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76. Jahrgang,
Kalw.
^'scheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. ) Die EinrückungSgebuhr beträgt im Bezirk und in nächster ' Umgebung S Pfg. die Zeile, weiter entfernt 12 Pfg.
Samstag, öen 27. Juli 1901.
Vierteljährlicher Abonnementspreis in der Stadt ML. 1.10 i ins Haus gebracht, ML. 1. 15 durch die Post bezogen im Bezirk; ^ außer Bezirk ML. H 35.
Tagesneuigkeiten.
Wildbad, 24. Juli. Prinz Hermann zu Sachsen-Weimar ist nach dreiwöchigem Kuraufenthalt wieder von hier abgercist und hat sich über den reizenden Aufenthalt, das liebenswürdige Entgegenkommen aller Behörden und der ganzen Einwohnerschaft, besonders aber auch über den ausgezeichneten Heilerfolg aufs Anerkennendste geäußert. Die Zahl der Gäste wächst stetig, und das siebente Tausend ist schon erreicht. Mehr als 1200 Thermalbäder werden täglich abgegeben, ungerechnet die Dampfbäder im König- Karl-Bad.
Altensteig, 24. Juli. Heute verließ nach 32jähriger Amtsthätigkeit Schullehrer Kim merle in unserem Nachbarort Spielberg als Pensionär seine Stelle, um in Ealw im Ruhestand zu leben. Die Gemeinde bereitete ihm einen ehrenden Abschied, wobei ihm Pfr. Heinrich im Auftrag der Gemeinde einen von derselben gestifteten Ruhesessel überreichte.
Stuttgart, 23. Juli. Für die eintägige Württ. Landes Hundeausstellung, die am nächsten Sonntag in der Gewcrbehalle stalt- findet, sind die Anmeldungen so zahlreich eingelaufen, daß auf eine Gesamtzahl von 400 Ausstellungsnummern gerechnet werden darf. An Reichhaltigkeit dürfte, da alle Rassen vertreten sind, diese Ausstellung den vorangegangenen in keiner Weise nach- stchen. Bis jetzt sind 90 Ehrenpreise vorgesehen, außerdem kommen bei 8 Nennungen ansehnliche Geldpreise zur Verteilung, neben den den übrigen silbervergoldeten Medaillen.
Tübingen, 24. Juli. Eine großartige, imposante Ovation in Form eines Fackelzugs brachte gestern abend die gesamte Studentenschaft dem Ende dieses Semesters in den Ruhestand tretenden Nestor des akademischen Lehrkörpers, Professor Tr. p. See
g e r. Um 9 Uhr bewegte sich der endlose Zug unter Vorantritt der Regimentskapelle von der Aula aus durch die Wilhelms- und Mühlstraße über die Neckarbrücke in die Karlstraße, wo die Studentenschaft vor der Wohnung des zu Ehrenden Aufstellung nahm. Nach einer kurzen Ansprache seitens der Chargierten der „Germania", dankte Professor v. Seeger für die ihm zu teil gewordene Ehrung, worauf der Zug sich auf den alten Exerzierplatz begab, woselbst die Fackeln zusammengewürfelt wurden.
Vom unteren Remsthal, 24. Juli. Vor Ist- Jahren wurde, um dem hochgelegenen, immer mehr zum Luftkurort sich gestaltenden Buoch von Grunbach aus einen auch für Gefährte benützbaren Verkehrsweg zu schaffen, der Bau einer Zufahrtsstraße in Angriff genommen. Dieselbe ist nun vor etlichen Tagen von der amtlichen Kommission übernommen und dem Verkehr übergeben worden. — Ter Stand der Reben ist bis jetzt recht günstig und die Entwicklung der zahlreichen Trauben erfreulich, das Laub zeigt Dank der zeitigen und umsichtigen Bespritzung ein gesundes Wachstum. - In dieser Woche, bezw. Anfang nächster Woche wird die Getreideernte beginnen. Vielfach ist man gegenwärtig mit dem Pflücken der Johannis- und Stachelbeeren beschäftigt, es wird in Anbetracht des Obstausfalls viel Beerenwein bereitet. (St.-Anz.)
Tettnang, 24. Juli. Zunehmender Schwarzbrand in den Hopfcnanlagen, massenhaft auftretendes Ungeziefer, in einigen Gärten auch Kupferbrand, vermindern Heuer, was Ertrag anbelangt, die Ernte. In einigen Gärten hat man bereits mit der Pflücke der Frühhopfen begonnen; die Hanpternte derselben ist jedoch nicht vor anfangs August in Aussicht zu nehmen. Die ersten Postkolli mit Frühhopfen wurden bereits abgesandt.
— Eine bodenlos gemeine That wurde in Hechingen verübt. Dieser Tage nämlich
wurde in die chirurgische Klinik in Tübingeu ein fünfjähriger Knabe aus Hechingen gebracht, der von Zigeunern mit einem Gewehr, das mit Steinen geladen war, durch die Lenden geschossen wurde. Die Steinchen hatten den Körper durchschlagen. Das Kind starb gestern mittag an den Verletzungen. — Ein Rencontre mit einem Wilderer hatte Samstag abend ein Jagdpächter auf seinem Revier Rückhau bei Scheer (O A. Saulgau). Auf seinen Zuruf „Gewehr ab!" legte der Wilddieb, der mit zwei Treibern und einem Hund jagte, an. Der Jagdpächter Kramer kam aber im Schüsse zuvor, worauf alle drei Gesellen sich flüchteten. Durch Landjäger Meckert in Mengen konnte am andern Morgen der Wilderer verhaftet werden. Es ist ein gebürtiger Schweizer namens Lehmann, der seit längerer Zeit als Schweißer im Hüttenwerk Laucher- thal beschäftigt war. Seine erhaltenen Schußwunden, welche er auf Brandwunden vom Geschäft herrührend zurückführen wollte, sind nicht lebensgefährlich.
Ludwigshafeu a. Rh., 24. Juli. Zur Entdecküikg einer Falschmünzer-Werkstätte führte die Verhaftung des Schlossers Franz Huber von Kaiserslautern, der bei der Ausgabe von falschen Zweimarkstücken abgefaßt wurde. Sein Domizil ist Mannheim. Zahlreiche Zwei- und Dreimarkstücke sowie allerlei Formen, Stanzen und Legierungen wurden in seiner Wohnung vorgefunden.
Bonn a. Rh., 24. Juli. Auf dem Rhein unterhalb Nieder-Dollendorf schlug gestern Abend gegen 8 Uhr ein Boot mit vier Insassen um. Drei derselben, der Stud. jur. Karl Röutz aus Poppelsdorf und zwei unbekannte Damen ertranken. Der vierte Insasse rettete sich durch Anklammern an das umgekippte Boot. Röntz, welcher guter Schwimmer war, wurde von den ertrinkenden Damen mit in die Tiefe gerissen.
'Nachdruck verboten.
Dem Leben zurückgegeben.
Roman von L. Ernst.
(Fortsetzung.)
„Frauenlogik," unterbrach er sie.
„Nicht durch Sie," fuhr sie fort, „noch durch irgend einen anderen Menschen werde ich mich in meinem Benehmen gegen Doktor Brandt beeinflussen lasten. Ich habe allen Grund, ihn zu schätzen; denn was er ist, läßt sich weder auf adelige Geburt, noch auf ererbte Schätze, noch auf Familienwohlthätigkeit zurückführen. Er verdank: cs der eigenen Kraft."
Nordau wurde sehr ernst. „Vergessen Sie, was ich gesagt habe! Es soll nie wieder etwas Aehnliches Vorkommen. Selbstverständlich hätte ich dies Gespräch nie begannen, wenn ich geahnt hätte, wie Sie für den Doktor fühlen."
Sie waren jetzt bei der Stelle angelangt, wo zwei Wege sich trennten, die zum Gasthause in Neudorf führen — der eine, eine bequeme Fahrstraße, der andere ein steiler Bergpfad. Frau von Els war im Begriff, den letzteren einzuschlagen.
„Bitte, lasten Sie uns die bequemere Straße wählen," sagte Nordau. „Ihre Unruhe hat sich ihrem Pferde mitgeteilt und der Weg oben ist nicht ohne Gefahr."
„Sie brauchen mich nicht zu begleiten," antwortete sie kurz und jagte auf dem schmalen Wege am Rande der Tiefe vorwärts.
Er^ folgte ihr. „Nehmen Sie Vernunft an," rief er. Aber sie stürmte weiter. Schon laa die gefährliche Stelle hinter ihnen und der Gasthof — von der Lktobersonne freundlich beschienen — wurde sichtbar Da riß plötzlich dem verstörten Rappen bei einem neuen Hiebe mit der Reitgerte die Geduld, und er jagte in so rasender Schnelligkeit vorwärts, daß die unbesonnene Reiterin in augenscheinliche ^Gefahr kam. Graf Nordau hatte sie im nächsten Augenblick ein- geholt und griff dem Pferde in die Zügel. Diese heftige Bewegung erschreckte sein eigenes Tier. Es machte einen gewaltigen Satz und warf ihn in dem Augen
blick, wo seine ganze Aufmerksamkeit sich auf seine Gefährtin konzentrierte, zu Boden. Als Frau von Els ihren Retter auf der Erde liegen sah, kam sie erst zur Besinnung dessen, was sie angerichtet. Sein Pferd jagte in großen sicheren Sätzen den Berg hinab, der Landstraße zu, während das ihre, an allen Gliedern zitternd, schnaufend dastand, wie wenn es noch die starke Hand fühlte, die es gebändigt hatte. Im ersten Augenblick war Frau von Els vor Schreck stumm; dann aber, da sie sah, daß der Graf, der vor ihr auf dem Weg lag, sich nicht erhob, fragte sie angstvoll: „Was ist Ihnen? Haben Sie sich wehe gethan?"
„Ja," erwiderte er.
Sie sprang vom Pferde, um ihm aufzuhelfen. Aber beim Versuche, sich zu erheben, wurde er totenbleich und sag'e leise:
„Ich glaube, mein Knie ist gebrochen; es schmerzt mich heftig."
Von Gewissensbissen gequält, stand sie in ratloser Verzweiflung da und rang die Hände. Was fangen wir an?"
„Bitte, möchten Sie ins Wirtshaus hinunterreiten und Hilfe holen?" bat er mit der ihm eigenen Ruhe.
„Ich kann Sie doch hier nicht allein lassen," sagte sie weinend.
„Es ist das einzige, was geschehen kann. Ich liege^ hier sehr unbequem.
Vielleicht können Sie mir vorher helfen, eine andere Stellung einzunehmen. Die Sache ist hoffentlich nicht so schlimm, wie sie diesen Anblick scheint. Beruhigen Sie sich!"
Unverhofft kam schnelle Hilfe. Man hatte vom Fenster des Wirtshauses aus die beiden auf der Bergesspitze gesehen, dann das Pferd ohne Reiter und hatte daraus den Schluß gezogen, daß ein Unfall sich ereignet habe. Mehrere Herren aus der Gesellschaft kamen den Berg herauf, unter ihnen Baron Perger, der beim Anblick seines Neffen von einem tödlichen Schreck getroffen wurde. Es mußte vor allen Dingen eine Tragbahre herbeigeschafft und der Verunglückte ins Wirtshaus gebracht werden, wobei er große Schmerzen litt. Man bettete ihn auf dem einzigen Sofa in der Prunkstube des Hauses. Frau von Els kniete neben dem Grafen nieder, küßte seine Hände und bat ihn. ihr zu verzeihen. Der Wirt schickte einen Boten zum Arzt nach R . .. n, und trat dann ins Zimmer um sich den Kranken anzusehcn.
(Fortsetzung folgt.)