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des Rüdiger'schen Ehepaares bei seinem Kommen und Gehen benutzt haben sollte.

Aber nach seiner Kenntnis von der Bauart derartiger Häuschen kalkulierte er, daß dieser Zugang wahrscheinlich nicht der einzige sein würde, und er umging darum das Gebäude, um es auch von seiner Hinteren Seite in Augenschein zu nehmen. Da war denn in der That eben­falls eine Thür zu sehen, die wohl früher als Eingang und Ausgang sehr stark benutzt worden sein mochte; denn die vier aus verschiedenen Stücken zusammengesetzten Sandsteinstufen, welche zu ihr emporführten, waren dergestalt ausge­treten und aus ihrer ursprünglichen Lage gerückt, daß sich überall breite Fugen zwischen den einzelnen Platten zeigten. Hartwig stieg die kleine Treppe empor und legte seine Hand auf den Griff des Thürschlosses.

Derselbe gab seinem Druck nicht nach; auch dieser Zugang war also verschlossen. Eine auf­merksame Musterung seiner Umgebung überzeugte den Doktor, daß Jemand, der von dieser Seite her in das Haus eintrat, kaum von einem der Nachbargebäude her beobachtet werden konnte, daß also ein Verbrecher hier sehr wohl hätte unbemerkt ein- und ausgehen können. Diese an und für sich ganz bedeutungslose Feststellung war aber auch zunächst das einzige praktische Ergebnis seiner Untersuchung, und eben wollte er die Stufen der Treppe wieder herabsteigen, um den Garten zu verlassen, als er einen Mann auf sich zukommcn sah. der trotz seiner Zivil­kleidung in Gang und Haltung etwas straff Militärisches hatte.

Der Mann lüftete flüchtig seinen Hut und fragte:

Was thun Sie hier, mein Herr? Das Haus ist unbewohnt."

Ich weiß cs," gab Hartwig ruhig zurück. Es war nur meine Absicht, die Lokalität ein wenig in Augenschein zu nehmen."

Zu welchem Zweck? Haben Sie ein besonderes Interesse daran?"

Ja! Aber darf ich vielleicht fragen, mit wem ich das Vergnügen habe? Ich selbst bin der praktische Arzt Doktor Hartwig."

Er hatte dabei sehr höflich seinen Hut ge­zogen, und nun folgte auch der Andere diesem Beispiel; der Name des allbekannten und ge­achteten Arztes war offenbar auch ihm geläufig gewesen.

Ich bin der Kriminalschutzmann Weinberg," sagte er,und mit der Observation dieses Platzes betraut! Haben Sie irgend welche besondere Wahrnehmung gemacht, Herr Doktor, so würde ich Ihnen im Interesse des Dienstes sehr ver­bunden sein, wenn Sie mir dieselben mitteilen wollten."

Doktor Hartwig verneinte; aber plötzlich glitt ein Ausdruck lebhafter Spannung über sein Gesicht, und er deutete aus eine der Fugen in der Sandsteinlreppe.

Was für ein glänzender Gegenstand ist es, den ich dort sehe?" fragte er.Vielleicht ist es besser, wenn Sie ihn selbst ausheben, Herr Weinberg."

Der Beamte folgte mit den Blicken der von dem Doktor angedeuteten Richtung und bückte sich, um den kleinen Gegenstand ouszu- heben, von dem nicht viel mehr als eine kaum erbsengroße goldglänzcnde Kugel sichtbar war. Erst mit einiger Mühe gelang es, das offenbar versehentlich in die Steinspalte getretene Ding hervorzuholen, und nun erwies sich, daß es ein anscheinend goldener Ohrring von einer ganz eigentümlichen, altmodischen Form war, welche freilich durch einen energischen Fußtritt arg verstümmelt zu sein schien. Der kleine Schmuck- gcgenstand glänzte noch so hell, als wäre er eben geputzt worden, und er konnte darum noch nicht lange hier am Boden gelegen hoben.

Der Schutzmann schüttelte den Kopf und schien nicht recht zu begreifen, was er mit diesem Fund anfangen sollte. Der Doktor kam ihm zu Hilfe.

Dieser unscheinbare Ohrring da, der offen­bar erst seit ganz kurzer Zeit hier gelegen hat," sagte er,kann möglicherweise für die Unter­suchung der Mordsache von großer Wichtigkeit

werden. Ich möchte Ihnen darum empfehlen, ihn nicht nur sorgfältig zu bewahren und ihn sobald als möglich an die Untersuchungskommis­sion abzuliefern, sondern sich auch die Stelle, an welcher Sie ihn gefunden, und seine Lage recht genau rinzuprägen. Sie wissen ja so gut wie ich, daß derartige Kleinigkeiten oft von einer Ausschlag gebenden Bedeutung werden!"

Offenbar, um darzuthun, daß es für ihn solcher Belehrungen nicht erst bedürfe, erzählte der Schutzmann, während er den Ohrring sehr behutsam und umständlich einwickelte, einen Fall aus seiner eigenen kriminalistiichen Erfahrung, in welchem durch einen abgerissenen Knopf die Entdeckung eines Mörders herbrigeführt worden war. Hartwig aber wußte die Unterhaltung bald wieder auf das hier vorliegende Verbrechen zu leiten, und den Beamten dabei, ohne daß jener selbst es so recht merkte, über alles das­jenige auszuforschen, was ihm wissenswert erschien.

Also das Instrument, mit welchem der erste Schlag gegen den Kopf der unglücklichen alten Dame geführt worden ist, hat man noch nicht gefunden?" fragte er.Ist denn über­haupt energisch darnach gesucht worden?"

Kein Winkelchen des Hauses blieb undurch- stöberl." versicherte der Schutzmann.Der Ver­brecher muß es wohl wieder mitgenommen und dann irgendwo von sich geworfen haben."

So hätte man es also in der Umgebung des Hauses finden müssen!"

Auch da ist vergeblich gesucht worden. Ich selbst habe in dem kleinen Vorgärtchen jeden einzelnen Strauch durchforscht. Nicht eine Stopf­nadel hätte da meinen Blicken entgehen können!"

Und sind hier in dem Hinteren Teile des Gartens ebenso sorgfältige Recherchen angestellt worden."

Nein! Dazu war auch keine Veranlassung vorhanden. Denn cs ist ja festgcstellt, daß der Mörder sowohl beim Kommen wie beim Gehen den vorderen Eingang benutzt hat."

Und wodurch ist das so unzweifelhaft festgestellt, wenn ich fragen darf?"

Durch die Aussagen der Augenzeugen und noch mehr durch die Thalsache, daß ihm dieser Hintere Ausgang gar nicht zugänglich gewesen wäre. Das alte Fräulein hat denselben niemals benutzt, die Thür ist verschlossen und es ist überhaupt kein Schlüssel dazu vorhanden."

Ah, das ist überraschend! Und doch ver­lor Jemand vor unzweifelhaft kurzer Zeit hier einen Ohrring. Scheint es Ihnen nicht auch, als wenn darin ein ganz merkwürdiger Wider­spruch läge?"

(Fortsetzung folgt.)

Horb, 10. Juli. Kommt da eines schönen Tages von Amerika herüber ein Mann, der seinem Auftreten nachschwere Gelder" besitzt, hieher und besucht auch das nahegelegene Jakobs- bad. Die reizende Lage, die Wirtschaft nebst Kegelbahn, die Ladeeinrichtung gefällt ihm, die Wohnräume finden Gnade vor den Augen seiner Frau Gemahlin. Er fragt den Besitzer nach dem Preis des ganzen Anwesens, der Wirt nennt eine annehmbare Summe, und ohne Be­sinnen schlägt derAmerikaner" ein. Der Kauf wird alsbald anerkannt. Merkwürdigerweise zahlt der vermeintliche Krösus fast nur mit Wechseln. Die kann er sich leisten, da er einen seit 1870 verschollenen Onkel hat, dessen großes Vermögen ihm in 5 Jahren ausbezahlt wird. Am letzten Sonntag wurde nun die feierliche Eröffnung gehalten unter großem Zudrang des Publikums. Von 10 Uhr an gab cs Freibier und Zigarren, und der Konsum war ein be­deutender. Doch wie rasch sollte die Freude endigen! Denn schon Montag nachmittags arbeitete der Gerichtsvollzieher in den öde ge­wordenen Hollen. Der Amerikaner sitzt wegen Wechselfälschung, und der frühere Besitzer, der Bierbrauer, Bäcker und sonstige Lieferanten sind das Opfer eines ganz gewöhnlichen Schwin­dels geworden.

Koblenz, 17. Juli. Ein köstliches Mißverständnis ist, derKobl. Volksztg." zufolge, dieser Tage im telephonischen Verkehr

in Koblenz vorgekommen. Ein Metzgermeister, der auch dieser nützlichen Einrichtung sich erfreut, erwartete einen Ochsen, den er gekauft hatte. Als derselbe über die festgesetzte Zeit ausbleibt, begiebt sich unser Meister ans Telephon und läßt sich mit dem Schlachthaus verbinden. Der Beamte auf dem Amt verbindet ihn mit der Adresse, die er verstanden hatte. Das Gespräch beginnt: Herr T I.: Es Ochs do? Antwort (etwas barsch): Wir haben hier keine Ochsen. TA: Met wem sein ich denn verbonne? Antwort: Mit dem Rathaus.

X. I.: A su, do sein allerdings kai Ochse,

Der Beamte hatte Rathaus statt Schlachthaus verstanden.

Brünn. 15. Juli. Zu Pfingsten tötete sich der Bäckergehilfe Zelesky und seine geliebte Anna Roba durch Ertiänken im Schwarzaflusse. Das Paar war so bettelarm, daß es an eine Verbindung nicht denken konnte und aus Ver­zweiflung darüber beschloß, gemeinsam zu sterben. Den einzigen Wertgegenstand, den Zelesky besaß, ein Los, das er sich aus monatelangen Erspar­nissen gekauft hatte, vermachte er im Abschieds­briefe seiner Mutter. Bei der letzten Ziehung ist nun gerade auf dieses Los der Haupttreffer mit 20 000 Gulden gefallen.

(Wie entstand das Kutschke-Licd?) Dar­über berichtet Kutschke in den zumJubiläum des Napoliumliedes" erschienenenausgewählten Gedichten" folgendes: Es war am 3. August 1870, nachts zwischen I II Uhr. als ich hinter Queichheim bei Landau vor Weißenburg mit Kamerad Breiter, meinem vertrautesten Freunde, auf Vorposten stand. Da deutete dieser auf ein Geräusch vor uns und rief mir zu:Was mag wohl dort 'rumkriechen?" Und:Was kriecht dort rum? Napolium", reimte ich. Abgelöst, dichtete ich in einer Scheune das Lied fertig in der Frühe des 4. August. Ich las cs Breiter vor, Viele kamen und hörten zu, schrieben es ab, und so ging es wie viele anderein die weite Welt hinaus ohne mein Zuthun.

Wie Chokolade gemacht wird, geht aus einer Dresdener Gerichtsverhandlung hervor, die mit der Verurteilung des Chokoladefabrikanten I. L. E. König aus Dresden-Plauen zu 600 Mark Strafe endete. Dieser Geschäftsmann hatte Chokolade nach dem Urteil der Sachver­ständigen aus 20 bis 25 Prozent Kakao, im übrigen aus Weizenmehl, tierischem Fett, Kokos­butter, Sesamöl Vanrlin, englisch Rot, Johannis­brot, Haselnußschale und Kienruß hergestellt. Der Verband deutscher Chokoladefabrikanten hatte das unredliche Geschäftsgebahren aufgedeckt und die Bestrafung herbeigesührt.

(Papierne Unterkleider.) Anläßlich des Krieges zwischen Japan nnd China hat man öfters von Uni­formen aus Papier gelesen. Wir wir nun durch das Intern. Patentbureau von H eimann u. Co. in Oppeln erfahren, sind durch Vermittlung des schweizerischen Generalkonsulats in Dokohama dem Militärdepartement in der Schweiz Unterkleider aus Papier zugesapdt worden und lautet das darüber abgegebene Urteil äußerst günstigt. Bei dieser Verwendungsart ist das Papier mit feinem, leichten Flanellstoff untergelegt und äußerst weich und geschmeidig. Die Kleider, welche verhältnismäßig stark sind, sollen sehr warm und da­bei billig sein. >Obengenanntes Patentbureau erteilt den geschätzten Abonnenten dieses Plattes Auskünfte nnd Rat in Patenfachen gratis.)

(Schlechte Ausrede.) Frau (zu ihrem ange­heiterten Gatten. mit welchem sie bei heftigem Winde aus der Gesellschaft heimkehrt):Aber, Fritz, das ist ja schrecklich! Beim jedem Schritt vorwärts taumelst Du zwei Schritte zurück!" Gatte:Da hast Du vollständig Recht, Mariechen . . . aber ich verspreche Dir ich esse mein Lebtag keine Krebse mehr!"

(Neue Religion.) In ei»er größeren Stadt läßt sich ein fremder zu den verschiedenen Kirchen fahren. Als er die Synagoge besichtigt hat, fragt er den Kutscher:Giebt es auch Antise­miten hier?"Jo", antwortete dieser,genug; awcr se hawe noch kei Kärch'!"

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.