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es ist uns allen unverbessen. Mit treuer Liebe hat er allezeit der Jugend sich angenommen. Er war ein eifriger Freund der Armen und Kranken; kein Gang war ihm zu weit, keine Mühe zu viel, wenn er irgendwo mit Trost, Rat und That helfen konnte und kein Tag verging, an dem er nicht der Kranken seiner Gemeinde sürbittend vor Gott gedacht hätte. Wie viel Anregung und Förderung für ihr äußeres und inneres Leben haben ferner alle die ihm zu danken, die ihm in dieser Zeit als Vikare beigegeben waren, die er verständnisvoll und treubesorgt zu leiten wußte. Eine große Freude und ein wichtiges Anliegen war es ihm, im Jahre 1888 als Abgeordneter des Bezirks in der 4. Landessynode an den wichtigen Kirchengesetzen Mitarbeiten zu dürfen, durch die unser kirchliches Gemeinde- lebeu neu geregelt worden ist, deren Durchführung in hiesiger Gemeinde er mit so viel Umsicht und Geschick geleitet hat. 1891 wurde dem Entschlafenen derFriedrichs- orden I. Klasse verliehen, und wenn er auch auf solch äußere Ehrungen keinen besonderen Wert gelegt hat, es ist doch uns ein Beweis dafür, daß dem vielen, was er gewirkt hat in Kirche und Schule, in Haus und Gemeinde die höhere Anerkennung nicht versagt geblieben ist.
Er konnte sich nie genug thun in seinem Arbeiten und sein höchster Wunsch, den er manchmal ausgesprochen hat, war es, im Amte zu sterben. Dieser Wunsch ist ihm erfüllt worden. Schon vor 2 Jahren brachte ihn eine schwere Krankheit dem Tode nahe, doch erholte er sich noch einmal vollständig, so daß er in alter Kraft und Rüstigkeit seinen Berufsgeschäften nachgehen konnte. Dieses Frühjahr fing er wieder an zu kränkeln; allein er hat sich keine Ruhe gegönnt. Sein Amt ging ihm über seine Person. Bis in die letzten Tage vor semem Tod hat er, wenn auch mit Anstrengung, aber mit eisernem Fleiß gearbeitet soviel erkannte, bis seine Kraft gebrochen war. Am Sonntag vor acht Tagen mußte er sich legen. Gern hätte er noch am Donnerstag vor 8 Tagen seinen ältesten Sohn in Stuttgart getraut, allein es war nicht mehr möglich. Dagegen erlebte er noch die Freude, seine Kinder vor seinem Tode noch einmal sehen zu dürfen. Wohl gab der Arzt noch Hoffnung; er selbst aber war sich über seinen Zustand völlig klar. Schon früher hat er es mehrfach ausgesprochen, daß er fühle, wie seine Zeit zu Ende geht, und daß er bereit sei zum Abscheiden. Rascher als man vermutet kam das Ende. Am Mittwoch abend trat em hitziges Fieber ein und am Donnerstag früh ist er entschlafen im Alter von 71 Jahren, 4 Monaten und 14 Tagen.
So ist nun sein irdisches Tagwerk vollendet. Aber wenn er auch von uns gegangen ist, er bleibt uns doch, und wird bei uns fortleben in dem was er gewirkt hat, in dem treuen Gedenken dankbarer Liebe. Und hier an seinem Grabe gedenken wir des Worts der Schrift (Hebr. 13, 7): „Gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schauet an und folget ihrem Glauben nach!"
Nach der Einsegnung und Einsenkung der Leiche sang der Lehrergesangverein „Auferstehn, ja auferstehn". Dann sprach Schulrat Wild von Ulm in schmerzbewegten Worten den Dank der Familie gegen den teuren Heimgegangenen Vater und den Dank an die Gemeindegenossen für die liebevolle Teilnahme aus, einen letzten Scheidegruß ins Grab nachrufend.
Prälat Dr. v. Willich, welcher nicht nur in seiner amtl. Eigenschaft, sondern auch als Freund des Verblichenen herbeigekommen, erinnerte hierauf daran, wie der Entschlafene auch ein Kreuz in seinem Amte tragen mußte und wie er dies aber auch mit treuer Ergebung getragen hat. Wenn sich der nun Verstorbene je einmal daran erinnert habe, was er in seiner Amtsführung erlitten, so that er dies nicht im Sinne der Verbitterung und der Kränkung. Seinen Amtsgenossen ist er stets ein leuchtendes Vorbild gewesen. Der hiesigen Gemeinde kann der Hr. Prälat bezeugen, daß der th. Entschlafene gerne darin gewirkt und derselben mit aller Liebe zugethan war.
Nachdem in Vorstehendem ein Bild der ausgeprägten Charakterzüge des arbeitsreichen Lebens gegeben ist, wollen wir die nun folgenden Redner, welche unter herzlichen Worten Kränze am Grabe des verdienten Mannes niederlegten, kurz erwähnen.
Es sprach zunächst, namens des Kirchengemeinderats einen Kranz von Palmzweigen widmend, Forstrat Graf v. Uxkull, um dem lang- jährigen Vorstand für sein unermüdliches Wirken innigen Dank zu sagen. Mehr noch als Worte werden die Thaten des Entschlafenen zu uns reden. Demütig ohne Grenzen, friedfertig ohne Ende, wenn es seiner Person gegolten, ist er gewesen. Der liebe Gott wolle ihn dafür segnen. Ebenso legte Oberamtmann Maier ein tief- empfundenes Zeugnis davon ab, wie sehr der Entschlafene es verstanden, die gemeinschaftlichen Amtsgeschäfte mit Pünktlichkeit und Gewandtheit und im Geist der Liebe und freundlichen Verständigung zu fördern. — Stadtschultheiß Stirn,
als nächster Redner im Namen der bürgerlichen Kollegien einen Lorbeerkranz niederlegend, betonte gleichfalls die Friedfertigkeit des Entschlafenen, dem ein verträgliches Zusammenwirken über alles ging, dem keine Mühe und Arbeit zu viel gewesen in treuer Ausübung der Seelsorge, in der wirksamen Vertretung der Interessen der Schulen und der Armenverwaltung. — Sladtpfarrer Auch von Wildbad legte einen Kranz nieder namens der Amtsbrüder, welche trauern um den väterlichen Freund, dessen Grundzug herzliches Wohlwollen gegen jeden Einzelnen gewesen. — Alsdann widmete Aufsichtslehrer Schramm, der Dirigent des Lehrer, gesangvereins, im Namen der Lehrer des Dekanatsbezirks unter aufrichtigen Dankesworten einen schönen Lorbeerkranz dem verehrten Bezirksschulinspektor, der das Vertrauen der Lehrer in seltenem Maße erworben, der mit allem Ernst und Eifer, in Verbindung mit Wohlwollen, sein Ziel erreicht hat, das Schulwesen im Bezirk in jeder Beziehung zu heben und zu fördern. Der Hr. Dekan sei so gut Lehrer als Geistlicher und das Schulinspektorat sei ihm sein liebstes Nebenamt gewesen. Unvergeßlich werde allen Lehrern bleiben, welche Freude den th. Entschlafenen beseelte , wenn er gute Zeugnisse geben konnte. Die Lehrer werden ihm ein bleibendes Andenken bewahren. — Damit schloß die in allen Teilen erhebende Begräbnisfeier, welche auf allen Gemütern einen tiefen Eindruck zurückließ.
Noch sei dem vorstehenden Bericht beigefügt, daß Hr. Stadtvikar Löbich am Sonntag zum Anfang des Gottesdienstes in der Friedhof- kirche des th. Entschlafenen und seiner Amtsborgänger, welche nun im Friedhof gebettet liegen, in pietätvoller, sinniger Weise ge- dachle. Es ist ein denkwürdiges Zusammentreffen, daß gerade die Friedhofkapelle, deren eben erst vollzogene Renovation sich der Entschlafene so angelegen sein ließ, nach langen Jahren erstmals wieder zum Sonntagsgottesdicnst dienie, weil gegenwärtig die Stadtkirche einer Verschönerung enlgegensteht, die dem Herrn Dekan ebenso sehr am Herzen lag. Möge seine Asche im Frieden ruhen. Die Gemeinde wird ihm wie seinen beiden Amlsvorgängern ein unauslöschliches, dankbares Angedenken bewahren.
Wildbad, 22. Juli. Die amtliche Kur- liste vom 18. ds. beziffert die Zahl der Fremden auf 4253.
Pforzheim, 23. Juli. (Corresp.) Am 15. und am 22. Juli fanden hier zwei große Arbeiter-Versammlungen statt, in welchen die Frage gewerkschaftliche Zentral- oder Lokal- Organisation zur Diskussion stand. Die Anhänger beider Richtungen bekämpften sich in der erblttersten Weise, wobei es an persönlichen Ausfällen und gegenseitiger Beschuldigung arbeiterfeindlicher Bestrebungen nicht fehlte. Schließlich warf man einander Unehelichkeit u. Schwindel vor. Es kam zu tumultarischen Austritten, wie man sie in Versammlungen selten erlebt und es ist nur zu verwundern, daß der Spektakel nicht in eine regelrechte Keilerei ausarteke. Die beiden Versammlungen, welche ihre Beschlußfassung endeten, hatten eigentlich nur das eine Resultat, auf die unter der hiesigen Sozialdemokratie ausgedrochene Feindschaft ein grelles Schlaglicht zu werfen. Der von Stuttgart als Referent und Vermittler anwesende „Genosse" Jöhler mußte unverrichteter Dinge wieder ab- ziehen.
Deutsches Reich.
Aus Ischl wird gemeldet, daß der deutsche Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst am Samstag nachmittag vom Kaiser Franz Josef in Audienz empfangen wurde und später an der Hoftafel teilnahm. Abends reiste der Fürst Hohenlohe nach Alt- Aufs ee zurück.
Berlin, 23. Juli. Aus Anlaß des Gedächtnisses der deutschen Siege in Frankreich wird dem Vernehmen der „Kreuzztg." nach von den zuständigen Behörden eine kirchliche Feier des Sedantages angeordnet werden. Es besteht die Absicht, diese Feier am Sonntag den 1. September abzuhallen. Für Berlin ist Aus- sicht vorhanden, daß an diesem Tage zugleich
die Einweihung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis« kirche wird erfolgen können.
Der elsäßer Protestler Reichstagsabgeord- ncte für Metz Dr. Haas läßt in einem protest- lerischen Blakt mitteilcn, daß er. obwohl er nach einer französischen Stadt übersiedelt und in Metz nur ein Absteigequartier mietet, sein Reichslagsmandat so lange behalten werde, wie es ihm gefalle. Solchen offenbaren Verhöhnungen des deutschen Reiches gegenüber wird es nun doch Zeit, daß der Bundesrat und der Reichstag dem Treiben der elsäßer Protestler gewisse Grenzen zieht.
Bremen, 20. Jnli. Die Sammlung für die Hinterbliebenen der „Elbe" ist heute geschloffen worden. Es sind im ganzen 663 000 Mark eingelaufen.
Der Vcrwaltungsausschuß der Jnvalitäts- und Alterverstcherungs-Anstalt von Oberfranken bewilligte einen vorläufigen Betrag von 150000 der gegen eine Verzinsung von 3 Prozent Bauunternehmern behufs Erbauung von Arbeiterwohnhäusern zur Verfügung gestellt wird.
Württemberg.
Der Staatsanzeiger vom 22. Juli bringt eine Bekanntmachung, betr. die Kündigung bezw. Umwandlung der noch nicht zur Verlosung gekommenen württemb. Staats- schuldverschrcibungen des 3^/r°/oigen Staats- anlehens vom 1. November 1862 im restlichen Betrage von 6948 902 ^ 87 L und der 4°/oigen Staatsanlehen vom 1. November 1857, 1. Mai 1860 und 1. Februar 1861 im restlichem Gesamtbeträge von 6 675 984 34 L
und zwar der Schuldverschreibungen Int. Nr. 12072 bis 14253, Int. L. Nr. 12596 bis 17197. Int. 6. Nr. 3621 dis 9844, Int. v. Nr. 7973 bis 15898. Int, 6. Nr. 760 bis 6467, Int. L. Nr. 713 dis 9659, Int I. Nr. 304 bis 10 444 und Int' L. Nr. 704 bis 16855. Anmeldungen zum Umtausche werden in der Zeit vom 1. August bis 30. Sept. 1895, beide Tage einschließlich, an jedem Wochentage innerhalb der üblichen Geschäftsstunden sowohl bei der Staatsschuldenzahlungskaffe in Stuttgart als bei den sämtlichen Staatskameral- ämtern (mit Ausnahme desjenigen zu Stuttgart) angenommen. Die Versäumung der bezeichneten Anmeldefrist hat die des Ausschlusses von dem Umtausch zur Folge. Die Wahl des Zinsfußes von 3'/,°/» für das Umwandlungsanlehen erfolgte mit Rücksicht auf die Inhaber der Guldenscheine, da die Umwandlung in ein 3°/»igcs Anlehen, das den dermaligen Geldmarktverhältniffen näher gekommen wäre, für dieselben, namentlich für die Inhaber der Taigen Guldenscheine ein zu großes Opfer mit sich gebracht hätte. Diese Wahl des Zinsfußes von 3V,°/o für das Umwandlungsanlehen war sodann mitbestimmend für die Wahl desselben Zinsfußes für das neue Eisenbahnanlehen von 6 Mill. da beide Operationen gleichzeitig erfolgen mußten. — Die Rechnung der Staatsgläubiger wird sich, da die 4°/»igen Guldenscheine an der Börse derzeit zu lOl'/i, die 3'/r°/„igen Guldenscheine aber zu pari gehandelt werden, im Falle der Annahme oer Umwandlung etwa wie folgt stelle«. Die Besitzer 4°/»iger Guldenscheine geben einen Wert von 101 Mk. 25 Pf. und 2 Mk. Aufzahlung, zus. also 103 Mk. 25 Pf., und erhalten dafür einen Wert von 104 Mk. 40 Pf. bis 104 Mk. 60 Pfg. Sie gewinnen also an je 100 Mk. Nennwert 1 Mk. 15 Pf. bis 1 Mk. 35 Pf. Die Besitzer 3^2°/oiger Guldenscheine geben einen Wert von 100 Mk. und 2 Mk. Aufzahlung, zusammen also 102 Mk, und erhalten denselben Wert wie die Besitzer 4°/»iger Guldenscheine; sie gewinnen mithin an je 100 Mk. Nennwert 2 Mk. 40 Pf. bis 2 Mk. 60 Pf. — Die Umwandlung der Guldenanlehen von 1857, 1860, 1861 und 1862 erfolgt, einerseits um den letzten Rest einer veralteten Währung aus der württ. Staatsschuld mit einem Schlage zu beseitigen, andererseits auch, und hierin liegt der Schwerpunkt der Maßregel, um die Herstellung des Gleichgewichts im Hauptfinanzetat oer Flnanzperiode 1895/97 zu ermöglichen. Es handelt sich also hier keineswegs um Einleitung