549

schirm vorzunehmen. Der Ballon nahm dann den Weg über Gernsbach und die Hohlohhöhe, wobei er eine Höhe von 34000 rn erreicht haben soll. Die Luftschiffer wollten sodann am sogenannten Meister-Bergrücken landen, wozu sie das Ventil zogen. Ein Windstoß warf sie aber auf jene Tanne, in deren Geäste sich das Netzwerk des Ballons verwickelte, so daß die Gondel in schiefer Lage in der Tanne hing. Ueber 3 Stunden mußten die Luftschiffer in dieser schwierigen Lage in der ziemlich menschen­leeren Gegend ausharren, bis ihre fortwährenden Hilferufe von einem zufällig auf einer Tour befindlichen Kurgast gehört wurden. (S. M.)

Calw. Für die Hagelbeschädigten sind bis jetzt bei der örtlichen Sammelstelle in Calw etwas mehr als 13 000 «4L, bei der ge­meinsamen Sammelstelle, der hies. Oberamts­pflege 4173 ^L und der Nagolder Sammelstelle wohl auch ein erheblicher Betrag eingegangen. Es ist dies eine schöne Summe, welche wir der öffentlichen Mildthätigkeit verdanken. Wenn man aber die großen Schadenssummen bedenkt, welche bei der Verteilung in Betracht kommen (Bezirk Calw und Nagold 800000 -4L) so wird es zu Vermeidung irriger Auffassungen gut sein, darauf hinzuwcisen, daß, wenn auch die Gaben noch so reichlich fließen, doch nur die armen und Wenig bemittelten Beschädigten, und diese nur mit ganz mäßigen Beträgen bedacht werden können. Leider wurden nach dem Hagelschlag in den Bezirken Calw und Nagold noch ver- schiedene andere Bezirke von Hagelschäden be­troffen, was auf unsere Sammlungen von er­heblichem Einfluß sein wird. Erfreulich ist der große Eifer und der Erfolg, mit welchem sich die hiesigen Geschästsfirmen die Sammlung für ihre Mitbürger in Stadt und Land angelegen sein lassen. Wenn auch diesmal das Nicht­versichertsein gegen Hagelschlag damit entschuldigt wird, daß unser Bezirk seit langer Zeit nicht von einem solchen Schaden heimgesuchk wurde, so dürfte jetzt umsomehr allen Grundbesitzern zu raten sein, die Versicherung nicht zu unterlassen, nachdem durch die Unterstützung des Staats die Prämien sehr mäßig geworden sind. In vor­wiegend bäuerlichen Gemeinden dürfte es sehr zu empfehlen fein, wenn die Gemeindeverwaltung die ganze Markung versichert, wodurch sich die Beiträge noch weiter vermindern. Jetzt schon dürften derartige Beschlüsse gefaßt werden.

(C. W.>

Pforzheim, 12. Aug. Es giebt gegen­wärtig in Pforzheim 137 Gasthöfe, Gasthäuser und Bier- und Weinwirtschaflen, das ist eine auf 238 Köpfe. Im Jahre 1877, als Pforz­heim nur 23000 Einwohner zählte, war die Zahl der Schankstätten noch größer als jetzt, nämlich 146. Es kam damals auf 157 Köpfe eine Schankstätte, Bemerkt sei hier noch, daß unter 32 500 Bewohner Pforzheims 10000 Nichtbadener sich befinden.

Deutsches Weich.

Wohl selten ist eine Nation durch die Un­geschicklichkeit eines ihrer maßgebenden Preß- organe einer größeren Verlegenheit ausgesetzt worden, wie augenblicklich die englische. Bisher galt in zivilisierten Kreisen als Norm, über einen Gast und dessen Angehörige entweder gar nichts oder nur Gutes zu äußern so lange er in der Mitte der Sprechenden weilte. Diese hausbackene Ansicht über die Pflichten der Gast­freundschaft scheint das leitende Organ der eng­lischen Konservativen nicht zu teilen, denn seit der Anwesenheit des deutschen Kaisers in Eng­land häuft es Taktlosigkeit auf Taktlosigkeit. Wir haben denBegrüßungsartikel" des »Standard" bereits erwähnt. Mit den in dem­selben niedergelegten Ungeschicklichkeiten scheint sich indessen das große konservative Organ Eng­lands nicht begnügen zu wollen; denn die schul­meisternde, nationale Ueberhebung, mit welcher der besagte Artikel vollgestopft wurde, wird noch überboten durch neue Ausführungen, welche an Dünkelhaftigkeit nichts mehr zu wünschen übrig lassen. Die unberufene Kritik der deut­schen Politik, der angeblich gewagten, in Eng­land übel vermerkten Experimente des hohen! Gastes glaubt derStandard" jetzt mit der Be- >

merkung rechtfertigen zu können, daß Kaiser Wilhelm ja vor Allem Offenheit wolle, und daß es bei ferner ganzen Art zu regieren und un­mittelbar in den Gang der Ereignisse einzugreifen, nicht möglich sei. zwischen der privaten und der öffentlichen Persönlichkeit zu unterscheiden. Jeden­falls sei man berechtigt, von Deutschland eine klare, unzweideutige Stellungnahme zu verlangen; die britischen Staatsmänner müssen wissen, ob sie sowohl in Afrika, wie anderwärts deutscher- seits freundliches Entgegenkommen oder syste­matische Durchkreuzung ihrer Pläne zu gewärtigen hätten. Im dunklen Kontinent, der für beide Mächte groß genug sei. habe England der deut­schen Kolonialpolitik hochherzig Vorschub ge­leistet, aber schlechten Dank dafür geerntet. Der Standard", welcher der Ansicht zu sein scheint, daß Deutschland feine afrikanischen Schutzgebiete von England wohl zu Lehen genommen oder als britische Gnadengeschenke erhalten habe, be­merkt dann weiter:Kamerun und den Kili­mandscharo traten wir an Deutschland ab (N). Aus Freundschaft und Wohlwollen erlaubten (!!) wir, daß der Tanganjika-See und ausge­dehnte Landstrecken, die zwischen unfern Besitz­ungen im Süden und in den Aequatorialgegen- den die Verbindungsbrücke bildeten, in das deutsche Interessengebiet fiel. Solche Abmach­ungen. zu denen wir uns gut gelaunt herbei- ließen, sind zu Zeiten scharf zu unserm Nachteil ausgelegt worden, und die Kaiserlich deutsche Kanzlei hat sich bemüht, uns Hindernisse in den Weg zu legen, wenn wir, wie mit dem Kongo- Abkommen, unsere Position zu verbessern trach­teten." Man ist in der That in Verlegenheit, worüber man mehr erstaunen soll: über die Ueberhebung oder über die Wahrheitsverdrehung, in welche diese Sätze gepreßt sind. Aber es kommt noch besser:Wir glauben aber", so fährt derStandard" sodann fort,daß unser Wohl­wollen von großem Nutzen für Deutschland ist, daß es einen Faktor üarstellt, den kein vorsicht­iger Leiter der deutschen Politik aufs Spiel setzen sollte, und wir können nur bedauern, daß die gelegentlichen Exzentrizitäten, zu denen das Berliner Auswärtige Amt sich hat Hinreißen lassen, so wenig Rücksicht auf unsere Bequem­lichkeit und unsere Empfindlichkeit ge­nommen, und Deutschland so wenig Vorteil ge­bracht haben." Ob eine derartige Sprache und Taktlosigkeit geeignet ist, Deutschlandzu bestimmen, von seinenExzentrizitäten" zu Gunsten eng­lischerBequemlichkeit und Empfindlichkeit" ab­zugehen das zu entscheiden können wir dem Taktgefühl der deutschen Leser überlassen. (D. W.) 16. Aug. Die von deutscher Seite sehr kräftig zurückgewiesenen Abhandlungen englischer Blätter, namentlich desStandard" und derDaily News". welche die Anwesenheit des deutschen Kaisers zu sehr verletzenden Beleidigungen des berechtigten deutschen Selbstgefühls und Ein- schränkungsversuchen der diplomatischen Hand­lungsfreiheit ausgebeutet hatten, sind Anlaß zu klärenden Erörterungen über die deutsch-eng­lischen Beziehungen geworden. DerStandard" bespricht diese Beziehungen in einer entschieden milder gestimmten zweiten Abhandlung und macht den Unterschied zwischen Deutschland als Ko­lonialmacht und Deutschland als festlän­dische Großmacht. Der Kolonialmacht Deutschland habe Englandstets das weitest­gehende Wohlwollen bethätigt." Ja wohl, in­dem es wohlwollend alles das einsackte, was Deutschland ihm in dem unseligen ostafrikanischen Abkommen überließ.

Berlin, 16. Aug. Die beiden Garde- dragoner-Regimenter feierten heute den Gedenk­tag von Mars-la-Tour durch einen großen Regimentsappell unter Teilnahme der Veteranen.

Vom Niederwald. Eine improvisierte, für alle Augen- und Ohrenzeugen aber erhebende Szene hat sich auf dem Niederwald ab­gespielt. Ein Bataillon Fußartillerie aus Ulm. das vom Schießplatz auf der Wahnser Heide bei Köln nach seiner Garnison zurückkehrte, war von seinem Kommandeur zur Belohnung für sein ausgezeichnetes Verhalten zum Besuch des Natio- ^ naldenkmals hier heraufgeführt worden. Der Major hielt vor dem Denkmal eine hochpatriot­

ische, begeisterte und begeisternde Ansprache und brachte ein Hoch auf Kaiser und Reich aus. in das alle Anwesenden, sowohl die vom Besuch der Schlachtfelder heimkehrenden Veteranen, als auch das übrige, zum Teil internationale Publi­kum. freudig einstimmten. Mächtig brausten die Hochrufe über den Rheinstrom, alle mit der Gewißheit erfüllend, daß die Wacht auch heute noch fest und treu steht, wie vor 25 Jahren zu Deutschlands großer Zeit.

AuS Würzburg ist dem Fürsten Bis­marck folgendes Telegramm zugegangen:

Würzburg, IS. August 1895.

Ueber hundert in Würzburg versammelte deutsche Lokomotivführer, welche während des ruhmreichen Krieges 1870/71 in Feindesland Lokomotiven führte», bringen Eurer Durchlaucht begeisterte Huldigungen dar. Im Aufträge: Karl Böckenmuller, Lokomotivführer."

Kiel, 15. Aug. Der Unglücksfall auf der Germaniawerft, über den berichtet worden ist, wird daraus zurückgeführt, daß die Arbeiter sich beim Beginn der Mittagspause zu zahlreich auf der Brücke zusammengedrängt und dadurch die Ueberlastung herbeigeführt hätten. Nach dem amtlichen Namcnsverzeichnis sind 12 Werfthand­werker und Arbeiter umgekommen, 2 verwundet» 1 vermißt. Bon den Toten waren die meisten Familienväter.

Gotha, 14. Aug. Der Schuhmacher Finzel, der das Fräulein v. Plonsky in Koburg ermordet und beraubt hat und deshalb vom Schwurgericht zum Tode verurteilt worden ist, wurde heute früh im Hofe des Zuchthauses zu Gräfentonna durch den Scharfrichter Hirsch aus Erfurt mit­telst der Guillotine hingerichtet. Es ist das erste Todesurteil, das unter der Regierung Her­zog Alfreds gefällt und vollstreckt ist.

Voll, 13. Aug. Diesen Sommer werden in unseren Waldungen auffallend viele Kreuz­ottern wahrgenommen, was bisher bei unS höchst selten der Fall war. In Anbetracht der Gefährlichkeit derselben haben die bürgerlichen Kollegien für jedes erlegte und abgelieferte Ex­emplar eine Belohnung von 50 ausgesetzt.

Bekanntlich hat seit dem 1. Mai d. I. die Direktion der badischen Staatseisenbahnen in ihrem Dienste eine Neuerung eingeführt, welche alle Wünsche des Publikums befriedigt; wir meinen dieFahrscheinbücher für 1000 Kilometer". Diese Einrichtung ist um so prak­tischer, als das Fahrscheinbuch nicht nur benutz- bar ist für die darauf angegebene Person, sondern auch für die mit ihr in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebenden Familien - Angehörigen und sonstigen Personen, sowie für die Dienstboten und das Geschäftspersonal und zwar sowohl in Begleitung desjenigen, auf den das Fahr­scheinbuch lautet, als ohne dessen Begleitung. Die einjährige Giltigkeitsdauer kann mit jedem beliebigen Tag beginnen. Der Preis eines Kilometerheftes beträgt für die I. Klaffe 60 «4L, II. Wagenklaffe 40 -4L und III. Wagenklaffe 25 «4L; wer innerhalb eines Kalenderjahres mehr als 5 Kilometerhefte für sich löst, erhält für daS sechste Heft 5 Prozent und für jedes folgende Heft 5 Prozent mehr, höchstens aber 50 Pro­zent Preisnachlaß. Die Berkehrsveretne in Elsaß-Lothringen sind im Begriffe, bei der Generaldirektion der Reichseisenbahnen Schritte zu thun, damit obige, so geschätzte Neuerung auch auf den dortigen Bahnen eingeführt wird.

Württemberg.

Die Festlichkeiten, welche von den ein­zelnen Regimentern sowohl als von Krieger- und Veleranenvereinen zum Gedächtnis der Sieges­rage von 1870 veranstaltet wurden, haben sich auch in dieser Woche fortgesetzt. Dazu sind größere Vorbereitungen für eine würdige natio­nale Begehung des Sedantages getreten, für welche von den meisten Gemeinden und Korporationen des Landes Zuschüsse in Gestalt von Ehrensolden rc. für die ehemaligen Kriegs­teilnehmer bewilligt wurden. Auf dem Stutt­garter Rathaus hat der Widerspruch des Ge­meinderats, Rechtsanwalt u. Kammerpräsidenten Payer zu erneuten Diskussionen geführt, welche nichts dazu, beigetragen haben, die politischen Gegensätze, welche in unserer Gemeindevertret­ung immer von Zeit zu Zeit wieder und nicht zum Vorteil des Geschäftsganges auf dem Rat-