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amt des neunten Arrondissements eine Versamm- lung von Vertrauensmännern der verschiedenen Berufsarten statt, welche zeitweilige Unterstütz­ung von der Gesellschaft verlangen. Diese hat schon für die drei verwundeten Feuerwehrleute 2000 Franken gespendet. Einer derselben wird schwerlich aufkommen. Die Blätter sammeln Gaben für die Brandbeschädigten und Arbeits­losen; der Minister des Innern und Rothschild sandten je 2000 Franken, Frau Furtado-Heine 8000 Franken.

Tabor, 3. Juli. Heute früh erfolgte in der Nähe des hiesigen Bahnhofes ein Zusammen­stoß der nach Pisek und Prag verkehrenden Per­sonenzüge. Vier Insassen wurden schwer, neun leicht verletzt.

Unterhaltender Heil.

Ein Brillantenhalsband.

Kriminal-Novelle von Ferdinand Herrmann.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

An dem nämlichen Tage, an welchem diese Dinge in der Hafenstadt geschehen, lasen die entsetzten Bewohner der Provinzialhauptstadt M. in den Abendzeitungen eine sensationelle Neuig­keit, welche im Wesentlichen folgenden Inhalt hatte:

Ein grauenhaftes Verbrechen, daß sich aller Wahrscheinlichkeit nach schon vor einigen Tagen in den Mauern unserer Stadt zugetragen, ist im Laufe des heutigen Vormittags entdeckt und zur Kenntnis der Behörde gebracht worden. Nicht nur um des beklagenswerten Opfers willen, das von der furchtbaren Thal betroffen worden ist» sondern noch mehr wegen der Person des mutmaßlichen Thäters ist das blutige Ereignis ganz darnach angethan, ebensosehr das tiefste Mitgefühl als den heftigsten Abscheu in der Brust unserer Mitbürger wachzurufen. Der Thatbestand aber ist, so weit er bis jetzt er­mittelt werden konnte, in Kürze folgender:

In einem kleinen, einstöckigen, ganz isoliert liegenden Häuschen der P.'er Vorstadt wohnte seit einer Reihe von Jahren Fräulein Friederike von Römer, eine ältere, ziemlich gebrechliche Dame, die in der ganzen Stadtgegend fast Jeder­mann gekannt und mit Recht hoch geachtet wurde. Sie stammt aus einer vornehmen und ehedem sehr begüterten Familie, welche indessen durch viele harte Schicksalsschläge um ihr ganzes Ver­mögen gekommen war, so daß dem alten Fräulein zur Frist ihres Daseins nur eine Pension dienen mußte, welche ihr die Frau Großherzogin von B.» bei welcher ihre Mutter einst Hofdame ge- wesen, ausgewirkt hatte. Trotzdem diese Ein­künfte des Fräulein von Römer, wie man sich wohl denken kann, nur eine bescheidene Höhe hatten , war die alte Dame doch so gutherzig und für ihre eigene Person von einer so weit­gehenden Bedürfnislosigkeit, daß sie nicht nur genug erübrigte, um ganz in der Stille zahl­reiche Wohlthaten üben zu können, sondern daß sie auch einem verwaisten Neffen, Bernhard von Römer, an Kindesstatt zu sich nehmen und ihm eine vortreffliche Erziehung zu Teil werden lassen konnte. Der junge Mann, welcher jetzt vierundzwanzig Jahre alt ist, hatte seine Uni­versitäts-Studien indessen sehr bald abgebrochen, angeblich weil es seinem Ehrgefühl widerstrebte, der armen Tante noch länger zur Last zu fallen, in Wahrheit aber wohl nur, weil ihm die strenge wissenschaftliche Arbeit nicht mehr behagte und weil er sich nach bequemen Gelderwerb und zügelloser Freiheit sehnre. Er war in ein Bank­geschäft eingelreten, wo man ihm im Ganzen das Zeugnis eines tüchtigen und gewissenhaften Menschen gicbt, und wo er ein für seine Jahre ganz ansehnliches Gehalt bezog. Sein Verhält­nis zu der Tante soll nach den Aussagen einiger Personen, welche mit der letzteren in nähere Be­rührung kamen, bis in die letzte Zeit hinein ein ganz gutes gewesen sein und niemand hätte je­mals auf die Vermutung kommen können, daß der junge Mann eines unmenschlichen Verbrechens gegen die alte Dame, der er so unendlich viel Dank schuldig war, fähig sein könne. Vor drei Tagen aber machte die Frau des Goldarbeiters

Rüdiger, welche dem Fräulein v. Römer gegen­über wohnt und welche von ihr gelegentlich für die Besorgung kleiner Dienstleistungen in An­spruch genommen wurde, die Wahrnehmung, daß der ihr wohlbekannte Bernhard Römer in vorgerückter Nachmittagsstunde, also zu einer Zeit, während welcher er sonst noch im Komptoir zu sein pflegte, in sehr aufgeregtem Zustande und mit allen Anzeichen hochgradiger Verstört­heit in das Haus seiner Tante trat und in dem­selben länger als eine Stunde verweilte. Sie teilte diese befremdliche Beobachtung sogleich ihrem Manne mit, und von ihrer Wohnung aus. welche einen bequemen Einblick in die Fenster des Römer'schen Vorderzimmers gestattet, be­merkten nun beide, daß zwischen Bernhard und seiner Tante eine offenbar sehr erregte und keinenfalls freundschaftliche Unterhaltung geführt wurde, deren Wortlaut sie selbstverständlich über die Straße hinweg nicht vernehmen konnten. Ader sie sahen, daß der junge Mann sehr leb­haft gestikulierte und daß die alte Dame wieder­holt von ihm zurückwich, als wenn er eine Droh- ung ausgestoßen hätte, und als wenn sie sich vor ihm fürchte. Nach einer Weile gingen dann Tante und Nrffe in eines der Hinteren Gemächer, wo sie von der Rüdigcr'scher Wohnung aus nicht mehr beobachtet werden konnten. Selbst­verständlich ahnte das Ehepaar noch nichts von einem Verbrechen, das sich drüben in dem kleinen Häuschen vollziehen könnte, aber die Frau Rüdiger machte sich doch, wie sie heute unserem Berichterstatter angab, gleich ihre eigenen Ge­danken, und behielt die gegenüberliegende Thür im Auge, um den jungen Herrn von Römer zu beobachten, wenn er das Haus verließe. Nach Ablauf einer Stunde trat er denn auch auf die Straße heraus, aber sichtlich in noch schlimmerer Verfassung als bei seinem Kommen. Sein Ge­sicht war todenbleich, seine Züge verstört und das Haar, welches er sonst sehr sorgfältig zu frisieren pflegte, hing ihm wirr in die Stirn. In der Hand aber trug er ein anderes Päckchen, welches er, wie die Frau bestimmt anzugeben vermag, vorher nicht mit sich geführt. Er lief eilends die Straße hinunter, jedem Menschen, der ihm begegnete, in einem weilen Bogen aus­weichend und sich wiederholt umsehend, als fürchte er, verfolgt zu werden. Schließlich war es der Frau noch aufgefallen, daß Fräulein v. Römer, welche sonst sehr viel auf ihren schmucken Nissen hielt, diesmal nicht, ihrer sonst stets geübten Gewohnheit gemäs, an das Fenster gekommen war, um ihm nachzublicken, und das Ehepaar Rüdiger halte aus alledem den Schluß gezogen, daß ein sehr heftiger Streit zwischen den beiden Personen stattgefunden haben müsse. Während der beiden folgenden Tagen hatten sie nichts mehr von dem alten Fräulein wahrgenommen und Frau Rüdiger, welche täglich hinüderzu- gehen pflegte, um sich nach etwaigen Wünschen und Bedürfnissen der Dame zu erkundigen, hatte auf ihr Klopfen überhaupt keine Antwort er­halten, so daß sie jedesmal in den Glauben ver­setzt wurde, Fräulein v. Römer sei bereits aus­gegangen. Als sich diese Erscheinung aber auch am dritten Tage, also heute, wiederholte, war die Besorgnis der Frau, daß der gebrechlichen Dame etwas zugestoßen sein könnte, zu groß gewesen. um sie noch länger unthätig bleiben zu lassen, und sie erstattete bei der Revierpolizei eine Anzeige von ihren Beobachtungen. Einige Beamte begaben, sich in Begleitung der Frau an Oct und Stelle; das Drückerschloß, welches die Thür absperrte, wurde durch einen Schlosser ge­öffnet und man begann, die Wohnung nach der Vermißten zu durchsuchen. Es bedurfte keiner langen Nachforschungen, um sie zu finden. Auf der Schwelle ihres Schlafgcmaches lag die Leiche der alten Dame, die, wie ein einziger Blick dar- that, das bejammernswerte Opfer eines bestia­lischen Verbrechens geworden war. Eine Ver­letzung an der Schläfe, die offenbar von einem wuchtigen Schlage mit einem stumpfen Instrument herrührte, mochte sie zunächst betäubt und zu Boden gestreckt haben, aber er hatte ihren Tod jedenfalls noch nicht sicher genug herbeigeführt, denn der Mörder halte eine aus einer starken seidenen Gardinenschnur gebildete Schlinge um

ihren Hals geworfen und sie mittelst derselben erdrosselt. Welchen Zweck er bei seiner Schand- that im Auge gehabt, zeigte schon eine ober- flächliche Untersuchung der Zimmer zur Genüge. Die Thüren der Schränke und die Schubladen der Kommoden waren sämtlich geöffnet, zum Teil unter unverkennbarer Anwendung von Ge­walt. Der Inhalt der Möbel war durchwühlt und durcheinander geworfen, so daß sich den Beamten schon bei der ersten Inspektion die Meinung aufdrängte, daß der Verbrecher wohl nach einem ganz bestimmten Gegenstand gesucht habe. Diese Annahme fand ihre Bestätigung durch die weiteren Angaben der Frau Rüdiger, die durch ihren langjährigen Verkehr mit der jetzt Ermordeten auf das Genaueste über alle ihre Verhältnisse unterrichtet war. Sie depo­nierte nämlich, daß Fräulein von Römer Er- sparnisse in barem Gelde oder begehrenswürdige Wertodjekte bei ihrem geringen Einkommen und ihrem ausgeprägten Wohllhätigkeitssinn unmög. lich besessen habe könne, mit alleiniger Aus­nahme eines allerdings sehr kostbaren Brillanten- Halsbands, welches sie als ein teures Vermächt­nis mit ängstlicher Sorgfalt behütete und welches nach ihrer eigenen Behauptung einen Wert von mindestens zehntausend Thalern gehabt haben sollte. Aus dem Besitz dieses Kleinods aber hatte sie aus Furcht vor Diebstahl stets ein strenges Geheimnis gemacht, und Frau Rüdiger ist aufs Bestimmteste der Ansicht, daß außer ihr und dem jungen Bernhard v. Römer kaum irgend Jemand etwas von dem Vorhandensein des Kolliers gewußt haben könne. Dieser Schmuck- gegcnstand ist nun trotz der von der Gerichls- kommisiion angestellten stundenlangen eifrigen Nachsuchungen nicht gefunden worden, und es unterliegt keinem Zweifel, daß er die Beute des Mörders geworden ist. Als das Ehepaar Rüdiger nach einigem leicht begreiflichen Zögern den Gerichtsbeamten seine Wahrnehmungen be­züglich des letzten Besuchs des jungen Herrn v. Römer erzählt hatte, wurden sofort Anstalten getroffen, den jungen Mann zur Stelle zu schaffen, aber es stellte sich heraus, daß er seil jenem Nachmittage, wo er sich wegen eines angeblichen Unwohlseins entfernt, das Komptoir des Bank­geschäfts nicht mehr betreten hatte und daß er seil jener Zeit auch in seiner Wohnung nicht mehr sichtbar geworden war. «seiner Wirtin halte er mitgeteill, daß er eine dringende ge­schäftliche Reise unternehmen müsse und ihr so­wohl wie seinen Kollegen in dem Bankhause war sein merklich aufgeregtes und verstörtes Wesen auffällig erschienen.

(Fortsetzung folgt.)

(Vorsichtig.)Denk' Dir nur, Süfferl, gestern hat mir geträumt, Du hättest fünfhundert Mark geerbt!"Da werde ich Dich auch be­denken. alter Freund!"Aber, daß Du mir keine Schulden auf den Traum macht!"

sFeste Preise.) Sonntagsjäger (zum Treiber, dem er sein Ohr abgeschossen):Was habe ich Schmerzensgeld zu zahlen?" Treiber:Für a' abg'schossenes Ohr hab'n mir die Herrschaften bisher immer dreißig Mark 'zahlt!"

sUebles Befinden.)Na, was macht denn Ihr Mann?Was ich will."

Telegramme.

Kiel, 5. Juli. Die Kaiserin ist nach Potsdam abgereist und der Kaiser auf der Hohenzollern nach Stockholm in See gegangen.

Hannover, 5. Juli. Gestern nachmittag stürzte die Leinebrücke bei der Schwanenburg ein; ein Knabe wurde getötet.

London, 5. Juli. Die hier ausgegebene chinesische Anleihe von 1 Million Mark wurde zehnfach gezeichnet.

Belgrad, 5. Juli. Die Demission des Kabinets Ristics wurde angenommen. Der König betraute Simitsch mit der Bildung des Coalitionskabinels. Das event. Kabinet soll bereits morgen zusammentreten, die Skruptschina auflösen, die Vorlage über die Karlsbader Finanzabmachung zurücknehmen und die Neu­wahlen für die Skuptschina behufs Verfassungs- Revision anordnen.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.