624
Paris, 16. Sept. General Duchesne meldet aus Madagaskar, er breche von Andriba nach Tananarivo auf. — Der Transportdampfer „Shamrock" ist heute aus Majunga im Hafen von Toulon mit 153 kranken Soldaten ringe- troffen; 395 heimgesandte Soldaten befanden sich in so elendem Zustande, daß sie in Algier ans Land gebracht werden mußten. Während der Fahrt von Majunga nach Algier hatte der „Shamrock" 40 Tote. Ein aus Majunga zurückgekehrter Kaufmann berichtet, daß die Zahl der Toten des Expeditionskorps sich auf 3000 belaufe. Man zweifle sehr, daß der General Duchesne vor nächstem Frühjahr in der Lage sein werde, Tananarivo zu besetzen.
Paris, 16. Sept. Der „TempS" bespricht in einem Leitartikel die neueste Schrift Bene- dettis „wa Mission g. Lins", worin dieser nachzuweifen sucht, daß er die Verhandlungen mit König Wilhelm glücklich zu Ende geführt hätte, wenn nicht Grammonl durch seine „unklugen Forderungen" alles verdorben hätte. Das Blatt meint, für Frankreich erwachse die Lehre daraus, alle Zeit Selbstbeherrschung und Kaltblütigkeit zu bewahren, denn ein einziger Mann könne auch über das „souveräne Volk" in einer Republik durch Zorn und Vorurteile die verhäng- nisvollsten Katastrophen heraufbcschwören.
Triest, 13. Sept. Während eines heftigen Gewitters um Mitternacht schlug der Blitz in eine Papierfabrik, welche samt großen Papiervorräten total niedergebrannt ist. Ca. 1000 Arbeiter sind dadurch beschäftigungslos ge- worden.
In Brouleux in der Schweiz stürzte eine alte Glocke vom Glockenturm, zerdrückte 2 Arbeiter, sowie den Sohn des Glockenlieferanten und verletzte 3 andere Arbeiter lebensgefährlich.
Unterhaltender Heit.
Der schwarze Jakob.
Eine Dorfgeschichte von A. v. Hahn.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Jakobs Erscheinen verscheuchte den Zauber jäh, der die beiden Menschenkinder auf dem einsamen Felsgrat in seinen Bann gezwungen.
Er langte keuchend auf der Höhe an. Wie sonst, hatte er Toner! auch heute zu den Eltern zurückgebracht und war dem vorangegangenen Paar dann gefolgt. Heut aber hatte er die Beiden früher eingeholt, als sonst.
Ob er's belauscht und mit angesehen hatte, was zwischen ihr und dem Alois vorgegangen war, Annemarie wußte es nicht und zerbrach sich auch darüber nicht den Kopf. Es war ja gleich. Jakob konnte doch nichts dawider haben, daß Alois ihr gut war, da die Base einverstanden war. Was ging's ihn an. der später an fremder Stätte schalten und walten sollte, wen sich der künftige Gundakbauer zum Weibe erkor.
Schweigend waren die drei neben einander fortgeschritten.
Annemarie ging zwischen den Brüdern hin. Ihr Herz pochte zum zerspringen und sie verstand sich selber nicht, daß sie's über sich vermochte. ihre unbändige Seligkeit stumm und still mit fortzutragen, wo sie's trieb in wonnigem Entzücken aufzuschreien.
Zitternd tastete sie nach seiner Hand, aber er merkte es nicht. Erst im Hause reichte er ihr die Rechte zum Gutnachtgruß und sie hielt sie länger umschlungen als sonst und schlang ihre Finger fester um die seinen.
Jakob sah finster drein, aber sie beachtete es nicht, weil er immer finster und unfreundlich war.
„Habt's einand' noch net g'nug gehabt?" stieß er ungeduldig hervor, als sie Alois Hand heut so lange umschlungen hielt und ihn ansah. als habe sie ihm noch so viel zu sagen. „Geh' in Deine Kammer, Annemarie; Morgen heißt's früh auf! D' sollst mit mir in d' Sandgruben fahren, wir müssen Kies einhol'n für den Bau". Er zog den Bruder mit fort.
Mit offenen Augen lag Annemarie nachher in ihrer Kammer und träumte die ganze Nacht von Alois und sann darüber nach, was die
Base nun dazu sagen würde, und wie lange es wohl noch dauern konnte, ehe die Toner! des Jakobs Weib wurde. Dann dachte sie an Jakob und seine sonderbare Art und freute sich, daß Alois anders war unv dachte mitleidig an Tonerl, die diesem wortkargen Mann versprochen war.
Tonerl war so herzensgut und bescheiden und trotz ihres Reichtums ohne Hochmut und wenn sie beim Tanz wärmer wurde, konnte sie auch hübsch aussehen. Heut hatte sie der Annemarie recht gefallen. Als sie mit Alois durch den Saal geflogen war, da hat ein so eigenes Leuchten über dem jungen Gesicht der Toner! gelegen, daß es Annemarie zum Bewußtsein gekommen war, die Toner! sei nur zu jung, um den Burschen schon zu gefallen, sie sei aber hübscher als jede andere im Saal, wenn auch die Burschen meinten, die Schönheit von Jakob's Braut habe sich in den Geldsack ihres Vaters verkrochen.
Das Alles dachte die Annemarie so nebenher, die ganze Welt mit einem Liebesstrom übergießend.
Am Morgen erst sank sie in einen leichten Schlummer, aus dem sie, von einem harten Pochen an der Kammerthür, geweckt, schlaftrunken auffuhr.
Es war Jakob, der sie herausrief und sie ungeduldig mahnte, sich zu beeilen, er schirre die Pferde gleich ein.
Flink sprang sie vom Lager und kleidete sich an. Dabei fand sie Zeit, den Traum zu überdenken, dessen glückliche Erregung nachvibrierte.
Ihr hatte geträumt, sie habe mit Alois Hochzeit gefeiert und es war Alles so natürlich gewesen, daß sie den rauschenden Klang der Hochzeitsmusik und das Läuten der Glocken noch zu hören vermeinte. Das konnte doch nur bedeuten, daß es nun bald so kommen würde, wie sie's im Traum erlebt; nur daß sie dann auf dem Weg zur Kirche neben Alois hingehen und nicht wie seltsamer Weise, im Traum, von schwarzgekleideten Männern, zwischen Alois und dem Jakob fortgetragen wurde.
Als sie die Stube betrat, wo sich die Familie früh zur Morgensuppe zu versammeln pflegte, fand sie die Base allein. „Geh, sput Dich!" rief ihr die Gundakerin entgegen. „Jakob wartet auf Dich. Hast halt z'viel getanzt", schalt sie neckend, „und di verträumt!"
Annemarie setzte sich auf den Schemmel an den Tisch und begann hastig aus dem Suppennapf zu löffeln, den die Base vor sie hingestellt.
Plötzlich aber legte sie den Löffel nieder, sah die Base an, die ihr gegenüber am Tisch saß, und sagte gepreßt:
„Base, i kann's nimmer halten, — i Hab den Alois gar so lieb!"
Dann ging sie um den Tisch herum, sank vor der Gundakcrin nieder und umklammerte sie mit beiden Armen, den Kopf in ihren Schooß drückend.
„Mußt halt Dein Herzl net gar so warm halten, Annemarie" sagte die Base gerührt und legte die Hand auf des Mädchens Blondkopf. „Die Mannsleut sind's grad net wert, daß man d' Liab, wie ein' gefüllten Scheffel vor sie hinstellt und sagt, da. geh', nimm, da hast den ganzen Schatz. Sie nehmens hin, als wenn's der liebe Herrgott nur grad' guat g'nug für sie geschaffen hält, und nehmen 's hin. wie eine Alltagsgab, — und ihre ganze Welt bleibt nebenbei besteh'n. Dos is halt, weil die Mannsleut mit der Liab net werden und vergeh'». Und wenn's Dein Herzl gar so voll hast. Annemarie, dann wirst's halt später a einseh'n müssen, daß d' Mannsleut anders lieben wie wir. Und wann wir dös entdeckt hab'n, — dann schweigen wir uns derschrocken aus, über die Enttäuschung,
— und schau'n thränenlos in den leeren Himmel
— und dös Herzbluat sickert .langsam hin. bis halt die Wund' a vernarbt ist und wir kopfschüttelnd zuschau'n und uns wundern wollen, daß wir einst a an andern Himmel kannten, als die vollen Milchtöpf' und g'sunde Kinder. Alois guab. is besser als die Anderen, mein i,
— aber oan Mannsbild is er a. — Mi dauert Dein gar so volles Herzl!"
„Wenn er mi a net so liab hab'n kann, wie i ihn, — i bin doch die Glücklichere. Bas!" flüsterte die Annemarie, ihr innerliches Jauchzen dämpfend, zu der Gundakerin empor.
Sie wollte noch mehr sagen, aber Schritte tönten herein und die Base rief: Der Jakob kommt, geh' Madel raff' di auf, — er braucht's no net z'wissen, was wir z'sammengebracht. Wenn der Alois aus der Stadt zurückkehrt, will i mit ihm reden und wenn Ihr eini werd' dann, meinethalb' mag der Jakob seinen Segen mitthun heißen.
„Hat Euch der Alois nix gesagt?" wollte die Annemarie noch fragen. Da wurde die Thür aufgestoßen und der Jakob steckte seinen schwarzen Kopf herein. .
„Wo bleibst' denn?" schalt er ärgerlich. „Meinst i soll d' Pferd' no a mol ausspann'? Wann d' 'gessen hast, dann komm.
Die Gundakerin drückte des Mädchens Hand und nickte ihr verstohlen zu und Annemarie erwiderte den Blick verständnisinnig.
Dann folgte sie dem Jakob in den Hof, kletterte später ihm drein, auf den niedrigen Kastenwagen und setzte sich neben ihn auf den Strohsitz.
Rumpelnd fuhr der Karren zum Hofthor hinaus.
Die Base stand an der Thür und sah mit vorgehaltener Hand hinterdrein, bis sie des Mädels weißes Kopftuch verschwinden sah. Dann ging sie ins Haus zurück. Ihr Auge war feucht und ihr Herz war schwer, und sie wußte nicht, warum es ihr plötzlich so dringlich erschien, daß sie die Annemarie nichr geküßt hatte.
(Fortsetzung folgt.)
Die „Berliner Neuesten Nachr." schreiben: Die Uniform eines österreichischen Generals der Kavallerie, die dem Kaiser verliehen wurde, ist, was wenigstens den Galaanzug betrifft. ein überaus glänzend scharlachroter mit Goldschnüren nach Husarenart besetzter Attila, scharlachrote enge Beinkleider mit reicher Goldverschnürung und goldenen Galons, goldverzierte Husarenstiefel mit vergoldeten Sporen. Dann ein über die Schultern hängender Dolman mit Goldschnüren und Marderfellbesatz sowie eine Marderfellmütze mit hochragendem Reiherbusch und rotem Kalpak. Der Dienstanzug (Husarentschako, hechtgrauer Attila mit Goldschnüren und roten Abzeichen, blaugraue Beinkleider mit roten Galons in Reitstiefeln) entspricht in den Farben der sogenannten deutschen Generalsuniform, wie im Gegensätze zu der sogenannten ungarischen der Kavallerie-Generäle die der übrigen österreichischen Generalität genannt wird.
Telegramme.
München, 18. Septbr. Die „Neuesten Nachrichten" teilen authentisch mit, auf Initiative höheren Ortes ist eine gesetzgeberische Aktion gegen die Umsturzpartei als nahe bevorstehend zu halten. Der Reichskanzler ist entschieden gegen ein Ausnahmegesetz. Bis jetzt ist seine Stellung nicht erschüttert; unter den obwaltenden Verhältnissen dürfte ein Konflikt jedoch unausbleiblich sein.
München, 18. Sept. Der Prinzregent hat dem Reichsschatzsekretär Grafen P o sad o wsky den Michaelsorden verstehen.
Ludwigshafen, 18. Sept. Auf Vorposten wurde vorgestern früh ein Soldat vom 4. Infanterie Regiment von einem anderen aus Unvorsichtigkeit erschossen.
Wien, 18. Septbr. Die „Neue Freie Presse" meldet aus Krakau: Der hier erkrankte Warschauer Erzbischof Selinsky ist gesternjim bischöflichen Palast, 74 Jahre alt, gestorben.
Hongkong, 18. Sept. Die auswärtigen Consulate bestätigen die gestern in Cuschen erfolgte Hinrichtung von 7 Eingeborenen, die in erster Reihe bei den Massacres von den Missionaren beteiligt waren.
Redaltion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.