Kriegschronik 1870/71.
6. August 187V.
Stuttgart. Von einem Augenzeugen wird erzählt über den Uebergang der Württemberger über den Rhein bei Maxau: Trotzdem die württembergischen Regimenter durch den die ganze Nacht herunterströmenden Regen bis auf die Haut durchnäßt waren, sind dieselben vom frühen Morgen an jubelnd und singend über die Brücke gezogen und haben dabei die Helme und Mützen über den Köpfen geschwungen; es sei ein rhebender Anblick gewesen.
7. August 187V.
Stuttgart. Die Nachrichten von dem glänzenden Erfolg der deutschen Waffen bei Wörth, welche gestern abends spät sich mit Blitzesschnelle verbreiteten, schlugen zündend in die Bevölkerung. Große Volksmassen bewegten sich durch die Straßen und zogen vor das Schloß, um dem König über diesen Erfolg der deutschen Waffen ihre Freude auszudrücken. Der König und die Königin erschienen auf dem Balkon des Schlosses, um zu danken. Auch vor den Wohnungen der Minister der auswärtigen Angelegenheiten und des Kriegswesens, des Preußischen und Bayerischen Gesandten fanden Demonstrationen der Freude über die Waffenerfolge des deutschen Heeres statt. — Seine Majestät der König ließ anordnen, daß heule in allen Kirchen der Stadt aus Anlaß des erfochtenen Sieges ein besonderes Daukgebet stattfindc.
Paris. Das Ministerium hat folgende Proklamation erlassen:
„Franzosen! Bis zu dieser Stunde haben wir immer ohne Rückhalt die sämtlichen uns zugekommenen bestimmten Nachrichten mitgeteilt. Wir fahren fort es zu thun. Diese Nacht empfingen wir folgende Depeschen:
Metz. Mitternacht. Mac Mahon hat eine Schlacht verloren. Frossard ist an der Saar genötigt worden, sich zurückzuziehen. Der Rückzug vollzog sich in guter Ordnung. Es kann noch Alles wieder in's rechte Geleise kommen. (gez.) Napoleon.
Metz. 8 Uhr 30 Min. morgens. Um uns hier zu unterstützen, bedarf es, daß Paris und Frankreich sich zu großen patriotischen Anstrengungen verstehen. Hier verliert man weder die Kaltblütigkeit noch das Vertrauen. Aber es ist eine ernste Prüfung. Mac Mahon zieht sich nach der Schlacht bei Reichshofen l'/r Stunde westlich von Wörth) unter Deckung der Straße von Nancy zurück. Das Korps Frossards wurde stark mitgenommen. Man trifft energische Maßregeln zur Verteidigung. Marschall Leboeuf befindet sich bei den Vorposten. (gez.) Napoleon.
Metz, 9 Uhr morgens. In der Schlacht bei Fröschweiler hatte Mac Mahon fünf Divisionen. Das 41. Korps Failly kommunizierte mit ihm. Die Details ^Kavallerie-Angriffen. AuchTöllen'dieHreüßenMitrail- teufen gehabt haben, mit denen sie uns vielen Schaden zusügten. (gez.) Napoleon.
Metz. 11 Uhr 55 Min. mittags. Die Konzentration der Truppen vollzieht sich ohne Schmierigkeit; alle Feindseligkeiten scheinen ausgehört zu haben. — 12 Uhr 25 Min. Mac Mahon deckt Nancy. Die Truppen bei Metz befinden sich in der trefflichsten Stimmung. Gegenwärtig vollzieht sich eine rückgängige Bewegung zum Zweck der Konzentration.
(gez.) Napoleon.
Paris, abends. Der Belagerungszustand ist proklamiert, die beiden Kammern einberufen. Die größte Aufregung herrscht.
Stratzburg. Der Präsekt des Unter-Rhein- Departements hat folgende Proklamation öffentlich anheften lassen:
„An die Bewohner Straßburgs.
Beunruhigende Gerüchte, panische Schrecken sind in den letzten Tagen ohne Absicht oder absichtlich in unserer tapfern Stadt verbreitet worden. Einige Individuen haben versucht, den Gedanken kund zu thun, daß der Platz sich ohne Schwertstreich ergeben würde. Wir protestieren energisch im Namen der mutigen französischen Bevölkerung, gegen diese feige und verbrecherische Ohnmacht. Die Brustwehren sind mit 400 Kanonen bewaffnet. Die Garnison besteht aus 11000 Mann, ohne die Nationalgarde zu rechnen. Wird Straßburg angegriffen, so wird es sich verteidigen, so lange nur ein Soldat, ein Zwieback oder eine Patrone übrig bleiben. Die Guten mögen sich beruhigen; was die klebrigen betrifft, so mögen sie sich entfernen.
. Der Divisionsgeneral Uhrich, Oberkommandant."
8. August 187«.
Homburg (Rheinpfalz.) Der König hat dem Kronprinzen für den Sieg bei Weißenburg das Eiserne Kreuz zweiter Klaffe verliehen.
Sulz (zwischen Hagenau und Weißenburg.) Telegramm. „Der Verlust der Franzosen in der Schlacht bei Wörth beträgt wenigstens 4—5000 Tote und Verwundete, darunter viele Offiziere, sowie 6000 Gefangene. Die Armee des Marschalls Mac Mahon floh unter Zurücklassung der ganzen Bagage, vieler Geschütze und zweier Eisenbahnzüge voll Proviant."
Stuttgart. König Karl telegraphierte an Generallieut. v. Obernitz: „Nachrichten von der Division gestern Abend erhalten. Danke Gott für den siegreichen Erfolg, danke Ihnen, danke den Truppen, die sich so tapfer geschlagen. Ehre dem Andenken der für das Vaterland Gefallenen." An den König von Preußen übersandte König Karl telegraphisch „Seine aufrichtigsten Glückwünsche zu dem glänzenden Erfolge der unter Seinem Oberbefehl kämpfenden deutschen Heere mit dem Wunsch, daß Gott sie ferner schützen möge." Aehnlich lautete ein Telegramm des Königs an Kronprinz Friedrich Wilhelm. Der König
von Preußen erwiderte telegraphisch: „Ich danke Dir herzlich für Deine Teilnahme an unseren Siegen und freue Mich des ehrenvollen Teils, den Deine braven Truppen nehmen. Möge Gott uns ferner beistehen." — Der König von Bayern, dem König Karl gleichfalls „zu den herrlichen Erfolgen der deutschen Waffen und dem ruhmwürdigen Verhalten Seiner Truppen" seinen Dank ausgedrückt hatte, erwiderte: „Aus tiefstem Herzen Meinen innigsten und aufrichtigsten Dank für Eurer Majestät Glückwunschtelegramm. Unser gutes Recht wird sicher siegen, denn für eine heilige Sache zogen unsere Truppen ins Feld."
Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Bei der am Realgymnasium in Sluttgart abgehaitenen Abiturientenprüfung haben das Zeugnis der Reife erlangt: Otto u. Rudolf Holzer von Rothenbach.
Calw. An der am letzten Sonntag ausgeführten Gauturnfahrt auf den Enzhof haben sich von 10 zum Gau gehörenden Turnvereinen 7 beteiligt und zwar Altensteig mit 10, Birken- feld 47, Calw 17. Hirsau 9, Reuenbürg 22. Waldlennach 4, Wildbad mit 30 Mitgliedern. An den Weltübungen nahmen 37 Turner teil und erhielten Georgii. Paul von hier den
I. Preis mit 40 Punkten; Heinzelmann, Karl von Neuenbürg den II. Preis mit 35 P.; Bauer, Wilhelm von Neuenbürg den
II. Preis mit 35 P.; Gorgus. Ernst von Neuenbürg den III. Preis mit 32'/» P.; Buyer, Gottlieb von Hirsau den IV. Preis mit 32 P.; Titelius. Wilhelm von Neuenbürg den IV. Preis mit 32 P; Schmid. Karl von Wildbad den V. Preis mit 31'/» P.; Bühner. Chr. von Hirsau den VI. Preis mit 32 P.; Titelius, Karl von Neuenbürg den VII. Preis mit 29'/» Punkten. Am Wettringen beteiligten sich 24 Turner und erhielten Schmid, Karl von Wildbad den I Preis; Bauer, Wilhelm ».Neuenbürg den II. Preis. Die Preise bestanden aus einfachen natürlichen Eichenlaubkränzen von Wildbader Jungfrauen gewunden.
Nagold, 7. August. Nach einer Notiz des „Schw. B." wird als Reichstaqskandidat
Cleß von Stuttgart wieder ausgestellt werden.
Pforzheim. Der Mona tsvi eh markt war mit ca. 80 Ochsen, 230 Kühen, 30 Kalb- innen, 70 Stück Jungvieh und 50 Kälber befahren. Durchschnittspreise 54 Kühe (L 270 Mk.), 10 Kalbinnen (ä 245 Mk ), 32 Stück Jungvieh (L 170 Mk.). 34 Kälber (L 38 bis 44 Mar!) per Stück. Ochsen wurden 24 verkauft zum Preise von 800 bis 950 Mark per Paar. Der Zentner lebend Gewicht stellt sich auf ca. 46 M. — Zum Pferdemarkt waren 132 Pferde und 1 Fohlen zugetrieben. Als verkauft sind notiert 34 Pferde, Durchschnittspreis per Stück 380 Mark, das Fohlen wurde zu 245 Mk. verkauft. — Auf dem Schweinemarkt wurden sämtliche Ferkel innerhalb einer halben Stunde verkauft zum Preise von 10, 12. 16. 18, 19, 20 und 22 Mark. Ein Paar Läufer wurde um 42,50 Mk. verkauft.^
Deutsches Weich.
Der deutsche Kaiser ist letzten Montag auf der Insel Wight eingetroffen und gedenkt erst bis zum 16. oder 17. August wieder in Berlin zurück zu sein. Die deutsche Kaiserin hat sich mit den beiden ältesten Prinzen nach Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel begeben, wohin auch die übrigen kaiserl. Kinder von Saßnitz aus bald Nachfolgen werden.
Berlin, 7. Aug. Auf eine telegraphische Anfrage des Auswärtigen Amts nach Futsch au ist heute von dort die Antwort eingegangen, daß sich unter den Opfern des Christengemetzels -eine Deutschen befinden, und daß das Leben von deutschen Reichsangehörigen nicht bedroht ist.
Berlin, 7. August. Zu den schlimmen Nachrichten der „Times" über Einschließung des Marschalls Martinez Campos auf Cuba bietet die telegraphische Nachricht eine Beleucht- ung, daß der Marschall alle und jede Mitteilung über den Aufstand in Cuba untersagt und darauf bezügliche Depeschen von der Beförderung ausgeschlossen hat. Danach scheint es in Cuba recht schlecht zu stehen.
i In vielen Städten des deutschen Reichs 1 namentlich in Saarbrücken. Wörth und Weißenburg haben großartige Veteranen feste mit Umzügen u. s. w. schon letzten Sonntag statt- gefunden. Weitere Festlichkeiten namentlich an den großen Schlachttagen von Metz und bei Sedan rc. werden folgen. Zu den Festen in Saarbrücken und Weißenburg waren auch zahlreiche französische Journalisten eingetroffen, die im großen und ganzen unbehelligt blieben. Dagegen ist ein äußerst frecher Berichterstatter des Gaulois namens Hutin (mit dem richtigen Namen heißt er Hirsch), der sich wiederholt durch arge Lügen bcmerklich gemacht hat, aus Elsaß-Loth- ringen ausgewiesen worden. Die deutschen Behörden zeigen also, daß sie vor französischen Verläumdungen und vor den französischen Chan- vinisten keinerlei Furcht haben und sich von ihnen nicht auf der Nase herumtanzen lassen.
Die noch lebenden Führer aus dem Kriege 1870/71. Von den Heerführern und Leitern des Krieges vor 25 Jahren leben jetzt noch: Albert König von Sachsen. Prinz Georg von Sachsen. Hugo v. Obernitz, Albert v. Stosch, Graf v. Wartensleben, Adolf v. Glümer, von Kummer, Gustav v. Stichle, v. Hertzberg, Graf v. d. Goltz, Frhr. v. Buddenbock, Frhr. von Wrangel, v. Kraatz-Koschlau, v. Montbe, Graf v. Blumenthal. F. v. Schulz, v. Sandrart, v. Schachtmeyer, v. Maillinger, v. Hoffmann, Graf zu Stolberg-Wernigerode, Frhr. v. Leon, Frhr. Schüler von Senden und Hermann von Treskow. Nach dem Alter geordnet, zählen die Helden an Jahren: Graf v. LUolberg 88, von Buddenbrock und Graf v. Blumenthal 85, von Schulz 84, Schüler v. Senden und v. Wrangel 83, v. Glümer 81, v. d. Goltz 80, v. Kummer, v Schachtmeyer und v. Hoffmann 79, v. Kraatz- Koschlau, v. Sandrart und v. Leon 78, von Stosch und v. Treskow 77, v. Obernitz 76, von Maillinger und v. Herzberg 75, v. Montbe 74, v. Stichle 72, v. Wartensleben 69, König Albert von Sachsen 67 und Prinz Georg von Sachsen 63 Jahre.
Do ^ r-s l u r Arrg. Gestern nachmittag fand bei Chorin ein Pistolenduell zwischen Hauptmann von Stosch und Ziegeleibesitzer, Reserve-Lieutenant Früson statt. Früson als Geforderter gab den ersten Schuß ab, offenbar absichtlich zu hoch. Darauf schoß Hauptmann von Stosch Herrn Früson in die Stirn. Früson war sofort bewußtlos und wurde nach dem hiesigen Krankenhaus überführt, wo er um 7 Uhr abends gestorben ist. Ursache des Duells ist angeblich Eifersucht.
Aus Hannover, 1. Aug. In Uelzen ist am 28. Juli der Rechtsanwalt Justizrat Karl Siegmann in sein 102. Lebensjahr eingetreten. Der hochbetagte Herr ist seit 1826 in Uelzen ansässig und wohnt auch seit dieser Zeit, also jetzt 69 Jahre hindurch in demselben Hause zur Miete. Erst vor wenigen Jahren hat der Greis seine Praxis als Rechtsanwalt aufgegeben; in früherer Zeit war er als Mitglied der zweiten hannoverschen Kammer wiederholt auch parlamentarisch thätig.
Aus Bayern, 2. Aug. Einen bemerkenswerten Bildungsgang hat Herr Friedrich Roth, bis vor vier Jahren Volksfchullehrer in Fürth, ein geborener Schwabacher, hinter sich. Er unterzog sich nach seinen Privatstudien dem Ab- solutorium am alten Gymnasium in Nürnberg im Jahre 1890 und studierte seitdem an der Universität Leipzig. Mit welch glücklichem Erfolg, geht daraus hervor, daß er im Vorjahre auf Grund einer Dissertationsschrift über die weibliche Bildung im Mittelalter die philosophische Doktorwürde erwarb und in diesen Tagen das juristische Staats- und bald darauf das juristische Doktorexamen mit vorzüglichem Erfolge bestand. Er wird, einer Anregung aus einflußreichem Kreise folgend, sich zunächst als Pcivatdozent an der Universität Leipzig habilitieren.
In Hamburg ist eine Lköpfige Diebesbande, die in einem Vororte über 90 Einbrüche verübte, verhaftet worden.
Karlsruhe, 7. Aug. Die Kaiser- Passage, die vor ungefähr einem Jahrzehnt für 1 000 000 Mark hergestellt wurde, ist heute