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Krirgschronik 1870/71.

2. A«g«st 187«.

Mainz. Der König ist heute früh um 6 Uhr hier eingetroffen und im großherzoglichen Palais ab­gestiegen. Nachts sind Rapporte von allen Armeekorps eingeaaugen. Ueberall Ruhe und Zuversicht.

Saarbrücken, vormittags. Größere fran­zösische Truppenmassen rücken auf Saarbrücken an. Es scheint, daß das vorhandene Bataillon Saarbrücken unter Gefecht verlassen will.

Saarbrücken, 1 Uhr mittags. Heute vormittag

10 Uhr ist das kleine Detachement in Saarbrücken von drei feindlichen Divisionen angegriffen, die Stadt mit 23 Geschützen beschossen worden. Um 12 Uhr wurde die Höhe des Exerzierplatzes, um 2 Uhr wurde die Stadt von dem Detachement geräumt und der Rückzug zum nächsten Soutien angetreten.. Verluste verhältnis­mäßig gering. Nach Aussage eines Gefangenen war Kaiser Napoleon um 11 Uhr vor Saarbrücken einge­troffen.

Abends thaten sich sdie Franzosen in Saarbrücken sehr gütlich an Speise und Trank, dessen sie sehr be­dürftig schienen, befestigten sich aber weiter nicht. Mitt­woch, den 3. August, kamen sie auch nach St. Johann herüber und durchzogen in einzelnen Gruppen (3 bis 6 Mann stark) die Straßen der Stadt. Gegen 12 Uhr wurden die Franzosen alarmiert und zogen sich alsbald aus beiden Städten auf die Anhöhen der Saar zurück. Nachmittags zogen schon wieder einzelne unserer Ulanen patrouillierend durch St. Johann. Bei dieser Gelegen­heit wurden auch sechs französische Nachzügler im Wirts­haus aufgegriffen und gefangen fortgesührt. Dann wurden des Nachmittags einzelne Kanonenschüsse aus der Ferne gehört. Näheres ist darüber aber nicht be­kannt geworden.

Paris. Die französische Regierung läßt heute, abends, folgende Depesche veröffentlichen:

Metz, 2. August, 4>/2 Uhr. Heute, 11 Uhr morgens, haben die französischen Truppen einen ernsten Kampf mit den preußischen Truppen bestanden. Unsere Armee hat die Offensive ergriffen, die Grenze über­schritten und das preußische Territorium überfallen. Un­geachtet der Stärke der feindlichen Stellung reichten einige unserer Bataillone hin, um die Höhen zu nehmen, welche Saarbrücken beherrschen, und unsere Artillerie hat den Feind schnell aus der Stadt vertrieben. Der Elan unserer Truppen war so groß, daß unsere Ver­luste nur unbedeutend waren. Der Kampf begann um

11 Uhr und war um 1 Uhr zu Ende. Der Kaiser wohnte den Operationen bei, und der kaiserliche Prinz, welcher ihn überallhin begleitete: hat auf dem ersten Schlachtfelde die Feuertaufe erhalten. Seine Geistes­gegenwart, seine Kaltblütigkeit waren des Names würdig, den er trägt. Der Kaiser ist um 4 Uhr nach Metz zurückgekommen.

Paris. Der ^Saulois" veröffentlicht folgende vom Kaiser an die Kaiserin gerichtete Depesche:

Louis hat die Feuertaufe erhalten; er zeigte eine bewundernswerte Kaltblütigkeit und war niemals auf­geregt. Eine Division des General Frossard nahm die Höhen, welche das linke Ufer der Saar beherrschen. Die Preußen leisteten einen kurzen Widerstand. Wir befanden uns in erster Linie, aber die Gewehr- und Stückkugeln schlugen vor unfern Füßen ein. Louis hat eine Kugel aufgehoben, die dicht bei ihm niedergefallen war. Eimge Soldaten vergossen Thränen, als sie ihn so ruhig sahen. Wir hatten nur einen Offizier und 10 Mann Tote."

3. August 187«.

Amnestie-Erlaß. Erkundigung gegen St. Johann. Ein Ulanenzug (7. Ulanen-Reg.) dringt in die vom Feinde besetzte Vorstadt ein und bringt 7 franz­ösische Infanteristen als Gefangene zurück.

4. August 187«.

Glänzender Sieg der 2. Armee unterm Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen bei Erstürmung von Weißenburg und des dahinterliegenden Gelsberges durch Regimenter vom 5. und 11. preußischen und 2. bayerischen Armee-Korps. Die französische Division Douay wird unter Zurücklassung ihres Zolllagers zurück- geworfen, General Douay getötet. 1000 Gefangene gemacht und 1 Geschütz erobert. Die Franzosen be­schießen den von Burbach nach Trier fahrenden Eisen­bahnzug mit Granaten.

Deutsches Weich.

Berlin, 2. Aug. Für die Ankunft des Kaisers zur Enthüllung des Kaiser Friedrich- Denkmals auf dem Schlachtfelde von Wörth werden bereits große Vorbereitungen getroffen. Wie verlautet, soll am gleichen Tage der Grund­stein zur neuen katholischen Kirche in Wörth gelegt und der Kaiser gebeten werden, der Feier beizuwohnen.

DiedeutschenVetcranen in Amerika verfolgen mit großem Interesse die im alten Valerlande zur Erinnerung an die 25jährige Wiederkehr der großen Tage des Kciegsjahres 1870/71 getroffenen Veranstaltungen. Aus Chicago wird geschrieben, daß von dort aus zahlreiche Veteranen aus den deutschen Kriegen zu den Erinnerungsfeiern in Deutschland ein- treffen werden. Der Kriegerverein in Chicago hat die Sache in die Hand genommen und den

Dampfer des Norddeutschen LloydFulda" für die Veteranenfahrt gechartct. Die Abreise von Chicago wird am 15. Aug. stattfinden, von New-Jork am 17. Aug., vermutliche Ankunft in Bremen am 27. Aug. Dann wird eine Huldigungsfahrt zum Fürsten Bismarck geplant. Der feierliche Einzug in geschlossener Kolonne und gleichartiger Ausrüstung in Berlin soll am 1. Sept. durch das Brandenburger Thor mit Musik stattfinden. Bis zum 6. Sept. ist der Aufenthalt in Berlin auf dem Programm ver­zeichnet. Dann geht es, auf Einladung der Leipziger Vereine, nach Leipzig, wo eine große Feier stattfinden soll. Des Weiteren ist eine Beteiligung an den Festen und der Gewerbe- Ausstellung in den Reichslanden auf dem Pro­gramm. Die amerikanischen Zeitungen beschäft­igen sich lebhaft mit dieser Angelegenheit.

Bei den diesjährigen Kaisermanövern wird der letzte Tag aus einer großartigen takt­ischen und strategischen Verfolgung bestehen, wobei verschiedene Versuche gemacht werden sollen, wie am besten eine wirksame Verfolgung anzu­setzen, zu leiten und durchzuführen sei. Der Kavallerie und der reitenden Artillerie soll dabei eine ganz besondere Rolle zugedacht sein. Um aber die große Bedeutung einer Verfolgung, die oft reicheren Gewinn bringt als ein Sieg, in das rechte Licht zu setzen, sollen an die Leist­ungsfähigkeit der Truppen hohe Anforderungen gestellt werden, wobei man eifrigst bemüht sein wird, den gegnerischen Rückzugskolonnen oder doch wenigstens der Arrioregarde des Gegners die Flanke abzugewinnen, denn durch kühnes und entschlossenes Handeln findet der Verfolger Ge­legenheit, dem reizbaren und schreckhaften Gegner gegenüber Erfolge zu erzielen, wie sie in keiner andern Lage denkbar sind.

München, 1. Aug. Zum außerordent­lichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Bayerns am württembergischen, badischen und hessischen Hofe ist an Stelle des verstorbenen Grafen Taufkirchen Frhr. von der Pfordten, bisher Ministerresident in Bern, ernannt worden.

In der Reichshauptstadt find zur Zeit die Vorstände der deutschen Jnnungsverbände und Jnnungsausschüsse zu einer vertrau­lichen Beratung mit delegierten Beamten der preußischen Regierung versammelt. Es handelt sich dabei um gesetzgeberische Maßnahmen zur Hebung des Handwerks. Was dabei beschlossen werden wird, dürfte bald in die Oeffentlichkeit dringen. Es ist aber auch hohe Zeit, daß end­lich etwas zu Gunsten des Handwerks geschieht. Der Regierung kann man übrigens einen ernst­lichen Vorwurf wegen Verzögerung dieser An­gelegenheit schon aus dem Grund nicht machen, weil noch manche Handwerker in beinahe unbe­greiflicher Verblendung jedes Zusammengehen mit anderen Handwerksarten verweigern, solange es ihnen selbst noch einigermaßen leidlich ergeht. Das stenographische Protokoll der Handwerker­konferenz soll veröffentlicht werden.

Sp rottau, 1. August. Eine große Windhose hat in Tarnaus Umgegend Felder und Gärten schrecklich verwüstet, mehrere Häuser abgedeckt und einige Menschen verletzt.

Straßburg i. E. Die weltberühmte Schwarzwälder Uhren-Jndustrie ist auf der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung auf das Beste vertreten. Biele Tausende der ver­schiedensten Muster ihrer Erzeugnisse nehmen elf große Kojen in der Haupthalle ein. Da wird es vielleicht interessieren, einige Einzelheiten über Entstehung unv Entwicklung dieser Indu­strie zu erfahren. Die erstenWaag- oder Unruhe-Uhren" wurden schon um das Jahr 1667 in Waldau, zum jetzigen Amtsbezirk Neu­stadt gehörend, verfertigt. Die Verfertiger waren die sogenannten Kreuze auf dem Glashofe. Exemplare solcher alten Uhren sind auf der Aus­stellung zu sehen. Fast gleichzeitig begann die Herstellung derartiger einfacher Uhren im Kloster- bezirk St. Märgen,und auf dem Stockwalde bei St. Georgen. Nach dem Ableben der ersten Meister trat eine Unterbrechung ein, und erst 1725 begann die Uhrenfabrikation sich wieder zu heben. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts stellten allein 30 Meister im ehemaligen Herr­schaftsgebiete St. Peter mehr wie 3300 ver­

schiedene Uhren lährlich her. Den Verschleuß der Uhren besorgten die Händler und Handels­gesellschaften, welche schon die älteren Produkte des Schwarzwaldes: Glaswaren, Löffel und abgerichtete Vögel in die Welt hinausbrachten. Die Schwarzwälder sind intelligent und lern­begierig, reise- und unternehmungslustig. Die alten Handelsgesellschaften bestehen, wenn auch in erneuerter Form, heute noch fort, zum Teil mit ihren alten Satzungen, die immer Förder­ung des Fleißes und der Liebe zur Heimat zum Ziele haben. Die Gesellschaften verkauften nicht nur die heimischen Produkte, sie lernten auch draußen fleißig und verwerteten das Gelernte daheim wieder. Nicht vergessen darf werden, daß sich namentlich auch einzelne Klöster und geistliche Herren große Verdienste um die För­derung der Uhren-Jndustrie erwarben. Der verfeinerten Kultur Rechnung tragend, verfeinerte sich die Schwarzwälder Uhrenfabrikation eben­falls immer mehr. Der Staat nahm sich der­selben an und unterstützte sie besonders durch Errichtung von Lehranstalten zur Erlernung der Massivuhrenmacherei und der Herstellung geschmackvoller Gehäuse. Der wohlbekannte Er­bauer der Schwarzwaldbahn, der verstorbene Oberbaurat Gerwig, war früher Direktor dieser Lehranstalten. Die Ablichtung von Vögeln, ein alter Erwerbszweig im Schwarzwald, führte zur Herstellung von sogenannten Vogelorgeln, die den Tieren eine bestimmte Melodie vorspielten, bis diese sie fehlerlos nachpfiffen; dann wurden die Vögel für teures Geld verkauft. Um Zeit und Arbeit beim Drehen der Vogelorgel zu ersparen, setzte man dieselbe mit einem kleinen vom Laufbrunnen im Hofe getriebenen Rade in Verbindung und das erste mechanische Musik­werk war fertig. Zu welch außerordentlicher Vervollkommnung diese Musikwerke gebracht worden sind, das kann man auf der Straßburger Ausstellung sehen und hören. Auch die Fabri­kation mechanischer Musikwerke unterstützten die Klosterherren von St. Peters und St. Märgen auf das kräftigste. Als ältester Meister wird Salomon Scherzinger in Furtwangen genannt. Jetzt werden Musikwerke in Villingen, Vöhren- bach, Furtwangen und Unterkirnach hergesteüt, wo auch von der badischen Regierung besondere Musikschulen errichtet sind, und außerdem in Schönwald, Tannwald, Lenzkirch, Waldkirch und Freiburg. Einen schweren Stand hatte die Schwarzwälder Uhren-Jndustrie der amerikani­schen Uhren-Jndustrie gegenüber. Sie hat die Konkurrenz überwunden, indem sie sich die ameri­kanische Methode der Uhren-Herstellung aneignete. Heute werden im Schwarzwalde hauptsächlich drei Arten von Uhren verfertigt: 1. Uhren nach Schwarzwälder Art mit gegossenen Rädern und Hohltrieben und teils hölzernen, teils Messingplatinen. 2. Massivuhren mit polierten Messingplatinen, Rädern u. s. w., Stahlwellen und Stahltrieben. 3. Uhren nach amerikanischem System mit gestanzten Platinen, Rädern u. s. w., Stahlwellen und Holztrieben. Daneben giebt es eine Menge anderer Sorten von geringerer Bedeutung.

Deggendorf (Niederbayern). Ein hiesiger Fortbildungsschüler, welcher als eifriger Brief­markensammler bekannt, drückte dem japanischen Kriegsministerium seine Gratulation zu den im chinesischen Kriege erzielten Erfolge aus und zwar geschah dies Ende März d. I. Der junge Chinesenfeind erhielt nun eine in Tokio am 20. Juni d. I. aufgegebene Karte mit folgender Danksagung:Besten Dank für Ihre freundliche Gratulation zum erfochtenen Sieg unserer Armee. Mit Gruß Oberst O. Mmanduchi, Chef der Zentral-Abtcilung des Kaiser!. Japan. Kriegs­ministeriums."

Württemberg.

Die Aussichten auf eine auch nur halbwegs genügende Obsternte in Württemberg schwinden immer mehr zusammen. Der Obstmost dürfte im kommenden Herbste eine sehr kost­spielige Ware werden und schon jetzt hört mau von sehr vielen Familienvätern, daß sie es ein­mal mit Rosinenwein versuchen wollen, der ab­gesehen von dem sehr billigen Preise auch wegen seines angenehmen Geschmacks und seiner Wohl-