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deutschen Grenze, denen auch der russ. General, stabschef Obrutsch eff beiwohnen wird. Ein Pariser Chauvinistenblatt sagt, bei dieser Gelegenheit werde zwischen Obrutscheff und den französischen Generalen jedenfalls auch der Plan eines ge­meinschaftlichen Angriffes gegen Deutschland von Westen und Osten her besprochen werden. Das ist natürlich eitel Flunkerei, denn der russische General hat den Zaren nicht in seiner Gewalt und der Zar mit samt den Franzosen auch noch lange nicht die deutsche Armee.

Jvrea, 28. Aug. Das gestern in dem noiditalienischen Orte Ribordone infolge Platzens einer Petroleumlape vorgekommene Unglück ist größer, als erst angenommen wurde. Bis jetzt sind 14 Leichen und viele Verwundete aus den Trümmern des zerstörten Hauses gezogen worden.

Unterhaltender Teil.

Die Spionin.

Erzählung aus dem Kriege 1870/71 von I. Steinbeck

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Vier Wochen sind in das Land gegangen. Noch immer hält sich das hart bedrängte Metz und wehrt sich gegen die deutschen Heere, die es wie mit eisernen Klammern umspannt halten. Aber seine Widerstandskraft fängt an zu er­lahmen, der Hunger, ein schlimmerer Feind als Menschen sind, klopft an seine Thore und mahnt die jungfräuliche Festung, daß es auch für sie Zeit wird, an Ergebung und Fügung in den Willen des Eroberers zu denken. Dazu herrscht Zwiespalt zwischen Bazaine, der krampfhaft die gesunkene Fahne des Imperators Napoleon fcst- hält, und der Bevölkerung der Stadt, die mit glühender Begeisterung das neue Banner der Republik ergriffen hat. Die WorteVerrat" undVerräter", die eine so traurige Rolle in diesem Kriege auf Seiten der Franzosen gespielt haben, sind auch hier schon gefallen, und wieder­holen sich nun in den Reihen der Bürger und Soldaten mit immer dumpferem Grollen, wie fernes Gewitter, das sich über dem Haupte des Marschalls zusammenzieht, um sich nach Jahren erst auf demselben zu entladen und den tapferen Soldaten und ruhmreichen Feldherrn in Schmach und Schande, Kerker und Exil und endlich in einen rühmlosen Tod zu treiben. Armes Metz, armes Frankreich, aber eure Leiden sind ver- schuldet, eure Wunden sind zum größten Teil selbst geschlagene!

Auch die Deutschen leiden unter der langen Dauer der Belagerung. Die herabströmenden Regengüsse haben den lehmreichen Boden der Hochebenen von Metz in einen meilenweiten kothigen Sumpf verwandelt, in dem auszuharren keine Kleinigkeit ist. Typhus und Ruhr herrschen unter den Truppen und die bösen Dünste, die von den schlecht begrabenen Leichen aus den großen Schlachtfeldern aussteigen, dienen den Fieberkrankheiten zur weiteren Verbreitung und Vermehrung. Aber ruhig und geduldig harren die Heerschaaren Prinz Friedrich Karls aus. Einmal sind sie an Gehorsam und Disziplin gewöhnt, sodann wissen sie, daß die Siegesfrucht ihnen, wenn auch langsam, doch stetig entgegen­reift und daß Metz in absehbarer Zeit fallen muß. Also sind sie, wenn auch nicht frohen, doch ernsten und entschlossenen Mutes, auch ferner auszuharren.

In Pont-ä-Mousson, drei Meilen hinter der Zernierungslinie, sind die großen Lazarethe der deutschen Armee errichtet. Hier hat Auf­nahme gefunden, was vorne in der Front zu­sammengebrochen ist, sei es durch die feindliche Kugel, sei es unter heimtückischer Fieberkrankheit, und was noch transportierbar. Denn die absolut nicht mehr Transportfähigen liegen in den Feldlazerethen, wie in Gravclotte, Gorze und anderen Orten, unmittelbar hinter den Stell- ungen der Truppen, und was irgendwie noch sich auf den Beinen halten konnte, ist weiter zurück in die Heimat evakuiert. In Ponl-ä- Mousson ist also der Mittelschlag der Patienten, die zwar auch krank sind, aber doch noch Aus­sicht haben zu genesen.

In einem der großen Säle des zum Lazareth eingerichteten Lyceums liegt auf dem Schmerzens­lager eine bleiche Männergestalt, in der wir nur mit Mühe unfern blühenden Freund Hans Brackebusch wieder erkennen. Vier Wochen hat er zwischen Leben und Sterben an den bösen Messerstichen seiner Feindin gelegen; seine Lunge war ernstlich verletzt und ob er je wieder ganz diensttauglich wird, bezweifeln die Aerzle auch heute noch. Indessen das Aergste ist überstanden und heute zum ersten Male haben seine Pfleger ihm gestattet, Besuch zu empfangen.

An seinem Bette sitzt Nutze, der Bursche des Obersten, der extra Urlaub erbeten und er­halten hat, um den Sergeanten Brackebusch im Lazareth zu besuchen. Er ist dabei, dem Kranken Bericht zu erstatten über Alles, was sich seit jener denkwürdigen Nacht ereignet hat und worüber Brackcbusch bis dahin trotz alles Fragens keine Auskunft erhalten konnte. Nun hängt sein Blick gespannt an den Lippen des Burschen, der also berichtet:

Also da saß ich nun in dem dust'ren Keller, Herr -Sergeant. Die Schlüssel hatten Sie ja mitgenommen, 'raus konnte ich nicht und auf mein Poltern hörte Niemand. Aber endlich kamen Schritte die Kellertreppe herab, Stimmen wurden laut und ich erkannte des Alten bitte um Verzeihung, Herr Sergeant! des Herrn Obersten seine zornige Stimme, der be­fahl, die Thür einzuschlagen. Ich machte mich auf ein heiliges Kreuzdonnerwetter gefaßt, und richtig, als die Thür zusammenkrachte, stand der Herr Oberst auch schon vor mir und don­nerte mich an:

Nutze, Kerl, Nichtsnutze, wo kommt er her?"

Zu Befehl, Herr Oberst," erwiderte ich, unterirdischen Gang entdeckt, hier unten im Keller", und damit führte ich ihn vor das Loch in den Keller.

Na, die Augen hätten Sie sehen sollen, Herr Sergeant.Licht her!" kommandierte er, und als sie dann mit Licht kamen, war er auch schon mit beiden Beinen in das Loch hinein, gerade wie Sie.

Halten zu Gnaden, Herr Oberst", sage ich wieder,es steckt schon einer drinnen."

Wer denn? Wohl gar ein Franzose?"

Zu Befehl nein, der Sergeant Brackebusch."

So, also der? Nun, und wie lange schon?"

Seit gestern Abend 11 Uhr."

Was? Seit gestern Abend 11 Uhr? Und das sagen Sie jetzt erst? Herr Lieutenant von Romberg, holen Sie zwei Mann von der Wache und dann in Gottes Namen vorwärts!"

So ging denn die Expedition ab. Wir tappten erst den engen Gang entlang, kamen dann in das große Gewölbe, gingen rechts und links, bis wir an die verschütteten Stellen kamen und konnten lange keinen Ausgang finden. Endlich kamen wir an die Treppe, Herr Ser­geant, die Sie auch gefunden haben müssen und gelangten auf ihr in's Freie, in den Weinberg des sauberen Mosjö Pierrot. Da hatten wir die Bescheerung. Die frischen Fußspuren im lockeren Erdboden führten uns bald auf den Platz, wo Sie den Kampf ausgefochten hatten, und da lagen Sie starr und regungslos, daß wir Sie alle für tot hielten. Der Adjutant aber, der Ihnen die Uniform aufgerissen und die Binde gelockert hatte, rief, nachdem er eine Weile neben Ihnen gekniet:Nein, er lebt, er ist nur ohnmächtig! Der Oberst befahl also, Sie in's Dorf zu transportieren, dann suchten wir weiter.

Nicht lange, da hatten wir auch das Loch gefunden, den Eingang zu dem zweiten Wasser­kanal, den die Hallunken benutzt hatten, um nach Metz hinein zu gelangen. Der führte nämlich nach einer ganzen Weile wieder in den Hauptgang der Wasserleitung weit hinter unfern Posten, wo das Gewölbe unbeschädigt war. Von dort konnten sie in einer halben Stunde bequem in der Stadt sein; wie oft sie's gewesen sind, wissen wir nicht, können's uns aber denken, sicherlich so oft. als Frau Pierrot ihre Kopf­schmerzen hatte.

Als wir nun aber in diese zweite Höhle hinabstiegen, bot sich uns ein schauriger Anblick.

Schon von weitem hörten wir ein jämmerliches Stöhnen und als wir 50 Schritte gegangen waren, stießen wir auf die Leiche des alten Pierrot, den Sie gerade durch den Hals ge­schossen hatten, und der sich noch bis hierher geschleppt hatte, ehe er zusammenbrach und ver- endete. Zehn Schritte davon lag der junge Hallunke, der Ihre Kugel in der Hüfte hatte und auch nicht weiter konnte."

Der junge! Du meinst die Frau Pierrot, sie war allerdings verkleidet."

Nutze lachte, halb verlegen, halb pfiffig, aber augenscheinlich war er höchst ergötzt in seinem Innern über die Neuigkeit, die er nun seinem verwundeten Freunde mitzuteilen im Be­griffe stand.

Nein, Herr Sergeant, es war gar kein Frauenzimmer, es war ein Mann."

Brackebusch richtete sich trotz seiner Schwäche wie von einer Feder geschnellt empor und in sein blasses, schmales Gesicht stieg eine dunkle Blutwelle.

Ein Mann Nutze. Du faselst! Die Marie ein Mann?"

Ja, Herr Sergeant, unsere Ueberraschung war auch nicht schlecht. Der Herr Oberst und die Herren Offiziere, die immer so schön mit der hübschen Frau gelhan halten, waren erst ganz starr, als nach der ersten Untersuchung der Herr Stabsarzt ihnen die Mitteilung machte, nachher klärte sich alles auf. Es war ein junger Kerl, ein Neffe des Alten, der als Koch in Metz sungiert hatte. Der hatte bei Anfang der Be- lagerung sich zum Spion 'angeboten und seine Kenntnis der unterirdischen Gänge zu verwerten gewußt. Sein weibisches Aussehen und der Umstand, daß er schon vielfach in Weiberkleidern zum Spaß aufgetreten, gab ihm den Gedanken ein, sich zu verkleiden und uns Alle zu foppen. Auch hoffte er so vor Entdeckung sicher zu sein."

(Schluß folgt.)

Wettervorhersagung der Meteor, Zentr.-Slation. Stuttgart, 29. Aug. Da der alte Luftwirbel nach dem weißen Meere abzieht und der neue über Irland erschienene sich vorerst fernhalten wird, so ist bei uns Fort­setzung des heiteren, trockenen, heißen Wetters in Aussicht.

Auflösung des Akrostichons in Nr. 136. Salsen, Treue, Rode, Agram, Driesen, Ewald, Laube, Loden. Agent. Stradella.

Kahnen-Rätsel.

h Nach dem Muster der

g Figur und aus ihren Buch-

g staben bilde man: 1. mili-

o » - ^ e tärische Meldung, daß die

o s x Deutschen 2. waren bei

^ e o, heißem Ringen zu 3. wo-

Ma» M e rauf die 4. (Truppengattung) e - unter 5. (militärischer Be-

s s ^gleitung) manchen Gefang-

e enen nach den Festungenspe-

d dierte. Die Fahnenstange

c ergiebt von unten nach oben

a gelesen das, was an der

a Fahne schwebt,

a a

Telegramme.

Lemberg, 30. August. Die Cholera bricht immer mehr in Wolhynien aus. Die Ver­storbenen werden auf besonderen Cholera-Fried­höfen beerdigt. Unter der Bevölkerung herrscht Panik. Der Verlauf der Krankheit ist ein sehr rascher.

Tiflis, 30. Aug. 5000 Soldaten und 10 000 Kurden und Türken unter Sekir Pascha überfielen am 13. August die armenische Stadt Kenach und mehrere Dörfer, plünderten Kirchen und Klöster und verbrannten unzählige Häuser.

Tanger. 30. August. Zwischen den Angora- und Benita-Stämmen einerseits und den Madras andrerseits fand ein mehrstündiger Kampf bei Spinat, 12 englische Meilen von Tanger statt.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.