673

Kriegschronik 1870/71.

7. Oktober 1870.

Vor Paris nichts Neues.

Hauptquartier Cornh vor Metz, den 8. Oktober. Femd griff i gestern) nachmittags 2 Uhr über Woippy Division Kummer an. Heftiger Kampf bis in die Nacht. Der Feind überall mit großem Verlust und Nachtkampf zurückgeschlagen. Die 9. Infanterie-Brigade und Teile des X. Korps griffen kräftig ein. Vom Feinde fochten auch Garde-Truppen. Gleichzeitig ent­wickelte der Feind auf rechtem Moselufer mehrere Divisionen gegen I. und X. Korps. Es war dort leb­hafte Kanonade. Verluste, namentlich der Division Kummer und des X. Korps, find auf 500 Mann die des lll. Korps auf 130 Mann zu schätzen.

von Stiehl e.

Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 8. Okt. DerStaats­anzeiger" von gestern bringt nun den Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 4 Okt., betr. die Anordnung der Ersatzwahlen zum Reichstag in dem VII. und XII. württ. Wahl­kreis. In diesen beiden Wahlkreisen, nämlich im VII. Calw-Herrenberg-Nagold-Neuenbürg und im XII. CrailsheirmGerabronn-Künzelsau- Mergenlheim findet die Wahl am Dienstag den 12. November d. I. statt. Als Tag des Beginns der Auslegung der Wählerlisten ist Sonntag der 13. ds. Mts. bestimmt. Zum Wahlkommissär im VII. Wahlkreis ist Oberamt­mann Völker in Calw, im XII. Oberamtmann Ott in Gerabronn ernannt.

Neuenbürg. 8. Okt. Mit Bezug auf die Notiz in der Sonntagsnummer, wonach Unser bisheriger Reichstagsabgeordneter, Land­gerichtsdirektor Frhr. v. Gültlingen, eine Erklärung wegen Wiederannahme der Kandidatur noch nicht abgegeben hatte, können wir heute zuverlässig mitteilen, daß der genannte Herr nunmehr gestern die Erklärung abgegeben hat, daß er die ihm von einer Deputation aus den 4 Oderamtsbezirken angetragene Kandidatur anzu­nehmen bereit ist. Bezüglich eines demokratischen Kandidaten teilt derBeobachter" von gestern mit, die Nachricht, daß die Volkspartei den in der letzten Zeit leidenden Hrn. Reinhold Cleß bereits wieder aufgestellt habe, sei voreilig.

Langenbrand, 8. Oktbr. Sonntag Nacht '/,1 Uhr brach hier in dem gemeinschaft­lich von Stiftungspfleger Rentschler und seiner Mutter bewohnten Haus plötzlich Feuer aus, wo­durch die Gemeinde in große Angst versetzt wurde, besonders auch deshalb, weil in unserem hoch gelegenen Orte großer Wassermangel herrscht. So kam es auch, daß trotz rascher und energ­ischer Thätigkeit der Feuerwehren das große Wohnhaus samtangefülller Scheuerniederbrannte. Der Wind trieb das mächtige Feuer gegen die Kirche und das benachbarte Pfarrhaus, welches gefährdet war. Die Schömberger Feuerwehr brachte in dankenswertester Weise gleich Wasser in Fässern mit. Leider muß Brandlegung an­genommen werden; es ist auch bereits ein der Brandstiftung verdächtiger junger Mann in Untersuchungshaft.

Deutsches Weich.

Der Flügelschlag neuen Lebens in der inneren Politik beginnt sich allmählich zu regen, geht es doch auch mit Macht in den eigentlichen Herbst hinein, mit welchem ;a von jeher die politische und parlamentarische Winter- thätigkeit zu erwachen pflegt. Noch ist's aller­dings bis zum Wiederzusammentritte des Reichs­tages mutmaßlich noch lange Wochen hin, dafür tritt jetzt jedoch der Vorläufer der Reichstags, session, die neue Bundesratssession, in die Erscheinung, woran sich dann Mitte Oktober auch der Wiederbeginn der Sitzungen des Co­lonialrates anreihen wird. Ganz still ist's aber von der angeblichen neuen Aktion gegen die Sozialdemokratie geworden, wenn's hoch kommt, wird sie sich auf eine Verschärfung der Vereinsgesetzgebung in Preußen beschränken, und selbst dies steht noch nicht ganz sicher fest. Bon den einzelstaatlichen Parlamenten hat zur Zeit das seit acht Tagen versammelte bayer­ische Abgeordnetenhaus das Wort. In der bayerischen Volksvertretung kam u. A. auch die unglückselige Fuchsmühler Affaire in den Sitzungen vom Mittwoch und Donnerstag in»

folge einer Interpellation des Zentrumsabge­ordneten Dr. Schädler auf's Tapet, wobei vom Minister v. Feilitzsch die Erklärung abgegeben wurde, die bayerische Regierung bedaure zwar die Fuchsmühler Vorgänge, sie sei aber nicht in der Lage, geeignete Maßnahmen zur end< giltigen Verhinderung der Wiederkehr ähn< licher Vorkommnisse zu bezeichnen. Bon bemerkenswerteren parteipolitischen Ergnissen der jüngsten Zeit ist augenblicklich nichts fzu erwähnen, dagegen steht an diesem Sonntag der Zusammentritt des diesjährigen sozial­demokratischen Parteitages in Breslau bevor; vermutlich wird es auf dem Parteitag ziemlich lebhaft zugehen. Ueber die Skandal- affaire des Herrn v. Hammerstein werden die Akten der Tagesdiskusfion allmählich geschlossen, da der edle Freiherr in sicherer Ferne weilt, verliert die Sache für die Allgemeinheit an Interesse. Dagegen spielt der Name des Herrn Stöcker noch immer eine gewisse Rolle in der politischen Tagesgeschichte. Es sind vom kon- servativen Lager aus mehrfache Absagen an den ehemaligen Hosprediger ergangen, anderseits kann er jedoch auch neue Bertrauenskundgeb- ungen für sich aus den Kreisen seiner konserva­tiven Gesinnungsgenossen verzeichnen. Herr Stöcker selbst aber setzt in der ihm zur Verfügung stehenden Presse seine Redereien über die Waldersee-Versammlung", über die Kartell­politik u. s. w. fort. In seinen jüngsten be­treffenden Veröffentlichungen versichert er, es sei ihm nie eingefallen, Zwietracht zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck zu säen und am Sturze der letzteren mitzuarbeiten. In Zwickau ist die 8. Generalversammlung des evangelischen Bundes zusammengetreten; dieselbe sandte an den Kaiser und an den König von Sachsen Huldigungstelegramme.

Ueber die jüngste Landesverratsaffaire laufen noch mancherlei Widersprüche in den Blättermeldungen um, es wird daher gut sein, die weitere Entwicklung dieser Sache abzuwarten. Der Aachener Sensations-Prozeß gegen die Alexianerbrüder vom Kloster Mariaberg hat setzt ein Nachspiel gefunden, durch den am Mittwoch vor dem Aachener Schwurgericht be­gonnenen Meineidsprozeß gegen die vielge­nannten Alexianerbrüder Heinrich u. Jrenäus, welcher mit der Freisprechung endigte.

Breslau, 7. Okt. Die Anträge an den sozialdemokratischen Parteitag auf Abschaffung der Accord- und Nachtarbeit wurden abgelehnt. Ferner wurde mit großer Majorität beschlossen, Dr. Rüdt-Heidelberg aus der Partei auszu­schließen.

Konfisziert wurde auf Anordnung der Staatsanwaltschaft in Erfurt ein in der Druckerei der dortigenVollstribüne" in 30 000 Exem­plaren hergestelltes Flugblatt.

Breslau, 8. Okt. Der österreichische De­legierte zum Sozialistentag, Dr. Ellenbogen, ist heute verhaftet worden.

Köln, 7. Okt. DieKöln. Ztg." meldet aus Münster i. W.: Die Unruhen wegen der allzufrühen Polizeistunde haben in der ver­gangenen Nacht zu weiteren und zwar zu sehr großen Ausschreitungen geführt. Polizisten wur- den mißhandelt, worauf einige derselben von der blanken Waffe Gebrauch machten.

Münster i. W., 8 Okt. In der letzten Nacht war die Polizei durch Gendarmerie ver­stärkt. Die Beamten mußten mit der blanken Waffe Vorgehen, wobei einzelne Verwundungen vorkamen. Die besseren Elemente ziehen sich von den Ausschreitungen zurück.

Mülhausen i. E., 8. Okt. Einer der ersten hiesigen Industriellen, Henri Schwartz, Chef der Firma Schwartz u. Co. wurde heute vormittag, kurz vor 12 Uhr, von einem arbeitsscheuen Menschen durch Messerstiche in den Unterleib lebensgefährlich verwundet. Der Thäter, welcher bis vor einem Jahre in einer anderen Spinnerei arbeitete, seitdem sich vagabondierend Herumtrieb, trat an Hrn. Schwartz heran, als solcher über die Baustelle seiner neuen Spinnerei ging und frug um Arbeit. Ehe Hr. Schwarz noch antworten konnte oder überhaupt sich etwas versah, hatte der Elende ihm schon das Messer in den Unterleib gestoßen, so daß

die Eingeweide hervortraten. Der Schwerver­wundete wurde in das Portierzimmer seines Neubaues gebracht und ist heute seinen Verletz­ungen erlegen. Die Aufregung in der Stadt selbst ist ganz riesig, denn während des seit acht Tagen beendeten Ausstandes in einigen hiesigen Kammgarnspinnereien erhielt Hr. Schwartz einen anonymen Brief, der ihn warnte, er möge auf der Hut sein, man werde ihm einen bösen Streich spielen, Hr. Schwartz schenkte der Sache keine Aufmerksamkeit und war um so beruhigter, als der Ausstand sein Etablissement eigentlich nicht berührt hatte. Der Thäter wurde von den Bauarbeitern des Neubaues verfolgt, da er sich, das blutige Messer schwingend, flüchtete, als er sich eingeholt sah, hielt er plötzlich an, und jagte sich eine Kugel durch den Kopf, die aber ihren Zweck nicht voll erfüllte, denn der elende Meuchel­mörder verletzte sich nur schwer. Der Thäter, namens Hayer, bis vor einem Jahr in der Spinnerei von Glück u. Co. beschäftigt, habe für Geld alles besorgt, was man hätte haben wollen.

Heidelberg, 8. Okt. Am letzten Sams­tag hat der bei der hiesigen Domänenverwaltung angestellte Schreiber Barko einen an die groß- herzogliche Generalstaatskasse in Karlsruhe ge­richteten Wertbrief mit 52 000 Inhalt unter­schlagen. In einem an seine Frau gerichteten Schreiben hat er die Unterschlagung zugestanden. Von Karlsruhe ist ein höherer Beamter zur Untersuchung der Angelegenheit eingetroffen.

Furtwangen, 4. Okt. Ein empfindlich schroffer Umschlag in der Witterung ist einge­treten. Nach den unvergleichlich schönen Herbst­tagen haben wir Sturm und Regen in heftiger, ergiebiger Weise. Auf der Escheck hat es gestern früh geschneit, und bald werden wir auf unfern Höhen wieder für einige Monate in die Winter­decke eingehüllt sein.

Württemberg.

Mit Allerhöchster Ermächtigung Sr. Mas. des Königs ist dem Central-Dombau-Verein in Köln die Erlaubnis zum Absatz von 15 000 Losen zu 3 Mk. der zum Zweck der weiteren Freilegung des Kölner Doms veranstaltenden Prämien-Kollekte innerhalb des Königreichs Württemberg erteilt und als verantwortlicher Hauptagent Eberhard Fetzer in Stuttgart auf­gestellt worden.

Mit dem auf 1. Okt. d. I. in Kraft ge­tretenen Winterfahrplan 1895 verkehren auf dem Stuttgarter Bahnhof täglich 172 Per­sonenzüge (84 abgehende und 88 ankommende Z), hiezu kommen noch 15 versch. Sonn- und Feiertagszüge (4 gehen ab. 11 kommen an), somit verkehren an Sonn- und Feiertagen hier 187 Züge: 88 gehen ab und 99 treffen ein. Auf die verschiedenen Richtungen kommen Züge: nach Cannstatt 44 täglich (Sonn- und Feiertags noch 2), von Cannstatt 46 (8), nach Böblingen 8, von Böblingen 9, nach Ludwigsburg 26 (2), von Ludwigsburg 26 (3), nach Calw 6 und von Calw 7 Züge. Von den täglich verkehrenden Personenzühen haben 115 Brief­postbeförderung und zwar in der Richt­ung nach und von Cannstatt je 29 Züge (hiezu kommt noch je 1 Güterzug mit Briefbe- förd.); in der Richtung nach LudwigsburgS 16 Z., von Ludwigsburg 19 Z.; in der Richt­ung nach und von Böblingen je 7 Z., in der Richtung nach und vonCalw je 4 Züge.

Stuttgart, 5. Okt. Wie die Wärme, so ist auch die Trockenheit des diesjährigen Sept. eine außergewöhnliche gewesen. In Stutt­gart sind nur 3,4 I auf den ym gefallen. Noch weniger ist nur im Septbr. 1865 (2,9 1) und außerdem im April 1893 (0,0 1) und im April 1840 (1,7 I) niedergegangen. Der diesjährige September steht also unter 490 Monaten der wärmeren Jahreshälfte, worin wir April und Oktober noch einbegreisen die regenarmen Monate der kühleren Jahreshälfte sind für die Vegetation ohne besondere Bedeutung an 4. Stelle. Die Folgen der starken Austrocknung des Bodens für den Pflanzenwuchs sind ähnlich wie im April 1893, nur durch die herbstliche Jahreszeit, in der die Vegetation überhaupt auf­zuhören beginnt, wesentlich gemildert. Der Nach-