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Haus sich bemerkbar machen, zu ebnen. Man mag zu der Stellungnahme des genannten >Ge- meinderats sich Verhalten wie immer die politische Ueberzeugung des Einzelnen es mit sich bringt, so viel steht fest, daß die Summe, um die es sich handelte, zu klein, die Angelegenheit mit den Empfindungen des überwiegenden Teils unseres württembergischen Volkes zu eng verknüpft war, als daß es opportun erscheinen könnte, dHüber in Auseinandersetzungen einzutreten, wer der bessere Patriot ist, der gewährende oder der versagende.
Die behäbige Ruhe des selbstzufriedenen Spießbürgers ist unseren Heilbronner Landsleuten nie beschicken gewesen, liegt auch gewiß nicht in dem Temperament dieses rührigen und nllen erregenden Einflüssen mehr als zugänglichen Bölkleins. Die Tagesordnung, welche die Heilbronner Gemüter bewegt, ist bunt wie eine politische Karte des seligen deutschen Reiches römischer Nation; ist es nicht ihr Oberbürgermeister, so ist es ein Gemeinderat. ist es nicht ein politischer Agitator, so ist es ein ungetreuer Stiftungspfleger, oder einige Schuldiener, und, um den Kreis der Irrungen und Verwirrungen voll zu machen, ein lärmschlagender Schulmeister, welche unserer 2. Metropole am Neckar den Stoff für die liebe Kannegießerei bilden. Der Oberbürgermeister freilich gewinnt von Tag zu Tag an Sympathien in dem gleichen Verhältnis, in welchem die Zahl seiner Gegner kleiner und vor allem nachdrücklicher auf das Maß ihres eigenen Wertes zurückgeschraubt wird. So kam es, daß der Nimmermüde vergangenen Samstag getrost seinem Wirkungskreis auf einige Wochen den Rücken wenden und sich nach einer anderweitigen Anregung in den herrlichen Gebirgs- thälern Graubündens Umsehen konnte.
Cannstatt, 12. Aug. Am vergangenen Freitag wurden beim Graben eines zu den neuen Kasernenbauten gehörigen Kellers ein ca. 1 Mtr. 65 Cm. langer Mammutszahn und ein Schenkelknochen in einer Tiefe von 6 Mtr. aufgefunden.
Ausland.
Die auswärtige englische Politik ist zur Zeit von allergrößtem Einfluß; daher werden in Rußland wie überhaupt in allen Staaten des Orients die ersten Kundgebungen des Kabinets Salisbury mit höchster Spannung erwartet. Gerade Rußland fühlt infolge des englischen Regierungswechsels ein Bedürfnis, sich Deutschland wieder einigermaßen zu nähern. Selbst die panslawistische Hetzpresse ist in jüngster Zeit ruhiger geworden und man hat den Schachzug der deutschen Politik, als sich das auswärtige Amt zu Berlin zur Unterstützung der russischen Forderungen gegenüber Japan einschloß, wenigstens in russischen Kreisen mit Dank ausgenommen. Die Lage ist für Rußland auch eine sehr peinliche, denn Japan erwartet bestimmt die Begünstigung Englands und trifft alle Vorbereitungen, um nach Beendigung seines Feldzugs gegen die Schwarzflaggen neue Operationen an der astatischen Ostküste zu unternehmen.
Außerdem ist die auswärtige Politik Rußlands neuerdings in Bulgarien sehr engagiert. Die Konvertierung des Prinzen Boris zur orthodoxen Kirche ist durch die Erklärungen der weiblichen Mitglieder des Koburgischen Hauses in Frage gezogen, die makedonische Angelegenheit ist noch lange nicht beigelegt und die antirussische Strömung in Bulgarien hat durch die Ermordung Stambulows begreiflicherweise reichliche Förderung erfahren.
Aus der Schweiz, 14. Aug. Von zwei Herren, die gestern ohne Führer gemeinsam die „Jungfrau" bestiegen, ist, wie die „Basler Nachr." aus Grindelwald melden, einer ins Rotthal abgestürzt. Trotz der Warnung seines Begleiters löste sich der Herr vom Gletscherseile und stürzte dann in eine Tiefe von 1000 Metern. Wie verlautet, heißt der Verunglückte Ritzow und ist aus Breslau, in Bern wohnhaft.
Havana, 14. Aug. Die Regierungstruppen sind bei Guanilaneito geschlagen, die Stadt ist von den Rebellen in Asche gelegt worden. Die Insurgenten erlitten bei der Hafenstadt Barracoa große Verluste. Ein Sergeant in einem von Valladolid gekommenen Bataillon.
der kürzlich am gelben Fieber starb, ist ein Sohn des Marschalls Bazaine.
Havana, 15. Aug. Ein an der Eisenbahnstrecke zwischen Puerto Principe und Nue- vitas belegenes kleines Fort verteidigte sich stundenlang heldenmütig gegen einen Rebellen- trupp. Von der aus 1 Sergeanten, 1 Corpora! und 16 Soldaten bestehenden Besatzung des Forts wurden 3 Soldaten getötet, 12 verwundet. Als sich Hilfe nahte, zogen die Rebellen ab, mehrere Verwundete und Tode zurücklassend.
Unterhaltender Ml.
Geistige Begabung.
Zeitgemäße Betrachtungen von Emil Pesch kau.
(Schluß.)
Leider gehr die Tendenz unseres Schulwesens noch immer dahin, die Menschen schon im Kindesalter nach einer bestimmten Berufsrichtung zu drängen, und infolge dessen ist auch die Angst vor dem „verfehlten Beruf" eine große geworden. Nun — wer die oben ausgesprochenen Anschauungen über das Talent zu teilen vermag, bei dem wird diese Angst sich zweifellos stark ver- mindern. Das wirkliche Talent ist sicher nicht blos zu einem einzigen Beruf geboren, es wird sich in den meisten Berufsquellen zurecht finden, und sollte es ja auf einen Kamelrücken geraten sein, dann wird es eines Tages doch im Pserde- sattel die Rennbahn durchjagen. Freilich geht's dabei nicht ohne Leid und Kampf ab, und weil es unsinnig ist, daß wir uns zu dem unvermeidlichen Leid noch künstlich welches schaffen — schon deshalb muß man gegen jene Tendenz der Schule kämpfen. Sie ist aber auch zwecklos, es hat gar seinen Sinn, den Menschen schon frühzeitig für einen ganz bestimmten Beruf zt? drillen. Auch das geht aus unserer Untersuchung über die geistige Begabung hervor. Entwickeln wir nur die Naturanlagen der jungen Leute ganz einheitlich, bis sie einen gewissen Reifegrad erlangt haben — die speciellen Berufskenntnisse werden sie sich dann leicht erwerben.
Das ist jedoch nur eine der „zeitgemäßen" Seiten dieser Betrachtungen — die andere betrifft die zuletzt noch besonders hervorgehobene Eigenschaft, welche das Talent haben muß, die geistige Triebkraft, die Energie, den Arbeitsdrang. Alle geistigen Anlagen werden durch die Erziehung erst entwickelt, sie können gehemmt werden, unterdrückt und gesteigert. Nun hat man seither ohnedies mehr Wert auf die Ansammlung von Kenntnissen, auf die Entwicklung des Gedächtnisses u. s. w. gelegt als auf diese nötigste aller geistigen Eigenschaften, auf diesen eigentlichen Lebensquell des Talentes, und in unserer Zeit ist überdies ein unseliges Etwas lebendig geworden, das sich gegen die Arbeit auflehnt. Man sieht vielfach in der Arbeit nicht mehr das frohe Spiel der eigenen Kraft, die Befriedigung eines Naturtriebes, die ebenso nötig ist und ebenso erquickend sein müßte, wie die Befriedigung des Hungers und Durstes, man stellt sie als eine Last hin, als ein Uebel, das uns nur der schreckliche Kampf um's Dasein auferlegt. Die wenigsten sind noch imstande, Leute zu begreifen, die viel arbeiten, und zwar nur deshalb arbeiten, weil ihnen die Arbeit Bedürfnis ist, das halbe Leben, weil sie dabei gesund und froh werden, und Neid und Scheelsucht heften sich gar oft an die Fersen solcher Arbeitsmenschen. Es ist eine geradezu komische Furcht vor Ueber- anstrengung in unserer Zeit, die meisten aber von denen, die sich wirklich überanstrengen, thun es nicht mit Arbeit, sondern mit sogenanntem Vergnügen. Auch das Jammern über „verfehlten Beruf" entspringt gar oft dem mangelnden Arbeitstrieb, und das höchst bedenklich gewordene Herumnaschen an künstlerischen Berufen, die Sehnsucht so vieler unserer jungen Leute nach dem Theater, nach der Lilteratur u s. w. kommt zumeist nur daher, daß sich die Betreffenden in dem Wahne wiegen, da gebe es eben keine Rackerei, da genüge das „Talent". Papier, Feder und das Talent (das der junge Mann oder die junge Dame natürlich hat) und der Schriftsteller ist fertig. Und doch giebt es keinen Beruf, der so viel rastlose Energie, so viel eis
ernen Fleiß, so viel nimmermüde Arbeitslust erfordert, als den des Künstlers oder Schrift- stellers. Das Publikum sieht freilich nichts davon. aber wer auf irgend einem dieser Gebiete etwas Erhebliches leister, der weiß, daß es ihm kein Gott geschenkt hat, daß er eiserner Fäuste bedurfte, um's zu erringen, daß er's nicht erreicht hätte, gäbe es in seinem Leben nur einzigen Sonntag, nur einen einzigen Achtstunden-Ardeits- tag!
Pflanzen wir also in die jungen Stellen, so weit als es im einzelnen Falle ergehen mag, diese Lust an der Arbeit, diesen Drang zur Thätigkeit. Oeffnen wir ihnen das Herz dafür, daß Arbeit keine Last ist, sondern ein Vergnügen, das Glück des Lebens. Daß man mit der Arbeit nicht blos sein Brot erwirbt, baß sie uns emporhebt. unser Talent erst lebendig macht, unser Menschentum steigert, und daß sie uns nebenbei gesund erhält und uns allein die Fähigkeit schenkt, das Ueble der Welt zu überwinden und das Schöne recht zu genießen. Menschen aber, in denen dieser Arbeitstricb lebendig ist, die sind auch immer gut, Menschen, die von ihrer Arbeit erfüllt sind, haben keine Zeit, an Erbärmlich, leiten zu. denken, und so giebt es gerade in unseren Tagen vielleicht keine bessere Medizin für die Welt, keine bessere Heillehre, als das eine Wort: „Arbeitet — lernt die Arbeit lieben!" —
(Coulant.j Herr (in der Buchhandlung): „Ich möchte Goethe's Faust, zweiter Teil!" Gehilfe: „Ist augenblicklich nicht vorrätig . . . Ich kann ihnen aber etwas Aehnliches geben!"
Aus der Schweiz. Eine amtliche Mitteilung heiterer Art ist die folgende, welche man in den Berner Regierungsratsverhandlungen vom 31. Juli findet. Sie lautet: Der Schul- kreis Rüedisbach wird vom 12. Biehschaukreise abgetrennt und dem 19. Kreise zugeteilt."
Versteck-Rätsel.
Im Sternbilde des Wassermann ist er zu finden. Das Hermannsmonument wurde im Jahr 1875
enthüllt.
Albert überreichte der Klara ein Vergißmeinnichl-
Bouquet.
In der Schlacht bei Weißenburg sind viel Menschen gefallen.
Der Rentier T vermachte der Stadt sein ganzes
Vermögen.
Bei Nenndorf trafen beide wieder zusammen. Es wäre eine reine Nichtswürdigkeit von ihm. Das Schultheiß-Versandbier ist ein vorzüglicher
Stoff.
In jeder der obigen Zeilen ist eine Silbe versteckt enthalten. Setzt man die richtig gefundenen Silben aneinander, so bilden sie ein Sprichwort.
Telegramme.
Metz, 16. Aug. Heute früh fand bei herrlichstem Wetter auf dem Schlachtfelde von Vionville eine Gefechtsübung statt, an der beinahe das XVI. Armeekorps teilnahm. Zum Schluß entsandte der Korpskommandeur, Graf Haeseler, kleinere Abteilungen nach den Denkmälern, wo Ehrungen mit Ansprachen und Parademarsch staltfanden. Bei Flavigny wurde ein großer Granitblock zu Ehren weiland des Prinzen Friedrich Karl von Preußen errichtet. Er trägt die Inschrift: „Von dieser Stelle aus leitete Prinz Friedrich Karl die Schlacht am 16. August 1870." Auch in dem französischen Grenzorte Mars-la-Tour fand eine große Gedenkfeier unter Beteiligung des Bischofs von Nancy statt.
Corny-Noveant, 16. Aug. General Graf Haeseler hielt auf dem Schlachtfelde von Vionville vor den sämtlichen Metzer Truppen eine begeisterte Ansprache. Er betonte, daß auf Metzer Schlachtfeldern das deutsche Reich boren sei, das, durch Blut gekittet, niemals auseinanderfallen dürfe. Er gedachte dann dankerfüllt des großen Heerführers und der Gefallenen. Alsdann fand ein ergreifender Feldgottesdienst an dem Denkmal der Oldenburger an den Vion- viller Büschen statt.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.