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Kiuderzahl in Württemberg zu denken. Es handelt sich auch hier nicht um eine vorübergehende Erscheinung, etwa infolge besonders hoher Kindersterblichkeit durch Epidemien, sondern nach allen Schätzungen wird die Schülerzahl während der nächsten 5 Jahre noch weiter ab- nehmen, um dann allerdings wieder eine stetige Zunahme zu erfahren. Die größten Rückgänge an schulpflichtigen Kindern haben die überwiegenden Landwirtschaftsbezirke Blaubeuren. Brackenheim, Leonbera, Münsingen und Waiblingen zu verzeichnen. Man braucht sich da nicht lange den Kopf zu zerbrechen, um nach den Ursachen dieser Erscheinung zu forschen, es sind die überaus schlechten Erträgnisse der Landwirtschaft, welche den Leuten das Heiraten als bedenklich erscheinen ließen und unter solchen Umständen begreift cs sich, daß auch die Kleinbauern in Württemberg bitter über ihre Lage klagen und daß nicht blos, wie man die Zeitungsleser hie und da glauben machen möchte, die preußischen Großgrundbesitzer ein Interesse an höheren Getreidepreisen haben. Dabei ist die Thatsache bemerkenswert, daß von denjenigen Bezirken, die den größten Rückgang der Schülerzahl aufweisen, 4 an große Städte angrenzen nämlich Waiblingen und Leonberg an Stuttgart. Brackcnheim an Heilbronn und Blaubeuren an Ulm. Bekanntlich hat die Landbevölkerung in der Nähe größerer Städte noch einen gewissen Vorsprung in der Existenzmöglichkeit gegenüber der ländl. Bevölkerung, die von großen Städten weit entfernt wohnt. Die Gartenerzeugnisse: Salat, Rettige u. dergl., ebenso aber auch die Milchproduktion finden in nahen Städten einen leichteren und lohnenderen Absatz und dazu kommt, daß die Landbevölkerung für überschüssige Arbeitskräfte in nahen größeren Städten bei Grab- und Bauarbeiten rc. Arbeit und Verdienst findet, was immerhin für die wirtschaftliche Existenz einer Dorfbevölkerung von großer Tragweite ist. Freilich darf andererseits nicht vergessen werden, daß dem leichteren und'größeren Verdienste auch größere Ansprüche an die Lebenshaltung gegen- überstehen. In den größeren Städten hat nun die Zahl der Schüler fortgesetzt zugenommen und ohne diese Zunahme wäre der Gesamtausfall der Zahl der Volksschüler in Württemberg selbstredend noch erheblich größer. Gerade letztere Thatsache aber beweist, daß es der Stadtbe- völkerung durchschnittlich weit besser geht als der ländlichen. Daher erklärt sich auch das rasche Anschwellen der Bevölkerungsziffer in größeren Städten durch Einwanderung, während andererseits das fortwährende Geschrei der Industriearbeiter in Großstädten gegen angebliche Verteuerung der Lebensmittel nicht nur that- sächlich unbegründet ist, sondern auch eine förmliche Grausamkeit gegen die Landwirtschaft treibenden Mitbürger bedeutet, wenn letzteren jeder Versuch, für ihre Produkte bessere Preise zu erzielen, als eine Art Unersättlichkeit zum Vorwurf gemacht wird.
Stuttgart, 18. Sept. Der Schultheiß von Gablenberg, welcher in einer politischen Versammlung auf Herrn Kloß ein „Hoch" ausbrachte, bleibt im Amt.
H e i l b r o n n, 22. Sept. Auf was Kinder nicht kommen, wenn sie Langeweile hoben, beweist folgender Vorfall von gestern: 5 Knaben im Alter von 4—11 Jahren stahlen in der Botenhalle einen sogenannten Flaschenkorb ohne Flasche, jedoch befand sich Stroh und anderes Brennmaterial darin vor. Alsbald wurde der Versuch gemacht, den Korb anzuzünden, was jedoch nicht sofort gelang. Allein der Plan mußte eben doch zur Ausführung kommen und so schleppten sie den Korb bis auf die südliche Terrasse der Kilianskirche und brachten es dort fertig, daß der Korb vollständig verbrannte. Die Hochwächter verständigten sofort telephonisch die Polizei, welche die jungen Missethäter alsbald ermittelte. Obwohl sie nach dem Gesetz nicht strafbar sind, so sollen sie doch von ihren Eltern mit einem ordentlichen Denkzettel bedacht worden sein. Ein Schaden ist durch das Feuer nicht entstanden.
Leonberg, l9. Sept. Der neue Bau- plan auf dem Brandplatz ist nun fertig;
die Abgebrannten haben sich auf Grund desselben verständigt. Darnach werden die Schloßstraße und die Klosterstraße je eine Breite von II Mtr. bekommen, die Kirchstraße und die Zwergstraße eine solche von je 10 Mtr. Gerichtsnotar Bühler wird nicht mehr bauen; er bekam für seinen Bauplatz 2000 »fL Hier als Eckhaus wird Dreher Bach ein Haus erstellen, zwischen ihm uud dem Rathaus kommt wieder der Gasthof zum Bären, 1'/» Mir. breiter als seither. Der Platz auf der andern Seite des Rathauses mit der Marktplatzfront ist der Kehl- schen Apotheke überlassen. Ein Teil der Abge- brannten baut nicht mehr. Die Abfuhr des Bauschuttes nach der alten Höfinger Straße geht ununterbrochen vor sich. Bis jetzt wurden vom Brandplatz etwa 3000 Wagen Schutt abgeführt; es mögen ungefähr noch ebensoviel auf dem Brandplatz liegen. (Der vollgeladene Wagen wird mit 1 bezahlt.) Die in den ersten Togen eingeführte Taglohnarbeit wurde, als zu kostspielig und zeitraubend, verlassen und die Accordarbeit ausgenommen. Rutesheimer und Eltinger Fuhrleute sind am meisten beteiligt. Wenn die günstige Witterung anhält, hofft man den Brandplatz in 8 Tagen geräumt zu sehen.
Ein schwäbischer Gedenktag.
(Nachdruck verboten.)
Am 24. Sept. d. I. sind 500 Jahre seit der Eroberung von Heimsheim und der Gefangennahme der „Schleglerkönige" durch den Grafen Eberhard III. verflossen, weshalb es unseren Lesern wohl willkommen sein dürfte, wenn wir dieser historischen Begebenheit in Kürze gedenken.
Bald nach dem Tode des „alten Greiners", des Siegers von Döffingen, gründeten adlige Herren in Schwaben und vom Rhein eine Gesellschaft, deren Mitglieder sich „Schlegler" nannten, weil sie als Bundeszeichen einen silbernen Schlegel am Halse trugen. Auch „Martinsvögel" hießen sie, da die Stiftung ihres Bundes am Martinstage erfolgt war. Der Schlegler- bund richtete sich direkt gegen die größeren Landesherrn, in erster Linie gegen den Grafen von Württemberg, dessen wachsende Bedeutung lange schon mit scheelen Augen angesehen wurde.
Im Sommer 1395 trieben die Schlegler namentlich in Neuenbürg, Heimsheim, Berneck und Schenkenzell ihr Unwesen und beunruhigten von diesen Plätzen aus den Grafen Eberhard. Dieser hatte sich inzwischen gerüstet und auch mit den Städten einen Bund geschlossen, die ihn mit Geschütz versahen, welches damals eben erst aufgekommen war. Außer seiner Mannschaft hatte Eberhard noch rasch die Bauern des Gaues, mehrere tausend Mann, aufgeboten und in aller Stille, aber in möglichster Schnelligkeit rückte er vor Heimsheim, woselbst die drei Schleglerkönige Wolf von Steineck und Reinhard und Friedrich von Enzberg ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatten. Die Herren hatten im Heims- heimer Schlosse, dem noch heute erhaltenen „Kasten" Logis genommen und bis in die späte Nacht hinein mit ihren Getreuen Kriegsrat gehalten und fleißig bankettiert. Sie alle lagen in tiefer Ruhe, als gegen den Morgen hier Alarm entstand und der Hornruf des Wächters die Nähe des Feindes verkündete.
Graf Eberhard hatte in der Nacht das Städtlein umstellt und da die Schlegler die Gefahr entdeckten, war die Einschließung bereits vollendet. Sie wurden zur Uebergabe aufgefordert, aber sie lehnten diese ab. und als die Württemberger angriffen, verteidigten sie sich mit Nachdruck. Nachdem Eberhard sich davon überzeugt hatte, daß es nicht möglich sei, mit stürmender Hand das Städtlein zu nehmen, ließ er an verschiedenen Stellen der Stadtmauer durch die aufgebotenen Bauern Brennmaterial aufhäufen und dieses anzünden, auch wurden glühende Pfeile in die Stadt geschossen. Nicht lange dauerte es, so brach in dieser Feuer aus, welches, vom Sturm angefacht, so rasch um sich griff, daß die Schlegler nach Anbruch des Tages allen Widerstand aufgaben und demütig. ihre „Könige" an der Spitze, zum Thore herauszogen. Ein Bäuerlein, das Augenzeuge
war, soll sich damals den „historischen Witz" geleistet haben: „Drei Könige haben wir jetzt, wenn wir noch den vierten bekommen, so giebt's ein Kartenspiel!" Die gefangenen Schlegler wurden gegen das Versprechen, nicht mehr gegen Eberhard zu sein, alsbald wieder sreigelassin.
Die Schlappe von Heimsheim versetzte dem Schleglerbund den Todesstoß. Am 6. April 1396 versprachen die Schlegler zu Brackenheim, woselbst eine Konferenz der streitenden Parteien stattfand, künftighin Frieden halten zu wollen und schon zu Ende des letztgenannten Jahres löste sich der Schleglerbund auf. Seine Niederwerfung war dem Ansehen Württembergs sehr förderlich und erhöhte noch mehr den Respekt vor dessen thatkräfligem Herrscherhause.
Weinpreiszettel.
Mundolsheim, 20. Sept. Täglich werden Käufe abgeschlossen zu 250—260 ^ per 3 Hektol., 195—215 Mark rotes Mittelgewächs. Noch viel feil, Käsberger jedoch weniger.
Kleinbottwar, 20. Sept. Verschiedene Käufe in neuem Wein sind hier zu 190—195 und 200 vlL (Bergwein, gute Lage) abgeschlossen worden. Vieles ist verstellt.
Marktpreis e.
Neuenbürg, 21. September.
Butter, V, Kilo.1.—
Landeier, 2 Stück 15 Kisteneier 7 ^j, 2 St. 13 Pforzheim, 21. September.
Landbutter, Kilo.-lL 0.90—1.00
Süßrahmbutter.1.10—1.20
Landeier 2 Stück.13—14
Kisteneier, 2 Stück.11—12 ^
Stuttgart, 21. September.
Saure Butter, V- Kilo.1.—
Süße Butter, V, Kilo . . . . 1.10—1.20
Frische Eier, 10 Stück. 65 ^z
Kalkeier, 10 Stück.. . 60 ^
Zustand.
Newyork, 21. Sept. Der Herzog von Marlborough hat sich mit Frl. Band erbilt, der Tochter des Millionärs William Vanderbilt, verlobt.
In Jndianopolis herrscht eine Feuersbrunst. Der angerichtete Schaden wird auf 750 000 Doll, geschätzt. Unter den eingeäscherten Gebäuden befindet sich die Bank von Jndiania. In den Kellern der Bank liegen 2 000 000 Doll, baar. Die Trümmer sind noch zu heiß, als daß die Feuerwehr hineindringen könnte.
(Hie Feier — hie Trauer.) Während unsere jüdischen Mitbürger gestern den zweiten Ncu- jahrstag festlich und froh begehen, erschienen die katholischen Zeitungen mit Trauerrand. Dieselben widmen lange Leitartikel dem Tage, an welchem gestern vor 25 Jahren das „ewige Rom" von den piemontesischen Truppen nach kurzer Beschießung eingenommen worden, wodurch Italiens Einheit hergestellt wurde.
(Bei einer Slraßenabsperrung.) Schutzmann: Hier darf Niemand durch! — Journalist: Ich habe eine Erlaubnis vom Polizeipräsidenten. -- Schutzmann: schriftlich? Jounalist: Nein, eine mündliche. — Schutzmann: Zeigen Sie sie vor!
Telegramme.
Böblingen, 23. Sept. Heute Nacht wurde der ledige Schreiner Jakob Essig von Flacht, welcher in Holzerlingen in Arbeit stand, von Altdorfer jungen Burschen erschlagen. Heute früh wurde eine Anzahl der Thäler, worunter mehrere Rekruten sind, cingeliefert.
Aalen, 23. Sept. In der vergangenen Nacht brannte in Oberkochen ein Wohnhaus mit angebauter Scheuer vollständig nieder; dabei gingen 2 Artilleriepferde, die daselbst eingestellt waren, durch Ersticken zu Grunde. Nach einer weiteren Meldung war das abgebrannte Gebäude der Zehentstadel.
London, 23. Sept. Die Times meldet aus Havanna: Privatberichte stellen die militärische Organisation als sehr mangelhaft dar. Marschall Campos wurde ungenügend unterstützt. Die Regierungstruppen werden ziellos von Punkt zu Punkt geschoben. Es besteht weder ein Nachrichtendienst noch ein bestimmter Feldzugsplan.
Redaktion, Druckend Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.