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Pforzheim» 18. Sept. Der soeben er. schienene Handelskammerbericht für den hiesigen Platz konstatiert, daß die Geschäftsverhältnisse in der Bijouteriebranche im Jahre 1894 nicht gerade günstig waren, und daß namentlich der Export zu wünschen übrig ließ. Nach Frankreich ist, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, die Ausfuhr infolge des von Jahr zu Jahr zu­nehmenden Deutschenhasses gleich null und die Grossisten nehmen sich nicht einmal die Mühe, dieses Land zu besuchen, dagegen sind die ge­schäftlichen Beziehungen mit Rußland, das seine Tarifsätze für Gold- und Silberwaren erheblich reduziert hat, sehr rege. Die übrigen konti­nentalen Staaten bilden nur dürftige Absatz­gebiete, während die überseeischen Länder, ins- besondere Argentinien, sich besser anließen. Wie umfangreich trotz alledem die hiesige Bijouterie ist, mag aus der Thatsache ersehen werden, daß in den Pforzheimer Fabriken allein an Arbeits­lohn im Berichtsjahr 11 Mill. Mark ausbezahlt wurden.

Neuenbürg. 21. Sept. (Schweinemarkt.) Von 30 Paar zugeführten Milchschweinen wur­den 15 Paar zum Preise von 1218 ^ ver­kauft.

Deutsches Aeich.

Mit einem neuen Vorschlag, der Sozial­demokratie den Boden abzugraben, der sich wohl hören läßt, tritt jetzt dieNordd. Allg. Ztg." hervor. Sie rät 1. eine Aenderung des Art. 30 der preußischen Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 1850 analog dem § 17 des Reichstags­wahlgesetzes vom 31. Mai 1869 dahin vorzu- nchmen, daß nicht wie bisherAlle Preußen", sondern nurAlle wahlberechtigten Preußen", das Recht zu Vereinigungen und Versammlungen haben. Dann würden nicht mehr wie bisher jugendliche unreife Burschen oder der bürgerlichen Ehrenrechte Beraubte in politischen Dingen mit­reden bezw. Aufhetzern Handlangerdienste leisten können; 2. rät sie zur Aenderung der Freizügig­keitsgesetzes vom 1. Nov 1867 bezüglich der Minderjährigen. Diese sollten nur dann außer- halb ihres Heimatortes sich dauernd aufhalten dürfen, wenn sie oder ihre Angehörigen glaub­haft Nachweisen, daß sie an dem neuen Ort hin­reichendes Aus- und Unterkommen haben. Da­durch würde verhindert, daß so viele junge Leute das Land von Arbeitskräften entvölkern und lediglich im Vertrauen auf ihre Jugendkraft die großen Städte überfluten, dort aber noch unreif den Anfechtungen der Genußsucht und der sozialen Unzufriedenheit anheimfallen.

Chemnitz, 20. Sept. DieMünch. N. Nachr." melden: Heute Nacht stieß auf der Strecke Freiberg-Oederan ein Militärzug, welcher das 133. Infanterie-Regiment aus dem Manöver nach Zwickau zurücksührte, auf einen Güterzug. Fünf Wagen des Militärzugs und zwei Wagen des Güterzugs sind zertrümmert. Noch in der Nacht wurden 45 Verwundete und 8 Tote nach Chemnitz gebracht. Die Verunglückten gehören zumeist der 1. Kompagnie an.

Berlin, 13. Sept. Wie jetzt festgestellt werden konnte, hat die Gesamteinnahme der Stadt Berlin für 1894/95 163,6 Millionen betragen. Berlin nimmt demnach in der Finanz- Verwaltung die dritte Stelle im Reiche ein.

Jmnau. Das hiesige, durch seine Stahl­quellen berühmte Bad, welches bisher der Stutt­garter Rentenanstalt zu eigen gehörte, wurde um 230000 »-L an einen Stuttgarter Fabrikanten verkauft. Dieser will dasselbe zu einem modernen Bade großen Stils Herrichten.

Der Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd in Bremen. Tr ave, Kapitän Thalen- horst, hat mit der im Juli d. I. beendeten Reise die hundertste Rundreise über den atlant­ischen Ozean zurückgelegt. Die Trave. die zu den beliebtesten Passagierdampfern des Nord­deutschen Lloyd gehört, beförderte in dieser un- unterbrochen glücklichen Fahrzeit 94 061 Per­ionen, eine Ziffer, die kaum von irgend einem anderen Dampfer aufzuweisen sein dürfte. Der Dampfer Trave hat eine Länge von 438 Fuß, eine Breite von 48 Fuß und eine Tiefe von 34'/, Fuß; der Raumgehalt des Schiffes beträgt über 14 000 Kubikmeter. Die Besatzung

des Schiffes stellt sich auf etwa 200 Köpfe. Bei einer Geschwindigkeit von etwa 18 Meilen in See beträgt der Kohlenverbrauch etwa 30000 Zentner pro Tag.

Württemberg.

Stuttgart, 18. Sept. Nach einer Notiz imSchwarzw. Boten" treten die Sozialdemo­kraten am bäldesten in die Wahlagitation im VII. Reichstagswahlkreis ein. Bereits am 22. September wird nämlich der sozialistische Kan­didat,Genosse" Paul Benz, Buchdrucker aus Stuttgart, seine Agitationstour beginnen und überdie bürgerliche Gesellschaft und die Sozial­demokratie" etwas reden. Auf Schönlank'schc Bauernagitation scheint man verzichten zu wollen. Die Wahl dürste auf Ende Oktober angesetzt werden.

Stuttgart, 18. Sept. Am Sonntag den 20. Oktober soll im Festsaale der Liederhalle das50jährige Jubelfest der Eröffnung der Eisenbahn von Cannstatt nach Untertürkheim (22. Oktober.) der ersten Linie in Württemberg, durch ein Banket feierlich begangen werden. Der hiesige Verein der Beamten der Vcrkehrsanstalten hat die Veran­staltung der Feier in die Hand genommen, zu der sämtl. Beamte der württ. Verkehrsanstaltcn, einschl. der Unterbediensteten, wie auch Vertreter des Handelsstandes und andere den Verkehrsan­stalten Nahestehende geladen werden. Von der ursprünglichen Absicht, öffentliche Einladung zur Teilnahme am Feste ergehen zu lassen, mußte man abkommen, da der Raum trotz seiner Größe dazu doch zu klein gewesen wäre.

Stuttgart, 20. Sept. Strafkammer. Unerhört skandalös war die Anklage, welche gestern abend wegen 11 Verbrechen wider die Sittlichkeit im Sinne des 8 176 des Strafgesetz­buches gegen den 27 Jahre alten ledigen Schneider Chr. Fr. Huppenbauer von Untertürkheim, seit­herigen Aufseher in der Paulinenpflege, Rett­ungsanstalt für 7 bis 14jährige Knaben zu Winnenden unter Ausschluß der Oeffentlichkeit verhandelt wurde. Als Zeugen waren 18 frühere und jetzige Zöglinge der Anstalt und der Anstaltdirektor Faulhaber geladen. Huppen­bauer wurde zu öjährigcr Zuchthausstrafe nebst lOjährigem Ehrenverlust verurteilt.

Jagstfeld, 20. Septbr. Die Rutsch­ungen dauern fort, so daß Schlimmes zu erwarten ist. Die Risse im Boden nordöstlich der Schachtgebäude haben jetzt eine Weite von 1'/, m. Nach Ansicht Sachverständiger stürzt die 40 m hohe Esse in den nächsten Tagen ein. Dazu kommt noch, daß sich ber Bahnkörper auf der Linie Jagstfeld-Untergriesheim, gegen einen Kilometer vom Schachtgebäude entfernt und über der Grube liegend, einseitig gesenkt hat. Die durch die Rutschungen nötig gewordene Be­obachtung des Bahnkörpers wird auf das genaueste fortgesetzt. Aus Stuttgart traf ein Oberingcnieur ein. Vorerst kann noch der Ver­kehr sämtlicher Bahnzüge aufrecht erhalten werden.

Leonberg. Es sei daran erinnert, daß von den 54 abgebrannten Hauptgebäuden mehrere im Laufe der Zeit von historischen und berühmten Persönlichkeiten bewohnt wurden. So zog ge- nau vor 100 Jahren Schill er's Mutter von Solitude nach Leonberg und wohnte dort mehrere Jahre. Vom Jahre 1575 ab war der Vater des Astronomen Kepler in Leonberg ansässig, und der berühmte Astronom selbst besuchte die Leonberger Tchule vom Jahre 1577 bis 1584. Die Mutter Kepplers hatte im Jahre 1620 in Leonberg einen Hexenprozeß zu bestehen. Im Diakonathause zu Leonderg wurde der Philo­soph W. I. Schelling, ferner der Inspektor der Baseler Missionsanstalt, Josenhans, geboren. Endlich wurde in Leonberg als Sohn des Bürger­meisters, nachmaligen Gründers der Gemeinde Kornthal, Wilhelm Hosfmann geboren, der als Hofprediger und Generalsuperintendent in Berlin gestorben ist. Am 16. Okt. 1498 brach in Leonberg ebenfalls eine furchtbare Feuers- brunst aus, bei welcher 44 Gebäude in Asche gelegt wurden. Im 30jährigen Kriege kamen so viele Brände in der Stadt und im Amte vor, daß nach einem Berichte von 1625 nicht weniger als 858 Häuser im ganzen in Asche gelegt waren.

Ausland.

Die schon seit Monaten schwebenden Ver« handlungen engl, und russ. Kommissäre über die Abgrenzung des Pamirgebiets in Jnnerasien sind resultatlos geblieben. Ruff. Blätter erklären bereits, es bedürfe eines Grenzabkommens über­haupt nicht. Nachdem die Engländer in Tschit- ral eingerückt seien, bilde der'Hindulusch-(Teil des Himalayagebirges) eine naturgemäße Grenze, welche die Engländer nicht zu überschreiten wagen würden, d. h. mit andern Worten, die Russen beanspruchen für sich das ganze Pamir- gebiet und winken den Engländern bereits mit dem Zaunpfahl, falls sie damit nicht zufrieden sein sollten.

In Lyon wollte sich ein Eisenbahnbe- diensteter namens Eyssette im Käsig einer Menagerie früh morgens ohne Wissen des Be­sitzers der Menagerie photographieren lassen. Der Käfig war leer, aber daneben war ein Käfig, in welchem der Löwe Romulus schlummerte. Eyssette hatte die Unvorsichtigkeit, das Gitter etwas zu öffnen, blitzschnell sprang das Tier auf ihn los und zerbiß ihm den Kopi, schleppte sein Opfer in eine Ecke und machte sich daran, das­selbe zu verzehren.

Anterhattender Teil.

Der schwarze Jakob.

Eine Dorfgeschichte von A. v. Hahn.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Jakob, was thust', was red'st für sünd­haft Zeug." stöhnte die Annemarie ergriffen und versuchte ihre Hände frei zu machen.Denkst net an Tonerl, die auf Deine Liab ihre Zu­kunft baut?"

Red' net von ihr!" stieß er in trotziger Abwehr hervor. Er, der mi d' Liab zu Dir in's Herz g'pflanzt hat, der sei verantwortli für doas, woas sündhaft an dieser Liab ist! I kenn' die Tonerl net mehr! I kenn' nur die Anne­marie. und i woaß, daß wir z'sammengehören, sei's lebendi oder tot! Annemarie verlang net» doaß i entsag'n, daß i's mit anseh'n soll, wie Du dem Alois angehörst. verlange dös net,

i müßt' drum meine Seel' dem Gottseibeiuns verkauf'n!"

Jakob!" schrie die Annemarie entsetzt. Geh! I furcht mi vor Dir!"

Warum willst Di fürcht'n?" fuhr er mit inniger Beschwörung fort.Fürchl' Di net, Annemarie, meine Liab ist so weich und guat und mild, und i will d' Engel in mein' Dienst stell'», doaß sie mir helf'n soll'n Di z'liab'n und z'schütz'n und glückst z'machen! I will net mehr rauh und finster sein," sagte er weich mit einem Ausdruck, der sein finsteres Antlitz ver­klärte,meine Liab soll mi wie d' Sonne, warm und hell vor Dein' Aug'n machen! I will guat werd'n, Annemarie, so guat, daß i die Heiligen vor Gottes Antlitz aussteh! Was willst' mehr von mir? S wies' i werdag'n soll, aber stoß' mi net fort von Dir! Stoß' mi net fort, Annemarie! Glaub's mi do, es ist stärker als mein Will', stärker als i's bezwing'n kann! Annemarie, i kann's, i kann's net Niederhalten!"

Er sank schluchzend vor ihr nieder und sah flehend zu ihr empor, die ihm ihre Hände in heftigem Sträuben zu entringen suchte.

Sieh, wie i Di festhalt', Annemarie! So fest halt meine Lieb an Liab an Dir! Meine arme, arme Liabe, die so getreten und de­mütig vor Dir liegt. I bin ja nur oan Mensch, ein elendig Menschenkind, Annemarie! Häuf net gar so viel auf mi! Wenn D' mi net der hör'n kannst, muaß i mein' Seel' der Höll anver- trau'n! Jetzt, Annemarie, kann l net mehr sag'n O Herrgott und ihr Heilig'»» halft mi jetzt! Halft mir nur oanmal in mein's Leb'n, nur in dieser schwer'» Stund! Herrgott, zeig' ihr mei Herz! Herrgott zeig ihr, doaß i net anders kann!" stöhnte er in heißer Angst zum Himmel empor und dann fuhr er gebrochen fort:Annemarie, i hob d' Heiligen ang'rufen,

jetzt giob mi oan guat's Wort, damit i d' Heiligen net verfluch'« muaß, die mi in meiner Not verließ'»! Sag', doaß d's überleg'n, doaß d's abwart'u willst, doaß dem Alois net an-