigstens 600 Armenier wurden getötet. Da­gegen fielen keine 5 Kirchen, ein Zeichen, daß der Ueberfall ganz unvermutet stattsand und die Armenier unbewaffnet waren. 2000 Weiber und Kinder fanden im Jesuitenhospital ihre Zuflucht. Der österreichische Konsul nahm 200 Weiber und Kinder auf. Der Gouverneur teilt mit, daß der Aufstand auch in der ganzen Um­gebung ausbrach. Die armenischen Niederlass­ungen wurden angezündet, Menschen verbrannt oder erschossen. Der Lloyddampfer wurde von dem Konsul zurückgehalten, damit er, wenn der Aufstand sich erneuert, die Europäer retten kann.

München. 25. Okt. Heute Nachmittag gegen 5 Uhr stürzte der Neubau eines Hinter­gebäudes in der Amalienstraße ein. Es sollen drei Arbeiter und eine Frau verschüttet sein. Die freiwillige Feuerwehr und die Sanitäts- kolonne erschienen sofort am Platze. Die Rettungs­arbeiten werden eifrig fortgesetzt, sind aber bis jetzt ohne Erfolg geblieben.

München, 26. Okt. Bei dem gestrigen Hauseinsturz in der Amalienstraße wurden 4 Arbeiter verschüttet, alle 4 wurden im Laufe der Nacht als Leichen herausbefördert.

Rom, 26. Oktbr. Blättermeldung. Der Botschafter in Berlin, Graf Lanza, wurde durch Dekret vom 20. Oktober zur Disposition gestellt.

Antwerpen, 25. Okt. Der neu ange­kaufte Levante-DampferThasos", der zwischen Hamburg und dem Mittelmeer fahren sollte, ist bei Terschelling gänzlich verloren ge­gangen. Die Mannschaft ist teilweise gerettet.

London, 25. Okt. Wie derStandard" aus Konstantinopel meldet, hat sich das Gerücht von der summarischen Hinrichtung zahlreicher Führer der jungtürkischen Partei bestätigt. Aus gut unterrichteter Quelle wird hinzugesügt, die Führer seien nach einem Derhör in ein Kriegs­boot geschafft und von diesem im stärksten Strom über Bord geworfen worden. Der Mut der türkischen Revolutionäre sei durch diese Maßregel vollständig gebrochen.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.