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sie sind aufeinander angewiesen, sie würden ihre Vorteile schlecht verstehen, wenn jeder nur für sich allein sorgen würde. Deswegen ist es ein günstiges Zusammentreffen, daß während der Dauer unserer Gewerbeausstellung auch das landwirtschaftliche Bezirksfest hier gefeiert werden wird. Die beiden Zweige der Erwerbs- Ihätigkeit der Produktion in Landwirtschaft und Gewerbe haben allerdings eine schwere Zeit. Es ist eine schwere Zeit für den Nährstand; aber sie wird überwunden werden, wenn man den Mut nicht verliert und bei allseitigem Zu- sammenwirken, mit Gottes Hilfe. Vor allen Dingen aber müssen die beiden Zweige der Er- werbsthätigkeit als erste Grundlage sich vor Augen halten, selbst sich zu helfen und nicht etwa zuzuwarten, bis die Hilfe von außen kommt. Gesetze und Verordnungen, sie können u. sollen Auswüchse und Mißbräuche beseitigen und die Bahn sreimachen zu gesunder Entwicklung, aber sie allein können nicht helfen."
Aalen, 26. Aug. Durch die Feuersbrunst, welche in der Nacht vom 21. auf den 22. Juli d. Js. in Ohmenheim, OA. Neresheim, wütete und 11 Gebäude zerstörte, hat die Ostertag'sche Kassenschrankfabrik hier einen neuen Beweis von der Vorzüglichkeit ihrer Fabrikate erhalten. In dem abgebrannten Hause des Gemeindepflegers Baum befand sich nämlich ein Kaffenschrank von genannter Firma, welcher, in Milte des Feuerherdes und nachdem er von dem Postamente herabgestürzt war, während der ganzen Dauer des Brandes und ohne einen Tropfen Waffer erhalten zu haben, einer förmlichen Glühhitze ausgesetzt war. Beim Ocffnen des Schrankes, dessen Schloß nach der Abkühlung noch gut funktionierte, ergab sich, daß der gesamte Kasfeninhalt, selbst lose herumliegendcs beschriebenes Papier, völlig unversehrt war, und daß sich noch namentlich der in dem Schranke befindliche sogen. Jsolierbrandkasten sehr zweckdienlich erwies. Die Firma Ostertag hat über genanntes Vorkommnis ein vom Gemeindevorstand und vom Gemeindepfleger unterzeichnetes Attest in den Händen, in welchem ihre Fabrikate aufs beste empfohlen werden.
Ausland.
Die Franzosen müssen sich wegen der bekannten verleumderischen Erklärungen des Generals der Reserve Munier gegen einen deutschen Offizier nicht nur von der deutschen, sondern auch von der englischen, spanischen, italienischen u.s.w. Presse harte Wahrheiten sagen lassen. Munier ist selbst schon einmal wegen Verleumdung zu 1000 Frcs. Geldstrafe verurteilt worden und daß er bis jetzt nicht aus der Liste des französischen Korps ganz gestrichen ist. wirft auf letzteres ein sehr bedenkliches Licht. Munier hat trotz aller Provokationen sich noch immer nicht dazu verstanden, irgend welche Beweismittel für seine Behauptung beizubringen oder auch nur den Namen des Schlosses zu nennen, wo ein höherer deutscher Offizier anno 1870 Wäsche und Juwelen gestohlen haben soll; dagegen wird den Franzosen zu Gemüte geführt, was franz. Geschichts- und Memoirenschreiber über die großartigen von Napoleons I. Generälen verübten Diebstähle in österreichischen rc. Schlössern und namentlich auch in Italien veröffentlicht haben. Ferner werden die Franzosen daran erinnert, daß die Stadt Nancy um eine deutsche Besatzung gebeten hat, weil französ. Soldaten in Nancy, also im eigenen Lande schwere Plünderungen verübt hatten. Ein schlechtes Gewissen haben die französischen Minister vor etwaigen deutschen Reklamationen, aber sie hoffen offenbar, daß die deutsche Langmut auch jetzt noch Vorhalten werde. Das jetzige französische Ministerium ist ohnehin nicht auf Rosen gebettet; den Senator Magnier hat es nach Spanien entschlüpfen lassen, damit dieser wegen der schmutzigen Südbahnangelegenheit nicht vor Gericht gestellt zu werden braucht. In Verbindung mit dem Pariser Blatte Figaro droht nun aber Magnier mit den schwersten Enthüllungen über die angesehensten Minister, Senatoren und Deputierten, wenn die Untersuchung gegen ihn selbst nicht niedergeschlagen wird, damit er unbehelligt nach Paris zurück
kehren könne. Zu diesem großartigen Skandal kommen noch die traurigen Nachrichten über den Zustand der französischen Expeditionstruppen auf Madagaskar, die das dortige Klima nicht ertragen können und absolut nicht vorwärts kommen.
Paris, 5. Sept. Der sozialistische Abgeordnete Görault-Richard kündigte dem Kriegsminister, General Zurlinden, an, daß er ihn sofort nach Eröffnung der Kammertagung über den Ankauf von 4000 sogenannten Leftzvreschen Wagen interpellieren werde, die 3 Millinen gekostet und sich während des Madagaskar-Feldzuges als völlig unbrauchbar erwiesen hätten. Görault-Richard deutet auf Grund einer Bemerkung des Senators Pauliat an, daß hier Mißbrauch seitens mehrerer Verwaltungsoffiziere vorliege. Der konservative Abgeordnete Binder wird die Regierung wegen der Flucht des Senators Magnier interpellieren.
Die französische Regierung wird bei der Eröffnung der Kammern einen Nachtrags- kredit für Madagaskar in der Höhe von 40 Millionen Franken fordern.
Deutsche Kriegerrrereirir in Amerika.
(Schluß.)
Der „Deutsche Kriegerbund von Nord-Amerika" mit seinen 7000 Mitgliedern zerfällt nicht in Kompagnien, sondern in Unter- Vereine, welche verschiedene Namen führen; z. B.: „Landwehrverein" , „Verein des Garde-Korps, „Verein deutscher Waffengenoffen" oder „Waffenbrüder", „Kriegerkameradschaft" und dergl. Der Bund erstreckt sich über ganz Nord-Amerika und zählt Vereine von San Francisko, Chicago, St. Louis, San Antonio, Texas usw. zu seinen Mitgliedern. An seiner Spitze steht der Bundes- Präsident, der in Gemeinschaft mit dem Verwaltungsrat die für jeden Kameraden verbindlichen „Gesetze und Verordnungen" in der „Bundes-Krieger-Zeitung" erläßt, die jeder Kamerad zu halten verfluchtet ist. Alljährlich wird ein großes Bundes-Kriegerfest zu Ehren des Delegiertentages abgehalten, das eine Woche lang dauert und ein durchaus militärisches Gepräge hat. Da werden Reveillen geblasen, Preis-Fechten und -Schießen zu Fuß und Pferde finden statt, darauf werden nach deutsch-militärischer Weise Biwaks bezogen. Diese Feste sind den schaulustigen Amerikanern schon fast zur Gewohnheit geworden, und man sieht ihnen immer mit großem Interesse entgegen; sie ge- hören bei den Nordamerikanern zu den „Zreat attraetions". Selbst der Gouverneur des Staates, wo das Fest abgehalten wird, nimmt mit seinem Stabe daran teil; außerdem zieht der betreffende Ort Tausende von Fremden an. Die Fahnen der einzelnen Vereine sind meist sehr kostbahr; manche repräsentieren einen Wert von 1200 Dollars und darüber.
Am zahlreichsten von allen Bundesvereinen ist der „Deutsche Krieger-Verein von Chicago"; er wurde am 6. Dezember 1874 gegründet, „um eine Vereinigung aller ehrenvoll entlassenen deutschen Soldaten zu erzielen, denselben in Krankheitsfällen hilfreich zur Seite zu stehen und bei dem Todesfall eines Kameraden den Hinterbliebenen eine gewisse, dafür ausgesetzte Summe zu überweisen." Der Verein zählt gegenwärtig über 350 Mitglieder. Es war der Chicagor Kriegerverein, der im Jahre 1884 den Anstoß zur Gründung des „Deutschen Krieger-Bundes von Nord-Aamerika" gab; das kameradschaftliche Leben ist in ihm besonders rege. Am 25. Oktober 1876 wurde dem Vereine die von Kaiser Wilhelm I. gestiftete Fahne übereicht, die nun bei allen Festlichkeiten den Ehrenplatz einnimmt. Sehr feierlich wurde von den Chicagoer Kameraden u. A. der 80- jährige Geburtstag des Fürsten Bismarck begangen, der die Ehrenmitgliedschaft des Vereins angenommen hat. Außerdem sindEhrenmitglieder der jetzige Brigade-General a. D. Arnold von Steuben uud Gustav Herold, Leiter der Garde du Korps-Kapelle des „Deutschen Dorfes" auf der Chicagor Welt-Ausstellung. An patriotischer Rührigkeit ist in der Thal der Chicagoer Verein, der bereits 1891 die jetzige Fahrt der
Amerikaner anregte, allen Kriegervereinen Nord- Amerikas vorbildlich. Er verfügt über ein Kapital von 4500 Dollar.
Es ist für jeden Deutschen, der Sodat war, vorteilhaft, dem Bunde anzugehören, denn außer Unterstützung in Krankheitsfällen erhält seine Familie, wenn er stirbt, 2000 Dollars aus der Bundes-Sterbekasse bar ausbezahlt. Jeder Kamerad, der nach einer anderen Stadt verzieht, wird sofort dorthin transskribiert, d. h. er tritt ohne Weiteres zu dem Verein seines neuen Wohnortes über, ohne auch nur auf einen einzigen Tag seine Rechte an den Gesamt-Bund verloren zu haben.
Von der wahren Kameradschaft, welche die ehemaligen deutschen Krieger auch in Amerika noch beseelt, haben die beiden deutschen Militär- Kapellen in Uniform auf der Weltausstellung in Chicago genügende Beweise erhalten. Ihre Kunstreisen durch die Vereinigten Staaten wurden großenteils durch das freudige kameradschaftliche Mitwirken der Kriegervereine an den von ihnen besuchten Orten auch zu einem finanziell günstigen Erfolge gestaltet. Gleich der Empfang in, „Deutschen Dorf" in Chicago war großartig — zu beneiden der, dem es vergönnt war, ihn, beizuwohnen. Nicht weniger als 22 militärische deutsche Vereine zogen an dem bekannten „deutschen Tage" mit ihren, wie schon bemerkt, meist sehr kostbaren Fahnen zur Bergrüßung aus. Eine der Fahnen. ein Geschenk Kaiser Wilhelm I., wurde zur besonderen Ehre in dem Konzert-Pavillon plaziert.
Auch in anderen Städten, als in Chicago wurden die deutschen Militär-Musiker von den amerikanisch-deutschen Kriegervereinen festlich in Empfang genommen und von diesen mit fliegenden Fahnen nach ihren Hauptquartieren marschmäßig geleitet. Ein erhebender Anblick für jeden ehemaligen deutschen Soldaten, überhaupt für jeden Deutschen im fremden, übrigens doch so gastlichen Lande!
Bemerkenswert ist noch, daß auf Kosten des Bundes in St. Louis ein Militär-Heim" erbaut und eingerichtet worden ist, welches vor 3 Jahren unter Beteiligung der gesamten deutschen sowohl wie der alt-amerikanischen Bevölkerung eingeweiht wurde, Dasselbe dient gleichzeitig als „Ministerial"- und Schatzamts-Gebäude des Kriegerbundes und enthält Logier-Zimmer für fremd eintreffende Kameraden neben einer vorzüglichen Restauration, sowie Rauch-, Lese- und Klub-Salons, ferner einen großen Theatersaal, in welchem die deutschen Militärkapellen einige Male konzertiert haben. Vor dem stattlichen Gebäude steht ein echt deutsches Schilderhaus und an Stiftungsfesten wird vor ihm Ehren halber sogar eine Kanone deutschen Kalibers aufgepflanzt. — Schließlich sei erwähnt, daß auch in Südamerika deutsche Krieger-Organisationen bestehen, die in ähnlicher Weife wirken, wie die in Nordamerika.
Hoffentlich nehmen unsere deutsch-amerikanischen Gäste von ihrem jetzigen Besuche des alten Heimatlandes, um das fünfundzwanzigjährige Jubliläum eines seiner größten Ruhmestage, das Sedan-Fest, mitzufeiern, die besten und erfrischendsten Erinnerungen mit „nach Hause" übers Meer nach ihrer neuen fernen „Heimat"!
Telegramme.
Hamburg, 7. Septbr. Der Schoner Arkona mit Mauersteinladung ist in der Ostsee mit der Mannschaft untergegangen.
Amsterdam, 7. Sept. Das gestern verbreitete Gerücht: Alfred Bingen, der frühere Mitinhaber des Bankhauses Fratelli Bingen in Genua, sei von der Polizei verhaftet worden, bestätigt sich.
Sofia, 7. September. Die Blättermeldung, daß in Male sur Novo eine Bande mittelst Dynamit in die Luft sprengte, wird konstatiert.
Lemberg, 7. Sept. In den Bezirken Brody, Rohatyn sind Cholerafälle festgestellt worden.
Redattion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.