leute wird namentlich auch bemängelt, daß Aerzte, Rechtsanwälte u. s. w. nicht auch zur Gewerbe­steuer herangezogen werden. Sie bedürfen aller­dings keines besonderen Betriebskapitals, wenn man nicht ihre Studienkosten als Betriebskapital bezeichnen will; aber auch der Kaufmann hat zu seiner tüchtigen Ausbildung nicht geringe Kosten zu tragen, ohne dabei vom Staat irgend­welche Beihilfe für seine Ausbildungskosten zu verlangen. Man braucht dabei nicht einmal an staatliche Stipendien u. dgl. zu denken, sondern nur an die Thatsache, wieviel jeder Universitäls- student den Staat extra kostet. Wünschenswert wäre wohl auch, daß die Dividenden, welche die Mitglieder von Konsumvereinen beziehen, ebenso für kapitalsteuerpflichtig erklärt würden, wie die Dividenden, welche ein Aktionär bezieht. Letzterer riskiert event. immer eine größere Kapitalsumme, letzterer aber als Mitglied einer Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht nur einen sehr mini­malen Betrag. Alles in allem genommen, ver­dienen aber die Gesetzentwürfe über die direkten Steuern in Württemberg keineswegs eine pure Ablehnung, sondern nur eine Verbesserung bezw. Verschärfung. Würde die Finanzkommission etwa in die Beratung dieser Entwürfe gar nicht ein- treten wollen, so würde sie sich und die Kammer bezw. die betr. Fraktionen bei der gesamten Be­völkerung dem Verdachte aussetzcn, daß der vor den Wahlen allgemein erhobene Ruf nach einer progressiven Einkommensteuer nur Wahlspeck für thönchte Wähler gewesen sei und daß die betr. Herren Abgeordneten nun blos deshalb von dem Entwurf nichts wissen wollen, weil sie selbst finanziell dadurch in Mitleidenschaft gezogen würden.

Die Steuergesetzgebungskommission der II. Kammer beschäftigte sich in ihrer ersten Sitzung mit der Ordnung des Geschäftsgangs. Am 3. Oktober begannen die Beratungen, denen der Finaniministcr Dr. v. Riecke und Ministerial­rat Fischer anwohnen. Dem Vernehmen nach wurde die Reformbedürftigkeit der direkten Steuern allseitig anerkannt. Das Prinzip der Einkommensteuer wurde ebenfalls angenommen, nur war auch eine Ansichl dahin vertreten, daß dieselbe nur als ergänzende Steuerreform zu den Ertragssteucrn treten sollte. Die große Mehrheit der Kommission sprach sich aber für die Einkommensteuer als Hauptsteuer aus. Die Mitglieder der Volk-Parrei sollen sich auf Grund einer stattgehabten Besprechung, der auch Präsident Payer angewohnt habe, gegen die Beibehaltung der Ertragssteuern ausgesprochen haben.

Donnerstag nachmittag schwebte der Finanz­minister Dr. v. Riecke in großer Gefahr. Als er mit Dekan Dcmmler von Eßlingen zur Beerdigung seines Verwandten, Prof. Dr. Wil­helm, auf den Pragfriedhof fuhr, gingen die Pferde durch, der Wagen wurde umgeworfen, zum Glück aber brach die Deichsel und der Wagen blieb liegen. Die beiden Herren kamen mit dem Schrecken davon und konnten sich zu Fuß auf den Friedhof begeben. Der Diener des Hrn. Ministers war vom Bock geschleudert worden.

(S. M.)

Cannstatt, 3. Okt. Der Bierkonsum auf dem Wasen hat nach derC. Ztg.," in den 4 Tagen des Volksfestes insgesamt rund 4000 Hl. betragen.

Cannstatt, 2. Okt. Ein heiteres Volksfesterlebnis hatte ein Bauersmann aus dem Oberamt Böblingen zu bestehen. Der­selbe hatte einen jungen Zuchtfarren im Wert von 300 viL auf den Markt gebracht; da er aber den verlangten Preis nicht bekam, stellte er in angeheitertem Zustande das Tier in einen Stall der Stadt ein und übernachtete im Wirts­haus. Aber am anderen Morgen wußte der gute Mann nicht mehr, wo er den Fairen einge­stellt hatte, und mußte sein Mißgeschick durch den Ausschcller bekannt machen lassen. Glück­licherweise meldete sich der Stallbcsitzer aber aus einem ganz anderem Stadtteil als dem vom Bauer gemeinten. Letzterer konnte nun seinen Farren wieder nach Hause nehmen.

Ludwigsburg, 2. Okt. Gestern nach­mittag wurde dem Metzger Kramer von Winzer.

Hausen. OA. Marbach, während er sein Fuhr­werk vor eine hiesige Wirtschaft stellte und zechte, das letztere von einem hiesigen Schreinergesellen weggeführt, nachdem er sich von einem anderen Fuhrmann eine Peitsche angeeignet hatte. Der Dieb suchte mit dem Fuhrwerk alsbals das Weite unter fortgesetztem Einhauen auf das schon er­mattete Pferd, wurde aber durch einen berittenen Landjäger verfolgt, eingeholt und in Eglosheim verhaftet. Dort wurde das Pferd im Hirsch in Pflege gegeben. Der Bursche wird sich neben diesem versuchten Diebstahl auch noch wegen roher Tierquälererci zu verantworten haben.

Die KünzelsauerGe Werbeausstell­ung schließt mit einem Ucberschuß von 2500 Mark ob.

Obstpreiszettel.

Stult.gart, 3. Oktbr. Güterbahnhof: Zufuhr 60 Waggons Mostobst und zwar 24 belg., 9 französische, 23. Hess, und rheinländ., 4 östr. Preis per Waggon L 200 Ztr. 1130 bis 1190 -4L, per Ztr. 5 -4L 70 ^ bis 6 -4L 10

Eßlingen, 3. Okt. Obstmarkt auf dem Güter­bahnhof : 32 Wagen, Preis 5 50 ^ bis 6 ^L 30

gebrochenes Obst 9 -4L per Ztr.

Heilbronn, 2. Okt. (Obstmarkt.s Preise für Mostobst: 5 Mk. 50 Pf. bis 7 Mk. 70 Pf., gebrochene Aepfel 10 Mk. Pf. bis 14 Mk. Pf. per Zentner.

Weinpreiszettel.

Kirchheim a. N., 3. Okt. Käufe zu 190, 196, 200, 205 p. 3 Hekt. Lese schlägt bedeutend vor, da­her noch rund 2000. Hektol. und Ausstichweine feil, Käufer erwünscht.

Stadt Bracken heim, 3. Okt. Käufe zu 167 bis 175 Mk pr. 3 Hektol. Vorrat noch 600 Hekl. vor- zügl. Qualität.

Stadt Cannstatt, 3. Okt. 1 Kauf zu 200 Mk. per 3 Hektol.

Thamm, 2. Okt. Mehrere Käufe zu 180, 182, 183 und 185 Mark per 3 Hektol. Vorrat noch r. 750 Hl.

Beginn der Allgemeinen Weinlese am Montag den 7. Oktober in Vaihingen a. d. Enz, Hohen­haslach, Bietigheim, Besigheim, Reckarsulm, Brackenheim, Großgartach, Freudenthal und Gemmrigheim.

Ausland.

Paris, 3. Okt. Die Thatsache, daß der flüchtige Senator Magnicr der gerichtlichen Ausforderung entsprechend, am letzten Tage der ihm zugestandencn Frist sich freiwillig den Be­hörden gestellt hat, erregt lebhafte Ueberraschung. In oppositionellen Kreisen wird die Vermutung laut, daß Magnier von zuständiger Seite die Versicherung erhalten habe, es werde alles auf- geboten werden, um seinen Freispruch zu ermög­lichen. Das selbstbewußte Auftreten, das er auch gestern zur Schau trug, als er, von seiner Schwester begleitet, auf der Polizeipräfektur erschien und dem Chef der Sicherheit, Cochefort, seine Visitenkarte überreichen ließ, verleitet in der That zur Annahme, daß er von dem glück­lichen Ausgang seines Prozesses vollständig über­zeugt sei. Auf die Frage Cocheforts, wohin er sich geflüchtet hätte, verweigerte Magnier jede Auskunft; er erklärte nur in aller Seelenruhe, daß er Paris nur verlassen habe, weil er der Erholung bedurfte und er sei jetzt, wie alle Jahre, von seinenFerien" zurückgekehrt. Sollte Magnier, was allerdings nicht wahrscheinlich ist, ohne jede Garantie den gegen ihn angestrengten Prozeß riskieren und die ihm zur Last gelegte Schuld dadurch abwälzen wollen, daß er in die Südbahnaffaire verwickelte einflußreiche Politiker bloßstellt, so müßte man sich auf neue und folgen- schwere Skandale gefaßt machen. Die gegen Magnier erhobene Anklage lautet dahin, daß er als Generalrat des Bar-Departements von Baron Reinach 100 000 Frcs. erhalten habe, um dessen Bahnprojekt zu begünstigen, und daß er deshalb der Annahme von Bestechungen in amtlicher Eigenschaft sich schuldig gemacht habe. Magnier leugnet zwar nicht, die genannte «summe em­pfangen zu haben, erklärt jedoch, dieselbe sei ihm nicht als Generalrat, sondern als Direktor desEvenement" für die in seinem Blatt ver­öffentlichten Reklame-Inserate bezahlt worden.

Die Engländer scheinen demnächst in Südafrika wieder einmal einen Kriegszug unter­nehmen zu müssen. Die Aschantis zeigen sich sehr unbotmäßig, weshalb die Regierung eine Strafexpedilion von Zanzibar aus gegen die­selben ausrüstet. Mil den Chinesen sind die

Engländer kurz angebunden gewesen und haben damit einen großen Erfolg erzielt. Infolge eines englischen Ultimatus sah sich der Kaiser von China genötigt, den bisherigen Vizekönig der Provinz Sz. Tschwan, sowie verschiedene ihm untergebene Beamte abzusetzen und dauernd der Bekleidung eines Staatsamtes für unfähig zu erklären, weil sie die Ermordung der fremden Missionare in Kucheng nicht verhindert haben. Wenn China dieses Ultimatum Englands nicht befriedigend beantwortet hätte, so wären fünf englische Panzerschiffe den Jantsckiang hinaufge­fahren und hätten die chinesischen Städte an dessen Ufer bombardiert.

Warren (Rhode Island). 4. Okt. Die der Warren-Manufakturing-Company gehörige Baumwollfabrik mit abstoßenden Gebäuden ist niedergebrannt. Der Schaden übersteigt eine Million Dollar.

(Ein braver Vater.) Ein Lehrer aus der Provinz stellt uns folgenden Brief von dem Vater eines seiner Schüler zur Verfügung:

geehrter Herr N. Da ich mit mein

Sohn nicht richt von seinen Zeugniß zu frieden bin, sein Sie doch ein bischen streen. Damit ich werde im Hause auch mit helfen wen er nicht auf past dann haun Sie ihn man tüchtich die Jacke voll ich reiche kein beschweren ein Mathias E.Vater."

(Erhorcht.) Junger Mann:Nun. liebste Freundin, was wünschen Sie denn am liebsten zum Geburtstag?" Deren kleiner Bruder:Dich zum Bräutigam!" (Ein kleiner Egoist.) Fritzchen: Tante, sei so gur und spiele etwas am Klavier."

Tante:Du liebst wohl meine Musik?"

Fritzchen:O, nein! aber ich krieg' dann vom Papa Bonbons, damit ich die Noten ver­stecke!"

Auflösung der Rätselfrage in Nr. 153.

Kammmacher".

Richtig gelöst von WilhelmHabel von Dobel,

Scherzrätsel.

Nimmst Du die Ersten zu der Hand Und thust der Zweiten viel,

Geht der Verstand wohl über Land, Schwer wird, was Kinderspiel.

Doch brauchst das Ganze Du gewandt, Wird leicht die größte Last;

Nun rate zu nur allerhand Und sage, was Du hast.

Telegramme.

Berlin, 5. Okt. DieVoff.-Ztg." er­fährt aus Wien: Der gestrige erste Mlnister- rat unter dem Vorsitz des Kaisers beschloß angeblich die Aufhebung des Belagerungszustandes von Prag.

Berlin, 5. Okt. Der Kaiser genehmigte i die Bildung eines Komitos, behufs Errichtung eines Denkmals für Prinz Friedrich Karl bei Metz.

Aachen, 5 Oktober. Im Prozeß des Bruders Jrenäus beantragte der Staatsan­walt Freisprechung. Die Geschworenen sprachen das Nichtfchuldig aus und sprachen Jrenäus frei.

Metz, 4. Okt. Ein orkanartiger Sturm hat heute mittag an der Kathedrale einen an­sehnlichen Teil der Kupferbedachung des südwest­lichen Längsschiffes durchgeriffen und überein­ander gerollt. Die Skulpturen wurden beschädigt und auf das Pflaster geworfen. Das Unwetter dauert fort.

London, 5. Okt. Der Sturm an der Küste hat sich erneuert, es treffen Nachrichten von vielen Schiffbrüchen em, wobei viele Menschen verloren wurden. An der Westküste gingen 8 Segelschiffe verloren. Die norwegische Brigg Haabet litt ebenfalls Schiffbruch. Die ' Bemannung und ein Mädchen wurden mittelst Raketen gerettet. An der Küste bei Lizard hatte ein großer österreichischer Dampfer in Not signalisiert. Ein Schleppdampfer und ein Rett­ungsboot wurden zur Hilfe abgesandt. Weiter in Not geratenen Schiffen wurde ebenfalls Hilfe gesendet.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.