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Landtagswahl ausgestellt. Die Rüdtianer wer­den wahrscheinlich mit einer anderen Kandidatur aus den Plan treten, so daß das unter anderen Verhältnissen für die Nationalliberalen gefährdet gewesene Mandat letzteren zweifelsohne auch diesmal wieder verbleibt.

Deutsches Weich.

Berlin, 31. Juli. DerReichsanzeiger" meldet: Die Jnnungskonferenz beendete gestern die Beratung der Regierungsvorlage betreffend die Organisation des Handwerks. Die Vorlage beruht auf dem Grundsatz der Zwangsinnung, ein Grundsatz, der von der Konferenz dahin er­weitert worden ist, daß der Großbetrieb, der handwerkmäßig ausgebildete Gesellen beschäftigt, zu den Unkosten der Innung beitragen solle. Die Forderung des Befähigungsnachweises wurde fallen gelassen, nachdem der Regierungsvertreter erklärt hatte, die Regierung lasse sich gegen­wärtig unter keinen Umständen auf den Befähig­ungsnachweis ein. Bezüglich des Lehrlings- Wesens wurde der Regierungsvorlage zugestimmt, derzufolge auch der nicht handwerkmäßig Aus­gebildete, der ein Gewerbe fünf Jahre selbstständig betreibt, Lehrlinge ausbilden darf. Betreffs des Meistertitels nahm die Konferenz die Regierungs­vorlage an, derzufolge den Meistertitel nur führen darf, wer ein Gewerbe erlernt und die vorgeschriebenen Prüfungen abgelegt hat.

Ueber die Rückzahlung des Fahr­gelds bei Nichtbenützung von Fahrkarten sind die deutschen Eisenbahnverwaltungen fol­gendermaßen schlüssig geworden: Der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen hat sich geeinigt, im Falle nachgewiesener Nichtausnützung von Fahrkarten eine Erstattung von Fahrgeld vor­zunehmen. Der Mangel des Koupierungszeichens gilt nicht unter allen Umständen als Beweis, vielmehr ist der Nachweis der Nichtausvützung durch eine auf der Karte selbst erteilte Beschein­igung des Stationsbeamten derjenigen Station, wo die Reise unterbrochen oder von welcher aus die Weiterreise nicht fortgesetzt worden ist, zu erbringen. Die Fahrkarte ist hierauf an die Direktion derjenigen Station, wo sie gelöst wurde, unter Angabe des Grundes der Nichtbe­nützung und Bezeichnung der Adresse einzusenden. Von dieser Verwaltung wird alsdann die Rück­erstattung des zu viel bezahlten Fahrgeldes an den Bezugsberechtigten abzüglich etwa entstehen­der Portoauslagen veranlaßt.

Die badische Generaldirektion der Staats­eisenbahnen ließ nach Heilbronn die Nachricht gelangen, daß sie sich außer Stand fühle, einen am 4. August von dort nach Weißenb.urg, Wörth, Straßburg geplanten Sonderzug auszuführen, da der Andrang zu groß sei. Der Sonderzug muß deshalb verschoben werden.

Das nächste deutsche Turnfest, um das sich Stuttgart und Hamburg beworben haben, wird in Hamburg abgehalten werden.

E r fu r t, 30. Juli. Zu Tode gesteinigt wurde» wie dieThür. Ztg." berichtet, ein lOjähriges Mädchen in Ilversgehofen. Beim Fischen kam das Mädchen mit Knaben in Streit, wurde von den letzteren verfolgt und mit Steinen so lange geworfen, bis es zujammenbrach und, nach Hause gebracht, seinen Geist aufgab. Die Knaben wurden verhaftet.

Württemberg.

Stuttgart, 1. Aug. Durch den auf dem Schloß Hohenberg in Bayern erfolgten Tod der 81jährigen Prinzessin von Anhalt, der Groß­mutter unserer Königin, ist unsere königliche Familie in Trauer gekommen und die auf den 9. August anberaumte Hochzeit der Schwester unserer Königin, Prinzessin Bathildis mit dem regierenden Fürsten von Waldeck und Pyrmont wird deshalb ohne jegliches Gepränge abgehalten werden. Unsere Königin befindet sich zur Zeit bei ihren Eltern in Radiboriz bei Nachod, der König und die kgl. Prinzessin Pauline auf der Villa Seefeld bei Rorschach, dem traulichen Sommersitze der Mutter Sr. Majestät.

Schorndorf. 1. Aug. Als eine Art Schinderhannes II. treibt sich seit einiger Zeit der Zigeuner Wilhelm Reeinhardt von Weihen­bronn O.A.-Weinsberg, welcher seit dem ver­

gangenen Frühling von der K. Staatsanwalt­schaft Hall wegen Totschlags steckbrieflich verfolgt wird, im Welzheimerwald und in den angrenzenden Wäldern und Bergen umher. Dieser gefährliche Mensch soll mit Revolver und Stiletmesser be­waffnet sein und einen weißen Tigerhund bei sich führen. Möge Jedermann dazu beitrogen, daß man desselben bald habhaft wird. Er soll etwa 35 Jahre alt und sehr groß sein.

Tuttlingen, I. August. Infolge der großen Hitze wird die Ernte, die sonst Ende August ihren Anfang nahm, schon Anfang oder Ausgang der nächsten Woche beginnen.

Rottweil, 1. August. Ein auf der Malzdarre der Bierbrauerei zum Engel hier gestern Nacht 11 Uhr ausgebrochener Brand machte die Alarmierung der Feuerwehr nötig. Da um die angegebene Zeit noch eine Anzahl Gäste anwesend waren und die Feuerwehr rasch auf dem Platze erschien, konnte man des Feuers Herr werden, noch ehe weiterer Schaden als der an Malz und teilweise am Gebäude ent­standen war; der Brand war jedoch schon so weit vorangeschritten, daß es des Aufgebots großer Kräfte und bedeutender Anstrengungen bedurfte, um die große Gefahr für die Nachbar­gebäude zu beseitigen.

Oberndorf, 24. Juli. Heute früh marschierte durch unser Städtchen ein Wettläufer mit schwarzen Gummischuhen, weißen Strümpfen, dunkelblauem Tricotanzuge, Touristenhemd und einem breitkrempigen Tirolerhute bekleidet. Der Münchener Turnverein Concordia hat nämlich ein schon lange geplantes Wettausschreiben er­lassen, auffordernd zu einer ordentlichen Fußtour. Die Strecke mit den betr. Anmelde- resp. Ein­schreibestationen ist: München-Frankfurt-Darm- stadt-Mannheim-Heidelberg-Karlsruhe-Pforzheim Calw - Eutingen - Horb - Sigmaringen - Friedrichs- Hafen-Zürich-Mailand München. Diese Strecke muß zuuückgelcgt werden von Sonntag den 21. Juli nachts 1 Uhr an bis 1. August mittags 1 Uhr. 22 Turner der Concordia nehmen an diesem Wettlaufe teil. Der ausgesetzte Preis beträgt 300 Mk. für den, der zuerst um 1. August in München anlangt. Jeder nächstfolgende erhält 50 Mk. weniger. Die Fußtouristen werden auf diesem Wege von 7 Radfahrern aus dem gleichen Münchener Turnverein kontroliert. Die Preis­verteilung findet beim Oktoberfcst statt.

Dußlingen, 31. Juli. Die hies. Schuh­macher helfen sich selbst dadurch, daß alle 20 Meister sich verständigten zu einem Aufschlag von 20 Prozent. Außerdem nehmen dieselben Hausier- und Ladenware nicht mehr zum re­parieren an.

Ausland.

Der ungarische Fürstprimas. Kardinal Vaszarj scheint die Hoffnung nicht aufzugeben, gegenüber den Hetzereien des niederen Klerus Sieger zu bleiben und auch beim Papste die Er­laubnis durchzusetzen, daß die katholischen Volks­schullehrer Ungarns die Geschäfte als Standes­beamte führen dürfen.

In Belgien veranstalteten die Sozial­demokraten und die Liberalen letzten Sonntag mehrfache Straßenkundgebungen gegen das neue Schulgesetz namentlich auch in Brüssel selbst. Dem König Leopold sind aber die Hände ge­bunden, da das Gesetz von der großen klerikalen Mehrheit in Kammer und Senat beschlossen worden ist.

Sämtliche republikanische Zeitungen in Frankreich betonen als charakteristisch bei den Generalratswahlen die Niederlage der Sozialisten und den festen Anschluß der Wähler an die gemäßigte, aber durchaus fortschrittliche Republik. Auf 1107 Wahlen, die im ersten Gang entschieden worden sind, kommen nur 12 Sozialdemokraten. Alle großen Städte, wie Lyon, Marseille, Toulouse sind dem sozialisti­schen Einfluß diesmal entgangen. Die konser­vativen Blätter konstatieren ebenfalls die Nieder­lage der Sozialisten, bezeichnen aber ihre eigenen Verluste als unbedeutend, da der Besitzstand ausrecht erhalten sei. Die Sozialisten leugnen ihre Niederlage. Dieselbe sei nur scheinbar, da ihre Kandidaten mehr Stimmen als bei den vorigen Wahlen erhielten und sie nur durch

das Zusammengehen der Republikaner und der Regierung mit den Reaktionären geschlagen worden seien.

In der italienischen Deputiertenkammer hat der Ministerpräsident Crispi gelegentlich der Beratung des auswärtigen Etats und der kolo­nialen Angelegenheiten einen glänzenden Sieg über seinen erbitterten Gegner Cavalotti davongetragen. indem nur insgesamt 12 Abge­ordnete für ein Mißtrauensvotum gegen Crispi stimmten.

Aus Rußland kommen sonderbare Meld­ungen Der junge Zar lebe mit seiner Gemahlin in äußerster Zurückgezogenheit und die obersten Regierungsgeschäite führe im Grunde genommen die verwitwete Mutter des Kaisers, bekanntlich eine glühende Hasserin Deutschlands. Ein Weiberregiment und vollends in einem absolut­istischen Staat ist sehr bedenklich. Vielleicht hört dieses Weiberregiment auf, wenn der junge Zar erst in Moskau gekrönt sein wird und wenn ihn seine Gemahlin im kommenden Herbst mit einem Sohn beschenkt, wodurch dann die Thronfolger­schaft des Großfürsten Georg von selbst in Weg­fall kommt.

In Großbritanien sind die Unterhaus­wahlen bis auf 3 Wahlen erledigt. Die Mehr­heit der Unionisten ist bis jetzt auf 153 gestiegen. Eine solche Mehrheit hat schon lange kein eng­lisches Ministerium im Unterhaus mehr besessen. Einer der ersten Schritte des neuen Kabinets dürfte zur Gewinnung der irischen katholischen Geistlichkeit, die Errichtung einer katholischen Universität in irgend einer irischen Stadt, wahr, scheinlich in Dublin selbst sein. Ist erst die irische Geistlichkeit gewonnen, dann werden die Parnelliten und Antiparnelliten dem konservativen Kabinet keine große Schwierigkeiten mehr bereiten können.

New-Iork, 31- Juli. DerHerald" ver­öffentlicht eine Drahtnachricht von Havanna, welche besagt, daß die Regierungstruppen vor­gestern bei San Louis von den Insurgenten an­gegriffen und völlig geschlagen wurden. Bon den Regierungssoldaten wurden 675 im Hand­gemenge niedergemetzelt. 400 Soldaten deser­tierten nach der Schlacht und vereinigten sich mit den Cubanern. denen sie 4 Geschütze zu- iührten. Das Sedan für die Spanier auf Cuba ist im Wechsel weniger Tage zur That- sache geworden: Die Spanier sind total ge­schlagen, der Rest der Regierungstruppen ist in völliger Auflösung begriffen und ein Teil der­selben ist zu den Insurgenten übergegangcn unter Mitnahme von Geschützen und Bagage. Bei dem Massennachschub, welcher augenblicklich von Spanien nach Cuba bewerkstelligt wird, ist nicht zu bezweifeln, daß Martinez Campos sich äußerlich rasch von dem Schlage erholen wird, allein der moralische Hieb, welchen die Rebellen mit so meisterhaft geführter Klinge der spani­schen Grandezza beibrachten, wird noch eine schwarz blutende Wunde zurücklassen, die nicht jo rasch vernarben dürfte.

Ein fürchterlicher Zyklon hat in dem süd­lichen Teile der Staaten Illinois und Missouri gewütet. Der Schaden an Eigentum beläuft sich auf Millionen.

Telegramme.

Berlin, 2. Aug. DerLokalanzeiger" berichtet aus Hamburg: Im englischen Kanal ging der Hamburger DampferNapoli" mit der ganzen Besatzung unter.

DerLokalanzeiger" erfährt aus Lodz: Im Weinkeller des Endischen Wohnhauses fand eine furchtbare Explosion durch Knallgasentzünd­ung statt. Das Haus und mehrere Läden und Wohnungen sind total zerstört; eine Person wurde getötet, mehrere lebensgefährlich verletzt.

Kassel, 1. August. Heute fand die offi­zielle Eröffnung der Schiffahrt auf der kanali­sierten Fulda statt, indem um 12'/, Uhr der RegierungsdampferBellevue" die Schnur der Schleuse bei Minden durchschallt.

Tübingen, 2. Aug. Mittwoch abend suchte die Ehefrau eines hiesigen Metzgermeisters den Tod im Neckar. Als Leiche wurde dieselbe gestern früh gefunden.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.