Wieviel beträgt die Traggebühr?" fragte kleinlaut der alte Herr.

Genau soviel wie früher," war die Antwort.

Dann ist der Brief richtig frankiert," sagte zuversichtlich der Unverbesserliche.

Herr", wetterte es aus dem Schalter,wie können Sie sich erdreisten, vonfrankiert" zu reden? Sie sind ein Reichsverräter. Kein guter Deutscher nimmt ein solches Wort in den Mund; denn es erinnert an das Land jenseits des Rheins. Reist Ihr Brief etwa unter der Obhut desselben?Frankiert?" Lächerlich! Freigemacht" heißt es! Und nun können Sie gehen."

Adieu", sagte erleichtert der alte Herr, indem er sich umwandte, um dem Wunsch nach­zukommen.

Sie, Herr, Sie." schallte es ihm vom Schalter nach,hol' Sie doch der Teufel mit IhremAdieu"! Ich verlange, daß SieMit Gott" sagen!"

Der Angerufene murmelte etwas vor sich hin und warf sogleich darauf mit großer Be- friedigung die Ausgangsthür des Postgebäudes hinter sich zu. Draußen schöpfte er erleichtert Atem, schüttelte den Kopf und ging in tiefen Gedanken seines Weges.-

Ein paar Dutzend vegetarianische Speise- Häuser giebt es jetzt in Berlin. Langsam aber sicher haben sie sich über die ganze Stadt ver­breitet und durch tägliches Annoncieren an den Litfaßsäulen und billige Preise sich nicht nur ein wechselndes Publikum, sondern auch einen Stamm fester Gäste geschaffen. Dasjenige, was auf den ersten Blick vor allem auffällt, sobald man ein solches Restaurant betritt, ist der gänzliche Mangel von Messer und Gabel. Nur der Theelöffel wird geschwungen. Dicke Milch und Apfelreis, Haferschleim und Pilze, alles wandert theelöffelweise in den Magen. Auf dem Tische steht grobes Schrotbrot, von dem man sich libitum bedienen darf. Sämtliches Essen, soweit es nicht kalt serviert ist, wird lauwarm aufge­tragen. Es ist das auch ein Gesetz im vegeta­bilischen Ernährungsgange. Getränke fehlen auf dem Tisch in den meisten Fällen, höchstens daß jemand zu seinem Grünkohl oder Bohnen ein Glas Buttermilch trinkt. Dann ist er aber schon kein reiner Vegetarianer mehr und wird von den andern über die Schultern angesehen, denn Buttermilch stammt ja von der Kuh. Andere Getränke, wie Wein, Apfelwein und Bier sind zwar auch auf der Speisekarte angegeben, der Vegetarianer ißt aber jedes Gericht nur in seiner eigenen Sauce. Infolge dessen werden die Speisen alle, technisch ausgedrückt, lang gekocht. Unter den Stammgästen selbst sieht man, wie in jedem gewöhnlichen Lokale, Magere und Dicke, Blasse und Rote, und auch mit der Sanftheit des Wesens war es nichts, denn sie schimpfen gerade so auf den Kellner, wie cs Fleischcffer zu thun pflegen, wenn ihnen ihr Leibgericht nicht schnell genug gebracht wird. Auffallend ist der geringe Besuch solcher Lokale durch Damen; auf hundert männliche Gäste kommt kaum ein weiblicher.

Eine merkwürdige Heirat macht in Galena in Illinois, Nordamerika, viel von sich reden. Die Braut ist ein Fräulein von Galena, eine Nichte des Majors Schmohl daselbst, der Bräu­tigam ist der Großonkel derselben, ein reicher Witwer aus Stuttgart, der sich in das Mädchen im vorigen Jahre, als es in Stuttgart auf Be­such war sterblich verliebte. Er ist um 44 Jahre älter als die Braut. Da die Gesetze von Illinois derartige Heiraten unter Blutsverwandten verbieten, so hat sich das Paar in Milwaukee trauen lassen. Es wird eine Hochzeitsreise nach San Francisko. Japan und dem Orient unter­nehmen und sich dann in Stuttgart niederlaffen.

Einen fidelen Redakteur besitzt das in dem Straßburger Bier-Vorort Schiltigheim zweimal wöchentlich erscheinendeStraßb. Land­blatt". An der Spitze seiner letzten Nummer schreibt er:Zur Beachtung! Wegen Vorbe­reitung auf den Meßti (Kirmeß) wird am nächsten

Dienstag kein Blatt erscheinen. Dafür wird die Freitags-Nummer desto interessanter." Wenn schon die Vorbereitung auf die Kirmeß den Redakteur so sehr in Anspruch genommen hat, wie wird dann erst das Fest selber auf ihn wirken!

(Jagdglück.) Studiosus Lehmann ist vom Onkel Rittergutsbesitzer zur Jagd nach Walden- thal eingeladen worden. Voller Spannung warten abends die Kommilitonen in der Kneipe auf Lehmann, er soll ihnen von seiner Beute erzählen. Endlich trat der Erwartete über die Schwelle.Du strahlst ja förmlich! Hast wohl gar etwas geschossen?" wird er gefragt. Das nenn'ich eine Jagd!" jubelte dieser.Eine solche Sau' Hab ich in meinem Leben noch nicht gehabt!"Was hast Du denn geschossen? Einen Rehbock?"I bewahre!"Dann vielleicht einen Hirsch?"Nicht doch!" Halt, ich hab's, eine Wildsau hat er geschossen!" Unsinn! Wildsauen giebt's ja im Walden- thaler Revier gar nicht!"Na. zum Teufel, was hast Du denn eigentlich geschossen?" Geschossen Hab ich gar nichts, aber Rentier Säwert hat einen Hasen getroffen und war da­rüber so erfreut, daß er mir sofort fünfzig Mark pumpte."

Gigerls Jnventarium. Wer Soldat war und seinen Tornister ohne Hilfe des Putzers gepackt hat. weiß, was das heißt und was das alles im Tornister steckt. Ohne Zweifel enthält auch ein neuzeitlicher Touristenkoffer mehr Dinge als ein ganzes Wohnzimmer unserer Voreltern, und wer jemals eine Reise gemacht hat, der weiß, daß das größte Vergnügen des Reifens darin besteht, zu wissen, daß man mit dem Kofferpacken fertig ist. Alle diese Leistungen werden aber noch bedeutend übertroffen durch die Kunst der Selbstbelastung, mit welcher unsere Modelöwen ihre auffallenden Promenaden unter­nehmen, Gigerl instruiert seinen Tailleur folgen­dermaßen: Beinkleider: vier Taschen, Jnven­tarium: Hausschlüssel, Schlüsselbund mitKettchen, am Hosenträger befestigt, Feuerzeug, Schachtel mit Wachskerzen, Messer, Geldbörse. Weste: zwei Taschen und ein Täschchen. Jnventarium: Uhr mit in die entsprechende Tasche der anderen Seite mündender Kette mit Riesenbleistift, Pet­schaft, alten Münzen, Zigarettenspitze, Zahnstocher und Nagelfeile, Zwicker oder Monocle, Taschen­kamm und Bürste, Flacon mit Salmiak gegen Insektenstiche. Rock: Fünf Taschen. Jnven­tarium: Taschentuch, Papiergeldtasche. Notiz­buch, Zigarrentasche, Etui für Zigarettentabak, Visitenkartentäschchen mit Spiegel. Außerdem trägt Gigerl am Handgelenk silbernes Armband oder Kette mit Anhängel. um den Hals Medaillon mit Haarlocke, in der Kravatte Nadel mit Renn­pferd oder Hufeisen und Spazierkeule. Summa summarum etwa vier bis fünf Kilogramm Selbst­belastung. Gigerl ist also ein Mann von Ge­wicht, der keinen Koffer braucht, sondern selbst einer ist.

(Schwäbische Gemütlichkeit.) Als in den Siebziger Jahren Krawall in Stuttgart war, so erzählt Ilse Frapan in ihren Bischer-Erinner­ungen , fand Bischer, als er zum Nachtessen in sein WirtshausZur Schule" gehen wollte, die Straße von einer Linie Soldaten gesperrt. Keine Möglichkeit, in die Querstraße zu gelangen, sie hielten das Bajonett vor. Da trat er auf einen der wackeren Burschen zu und sagte: Wisset Sie, jetzt Hab i de ganze Tag geschafft, jetzt muß i au ebbes z'effa Han, lasse Se mi durch, daß i in mei Kneip !a". Der Soldat sah ihm ins Gesicht:Ja, des isch wieder ebbes anders", erwiderte er kopfnickend, und Bischer konnte ungehindert durchgehen.

(Eine neue Bezeichnung.) Dieser Tage hat ein Schaffner der W. B. einen neuen Ausdruck erfunden, der ihm alle Ehre macht und hier mitgeteilt zu werden verdient. Zwei feinge­kleidete Herren betraten den Perron und wollten den eben einfahrenden Zug besteigen. Die Herren schwankten aber so hin und her und waren so schwer angetrunken, daß der Kondukteur

das Einstcigen nicht duldete, da schwer Be- trunkene bekanntlich nicht mitgenommen werden dürfen. Unhöflich wollte er aber nicht werden. Er sagte blos:Meine Herren, Sie müssen bis später warten. Jetzt sind Sieeisen bahn- unfähig."

(Linoleum zu legen.) Obwohl es eine ganze Menge guter und wohlfeiler Klebemittel giebt, um Linoleum (Korkteppich) auf den Dielen zu befestigen, wird andererseits doch empfohlen, das Linoleum nur mit kleinen Nägeln mit großem Kopfe (Blauköpfen) fest zu stiften. Dies empfiehlt sich schon deshalb, weil doch schon aus Sauberkeitsrücksichten und vom gesundheit­lichen Standpunkte von Zeit zu Zeit der Kork- teppich ausgenommen werden muß. In England, wo sehr viel Linoleum verwandt wird, hat sich dies Verfahren bewährt. Löcher und Risse in den Dielen sind auszukitten. Ein hierzu ge- eignerer Kitt wird wie folgt bereitet: In 14 Teilen Wasser wird 1 Teil Leim gelöst. Dann werden 1 Teil Sägespähne und 1 Teil gemahlene Kreide gemischt und in den noch warmen Leim eingerührt.

Viel Kopfschmerzen verursacht es den jungen Müttern, ihren kleinen Lieblingen das Laufen beizubringen. Gängelbänder, Laufstühle und dergl. demselben Zweck dienende Vorrichtungen sind schon genügend vorhanden, ohne daß aber bis jetzt etwas Vollkommenes gefunden wäre. Einen neuen ebenso einfachen und sicheren Lauf- apparat haben jetzt Dittmer u. Schritters er­funden. Der praktische Kinderlausstuhl ist auf einer Sohlplatte um einen seitlich angeordneten Zapfen drehbar angeordnet. Durch ein auf diesem Zapfen sitzendes Sperrwerk wird erreicht, daß das Kind nur nach einer Richtung umlaufen kann und außerdem ein Hintenüberfallen des Kindes vollkommen verhütet ist. Die ängstliche Mutter kann also ihr Baby diesem sicheren Lauf­stuhl sorglos anvertrauen. (Mitgeteilt vom Patent- und technischen Bureau von Richard Lüders in Görlitz.)

(Gute Möbelwichse.) Eine solche besteht aus 1 T. weißem Wachs und 8 T. Petroleum. Man läßt dies auf einer heißen Platte nicht über offenem Feuer in einem irdenen Gefäß schmelzen und trägt die Zusammensetzung, so lange sie noch heiß ist, dünn auf das Holz auf. Das Oel verflöchtet sich und läßt einen sehr dünnen Ueberzug von Wachs zurück, den man mit einem trockenen Tuchlappen leicht reibt.

(Anders gemeint.) Junger Ehemann: Nein etwas Schöneres giebt es doch nicht als verheiratet sein. Meine kleine Frau geht mir über Alles. Das thut meine auch leider; aber das halte ich gar nicht für so etwas Schönes, wenn man Alles immer so sehr verschließen muß!

(Kathederblüte.) Prof. Schuslich (während eines Vortrages): Die Verbrecher, welche nach Cayenne deportiert werden, meine Herren, sterben infolge des mörderischen Klimas fast alle, bevor sie ihre lebenslängliche Freiheitsstrafe abgebüßt haben.

(Der Schmerz des Dichters.) Sie: Ist es nicht ein wundervoller Hut, lieber Arthur? Sieht er nicht gerade aus wie ein Gedicht in Spitzen und Federn und dabei kostet er blos «35 Mark! Er (lyrischer Dichter, mit einem tiefen Stoßseufzer): Ich wünschte nur, daß ich für jedes meiner Gedichte so viel bekäme!

(Verschnappt.) Vater der Braut (Kauf­mann):Ich möchte gern wissen, wie ich eigent­lich bei der neuen Kreditanstalt angeschrieben bin. Erkundige Dich doch einmal über mich!" Der zukünftige Schwiegersohn:Lieber Papa, das habe ich schon längst gethan!"

(Vor Gericht.) Angeklagter: Sie können es mir glauben, Herr Präsident, ich liebe die Wahrheit. Präsident: Dann scheinen Sie ihr aber von Zeit zu Zeit untreu zu werden!

Auflösung der viersilbigen Charade in Nr. 125.

Urgroßmutter.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.