gang in seinem Gedächtnis hat, erinnert sich, daß damals ein ganz außergewöhnlicher Vor­gang beobachtet wurde, nämlich der, daß die Traubenweine von ungemeiner Süßig­keit, die 100 und mehr Grad nach Oechsle wogen, und die ganz regelrecht eingekellert wurden, beim Ablassen sich als feinster Wein- essig erwiesen. Viele Tausende von Eimern des allerbesten Weins sind damals nur allein in Württemberg zu Grunde gegangen. Wenn man die Frage stellte, wie kam es denn, daß dieser ausgezeichnete Traubenmost der Umwandlung in Essig ausgesetzt war, so gaben die Sachver­ständigen damals an, in dem 1865er Trauben- most habe ein Mißverhältnis zwischen Zucker, Säure und Wasser bestanden. Auffallend war daß alle diejenigen, welche einen Wasserzusatz zu dem 1865er Traubenmost gegeben hatten, oder welche einen Wein von geringeren Lagen eingekellert hatten, die traurige Erfahrung, daß ihr hoffnungsvoller Wein sich in Essig ver- wandelte, nicht machen durften. Es liegt uns natürlich ferne, den Rat zu erteilen, den heu­rigen Weinmost mit Wasser zu verdünnen, aber da der Grund des Nebels im Jahr 1865 nach unserer Ueberzeugung darin bestand, daß zwi- scheu Zucker, Säure und Wasser nicht das rich- tige Verhältnis bestand, und daß bei dem Vor­herrschen des Zuckergehaltes und bei der da- maligen warmen Witterung der Troß besonders leicht Essigpflänzchen in sich aufnahm, so möch- ten wir unsere Weingärtner u. Weinproduzenten dringend daraus Hinweisen, wie wichtig es bei dem heurigen vorzüglichen Weinmost ist, daß ja keine Essig bildung im Troß platzgreift, daß die Gährung in der Bütte womöglich unter Senkboden oder wenigstens unter beständigem Umrühren des Troßcs stattfindet, damit dieser nicht an der Oberfläche Zeit findet, Essig­pflänzchen zu erzeugen, welche den Grund zum späteren Verderben des Weins, wie 1865, bilden könnten. Sofortiges Verbringen der geraspelten Trauben in ein Faß im Gährkeller und fort- währendes Rühren der Masse in dem Faß ist natürlich das Beste, und ist dieses Verfahren auch bei allen größeren rationellen Weingütern eingeführt. Aber auch in unseren Weingärlner- dörfern wird man in der Lage sein, zu ver­hindern, daß der Troß einen Essigstich bekommt. Daher nochmals: Ausgepaßt, daß es nicht geht wie im Jahr 1865!

Ludwigsburg, 11. Oktbr. Der res. Stistungspfl. Siegle von Kornwestheim hat gestern Abend in der Adlerwirtschaft dort in angeheiterter Stimmung woran vielleicht der Neue Schuld trägt einem dort anwesenden Schweinetreiber auf seine Schweine in scherzhafter Weise ein An­gebot gemacht und zwar pro Kopf 12 Mark. Ohne weitere Zögerung schlug der Schweine­händler ein, so daß Siegle jetzt glücklicher Be­sitzer von 75 Stück Schweinen ist und wohl oder übel selbst Schweinehändler werden muß, um das Borstenvieh los zu werden, Aehnliche Käufe und Gegenkäufe hat Siegle schon öfters gemacht, ob er aber jedesmal ein gutes Geschäft damit gemacht hat. wird er am besten wissen. Wie er aber diesesmal seine Rechnung finden wird, wird die Zukunft lehren, jedenfalls ist den Herren Hoteliers Gelegenheit geboten, sich bei Siegle Bestellungen auf sogenannte Spanferkelchen zu machen.,

Alten steig, 9. Okt. Der heute hier ab­gehaltene Viehmarkt war zwar gut befahren mit Vieh und auch von Viehhändlern und Kaufs­liebhabern stark besucht; dagegen war beim Handel eine allgemeine Flauheit zu bemerken. Solche Marktbesucher, die ihre dem Verkauf ausgesetzten Viehstücke vielfach vor nicht gar langer Zeit um teures Geld gekauft hatten, konnten sich nicht dazu verstehen, dieselben um die niedrigen An- geböte, die ihnen gemacht wurden, zu veräußern und die Kaufsliebhaber verhielten sich auffallend zurückhaltend, weswegen im Ganzen nur wenig Kaufschläge erfolgten. Noch weniger Leben als im Handel auf dem Viehmarkte konnte man auf dem Schwememarkt wahrnehmen. Die Auswahl der zu Markt gebrachten Schweine war zwar eine reichhaltige. Aber wer glaubte, für ein Paar Milchschweine 2024 zu lösen, mußte sroh sein, wenn ihm 15 «iL, ja 12 bis herunter

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zu 8 ^ geboten wurden. Das Paar Läufer wurde von 3045 ^ abgegeben. Diese geringe Nachfrage nach Schweinen bei dem starken An­gebot hat darin seine Ursache, daß Heuer die Kartoffelernte vielfach äußerst mager ausfiel,

Weinpreiszettel vom 10. bis ii. Okt. Besigheim. Käufe zu 170200 Mk. Preise weichend. Kirchheim a. N. Käufe zu 170185 Mark, noch Vorrat. Lauffen a. N. Käufe zu 175, 180, 182, 185 und 215 Mk. O ch s e n b a ch. Ertrag allgemein vorschlagend, Käufe zu 160168 Mk., Güte vorzüglich, noch viel Vorrat, Käufer erwünscht. Marbach. Käufe zu 180 Mk. Ertrag schlägt vor, feil noch r. 1200 Hl. Mundelsheim. Der Er­trag schlägt vor, jetzt ist wieder mehr feil, Verkauf flau zu den bisherigen Preisen ä 190205 Mk. Edel­fingen. Qualität recht gut, Gewicht bis zu 85 Grad, noch wenig feste Käufe, Käufer erwünscht. Ingel- fingen. Güte ausgezeichnet, Ertrag schlägt vor, Preise bei Privaten 147, 148, 150 Mk., noch ziemlich Vorrat. Trauben-Gewichte 88100 Grad nach Oechsle und bloß 0,7 bis 0,8°/o Säure. Käufer erwünscht. Erlenbach. Frühlese nn Gange, Güte hochfein, Ge­wicht 110 Grad nach Oechsle und darüber, Käufe zu 205215 Mk. Rotwein, 200 Mk. für gem. Gewächs, Vorrat noch ziemlich, Käufer erwünscht. Horrheim. Lese beendigt, Verkauf geht langsam, heutige Preise 165175 Mk. Vorrat noch 400 Hl-, Käufer willkom­men. Winneuden. Käufe zu 175 bis 184 Mk. Gesammterträgnis 800 Hl. Käufer erwünscht. Eschenau. Käufe zu 166175 Mark, ziemlich Vor­rat, Käufer erwünscht. Bietigheim. Preise sinken, noch versch. gute Reste feil zu 160170 Mark. Ertrag schlägt vor, Käufer erwünscht. Bönnig- heim. Käufe zu 158165 Mk. für gem. Gewächs und gewöhnliche Rotweine; einige Käufe zu 170180 Mark für Ausstich-Rotweine. Vorrat noch annähernd 4000 Hl. Verkauf geht ziemlich langsam. Weitere Käufe zu 154 und 155 Mk. Nordheim. Heutiger Preis 175185 Mk., Vorrat noch r. 400 Hektol. meist größere und bessere Posten, Käufer sehr erwünscht. Sontheim a. N. Ertrag schlägt vor, Preise zwischen 170190 Mk., noch viel Vorrat. Enzweihingen. Bersch. Käufe zu 175180 Mk., Verkauf langsam, noch viel Vorrat. Weinsberg. Verkauf heute lebhaft, Preise: weiß 170, 172, 182 Mk., rot 180, 184, 185, 187, 190 und 195 Mk. noch viel Vorrat an Rot- und Weißweinen, worunter schöne Reste Bergauslese. Löwenstein mit Reis ach. Ertrag schlägt vor, Preise etwas zurückgegangen, noch großer Vorrat. Heilbronn. Ertrag schlägt vor. Verkauf geht flau, da die Käufer die geforderten Preise nicht bewilligen wollen. Rotwein ist zu 200 Mk. verkauft und sind zu diesen Preisen größere Partien zu haben. Weißwein noch kein Preis. Willsbach. Schönes rotes Ge­wächs wurde heute verkauft zu 175 und 176 Mark. Schiller zu 168172 Mk. Noch ziemlich Vorrat. Eberstadt. Es wurden viele Käufe abgeschlossen zu 170 Mk. gem. Gewächs, hervorragend rot.

Ausland.

Paris, 11. Okt. Trotz des absoluten Stillschweigens, welches die Sicherheitsbehörden in der Spionageaffaire Schwartz beobachten, wissen die Müller zu melden, daß die Schuld der Verhafteten keinem Zweifel mehr unterliege. Dieselbe gehe insbesondere aus den, ber Schwartz Vorgefundenen, aus Deutschland stammenden Briesschasten hervor. Einzelne Journale erzählen, daß Schwartz außer seiner Frau und seinem Sohne noch andere Milschuldige habe. Da er nämlich nicht deutsch verstehe und die an ihn gerichteten Briefe und Aufträge deutsch geschrieben waren, mußte er andere Personen zur Uebersetzung derselben heranziehen und in seine Geheimnisse einweihen. Nach diesen llebersetzern werde ge­fahndet. Schwarz ist übrigens nicht im Elsaß, sondern ia Paris geboren, als Sohn eines Korporals und als Soldatenkind in der Kaserne ausgewachsen und erzogen worden.

Paris, 9. Okt. In mehreren Gemeinden von Arras hatten sich die Feldmäuse u. Ratten so sehr vermehrt, daß sie eine wahre Landplage wurden. Die Gemeinden wandten sich an das Institut Pasteur, das bereits gelegentlich der Kaninchenplage in Australien so große Erfolge erzielt hat, mit der Bitte, Hilfe zu schaffen. Das Institut entsandte den Dr. Danys, der auf verschiedenen Feldern Brotwürfel, die mit Typhus- bazillen imprägniert waren, aufstellte. Die hie» durch unter den gefräßigen Nagetieren verbreitete Typhusepidemie hat so rasche Wirkung erzielt, daß auf einem Felde über hundert tote Feld­mäuse und Ratten gefunden wurden.

London, 10. Okt. In politischen Kreisen ist man der Ansicht, daß die Reise Lord Salis­burys nach Balmoral zur Königin, deren Gast er acht Tage sein wird, einen ernsten politischen Charakter habe. Man erwartet, daß England demnächst eine Entscheidung betreffs

seiner Intervention wegen der Unruhen in der Türkei treffen werde. England ist dem Sultan in der armenischen Frage bereits so deutlich gekommen, daß ein anderer als militärischer Schritt nicht mehr möglich ist. Was sagen die übrigen Mächte dazu, vor Allem Deutschland?

Konstantinopel. Es heißt, daß zwei englische Dampfer vorgestern von den Türken in den Grund gebohrt worden sind, da sie auf Befehl des Fortskommandanten am Bosporuseingang nicht hielten und sich bei ihrer Untersuchung ergab, daß sie voll mit Waffen beladen und keine Paffagierschiffe waren, wie sie Vorgaben, sondern nur wenige Leute an Bord hatten. Die beträchtliche Anzahl von Waffen, mit denen die Armenier allenthalben versehen sind, geben zu Bedenken Anlaß. Die englische Mittelmeerflotte kreuzt vor Mytilene und soll der Sultan Ruß­lands Unterstützung gegen englische Eingriffe erbeten haben. Armenische Aufstandskomitees sind in fieberhafter Thätigkeit. Reiche Armenier müssen große Summen an diese sbgeben; ^viele derselben sind ins Ausland abgereist. Die Ge­wölbe armenischer Kirchen sind zu Waffendepots umgewandelt.

Unterhaltender Teil.

Der gute Onkel.

Humoreske von Georg Grad.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Der Bäckermeister Peter Wiese, oder viel­mehr Peter Adam Wiese, wie seine volle Firma lautete, war wirklich ein beneidenswertes Menschen­kind. Während draußen das Unwetter tobte und die naßkalte Witterung die Fußgänger er­schauern machte, saß er mit der ihm angeborenen Gemütsruhe in einem bequemen Lehnstuhl am Fenster seines behaglich erwärmten Wohnzimmers, schmauchte gemächlich sein Pfeifchen und freute sich, daß er nicht nötig hatte, seinen bequemen Sitz zu verlassen. Zu seinen Füßen hotte sich sein getreuer Hund, der auf den NamenCaro" hörte und in einen sanften Schlummer ver­sunken war, gelagert. Nur zuweilen schnappte er im Traume nach einer Fliege, welche die Un­verschämtheit besaß, sich auf seine schwarze Nase zu setzen und ihn zu kitzeln, er verfehlte jedoch regelmäßig sein Ziel. Ein schon etwas alters­schwacher Papagei, der in seinem großen Käfig auf einer Stange saß, wiederholte zuweilen mechanisch die WorteLora, Lora, Köpfchen grauen", ohne daß sich Jemand seiner annahm.

Peter Adam Wiese schaute, wie gesagt, sinnend auf das Treiben der Straße. Wie be­dauerte er die armen Menschen, welche vor Nässe trieften und im Sturmschritt aneinander vorbeirannten und zuweilen heftig aufeinander- stießen. Welch ein hartes Los für die armen Kutscher, für wenige Groschen, kaum genügend, sich, geschweige denn eine Familie zu ernähren, ausharren zu müssen im schrecklichen Unwetter, auf ihrem luftigen Sitz schutzlos den Unbilden der Witterung preisgegeben. Die Leiter auf dem Rücken, die Laterne und den Hacken in der Hand, eilte der Laternenanzünder von einer Straßenseite zur anderen, um seine Pflicht zu erfüllen. Nur der Diener der Gerechtigkeit mit dem kurzen Gummimäntelchen, steht inmitten des Verkehrs unbeweglich auf seinem Posten.

Allmählich wendeten sich seine Gedanken von dem Straßentreiben ab und er durchflog im Geiste seine Laufbahn, auf der ihm ein guter Stern geleuchtet harte. Auch er hatte von Jugend auf schwer arbeiten müssen. In harter Zucht war er ausgewachsen. Ohne Mittel, ohne Freunde und Gönner am Beginn seiner Lauf­bahn, verdankte er sich selbst seinen Erfolg. Peter Wiese hatte verstanden, günstige Umstände, die sich ihm boten, auszunutzen. Mit eisernem Fleiß und unablässiger Beharrlichkeit hatte er dem Ziele zugestrebt, sich selbständig zu machen. Es war ihm gelungen. Mit einem kaum nennens­werten Betriebskapital, aber mit gutem Mut, übernahm er, nachdem er sich ein gutes Stück von der Welt angesehen, von seinem letzten Meister, der seine Tüchtigkeit zu schätzen wußte, dessen Bäckerei, und das Bäckerhandwerk nährt

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