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Amts- und Auzeigeölatt für dm Bezirk Kalw
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Erscheint Dienstaas, Donnerstags und Sam 81ags. Die EinrückungSaebühr beträgt im Bezirk und in nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, weiter entfernt 12 Pfg.
Samstag, Lrn 10. August 1901.
! Vierteljährlicher Abonnementspreis in der Stadt Mk. 1.10
! ins Haus gebracht, Mt. 1. 15 durch die Post bezogen im Bezirk; ! außer Bezirk Mt. 1t 85.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung.
Auf den Antrag des K. Staatsministeriums haben Seine Königliche Majestät angeordnet, daß infolge des Hingangs Ihrer Majestät der verwitweten Kaiserin Friedrich, Königin von Preutzen, am Tage der Beisetzung jede össentliche Lustbarkeit und Musik mit Ausnahme des Orgelspiels in den Kirchen zu unterbleiben habe.
Der Tag der Beisetzung wird noch bekannt gegeben.
Die Ortsvorsteher wollen für Durchführung dieser Allerhöchsten Anordnung Sorge tragen.
Calw, den 9. August 1901.
' K. Oberamt.
Stv. Amtm. Münz, A.-V.
Tagesrreuigkeiten.
Calw, 9. Aug. Heute Vormittag meldete ein reitender Bote, daß die Gebäulichkeiten des Hofguts Georgcnau in Flammen stehen; man hoffe das Wohnhaus zu retten. Das Hofgut Georgeitau (Bühlhof) liegt zwischen Neuhengstett und Möttlingen und ist Eigentum des Barons E. v. Georgii.
^Amtliches aus dem Staatsanzeiger.f Se. Königl. Majestät haben am 4. August ds. Js. geruht auf die Oberkontrolleurstelle bei dem Kameralamt Hirsau den Hauptamtsassistenlen Dt aher in Hirsau mir den Dienstrechten eines Kontrolle- und Vcrwaltungsbeamten zu ernennen.
Infolge der am 30. Juli l. Js. und den folgenden Tagen abgehaltenen Konkursprüfung ist in das evangelisch-theologische Seminar in Tübingen als Zögling ausgenommen worden: Weizsäcker, Friedrich, Sohn des Rektors in Calw, Dinkelacker, Alfred, Sohn des Zeichenlehrers in Calw, Iraner, Ferdinand, Sohn des Kaufmanns in Wildberg.
Stuttgart, 8. Aug. Heute früh gegen '/-4 Uhr stieß eine Rangierabteilung am Nord- bahnhof aus einen abfahrenden Güterzug. Lokomotivführer und Heizer konnten sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Einige Bedienstete wurden verletzt. Der Materialschaden ist, da die Rangierlokomotive mit solcher Gewalt auf den Zug ausstieß, daß 4 Wagen zertrümmert wurden, ein nicht unbedeutender.
Tübingen, 7. Aug. (Ein unzarter Liebhaber.) Ein Student leistete sich in vergangener Nacht einen Ulk, der ihm teuer zu stehen kommen dürfte. In seiner Bierlaune wollte er dem Grafen Eberhard, dessen Gipsmodell auf der neuen Neckarbrücke steht, einen Kuß verabfolgen und hatte beim Hinaufklettern die Ungeschicklichkeit, dem Standbild die Fußspitzen wegzutreten.
— Ueber die letzten Augenblicke der Kaiserin Friedrich weiß die „Frkf. Ztg." zu berichten: Seit V» 6 Uhr früh umgaben der Kaiser und die Kaiserin mit dem Kronprinzen, sowie die Töchter der Leidenden mit ihren Garten das Sterbelager. Der Kaiser saß neben dem Bett und hielt die Hand der scheidenden Mutter umschlossen, die bis zur Mittagszeit trotz großer Schwäche bei voller Besinnung blieb. Dann schlummerte sie allmählich ein. Kurz nach 6 Uhr abends gaben die Aerzte ein Zeichen, daß die Scheidcstunde gekommen sei. Der Kaiser ergriff die Hand der Sterbenden und hielt sie fest, bis das Leben völlig erloschen war. Tie übrigen Angehörigen umringten knieend in stummem Gebet das Sterbelager. Alsdann begaben sie sich in das Nebenzimmer, und die Aerzte, unterstützt von der langjährigen treuen Pflegerin, bahrten die Leiche auf dem Sterbebett auf, in Erfüllung des oft ausgesprochenen Wunsches der Verblichenen, daß keine fremde Hand nach ihrem Tode sie berühren, kein fremdes Auge sie erblicken solle. Als das Werk der Aufbahrung beendet war, traten die Angehörigen wieder ein und die Prinzessinnen bestreuten das Lager der Mutter mit Rosen.
Berlin. Der Lokal-Anzeiger meldet aus
Cronberg: Tie Leichenfeier in der Cronberger Kirche erfolgt aus persönliche Anordnung der Verstorbenen. Die Kaiserin halte ans dem Schmerzenslager ihrer Familie gesagt: Ich wünsche aufgebahrt zu sein nicht an der L-telle wo ich so oftOualen erlitten, sondern in der Johanniskirche in Cronberg, wo ich so oft Labung gefunden habe.
Berlin, 7. Aug. Alle Vorbereitungen für die am Dienstag in Potsdam stattfindende Beisetzung der Kaiserin Friedrich werden bereits getroffen. Das Neue Palais, welches bekanntlich vom Kaiserpaar bewohnt wird, ist für den Fremdenverkehr gesperrt. Das Brandenburgerthor in Potsdam wird einen großartigen Trauerschmuck erhalten. Nach dem Eintreffen der Leiche aus der Wildpark-Station wird dieselbe nach dem Neuen Palais überführt, um dort in der Jaspis-Gallerie aufgebahrt zu werden. Hier findet auch die eigentliche Trauerfeier statt. Darauf wird der Sarg zu dem mit 6 Pferden bespannten Leichenwagen getragen werden. Ter Leichenzug nimmt alsdann seinen Weg durch den Park von Sanssouci nach dem Mausoleum. Nachdem der Trauerzug den Park verlassen und das städtische Gebiet von Potsdam betreten, wird das große Publikum Gelegenheit haben, den Zug in Augenschein zu nehmen. Ans dem ganzen Wege werden Truppen Spalier bilden, desgleichen Vereine und Korporationen. Der Beisetzung im Mausoleum werden nur die nächsten Angehörigen des Kaiserhauses, die Minister und höchsten Hofbeamten sowie die Vertreter fremder Staaten beiwohnen.
Berlin, 8. Aug. Ter „Lokal-Anzeiger" meldet aus Cronberg: TaS provisorische Programm ist nunmehr definitiv festgesetzt worden. Demnach wird die Leiche der Kaiserin Friedrich Sonnabend abend vom Schloß Friedrichshof nach der Stadtkirchc überführt. Sonntag nachmittag findet die Leichenfeier statt. Später reist der Hof ab. Die Leiche wird Montag nachts nach der Wildparkstation geleitet. Dienstag vormittag findet die Beisetzung in der Friedenskirche fiatt. Tie von der
Nachdruck verboten.
Dem Leben zurückgegeben.
Roman von B. Ernst.
(Fortsetzung.)
Andrea lächelte ihm freundlich zu. „Wären wir nur erst so weit! Sie sind der liebenswürdigste Kranke, den ich bisher gepflegt habe, und ich weiß, daß ich keinen zweiten wie Sie finden werde. Dennoch bin ich nicht egoistisch genug. Sie noch lange in meiner Obhut zu wünschen."
Von Onkel Franz trafen häufig Briefe ein. Es ging ihm gut, und der junge Maler sorgte wie ein Sohn für ihn. Natürlich sehnte er sich trotzdem nach dem Neffen und wollte ihn sobald als möglich bei sich haben. Er bat Herbert, sich sehr zu pflegen, und keine Ausgabe zu scheuen, von der er eine Erleichterung seines Schmerzenslagers erhoffte. An die Pflegerin trafen besondere Briefe ein, die von ihr stets beantwortet wurden und deren Inhalt sich selbstverständlich um Herbert und sein Befinden drehte.
Eines Morgens brachte Andrea dem Grafen ein Schreiben, das aus Rußland kam. Des Onkels Briefe hatte er sich immer von ihr vorlesen lasten, diesen aber öffnete er selber und las ihn allein. Er hatte mit ihr nie über seine Angehörigen gesprochen; sie wußte deshalb nicht, wer ihm aus Rußland schreiben konnte. Aber es entging ihr nicht, daß er sehr verstimmt wurde, und sie schrieb dem Inhalte des Briefes die Schuld daran zu. Er sah blaß und sorgenvoll aus, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Obgleich sie keine Frage stellte, wußte
er, daß ihren klugen Augen seine Mißstimmung nicht entgehen konnte, und er hatte die Ueberzeugung, daß sie — ohne ein Wort der Teilnahme zu äußern — mit ihm fühlte. Nach dem Mittagesten, das er kaum berührt hatte, bat er Andrea um Tinte, Feder und Papier. Sie erklärte: „Das bekommen Sie nicht. Sie sind krank unv dürfen sich nicht anstrengen."
„Dieser Brief kann nicht, aufgeschoben werden."
„So lasten Sie mich den Betreffenden Mitteilen, daß Sie zu leidend zum Schreiben seien."
„Damit ist dem anderen nickt gedient, er will Bescheid haben."
„Schlafen Sie, oder ruhen Sie erst," bat sie ihn. Er fügte sich. Aber da sie aus seinen unruhigen Bewegungen und seinen häufigen Seufzern erkannte, daß er keine Ruhe fand, zündete sie bald die Lampe an. brachte ihm das Verlangte und ließ ihn seinen Brief schreiben. Es dauerte lange, bis er damit fertig war. Dann legte er einen Kassenschein ins Couvert und gab es Andrea zur Beförderung. Das Schreiben hatte ihn angestrengt, ohne ihn zu beruhigen. Er war den ganzen Abend einsilbig. Andrea saß still mit ihrer Arbeit bei ihm und zwang ihn zu keiner Unterhaltung. Natürlich wirkte die Stimmung des Tages so sehr nach, daß Nordau in der Nacht keinen Schlaf fand. Er bat Andrea, ihm vorzulesen, aber schon nach kurzer Zeit unterbrach er sie:
„Ich will Sie nicht unnütz anstrengen. Es ist mir nicht möglich, zuzuhören."
„Was fange ich nur mit Ihnen an?" sagte sie. „Ich habe noch ein Schlafpulver hier, aber ich möchte es Ihnen nicht gern geb n."
Eine Weile verging, dann sagte er leise: