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beim Lesen an zu wallen, die Gegenwart wird vergessen, und der Taumel, der die Seele er­greift. neigt nach und nach zum Ueberdruß der Geschichte oder zum steten Wohlgefallen an der­gleichen wüsten Schwelgereien, je nachdem der Mensch stark ist. Hat man einmal mit einem Heft angefangen, so häufen sie sich. Immer neue Fäden werden in der Geschichte an die alten angesponnen. Die geschilderten Verhält­nisse gestalten sich immer verworrener, und oft erkennt der Leser, wenn ihm der Kops noch einigermaßen freigeblieben ist, daß der Schreiber der Geschichte, zu guterletzt selbst nicht mehr ge­wußt hat, wie er das Ende finden soll.

Aber, was thut das Alles? Der Verleger und der Verfasser haben ihr Ziel erreicht. Die Hefte haben guten Absatz gesunden, sie sind ver­kauft, das Geld ist in ihren Taschen und weiter hat es keinen Zweck! Derjenige Mensch aber, der solche Erzeugnisse in sich ausgenommen, findet gewöhnlich leider das geschilderte Leben gar nicht so übel. Die einzelnen sein Gemüt besonders erfassenden Szenen leben in ihm fort, und, zu schwach, sich über die Einflüsterungen der Sinnlichkeit zu erheben, folgt er dem Drange, der in ihm erweckt worden ist, und schreitet lustig auf den Wegen weiter, deren Endziel moralische Versumpfung ist.

Auf diese Weise wird der Geist des Menschen durch das Lesen nicht ge- sondern ver-bildet. Wie ganz anders steht es da mit dem Geiste erhebender Litteratur. Nicht etwa, daß man Stoffe wählen muß. die in beschränkten Lehr­sätzen wurzeln. Die Litteratur ist reich an Werken, welche durch die Begeisterung für das Gute und Edle, für den Sieg des besseren Menschen, der im Kampfe mit der Welt dahin- gelebt, geschaffen wurde.

Die echte Begeisterung wendet sich nicht dem Dunkeln, dem Unsittlichen zu, sie sucht das Licht und erhebt den Menschen über das Ge­wöhnliche. An Stelle der fünf oder sechs Mark, die durchschnittlich berechnet, für jene verderb­lichen Hefte zum Fenster hinausgeworfen wer­den, kann man gar manches gute Buch, manches gute Heft erwerben. Es giebt deren genug, und jeder Freund der besseren Geistesarbeit wird das Rechte ohne große Mühe aus der Masse her­auszufinden wissen.

Der in der russischen Garde dienende 26 Jahre alte Prinz Peter von Oldenburg ist infolge des Todes der Erbgroßherzogin von Oldenburg der Aussicht auf das Einnehmen des oldenburgischen Thrones nahe gerückt. Nun ist aber dieser junge Mann, wie in derKöln. Ztg." ausgeführt wird, durchaus russisch er­zogen; dem Hausgesetze nach ist er zwar evangelisch, doch ging man so weit, ihm sogar den Konfirmationsunterricht in russischer Sprache erteilen zu lassen. Des Deutschen ist er nur unvollkommen mächtig; wenigstens behauptet er dies selbst, und wenn er einmal ausnahmsweise einige Worte Deutsch spricht, so klingt es ganz gebrochen. Der Prinz besucht Deutschland nie­mals, höchstens vorübergehend zu einem Familien- tage in Oldenburg; er macht aus seiner Ab­neigung gegen Deutschland durchaus kein Hehl und wenn, wie es oft geschieht, in seinem Re­giment über Deutschland und deutsche Eigen­tümlichkeiten gespottet wird, so bleibt er dabei nicht zurück. Sein Urgroßvater, Vater und Großvater waren bereits in russischen Diensten, da ist es kein Wunder, wenn der Prinz aus­schließlich Rußland als seine Heimat betrachtet. Für das deutsche Land Oldenburg sind das sehr unangenehme Aussichten.

Rollen, welche also insgesamt eine volle Million repräsentieren.

Ein für Landwirte und Gemeindeverwalt­ungen beachtenswertes Ergebnis hatten inNidda zwei Versteigerungen. Die gesamten 195 Morgen städtischer Wiesen ergaben infolge der Trocken­heit und des reichen Futtervorrats des Vorsom­mers nur einen Erlös von 43.80 während ein einziger Baum, 17 Jahre alt. einen Erlös von 45.20 brachte. Der Gesamterlös für städtisches Obst war 1600 ^ Es wird immer mehr anerkannt, daß der Obstbau, rationell be­trieben. dem Landmann eine der reichsten Er­werbsquellen werden kann.

(Sympathiemittel.) Zwei Zigeunerinnen trafen jüngst in Britzenheim eine Frau, welche von heftigem Zahnweh gequält wurde, in ihrer Küche.Mütterchen, wir können helfen" er­klärten sofort die Zigeunerinnen, und die Frau ließ sich denn auch folgendes Heilverfahren ge­fallen: Es wurde ihr ein eiserner Hasen über den Kopf gestülpt und auf diesen dann mit einem Feuerhacken so gewaltig losgeschlagen, daß der Frau Hören, Sehen und Fühlen, also auch das Zahnweh verging. Letzteres stellte sich natürlich bald wieder ein. Was aber verschwunden blieb, das waren die schönsten Würste aus der Küche.

In Turin ereignete sich kürzlich folgender Skandal: In der Kirche Santa Teresa predigt seit einiger Zeit der klerikale Kampfhahn Don Deride Albertario, der die Kanzel zu politischen Hetzreden mißbraucht. In einer seiner Predigten griff er in der heftigsten Weise die liberale Partei und die Gazetta del Popolo an. Am nächsten Tage befand sich der Abgeordnete Peroni mit einigen Freunden in der Kirche, und als das Publikum einige Kraftstellen des Predigers, wie dos in Italien Sitte ist, laut beklatschte, sagte Peroni zu seinen Begleitern: Das ist keine Kirche, das ist ein Theater." Darauf gebot ihm ein anwesender Polizeiagent Schweigen, und als Peroni scharf antwortete, stürzten sich mehrere Agenten aus ihn, schlugen ihn, und schleppten ihn, obwohl er sich als Ab- geordneter legitimierte, mit Gewalt fort. Die liberalen Zeitungen sind über den Vorgang sehr entrüstet.

Die Umgangssprache der englischen Königsfamilie. DerBradford Observer" stellt die Frage auf, ob die englische Königs­familie wirklich englisch spricht. Das Blatt schreibt:Es war ein Unglück für die Königin, daß ihre Mutter, die Herzogin von Kent, sehr wenig englisch verstand. Deshalb war das Deutsche die Sprache der Familie in der Jugend der Königin. Und dabei ist es in der Familie geblieben. Dort wird nur Deutsch gesprochen. Das Deutsche ist die Muttersprache der Königin und des Prinz-Gemahls, und es ist deshalb nur natürlich, daß die Königliche Familie sich im privaten Verkehr nur des Deutschen bedient. Im Hause des Prinzen von Wales wird freilich meistens nur englisch gesprochen, aber selbst in Sandringham spricht man es mit ausländischem Tonfall. Der Herzog von Jork hat das Bei­spiel seines Vaters verbessert. In seiner Fa­milie wird ausschließlich englisch geredet. Es heißt sogar, daß der Herzog das Deutsche nicht vollkommen beherrscht. Jedenfalls ist das Haus des Herzogs von Jork das erste seit Wilhelm IV., wo das Englische die Familiensprache ist.

Berlin. Um eine Million zu sehen, eilten am vorgestrigen Sonntag zahlreiche Be­sucher nach einem am Bahnhof Bellevue befind­lichen Eafö. Und in der That hatte der Be­sitzer eine ganze Million in silbernen Fünfmark­stücken ausgestellt, die Jeder gratis ansehen aber nicht anfassen durfte. Die großen Silber­stücke, darunter auch viele aus dem Dreikaiferjahr mit den Bildnissen Kaiser Wilhelms I., Kaiser Friedrich III. und Kaiser Wilhelms II.. lagen (.in offenen Rollen da, jede Rolle zu 250 Stück oder 1250 »IL Es waren 800 solcher

Gegen das Verrosten von Stahl- instrumenten bietet das Calciumchlorid durch seine Anziehungskraft für Feuchtigkeit einen sich­eren Schutz. Man bringt einige Stücke des­selben in einen Glastrichter, welcher in einer Flasche steckt. Das Ganze setzt man in den Kasten oder Raum, in dem sich die betreffenden Gegenstände aus Stahl befinden. So lange Colciumchlorid sich im Trichter befindet, wird es die Feuchtigkeit aus der umgebeuden Luft an sich ziehen und dadurch das Rosten des Stahls verhindern. Mit einer Füllung des Trichters reicht man monatelang aus.

Aepfelthee. Derselbe verdient eine größere Beachtung und wirkt wohlthätig bei Hals- und Bronchialkatarrh. Die Herstellung desselben geschieht auf folgende Weise: Die Aepfel werden in dünne Scheiben geschnitten und dann mit heißem Wasser übergossen. Nach­dem die Flüssigkeit einige Zeit gestanden hat, wird sie abgegossen mit etwas Zucker vermischt und getrunken.

(Ein Pantoffelheld?) Wir lesen imHam­burger Fremdenblotl:

An Zauberei und Hexerei scheint noch ein biederer Bewohner Graubündcns zu glauben. Die hiesige bekannte Firma E. Oskar Lifchke erhielr von dort folgenden originellen Brief, der für sich selbst spricht:

Herrn E. Oskar Lischke, Hamburg.

Ich ersuhe Sie indem Sie mechten mir die gütie haben, und mir 1 Zauber Buch senden; das man fordie feinde weren chan, und der gleichen ein chleineS, aber Scharfes buch, das man beese weiber zemen chan, wan sie es ver­dient haben mit Jcren schlechtes maul, und der gleichen. Ich Überlase also Ihnen, zu senden, so bald als mögli, per Nachname, und ein aparat, das eine Maschine zerbrechen muß, wan man wil, Mil emfälung, zu senden an usw.

Ich bitte Sie auch ferner was man bei Ihnen haben chan, chlcine aparatcn und der pris dazu, aber anfertraud und in geschlafene Brief."

(Höhere Schläue) A.:Das ist doch zum Teufel holen! Schieß' ich ohne Brille, so tcefs ich zu kurz, schieß' ich mit Brille, so schieß ich regelmäßig zu weit. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich thun soll!" B.:Da müßten Sie so ein Mittelding versuchen, nehmen Sie 'mal ein Monocle!"

(Unschuldig.) Herr (zum Diener):Karl, du bist mir bei der Weinflasche gewesen!" Nein, gnädiger Herr, der Proppen ging ja nicht 'raus."

Telegramme.

Berlin, 8. Okt. Das Staatsministerium trat heute vormittag unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe zu einer Sitz­ung zusammen.

B e r l i n. 9. Okt. Die Berl.Volks-Ztg? erfährt: Die Nachrichten aus Münster über die dortigen Unruhen seien übertrieben.

Braunschweig, 8. Okt. Das Staats­ministerium genehmigte die Veranstaltung einer Pfennigsammlung am 18. d. Mts. in sämt­lichen Schulen des Landes zu Gunsten des in Leipzig zu errichtenden Völkerschlachtdenkmals.

Aus Köln wird gemeldet: Es seien in den letzten Tagen noch 2 Spione sowie 1 Buch­halter bei der Firma Grusow mit Namen Apfel­baum unter starker Bewachung nach Leipzig überführt worden.

Brüssel, 9. Okt. Die amtliche Unter­suchung über das Eisenbahnunglück bei Ottignies ergab, daß den II. Vorsteher keine Schuld trifft. Einstimmig wird der getötete Zugführer, welcher von Ottignies mit seiner Lokomotive abging und die Signale außer Acht ließ, als der allem Schuldige bezeichnet.

Barcelona, 9. Okt. Hier sind wieder Ruhestörungen vorgekommcn. Studenten und das Volk veranstaltet vor den Lokalen der liberalen Blätter Sympathie-Kundgebungen. Die katholischen Studenten protestierten gegen die Ruhestörungen.

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