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AuS Cuba liegen folgende Telegramme vor, welche die Lage der Spanier noch immer in sehr trübem Lichte erscheinen läßt. Dieselben lauten:
Sanjagode (Cuba), l6. Aug. Josä Maceo, der Rebellensührer, hat sein Hauptquartier auf einer Kaffeeplantage zwischen hier und Guantanamo aufgeschlagen. Die Insurgenten nehmen numerisch und organisatorisch an Kräften zu. Im spanischen Heer fallen im Durchschnitt täglich 120 Mann dem gelben Fieber zum Opfer.
Tanga (Florida), 16. Aug. Heute hier eingetroffene Passagiere berichten, daß ein mit spanischen Soldaten besetzter auf der Fahrt von Havana nach Santaslava begriffener Eisenbahnzug von den Insurgenten vermittelst Dynamit in die Luft gesprengt wurde. Wenige entkamen mit dem Leben.
Iackson.ville (Florida), 16. Aug. Die cubanischen Insurgenten haben ein spanisches Guerilla-Regiment bei Manicaragua geschlagen und 61 getötet. Viele der spanischen Guerillasoldaten gingen zu den Rebellen über.
Unterhaltender Heil.
Die Spionin.
Erzählung aus dem Kriege 1870/71 von I. Steinbeck.
(Nachdruck verboten.)
Wer von Metz aus den Schlachtfeldern des 16. und 18. August 1870 einen Besuch abstatten will, der wandelt über die Totenbrücke durch das Moselfort und französische Thor einen Weg, der eben so viel landschaftliche Schönheiten ausweist, als gewaltige historische Erinnerungen in ihm wachruft. Denn zu seiner rechten Hand hebt sich wie ein Riese der gewaltige St. Quentin, der auf seinem Rücken.die Veste Friedrich Karl trägt, und die allmählich steigende Straße, die durch Vororte mit eleganten Villen und herrlichen Gärten führt, gewährt immer wechselnde, aber stets reizvolle Blicke auf die alte Hauptstadt Lothringens, auf das Moselthal, die Forts und die ganze weite Umgebung von Metz. Welche Erinnerungen, welche Bilder tauchen da namentlich vor dem auf, der 1870 hier als Soldat die denkwürdigen blutigen Schlachten des August und dann die qualvollen Wochen der Einschließung mit durchlebt hat.
Wie ganz anders sieht das Bild heute aus, wie friedlich und heiter lacht die Landschaft Dich an, und wie düster und freudlos steht die Er- innerung an jene kampferreglen Zeiten svor Dir, wo überall nur verwüstete Felder, zerstampfte Saaten und rauch- und brandgeschwärzte Ruinen von Häusern Deinem Blicke begegneten! Ja die Zeit hat überraschend schnell die Wunden des Krieges vernarben und verschwinden lassen, kein äußeres Zeichen erinnert Dich mehr daran, daß vor 25 Jahren über diese lachenden Fluren der Würgeengel des Krieges geschritten ist und eine furchtbare Ernte gehalten hat. Kein Zeichen? O doch! Schau nur genauer in die grüne Land- schaft hinein, da ragt hier und dort eine Säule, hebt sich ein umfriedetes Denkmal, und wie Du weiter schreitest und gelangst zu dem am 18. August so heiß umstrittenen Gehöfte des koinb äu sour, da sagen die zahlreichen Gräber im Garten und auf dem gegenüber liegenden Begräbnisplatze Dir genugsam, daß die Wunden des Krieges wohl vernarbt, aber darum doch noch unvergessen sind. Aber nicht diesen wehmütigen Erinnerungsstätten ist heute unser Besuch geweiht, ich will den freundlichen Leser, so anders er mir zu folgen gedenkt, zu einer anderen Oertlichkeit in der Nähe führen, um dort die Erinnerung an ein Erlebnis aufzufrischen, das, Ernstes und Heiteres vermischend, das Bild jener gewaltigen Kriegszeit getreu wiederspiegelt.
Da, wo die Straße bei dem Weiler Longenau in schönen Serpentinen auf die Hochebene hin- aufführt, liegt rechts vor Dir, tief im Grunde, das Dörfchen Rozerieulles, südlich aber von der Straße die noch kleineren Ortschaften Ruffine und Jussy, alle drei berühmt durch ihre Weinberge und Obstgärten. In das letzte Dorf, nach Jussy, führe ich meine Leser, und bitte, sich mit mir in die Tage der Einschließung von Metz,
also in der Zeit der zweiten Hälfte des August 1870. versetzen zu wollen.
In Jussy herrscht reges Leben. So klein der Ort ist, so dient er doch einem ganzen Re- gimente vom 8. Korps zum Quartier; man kann sich denken, wie stark die wenigen Gehöfte belegt sind. 50—60 Mann in einem Schuppen beisammen, so daß sie fast einer aus dem andern liegen, das ist die Regel; wenn nicht immer ein Bataillon auf Feldwache in den Weinbergen vor dem Dorfe läge, so wäre es ganz unmöglich. daß die Menschen alle ein Unterkommen fänden. So geht es zur Not und in dem stattlichsten Gehöfte der Ortschaft ist sogar Platz für den Regimentsstab und ein fliegendes Lazareth geschafft. Der Mensch lernt sich im Felde bescheiden in seinen Ansprüchen, und das Stabsquartier der Ler in Jussy ist noch lange nicht das schlechteste. Hat es doch sogar Wirtsleute, und was für welche! Zwar Monsieur in seiner blauen Blouse, seinen unförmlichen Holzpantinen, die halbzerbrochene Thonpfeife im zahnlosen Munde, macht mit feiner schlotternden Gestalt, seinem ewigen Hüsteln und dem süßsauren Lächeln in den verwirrten Gesichtszügen keinen sonderlich anziehenden Eindruck. Aber der Mann hat Etwas, was ihm unsere Soldaten hoch anrechnen, nämlich Mut; denn sonst wäre er ohne Zweifel auch geflohen, wie die übrigen Einwohner von Jussy, und hätte Haus und Hof im Stich gelassen, um sein Leben in Metz vor den gefürchteten Barbaren in Sicherheit zu bringen. Das hat Monsieur Pierrot nicht gethan; vielmehr ist er ruhig in seinen vier Pfählen geblieben, hat den ganzen Sturm der Schlachtage über sich fortrasen lassen und ist dann den ungebetenen Gästen, die so massenhaft in's Quartier fielen, höflich enlgegengegangen. ihnen nichts verweigernd und Alles, bis auf die Dachkammer überlassend, in der er mit seiner Frau seitdem haust. Das war mutig und schon von Monsieur Pierrot, und unsere Soldaten haben ihn dafür fast ehrfurchtsvoll behandelt. Mehr aber noch als um ihn, haben sie sich bewundernd von Anfang an um seine nicht minder mutige Frau ge- drängt. Ja, das war aber auch eine der Bewunderung werte Frau! Gewiß 30 Jahre jünger als ihr Gatte, mit einer hohen, schlanken und doch vollen Gestalt und angenehmen Gesichtszügen begabt, ein paar feurig blickende Augen im Kopfe, die sehr neugierig und begehrlich in die Welt blickten, gab sie den AnbliO eines appetitlichen Weibes, das unter gewöhnlichen Umständen wohl die bewundernden Blicke mehr als eines Mannes auf sich gezogen hätte, hier aber, wo alles Weibliche sonst geflohen war, natürlich Jeden, der ihr nahte, zu ihrem Anbeter und Kavalier von vornherein machte. Die Offiziere des Regimentes umdrängten und umschwärmten die schöne Wirtin ihres Hauptquartiers, die so harmlos und freundlich in der Küche für den gestrengen Herrn Oberst kochte und briet, als lebte sie in den geregeltsten Verhältnissen, und sei sie das kriegerische Treiben um sich herum von jeher gewohnt. Auch die unvermeidliche Verwüstung ihres Eigentums schien Monsieur Pierrot wie seiner jugendlichen Ehehälfte wenig Sorge zu machen, nur für ihren Weinberg vor dem Dorfe hegten sie mehr Befürchtung, und hatten den Herrn Obersten gleich zu Anfang gebeten, keine Feldwache, wie in die übrigen Grundstücke, da hinein zu legen, auch den Soldaten das Betreten ihres Eigentumes möglichst zu verbieten.
Diesen Wünschen war der Herr Oberst bereitwillig nachgekommen, da sie sich mit den Pflichten seiner Dienstvorschriften ganz gut vereinen ließen. Was thut man nicht guten und freundlichen Wirtsleuten, zumal unter solchen Umständen zu Liebe? Also war Pierrots Weinberg ziemlich vor Verwüstung verschont, und der Alte ging feinen Geschäften daselbst fast in gewohnter Weise friedlicher Tage, vom Morgen bis zum Abend, nach, während seine junge und hübsche Frau schutzlos im Hause den Galanterien der fremden Krieger ausgesetzt, zurückblieb. Aber die junge Frau befand sich ganz wohl dabei und hatte brs dahin nicht die geringste Gefahr ausgestanden; Niemand that ihr was zu Leide,
selbst die kühnsten unter ihren Rittern gingen nicht über die Grenzen des Erlaubten in ihren Huldigungen hinaus. Hatte doch Frau Marie Pierrot zwei starke Bundesgenossen und Ver- leidiger ihrer Jugend und Ehrbarkeit. Der eine war ihre gänzliche Unkenntnis der deutschen Sprache, die es ihr unmöglich machte, etwa ihr dargebrachte Liebesgeständniffe in dieser Sprache zu verstehen, und umgekehrt waren die meisten ihrer Anbeter nicht im Stande, eine Werbung im fließenden Französisch anzubringen. Sodann schützte sie die allgemeine Eifersucht auf ihre Gunst. Mit Argusaugen überwachte einer den andern, und hinderte gewiß einen etwa beab» sichtigten Ueberfall in der Küche, oder gar ein zärtliches tote-ü-toto. So stand Frau Marie Pierrot bei ihrem Gatten ^wie bei ihren Gästen weit erhaben über ihren Verdacht da, und um so unbestrittener war die Herrschaft, welche die Macht ihrer Reize über alles Männliche im weiten Umkreise über.
(Fortsetzung folgt.)
Jauer, 16. August. Seinen eigenen Totenschein aus dem Jahre 1870 hat ein Beamter aufbewahrt, der gegenwärtig in Jauer lebt und sich der besten Gesundheit erfreut. Der Betreffende war in der Schlacht bei Wörth durch Schüsse in den Kopf und Rücken verwundet und für tot gehalten worden, so daß das Kommando des 3. Niederschlesischen Infanterie-Regiments Nr. 50, bei welchem er stand, an seinen Vater die Benachrichtigung ergehen ließ, daß sein Sohn den Heldentod für das Vaterland gestorben sei. Der Schwerverletzte kam indessen in ein süddeutsches Lazaret und wurde nach längerem Aufenthalte daselbst gänzlich wieder hergesteüt. In den Verlustlisten wird er als tot geführt.
Aus Interessentenkreisen sind neuerdings Klagen über den steigenden Vertrieb verfälschten Honigs, welcher zum Teil sogar gesundheitsschädliche Eigenschaften besitzen soll, geführt worden. Auf Antrag des Kaiserlichen Gesundheitsamts hat der Reichskanzler Veranlassung genommen, mit den Bundesregierungen zu dem Zweck in's Benehmen zu treten, um eine schärfere Ueberwachung des Verkehrs mit Honig durch die Polizeibehörden nach Maßgabe der Vorschriften des Nahrungsmittelgesetzes ein- treten zu lassen. Es darf erwartet werden, daß die strenge Handhabung dieser Bestimmungen genügen wird, um den erwähnten Gesetzwidrigkeiten mit Erfolg entgegenzutreten.
sUmschreibende Bezeichnung.) Lehrer: Na, Dein Vater machte wohl ein recht finsteres Gesicht, als Du gestern vom Nachsitzen nach Hause kam? — Schüler (weinerlich): Ja — stockfinster.
Telegramme.
Potsdam, 19. Aug. Bei der gestrigen Erinnerungsfeier der 1. Gardeinfanteriebrigade hielt der Kaiser eine Ansprache, worin er auf den durch historische Erinnerungen geheiligten Boden hinwies. Die großen Erfolge, welche unter Kaiser Wilhelms Führung die Armee, insbesondere die Garden erfochten, wurzeln doch zuletzt in dem, was Kaiser Wilhelm uns einpflanzte. Die Kraft unserer Armee machte die unbedingte Hingabe an einen Willen, an denjenigen des obersten Kriegsherrn, aus. Unerschütterlich sollen die vom dem Verewigten als die 3 Hauptsäulen seiner Armee bezeichnten 3 Tugenden für uns bestehen: Tapferkeit, Ehrgefühl und unbedingter Gehorsam. Wenn wir diese 3 Eigenschaften aufrecht erhalten, wird die Armee die Grundlage für den Frieden Europas sein, den Spruch Moltkes rechtfertigen. Wir sind nicht nur stark genug, den Frieden Europas zu erhalten, sondern auch denselben zu erzwingen. Schließlich beglückwünschte der Kaiser die Brigade zu ihrem Ehrentage und trank auf das Wohl des ersten Garderegiments, der gesamten Garde und der Armee.
Belgrad, 19. August. Gestern Abend 10 Uhr 25 Min. wurde eine kurze aber heftige Ecderschütterung verspürt.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.