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daß ein derartiges Geständnis kaum noch zu erlangen sein würde, sobald Rüdiger erst durch ein Wort oder nur vielleicht durch einen einzigen Blick seines Weibes ermutigt worden sei, wurde in diesem Augenblick unterbrochen durch ein wüstes Lärmen und Schreien, welches im Innern des Hauses ertönte. Thüren wurden aufgerissen und wieder zugeschlagen, und eine widerwärtig tiefe, keifende Frauenstimme suchte die teils beruhigenden, teils befehlenden Zurufe ewiger Männerstimmen zu überschreien. Dann folgte ein Poltern und Stampfen, als wenn ein erbitterter Faustkampf geführt würde, und ein schwerer, dumpfer Fall, der wiederum von einem gellenden Kreischen derselben Frauenstimme be­gleitet war.

Der Goldarbeiter hatte sich mit Anstrengung in die Höhe gerichtet und er stand nun mit schlotternden Knieen, sich mit beiden Händen an der Tischkante festhaltend, mitten im Zimmer, den stieren verglasten Blick mit der Spannung eines zum Tode verurteilten auf die Thür ge­heftet. Unmittelbar darauf wurde dieselbe ge­öffnet und einer der Kriminalbeamten zeigte sich in Begleitung eines uniformierten Schutzmanns auf der Schwelle.

Legen Sie diesem Manne die Fesseln an!" befahl der Untersuchungsrichter, indem er auf Rüdiger deutete,und achten Sie darauf!, daß er keine Gelegenheit findet, sich durch Worte, Bewegungen oder auch nur Blicke mit seiner Frau zu verständigen. Ich mache Sie für die strenge Beobachtung dieses Befehls verant­wortlich!"

Innerhalb eines Zeitraums von kaum einer Minute war der erste Teil dieser Weisung aus­geführt. Der Goldarbeiter hatte sich die Hände auf den Rücken fesseln lassen, ohne auch nur den geringsten Versuch eines Widerstandes zu machen. Mit blöder Resignation schien er sich in sein Schicksal zu ergeben, und erst, als er jetzt inmitten der Beamten und von diesen auf's Schärfste bewacht, auf den Flur hinausgeführt wurde, flackerte es wie eine Regung von Trotz und Energie in ihm auf. Er hatte nämlich in einer Entfernung von wenigen Schritten seine Frau bemerkt, die man ebenfalls hatte fesseln müssen und die sich so rasend gegen die Fest­nahme gesträubt hatte, daß ihr ganzer Anzug zerrissen und in Unordnung gebracht war, und daß die Schutzleute noch immer große Mühe hatten, sie festzuhalten.

Kaum hatte sie ihren Mann gesehen, als sie auch schon auf's neue zu schreien und zu zetern ansing:

Er läßt sich wahrhaftig wegführen wie ein Kalb zur Schlachtbank der Feigling! Mit welchem Recht darf man uns in unserem Hause überfallen! Wir sind unschuldige Leute, und ich werde mich bei der Regierung über diese Un­verschämtheit beschweren!"

Das Beispiel seiner Gattin schien bei dem Goldarbeiter Wunder zu wecken; denn auch er machte plötzlich eine Bewegung, als wenn er sich von seinen Fesseln befreien wollte und schrie mit seiner hohen weibischen Stimme:

Ja. wir sind unschuldig! Wir haben nichts begangen! Wir wollen uns nicht gutwillig weg- führen lassen!"

Der Untersuchungsrichter gab den eskor­tierenden Kriminalbeamten einen Wink, und sie zogen das schwächliche Männchen rasch mit sich fort zu dem draußen bereits harrenden Wagen. Zu der tobenden Frau gewandt aber sagte der Richter mit ernstem und nachdrücklichem Tone:

Machen Sie sich keine Illusionen mehr, Frau! Ihre Schandthat ist in allen Einzel­heiten klargelegt; denn ihr Mann hat sich so­eben da drinnen zu efiiem umfassenden Ge­ständnis bequemt. Die Kommödie. welche Sie da spielen wollen, ist also mindestens über­flüssig."

Die Bestimmtheit, mit welcher er sprach, und die Zweifel, welche sie wohl von vornherein in die Standhaftigkeit ihres Mannes gesetzt hatte, mochten Frau Rüdiger wohl überzeugen, daß der Untersuchungsrichter die Wahrheit sagte, und sie geriet in eine namenlose Wut.

Der Narr!" schrie sie,der Dummkopf! der erbärmliche Tropf!" und eine unerschöpfliche Flut von ähnlichen und noch kräftigeren Schimpf­worten strömten über ihre Lippen, bis ein wirk­licher Wutkrampf ihrer Redseligkeit ein Ende machte.

(Fortsetzung folgt.)

80jährige Zwillinge. Der seltene Fall» daß ein Zwillingspaar seinen 80. Geburtstag feiert, ist aus Unna (Westfalen) zu melden. Die Zwillingsbrüder Jsak und Moses Rosenberg, von denen der eine in Unna, der andere in Alperbeck wohnt, begingen im Kreise ihrer Fa­milien gemeinsam dieses Wiegenfest.

Er hat Knöpfe". Die Redensart:Er hat Knöpfe" im Sinne von:Er ist vermögend" war in bezug auf die Staatskleider der alten Könige Frankreichs keine leere Phrase. Eine gewisse Anzahl von Krondiamanten Frankreichs, die 1887 bekanntlich meistbietend verkauft sind, war als Knöpfe gefaßt, um als Kleidergarniluren zu den Röcken des Königs dienen. Jeder dieser 28 großen Knöpfe des königlichen Kleides trug als Mittelpunkt einen sehr schönen Diamanten, der 800010000 Livres wert war; derselbe war von zwei Reihen von Brillanten, einer größeren und einer kleineren, umgeben. Jeder Knopf repräsentierte somit schon für sich ein kleines Vermögen Die ganze Garnitur des Kleides, der Weste und Hose kostete etwa 300000 Livres. Die Schnallen der Kniebänder waren aus 44 Brillanten zusammengesetzt, die Schuh- schnallen des Königs enthielten 80 Steine. Die Schnurschleife seines Hutes war aus 12 Watons gebildet, von denen einige Brillanten von 5000 bis 15000 Livres wen waren.

Vor dem neuen Postgebäude in Rap­poltsweiler standen zwei Landleute und betrachteten die Fayade, die mit dem Reliefbildnis des be­kannten Physikers Dr. C. A. Steinheil (geb. 1801 in Rappoltsweiler) geschmückt ist.Sehsch, Seppel," meinte der eine,des isch der Kaiser." Nai", sagte der andere,was denksch, ich kenn doch den Kaiser."Wann ich der sag, es isch er!"Jo," gab der Seppel zu,er seht ihm a bissel glich, awer es isch er net." Während Beide noch streiten; kam zufällig ein echter Rappoltsweiler daher. Um Aufklärung zu er­halten, sprach der Seppel ihn an:Könnten Sie uns net sage, sil vous Mit, wer dct isch, min ami sait. des isch der Kaiser, und ich sag. es isch er net?"Do hänn Ihr Euch jetzt alli zwei getrompiert", war die ernstgemeinte Ant­wort des Stadtweibels,ich will Euch sage, wer isch. des isch einer von den älteschte Postdirektore, wo mer g'hett (wir gehabt) Hann, äffän (enün) f'isch seller, wo die Poscht erfunden hält!" Sprach's und schritt weiter. Die Landleute aber waren mit der erhaltenen Belehrung sehr zu­frieden.

Ein neues Beleuchtungsmittel. Schon 1862 hatte Professor Bertholot das Acetylen entdeckt und auf die hervorragenden Eigenschaften desselben zu Beleuchtungszwecken hingewiesen. Leider war die Herstellung damals noch zu kompliziert und teuer. Erst März 1894 gelang es Henri Moisson die Schwierigkeiten vollständig, wie es scheint, zu überwinden, so daß man jetzt in Frankreich und Amerika die größten Hoffnungen auf dies neue Beleuchtungs­mittel setzt. Das Gasglühlicht soll neben dem Acetylenlicht sich wie ein Nachtlicht (!) aus­nehmen. Die unsympathische Kälte des Auer- lichtes sei vermieden; trotzdem sei es weißer als elektrisches und ruhiger als gewöhnliches Gas­licht. Als ein wahres Wunder. Die franzöf. Eisenbahngesellschaften gehen denn auch schon mit der Einführung des neuen Lichtes um.

lieber eine originelle, aus Amerika stammende Erfindung, die eben bekannt geworden ist, be­richtet uns das Intern. Patent-Bureau von Heimann u. Co. in Oppeln wie folgt: Es handelt sich um die Anwendung der Elektrizität zum Bügeln von Hüten. Der Seidenhut wird

auf einem elektrischen Motor von 2000 Um­drehungen pr. Minute gebracht, worauf die An­wendung eines Gemsleders an seiner Oberfläche genügt, damit die freigewordene und wiederge­bundene Wärme dem Hute einen Glanz ver­leiht. wie solcher bis jetzt unerreicht dasteht. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den ge­schätzten Abonnenten dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patentsachen gratis.)

Um blutende Wunden schnell zu stillen, empfiehlt Dr. Paschkoff, die Asche von frisch, gebrannter Leinwand oder Baumwolle auf die Wunde zu streuen, welche mit dem Blute eine dicke, stopfende Kruste bildet, unter welcher die Wunde rasch heilt. Da das stets frisch bereitete Mittel Jnfektionskeime absolut nicht enthält, so verhindert dasselbe auch jede Entzündung und Eiterung der Wunde. Das Mittel verdient be­sonders für gewerbliche Betriebe und überall, wo andere Mittel nicht zur Hand sind, Beacht­ung.

(Fliedermus.) Die Fliederbeeren werden verlefen, gereinigt, in einen Beutel gethan und ausgeprcßt. Der hieraus gewonnene Saft wird zu einem dicken Gelee eingekocht, mindestens 6 Stunden lang, ohne jeden Zusatz; hierauf in Gläser oder kleine Kruken gefüllt. Dies Flieder­mus hält sich sehr lange und giebt Fleisch- und Fischsaucen einen kräftigen Geschmack.

(Rostflecken zu entfernen.) Flecken, welche von Rost oder irgend einer Art Tinte herrühren, kann man aus Wollenstoffen mittelst Zitronen­säure entfernen. Die Säure läßt sich aber nicht auf gewisse Farben anwenden, ohne dieselben nicht arg zu entstellen, weshalb man erst an einem Abfallstücke des gleichen Stoffes einen Versuch machen muß

(Abgetrumpft.) Student (übermütig, zu einem älteren Herrn am Biertische):Sagen Sie, mein Herr, weshalb mag es wohl kommen, daß die spirituösen Getränke den älteren Herren in die Füße und den jüngeren in die Köpfe steigen?" Herr:Sehr einfach sie suchen eben bei jedem Menschen seine schwache Seite auf."

(Armer Schiller!) In einer kleinen Stadt war folgende Theateranzeige zu lesen:Heute wird gespielt: Don Carlos oder: Der Sohn, der seine Mutter liebt. Trauerspiel von Friedrich Schiller. Durchgesehen und bearbeitet von Wilhelm Bocki, Theaterdirektor." (Fl. Bl.)

(Bestrafte Großsprecherei.)Hör', Robert, jetzt müssen wir aber geh'n ... das Souper wartet auf uns!"Aber Weiberl, ich Hab' ja die Wurst hier bei mir!"

(Verfeinerung.) Sergeant:. . Und was ist denn Ihr Vater. Moses?" Moses:Der hat 'n Antiquitätenladen for Kleider!"

(Neues Wort).Wie viel hast Du Dir schon verdient durch DeineGedankenspäne"?" So ein Gedankenspanfe: kel."

Telegramme.

Bochum, 29. Juli. Von den 36 bei dem Grubenunglück auf der Zeche Prinz von Preußen umgekommenen Bergleuten sind nach­mittags 32 auf dem hiesigen Kirchhof in zwei Massengräbern beerdigt worden. 3 der Verun­glückten wurden in ihrer Heimat bestattet, 1 ist noch nicht beerdigt. 21 Bergleute waren ver­heiratet.

Hamburg, 29. Juli. Seit heute Nacht 12*/« Uhr stehen sämtliche Gebäude der Export- Spritlager-Aktiengesellschaft, vorm. Nagel, auf dem Sleinwärder in Hellen Flammen und werden wahrscheinlich völlig verloren sein.. Der Schaden wird nach Millionen berechnet.

F r e i b u r g , 29. Juli. Franz Hutter, Teilhaber von Herders Verlag, ist heute Nacht hier gestorben.

Paris, 29. Juli. Gestern fanden die Neuwahlen der Hälfte der Generalräte in ganz Frankreich statt. Dieselben sind ruhig verlaufen. Die gegenwärtigen Parteiverhältnisse werden wenig verändert.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.