kNi'

I»

unreinlichen Zimmer Mercier's Leichnam. Aerzte stellten fest, daß er einer Vergiftung durch die Miasmen der seit sieben Jahren nicht gelüfteten Wohnung erlegen ist. Der verstorbene Mit­eigentümer des Kleidergeschäfts ,,Ia dolle sar- äiniöro" Herr Rochard hinterließ den öffent­lichen Wohlthätigkeitsanstalten sein Vermögen von 1.800.000 Frcs.

Knieröattender Heil.

Ein Brillantenhalsband.

Kriminal-Novelle von Ferdinand Herrmann.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Auch dem Doktor mochte sich wohl ein ähnlicher Gedanke aufdrängen, denn er erhob sich und schob seinen Stuhl mit einer heftigen Bewegung zurück.

Genug, mein Herr!" sagte er.Wir werden uns niemals verstehen, und ich denke, wir haben vorläufig nichts mehr mit einander zu thun. Wenn es nicht sündhaft wäre, einen solchen Gedanken auszusprechen, so möchte ich wünschen, daß ihr armes Kind durch den Tod vor dem schrecklichen Schicksal bewahrt bliebe, unter Ihre Gewalt zurückkehren zu müssen!"

Er drehte sich kurz um. um sich zu ent­fernen, aber der Stadtverordnete hilelt ihn durch einen Zuruf zurück:

Wenn ich es nicht mit meinen eigenen Ohren hören müßte, so würde ich nicht daran glauben", sagte er, am ganzen Körper vor Er­regung zitternd.Sie sind es. der das Mäd­chen nimmt Sie. der angesehene, sittenstrenge Mann, die Geliebte eines Mörders?!"

Hartwig trat einen Schritt näher an den Stadtverordneten heran, und auch seine Stimme bebte jetzt merklich, als er erwiderte:

Und wer giebt Ihnen ein Recht, zu sagen, daß er ein Mörder sei?"

Wer mir ein Recht dazu giebt? Nun, ich denke doch, da könnte von einem Zweifel nicht mehr die Rede sein! Die Schuld dieses Burschen liegt ja sonnenklar zu Tage!"

Das ist nicht wahr! Die Umstände mögen gegen ihn sprechen, wie sie schon gegen manchen Unschuldigen gesprochen haben. Aber ein Mörder ist er nicht, dessen bin ich ganz gewiß!"

Dem Stadtverordneten mochte nachgerade ein Zweifel daran kommen, ob es mit den Geisteskräften des Doktors noch in der gehörigen Ordnung sei. Er schüttelte den Kopf und meinte:

Ihre Menschenfreundlichkeit in Ehren, mein Herr Doktor, aber wie man solchen Thatsachen gegenüber noch derartige Behauptungen auf­stellen kann, ist mir ganz unverständlich, haben Sie den Menschen überhaupt gekannt?"

Nicht mehr als ganz oberflächlich! Ich sah ihn ein einziges Mal bei seiner Tante, und er machte mir damals einen ungemein günstigen Eindruck. Meine Ueberzeugung von seiner Un­schuld aber gründet sich keineswegs auf diese sehr flüchtige Bekanntschaft. Fast seit dem ersten Tage meines Aufenthalts in hiesiger Stadt war ich mit der Ermordeten in beständigem Verkehr. Wir begegneten uns überall in unseren Be­strebungen und ich verehrte in ihr eine eben so edle und menschenfreundliche, als kluge und wahrheitsliebende Dame. Sie hatte neben ihren vielen sonstigen vortrefflichen Eigenschaften eine bewunderungswürdig scharfe Menschenkenntnis und trotz aller schier unerschöpflichen Güte ihres Herzens hätte sie sich gewiß nimmer auf eine einmal gefaßte Zuneigung zu einem falschen Urteil über Jemanden verleiten lassen, der ihr so nahe stand, wie dieser Neffe. Sie hatte ihn erzogen, hatte jede seiner Handlungen, jede Aeußerung seines Charakters aufmerksam be­obachtet und sie kannte ihn so genau wie sich selbst. Oft genug hat sie mir von ihm ge­sprochen, und nach alledem, was ich aus ihrem Munde über den jungen Mann vernommen, halte ich es für ganz unmöglich, daß er sich eines so fürchterlichen Verbrechens gerade gegen seine edelste Wohlthäterin hätte schuldig machen sollen."

Der Stadtverordnete lächelte ingrimmig

- 486 -

und schüttelte mit einer ungläubigen Geberde den Kopf.

Wenn der Bursche nichts Besseres zu seiner Entlastung geltend machen kann, als das, so wird er wohl seine Tage im Zuchthause be­schließen müssen." meinte er.Sie sind gewiß ein ausgezeichneter Arzt. Herr Doktor, aber zu einem Richter scheinen Sie doch nur wenig An­lage zu besitzen.

Ich bitte, meine eigene Person gefälligst aus dem Spiel zu lassen, Herr Hofferichter, wenn ich mich mit Ihnen noch weiter über einen Gegenstand unterhalten soll, der doch wohl auch für Sie Interesse genug haben muß. Als ich die Einzelheiten jenes schauerlichen Ereig- niffes vernahm und zu meinem innigsten Be­dauern sehen mußte, mit welcher Beharrlichkeit die Polizei rhre Recherchen nur nach dieser ein­zigen Seite hin richtete, da bin auch ich nicht unthätig geblieben und Alles, was ich bisher ermitteln konnte, hat mich nur in meinen Glauben an Bernhard von Römer's Unschuld bestärkt. Seine Lebensweise war nach dem übereinstimmen- den Zeugnis seiner Bekannten eine geradezu musterhafte; seine Verhältnisse waren trotz der bescheidenen Höhe seines Einkommens wohl ge­regelt. Er hatte nicht einen Pfennig Schulden, sondern er war im Gegenteil stets in der Lage, seine Freunde aus ihren kleinen Verlegenheiten zu befreien. Cr war ein zuverlässiger, fleißiger und tüchtiger Arbeiter, wie seine Vorgesetzten mit dem Ausdruck des wärmsten Lobes bekunden und er hing mit der zärtlichsten Verehrung an der alten Dame, die ihm in jeder Beziehung eine zweite Mutter geworden war.

Und ein solcher Mensch, der durch seine Erziehung und Bildung sehr wohl in den Stand gesetzt war, die Tragweite seiner Handlungen vollkommen zu übersehen ein Mensch von nahezu weiblich zartem Charakter, dem nichts anderes so sehr verhaßt war, als Gemeinheit und Brutalität ein solcher Mensch, sage ich, sollte plötzlich zu einem vertierten Raub­mörder der abscheulichsten Art geworden sein?

- Er sollte es über sich gewonnen haben, mit der nämlichen Hand, welche das Blut seiner Wohlthäterin vergossen, die Geliebte zu berühren?

- Nein, Herr Hofferichter, wie viel Schänd­lichkeit und Tücke auch immer in der Welt zu finden sein mag. an solche Verworfenheit werde ich niemals glauben, und ich hoffe im Interesse der Gerechtigkeit, daß der Tag nicht mehr fern sein wird, an welchem es gelingt, die Ehre dieses beklagenswerten Jünglings wieder herzustellen und den wahren Thäter zu entdecken."

Der ehemalige Schlächtermeister war kaum jemals in seinem Leben über irgend etwas so verblüfft gewesen, als über die warme Ver­teidigung. welche der Doktor einem Menschen zu Teil werden ließ, den er doch als seinen bittersten Feind hätte verabscheuen müssen. Aber die Argumente Hartwig's hatten ihn nicht im Mindesten überzeugt, und er machte daraus durchaus kein Hehl. Daher erging er sich auf's Neue in den heftigsten Schmähungen gegen seine unglückliche todkranke Tochter, so daß die Lang­mut des Doktors nun wirklich erschöpft war. Er erklärte dem Stadtverordneten noch einmal, daß es viel weniger Else's Handlungsweise als seine eigene sei, welche eine solche Beurteilung verdiene, und entfernte sich dann, ohne eine weitere Erwiderung des aufs höchste erzürnten Mannes abzuwarten.

Wenn Hofferichter erwartet hatte, in dem Doktor einen Leidensgefährten zu finden, der seinen wilden Ingrimm mit ihm teilen müsse und gegen den er seinen ohnmächtigen Aerger in rückhaltloser Weise Luft machen könnte, so sah er sich darin durch diese Unterredung auf eine ganz unerwartete Weise getäuscht, und noch lange nach Hartwig's Entfernung hielt er allerlei halblaute Selbstgespräche über die unbegreifliche Dummheit und thörichte Weichmütigkeit eines Menschen, der sich für sehr gelehrt und weise und edel hielt.

(Fortsetzung folgt.)

Berlin. 19. Juli. Ein heiterer Zwischen­fall ereignete sich in einer öffentlichen Versamm­

lung , die vor einigen Tagen in einem der größeren Etablissements des Zentrums von Berlin stattfand. Während die Versammlung tagte, wurde in dem benachbarten, nur durch eine dünne Wand getrennten kleineren Saale eine Verlobung festlich begangen. Der Referent der Versammlung wollte seinen Vortrag, der die schlechten Arbeitsverhältnisse in einer Fabrik kritisierte, schließen; er sagte soeben:Die An­wesenden stimmen sicher mit mir überein, wenn ich zum Schluß mein Urteil über diesen Unter­nehmer in folgendem Ausspruch zusammenfasse, da tönte es hinter der dünnen Bretterwand hervor:Hoch soll er leben!"

sNur aus Not.) Hauswirt (seinen Mieter beim Mittagessen überraschend):Ah! Hasen­braten und Rehziemer? Die Miete wollen Sie nicht zahlen, aber für Wild können Sie Geld rauswersen!" Mieter:Ach, lieber Herr, Sie irren sich. Der Metzger borgt mir nichts mehr, da bin ich halt zum Wildbretthändler gegangen der kennt mich noch nicht!"

(Beim Photographen.) Herr Filzinger: Was werd ich für die Bilder bezahlen müssen?" Photograph:Das werde ich Ihnen lieber später sagen. Jetzt müssen Sie ein freundliches Gesicht machen."

Telegramme.

Hernösand, 21. Juli. Der Kaiser hielt heute vormittag an Bord der JachtHohen- zollern" einen Gottesdienst ab.

Wien. 21. Juli. Bei der Katastrophe in Brüx ist kein Verlust an Menschenleben vor­gekommen. Der entstandene Schaden wird von verschiedenen Blättern auf 1'/, Mill. Gulden geschätzt. Heute sind zwei weitere Häuser ver­sunken.

Sofia, 21. Juli. Infolge des Zwischen­falles am Orte des Attentats berührte der gestrige Leichenzug Stambulows das Regent­schaftspalais, wo Reden gehalten werden sollten, nicht, sondern fuhr direkt zur Kirche, welche überfüllt war. Die Straßen vom Trauerhaus bis zum Friedhof waren von einer ungeheuren Menge Neugierigen besetzt. Nach Einsegnung des Sarges ertönte hinter der Polizei ein Ge­schrei; die Polizei stellte aber alsbald die Ruhe wieder her. Nunmehr ertönten von der anderen Seite des Friedhofes Freudenrufe und Musik, weshalb die Polizei sich sofort dorthin begab. Sozialisten und andere Gegner Stambulows feierten dort dessen Tod. Nach einer gegen das Andenken Stambulows gerichteten leidenschaft­lichen Rede folgte die Zeremonie der Einsegnung der Gräber der unter Stambulows Regierung Hingerichteten. Es wurden noch mehrere Reden gehalten. Bei der Rückkehr veranstalteten die Gegner Stambulows eine Kundgebung vor dem französischen Konsulat; sie wollten den Fran­zosen und namentlich der französischen Presse für die Haltung anläßlich des Todes Stam­bulows danken. Die Menge wurde aber von der Polizei auseinandergesprengt. (Der oben erwähnte Zwischenfall am Attentatsorte bestand in folgendem: Nach dem Gebete hielt Petkow eine Ansprache, in welcher er sagte:Hier fiel der beste Mann, der so viel für das Vaterland gethan, unter den Streichen bezahlter Mörder." Jemand aus der Menge rief:Du lügst". Ein schrecklicher Wirrwarr erfolgte. Die Kinder warfen erschreckt die Kränze weg. Der ganze Zug stürzte zum Bürgersteig hin, wobei mehrere Personen umgerannt wurden. Die Polizei stellte die Ruhe wieder her.)

Sofi a , 22. Juli. Die Untersuchung wegen Ermordung Stambulows wird eifrig fortgesetzt; es bestätigt sich nicht, daß Georgiew die That gestanden hat. Die Beweise gegen Alew, welchen Stambulow als den Hauptatten­täter bezeichnte, ziehen sich immer enger zusammen.

Madrid, 22. Juli. Die Abfertigung von Verstärkungen nach der aufständischen Insel Cuba wird rasch gefördert. Mitte August gehen allein 20 000 Mann Infanterie, 1250 Mann Kavallerie, 1020 Mann Artillerre ab.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.