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g'hören willst, damit i net zum Brudermörder werd'n musst!"

Jakob, d' verlangst von mir, woas i net geb'n kann!" stöhnte die Annemarie verzweifelt und blickte mild auf ihn nieder, der noch immer auf den Knieen lag und ihre Hände an seine Brust preßte.So wie Du mir's eh' g'sagt hast, so grad' liab' i den Alois und grad' so elend will's mi mach'n, wenn i mir verstell'« thu'. der liabe Herrgott sollt' uns net für einand bestimmt hab'n! Steh auf, Jakob und sei »er- nünfti! I will's vergess'n, woas d' Unglückseliges hier g'sagt hast und will d' lieb'n Heiligen bitten, doaß sie 's di vergess'n lass'n und doaß dem Toner! wieder guat sein kannst, wie ehe­dem, eh' Dir der Böse diese Liab z' mir in's Herz gepflanzt hat! Jetzt. Jakob, laß mi, laß mi geh'n! Nach dem, woas i Dir 'sagt Hab', wär's eine Sünd' wenn Du no länger wollt'st auf Dein' Will'n besteh'n! Denk, Alois ist Dein Bruder und denk an Tonerl, die di lieb hat, auf Deine Liab baut!"

Du willst net!" stieß er heiser hervor und sah mit verzerrtem Antlitz, aus dem der Wahn- sinn der Verzweiflung sprach, zu ihr auf.Du willst net. Annemarie, willst mi net erhör'n, und so hat no koan Mensch zu Gott empor gefleht, wie i hier vor Dir lieg'! Annemarie, wenn's Di net erbar'm kannst, dann müssen wir Beid' sterb'n! Gönnen thu i Di keinem auf der Welt! Lieber soll' die Hüll' mein' Seel' hab'n, als doaß i 's ansehn'n thät', wi Di oan Andrer in sein'Armen hält! Annemarie, no hast'Zeit," fuhr er in ersticktem Flüstern fort, seine Augen traten stier hervor, die rasendste Verzweiflung leuchtete daraus hervor,no hast Zeit, no kannst's überleg'n, ein Wort no kann mi fortreiß'n vom HöllenHrund! O, wann d' dös Wort find'n könnt'st!"

Wimmernd ließ er ihre Hände los und schlang seine Arme in heißer Inbrunst um ihren Körper, sein Antlitz in die Falten ihres Kleides drückend.

In wilder Aufregung sah sie auf ihn nieder, der sich fester und fester an ihren Leib schmiegte.

Jakob, jetzt laß mi los!" schrie sie gellend. Was D' thust ist ärger no als Mord und Schand! Du wirst mi nimmer zwing'n zu dem, was D' verlangst. I liab den Alois halt viel zu sehr, als daß i mi und gält's mein arm­seliges Leb'n a z'retten, von ihm trennen könnt!! Nimmer könnt' i von ihm lass'n und nimmer Dir ang'hören! So wahr die Sonn' da drüben an Gottes Himmel steht, bei meiner Seligkeit und mein'm Leb'n schwör i's"

Annemarie!" schrie er heiser und riß sie in wilder Raserei herab,sprich's net aus! Annemarie' halt' ein!"

I will net!" kreischte sie außer sich und wand sich in unbändigem Widerstreben in seinen Armen, den Oberkörper wild zurückwerfend.I schwör's bei Gott und allen Heiligen nimmer gehör' i Dir an!"

Mit einem unartikulierten Aufschrei ließ er sie aus seinen Armen und bäumte sich auf den Knieen liegend, in der Haltung fassungslosen Entsetzens zurück.

Sekundenlang starrte er sie mit blutunter­laufenen Augen an, während sie erschrocken vor ihm zurückwich.

Was dann geschah, er hat es sich nie zum klaren Bewußtsein zurückrufen können.

Er hatte später nur die dunkle Vorstellung, daß er schwere, goldfarbene Flechten unter seinen Fingern gespürt und daß sich ein unfaßbares Etwas in wilder Umstrickung um seinen und ihren Leib geschlungen und ihr zuckender Körper mit dem leinem zu einem verschmolzen und Alles blutrot um ihn her versunken war.

Und dann. dann lag die Annemarie bleich und reglos vor ihm und ihre halboffenen Augen starrten gebrochen zu ihm herüber und er wußte nicht warum das Alles war. Wie ein gräßlich Ungeheuerliches lastete es auf ihm und ein dumpfes Grollen zog wie fernes Donner­rollen an ihm vorüber. Ein dumpfes Grollen, aus dem wie eine gespenstige Erinnerung ihre Stimme rief:Der Zackenfels wrrd reden. wird zeugen wider di'!" Und dann sah er zu

dem Zackenfels herüber, der, lose, wie zum Sturz geneigt, als Vorderster im Bache lag, und dann sah er auf die Annemarie zurück und sagte laut: Jetzt kannst dem Alois und keinem nimmer angehören, und der Zackenfels kann net red'n." Und da war es ihm als wolle sich ihre Brust zu einem Widerspruch heben und das machte ihn schier rasend und da sah er grad' über dem Kopf der Annemarie einen Klumpen Saud herüberhängen. Drunten war alles fort­geholt, daß es aussah wie eine Höhle, und da nahm er die Schaufel und stach in den Klumpen hinein, immer wieder und so lange bis er mit dumpfem Krachen herunterstürzte und gerade der Annemarie auf das blasse Gesicht, daß er's nun nimmer zu sehen brauchte. Und dann schrie er wütig, mit heiserer Stimme und schlug die Schaufel auf den losen Berg:Bist tot? Willst gleich tot sein!" Und dann schaufelte er wild darauf los und immer höher häufte er den Berg, bis er auch die Hände nicht mehr sah, die Hände, die mit den Fingern wild umher zu greifen schienen.

Wie er aber so rasend weiter schaufelte, hörte er eine Stimme, sie schien vom Zacken- fels herzukommen und klang, wie er noch keines Menschen Stimme vernommen, und sie rief: Jakob! Jakob!"

Da warf er die Schaufel hin, wandte sich und stürzte den Berg hinab, immer am Bach entlang, den Weg hinter, der zum Hause führte, in dem er heut noch schuldlos geatmet.

(Fortsetzung folgt.)

Tuttlingen. 13. Sept. Ein seltenes und eigenartiges Jubiläum feierte dieser Tage der hiesige Strumpfweber Sch. Derselbe raucht nämlich seit 50 Jahren ausnahmslos den sog. schwarzen Löwen", ein Rauchtabak, welcher be­kanntlich in Duisburg fabriziert wird. Ein Be­kannter des Strumpfwebers benachrichtigte die Duisburger Fabrik, daß der genannte Tabaks­jubilar ihr geschätztes Fabrikat seit 50 Jahren rauche. Nun kam dieser Tage von dem Duis­burger Haus ein Jubilarsgeschenk in Gestalt einer großen Kiste Rauchtabak nebst einem ehrenden Begleitschreiben mit dem Anfügen, daß für den treuen Raucher bei seiner Centenarfeier (in 100 Jahren) das gleiche Geschenk erfolgen werde. Möge der so Geehrte noch lange seinen Kloben" rauchen.

Zwetschgenwein.Wein läßt sich aus Kirschen. Zwetschgen rc. machen; Kirschenwein soll sehr gut sein, aber über Zwetschgenwein habe ich noch nie ein Urteil gehört. Er ist bis jetzt nur in Ausnahmesällen gemacht worden. Zu 1 stl Wein nimmt man: 77 Kilo Früchte. Als Zuckersatz gebraucht man für Haustrunk 10 Kilo Zucker, Tischwein 15 Kilo Zucker, Süßwein 25 Kilo Zucker nnd etwa 40 Liter Wasser. Die Früchte werden zerstampft, mit dem Wasser zum Zwecke des Auslaugens in einer Gärstande an­gesetzt, einige Tage stehen gelassen, öfters um­gerührt und dann abgepreßt. Sollte der Troß schwer ins Gären kommen, so ist der Zusatz von einigen Kilo Rosinen sehr geraten. Für jedes Kilo Rosinen spart man dann ein halbes Kilo an Zuckerersatz. Das Faß soll bis auf 45 Zentimeter voll sein, und auf 100 Liter Wein mischt man als Hefenahrung 20 Gramm Sal­miak bei. Da die Zwetschgen eigentlich wenig Fruchtsäure haben, dürste es wohl geraten sein, dem Wein etwas reine Weinsäure zuzusetzen und zwar auf 100 Liter 150 bis 200 Gramm. Der Wein dürfte sonst fade schmecken. Kosten­berechnung von 100 Liter Zwetschgentischwein: 77 Kilo Zwetschgen zu 10 Pfennig Mk. 7.70.

15 Kilo Zucker zu 52 Pfennig Mk. 7 80.

Ml. 15.50.

Dann etwa 5 Proz. Abgang (Hefe)

beim Ablassen Mk. 75.

kostet der Hektoliter Wein: Mk. 16.25.

oder der Liter mit allem was noch drum und dran hängt, etwa 18 Pf." Jedenfalls ist dieses Jahr mit seiner reichen Zwetschgenernte sehr geeignet, einen Versuch zu machen.

(Der Kaiser als Hypothekengläubiger.) In daS Grundbuch des Amtsgerichts zu Jüterbog hat sich als Hypothekengläubiger der Kaiser eintragen lassen. Das Hypothekendarlehen be­läuft sich auf 55000 und ruht auf dem am Schießplatz zu Jüterbog gelegenenSoldaten, heim"; das Heim bezweckt, einen sittlichen Ein­fluß auf die dorthin abkommandierten Soldaten auszuüben und sie besonders an Sonn- und Festtagen von dem Besuch der Schankwirtschaften fernzuhaltcn.

(Birngelee.) Birnen werden in gut ausge- reiften Früchten mit wenig Zusatz von Wasser, so weich gekocht, daß sie mit einem Strohhalme durchstochen werden können; sodann nimmt man dieselben in ein Tuch und bringt sie in diesem unter die Presse, um den Saft herauszupressen. Dieser letztere wird in flachen Kesseln auf das Feuer gestellt und so lange gekocht (wobei durch fleißiges Umrühren das Anbrennen verhindert werden muß) dis er nicht mehr tropft, sondern Fäden zieht. Um das Gelee zu klaren, wirft man, so lange der Saft noch kocht, ungefähr einen Theelöffel voll geschlämte Kreide auf einen Liter Saft in den Kessel. Die eingerührte Kreide nach einigen Minuten als dicker Schaum auf der Oberfläche, der sorgfältig abgeschäumt werden muß. Das fertig gekochte Gelee wird in flache Gefäße zum Abkühlen gebracht und schließlich von da aus in Gläser oder Steintöpfe gefüllt, welch letztere luftdicht verschlossen werden.

(Offenherzig.) Onkel:Jetzt Hab ich schon drei mal dem Kellner gerufen! (Zu seinem Neffen, einem Studiosus): Ruf' Duzahlen" vielleicht kommt Jemand!" Neffe:Ach, ruf' nur Du, lieber Onkel, mir glauben sie es nicht!"

(Summarisch.) Gast:Was bin ich schuldig?" Kellner:Bitte, Sie haben: Suppe, Braten mit Salat und eine Flasche Wein macht zusammen 3 »lL 50 ^!" Gast: Ich habe aber noch Hunger!"Kellner: Also dann 4 ^.!"

Auflösung des Silben-Rätsels in Nr. 146.

Braunschweig.

Richtig gelöst von Mathilde Weil.

Rätsel.

Söhne Söhne Söhne Söhne Söhne Söhne Söhne

Telegramme.

Berlin, 20. Sept. In der Eröterung der Mittel, welche die sozialdemokratische Presse zur planmäßigen Verhetzung auch der Landbe­völkerung anwendet, macht derReichsanzeiger" auf einen Artikel des als Beilage zur Volks- stimme" in Magdeburg erscheinendenLandboten" aufmerksam. Es wird darin ausgeführt, das Kreisamt Gießen habe eine Bekanntmachung er­lassen, in der kurz und bündig mitgeteilt werde, daß vom 23. bis 25. Juli in einem Gelände von vier Gemarkungen Schießübungen mit scharfen Patronen abgehalten und das Gelände abgesperrt würde. Demgegenüber erklärt der Reichsanzeiger", daß die amtlichen Feststellungen ergeben hätten, daß mit den betreffenden Ge­meinden lange vor der Bekanntmachung münd­lich und schriftlich verhandelt worden sei und daß die Gemeinden sich sämtlich mit der Ab­haltung des Schießens vorher einverstanden er­klärt hätten.

Dresden» 20. Sept. Die Generaldirektion der sächsischen Staatsbahnen macht bekannt: Gestern Abend 9 Uhr fuhr in der Nähe von Oederan (Kreis Zwickau) der ein Infanterieregi­ment zurückführende Zug auf einen in der Ein­fahrt in den Bahnhos Oederan begriffenen Güter­zug. Sieben Wagen des Militärzuges wurden zertrümmert, 13 Soldaten sind tot, 30 schwer 30 leicht verwundet. Der Zugführer wurde leicht, ein Schaffner schwer verletzt. Die Ursache des Unfalls ist wahrscheinlich die zu frühe Ent­blockung des vorliegenden Streckenblocks.

Redaktion, Druckend Verlag von C. Mrrh in Ne.uenbüjrg.