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dem, meine geliebte Else, habe ich mich bitter getäuscht, und ich würde mich eines neuen schweren Unrechts gegen Dich schuldig machen, wenn ich Dir jetzt noch etwas verheimlichen oder über den traurigen Ernst unserer Lage hinwegtäuschen wollte. So wenig, als ich vor drei Tagen den Diebstahl der Handtasche anzcigen durfte, wenn ich uns nicht selbst verraten wollte, so wenig konnte ich es wagen, hier mit dem wertvollen Schmuck offen zu Tage zu treten. Ich will Dich nicht betrüben mit einer ausführlichen Schilder­ung der Leiden, die ich an diesem Nachmittag auszustehen hatte, wo es sich unserer zwingenden Notlage und Deiner Krankheit wegen für mich darum handelte, Geld zu erlangen um jeden Preis. Genug, daß man überall eine Legitima­tion von mir verlangte, die ich nicht vorweisen konnte, daß man keiner meiner einfachen Ver­sicherungen Glauben schenken wollte, und daß man mir mehr als einmal fast in's Gesicht hin- ein sagte, ich sei ein Dieb und ein Betrüger!"

Else begann wieder leise vor sich hin zu weinen; aber er lehnte ihr Köpfchen an seine Schulter und fuhr mit weicher Bittte fort:

Weine nicht, mein geliebtes Leben, denn das Alles ist jetzt überstanden, und ich würde cs mit Freuden auf mich genommen haben, ohne Dich ;e durch eine Erzählung davon zu betrüben, wenn ich wenigstens die Gewißheit erlangt hätte, daß Deine Zukunft gesichert sei Aber das ist leider nicht der Fall. Ich habe den Schmuck nicht verpfänden können, und habe mich schließ­lich. weil ich nicht mit leeren Händen zurück­kommen durfte, gezwungen gesehen, ihn für eine unverhältnismäßig kleine Summe zu veräußern. Dieser Betrag macht jetzt unser» ganzen Reich­tum aus, und er wird kaum ausreichend sein, uns die Flucht über den Ozean zu ermöglichen. Selbst im allergünstigsten Falle kann er uns kaum über die Bedürfnisse der ersten Wochen in dem fremden Lande hinweghelfen; und wenn der letzte Thaler dahin ist, besitze ich nichts mehr, als meine beiden Arme, um Dein und mein Dasein weiter zu fristen. Das würde hier viel­leicht genügen, aber ich weiß sehr wohl, daß fast in allen überseeischen Ländern eine Ueber- fülle von Arbeitskräften vorhanden ist und daß selbst beim redlichsten Willen für den neuen An­kömmling oft Monate vergehen können, ehe er in der Lage ist. sich kümmerlich sein Brod zu verdienen. Würde ich mich nun nicht eines Verbrechens schuldig machen, wenn ich Dich, meine teure Else, allen Schrecknissen einer so ungewissen Lage aussetzen, Dich vielleicht dem gewissen Elend entgegenführen wollte? Nein, mein Lieb, das darf nicht geschehen, wenn ich mich nicht selbst als einen Nichtswürdigen und Erbärmlichen verwünschen soll, und wenn mir auch das Herz dabei blutet, wenn ich auch in dieser Stunde noch nicht weiß, wie ich mein Leben ohne Dich ertragen soll, so ist es doch meine Pflicht, Dir den Vorschlag einer Rückkehr zu Deinem Vater und einer Einwilligung in seine Absichten zu machen."

Er hatte die letzten Worte nur noch mit furchtbarer Anstrengung Hervorbringen können, und seine Stimme versagte ihm. als würde sie von Thränen erstickt. Das junge Mädchen aber sah ihn mit weit geöffneten, entsetzten Augen an, wie Jemand, der aus einem fürchterlichen Traume emporsährt und noch nicht weiß, ob es Wirklichkeit oder nur ein Wahngebilde seiner Phantasie gewesen, das ihn mit Schauern des Schreckens erfüllt hat.

Wie? Du wolltest mich aufgeben?" flüsterte sie endlich mit tonloser Stimme,Du wolltest mich verstoßen? Und womit habe ich eine so schreckliche Strafe verdient?"

Sie zitterte am ganzen Körper vor Schmerz und mühsam unterdrückter Aufregung. Aber er glaubte dem Gebot seiner Pflicht treu bleiben zu müssen, und mit einer Selbstüberwindung, die ihm Anspruch darauf gegeben hätte, sich einen Helden zu nennen, wiederholte er noch einmal alle die grausamen Beweggründe, die jenen Vorschlag nach unbegreiflichen Kämpfen in seinem Herzen hatte reifen lassen. Als er abermals innehielt, weil ihm die Stimme ver­sagte und weil er Alles erschöpft hatte, was er

vorzubringen wußte, da richtete sich Else zu der ganzen Höhe ihrer schlanken Gestalt empor und sagte, indem sie ihre Hände wie zum Schwur gegen die niedrige Decke des Zimmers erhob:

Ich aber gelobe bei Gott dem Allmäch­tigen und Allgütigen, daß ich niemals aus freien Stücken in das Haus meines Vaters zurückkehren werde, und daß ich. wenn ich Deine Liebe wirk­lich verloren habe, wie ich es nach einem solchen Vorschlag wohl fürchten muß, lieber sterben werde, ehe ich mich dieses Auswegs bediene. Wenn Du mich aber Deiner Liebe noch für würdig hältst und wenn es in Wahrheit nur die Sorge um mich gewesen ist, welche Deine Worte bestimmt hat, so laß Dir ein für alle Mal gesagt sein, daß ich kein köstlicheres Glück und kein beneidenswerteres Schicksal kennen will, als das. Deine Gattin zu werden, und daß es an Deiner Seite für mich weder Elend noch Entbehrung geben wird, so lange ich gewiß bin, daß Du mich liebst!"

Im nächsten Augenblick lag sie an seiner Brust, und die »beiden jungen Menschenkinder, welche da als ein willenloser Spielball des Schicksals in die wildeste Sturmflut des Lebens hineingeschleudert waren, vergaffen alle Ge­fahren der Gegenwart, alle Schrecknisse der Vergangenheit und all das drohende Entsetzen einer hoffnungslosen Zukunft vor der einzigen beseligenden Gewißheit, daß ihre Liebe alle Stürme überdauern würde und daß ihre Herzen durch nichts Anderes auseinander gerissen werden könnten, als durch den Tod.

(Fortsetzung folgt.)

(Salomonische Schlichtung.) Vor dem Schöffengericht Stuttgart war eine Privatklage wegen Körperverletzung verhandelt worden, wobei sich die Parteien sehr schroff gegenüberstanden. Schließlich verlangte der Kläger, daß der Be­schuldigte vergleichsweise 60 für einen von seinem Vertreter, Rechtsanwalt Haußmann zu bestimmenden wohlthätigen Zweck zahle und abbitte. Der Beschuldigte erklärte durch Rechts­anwalt Levi, daß er bereit sei, 50 ^ zu be­zahlen, wollte aber nicht abbitten. Schließlich einigte man sich allerseits dahin: Dem Be­schuldigten wird die Abbitte nachgelassen, er zahlt dafür aber 100 ^ für die Balinger an Rechtsanwalt Haußmann. Dazu gab auch das Gericht seinen Segen. Vivat sognön«.

(Zweitausend Staar-Operationen.) Unter diesem Titel hat Dr. H. Zenker, der Assistenz, arzt des Herzogs Karl Theodor in Bayern, einen interessanten Bericht aus der augenärztlichen Praxis des Prinzen veröffentlicht. Gegenwärtig verweilt der Herzog mit der Frau Herzogin in Meran und widmet dort, wie in früheren Jahren, seine Wissenschaft und Zeit den Leidenden, haupt- sächtlich den ärmeren Klassen, die von weither kommen und alle mit derselben Sorgfalt und Aufopferung behandelt werden. Dabei wird be­kanntlich der Herzog von seiner Gemahlin in gleich bewunderungswürdiger Weise unterstützt, da sie bei den Operationen die wesentlichste Dienste leistet, auch den Aermsten den Kopf hält und ihnen die Augen auswäscht. Die herzogliche Familie wohnt auch dieses Jahr wieder in der Villa Riedl, in welcher im verflossenen Winter der Herzog und die Herzogin von Württemberg residierten.

(Das Submissionswesen.) Nachdem sich erst kürzlich bei einer Verdingung ein großes Elektrizitätswerk um die Lumperei von 150 000 Markverrechnet" und nachträglich von der betreffenden Stadtverwaltung den Betrag gut gebracht haben wollte, erscheint auch der folgende Fall bemerkenswert: Die Kgl. Bauinspektion Dresden II. halte kürzlich den Straßenbau vom Remontedcpot Skassa ausgeschrieben. Der Vor­anschlag der Bauinspektion belief sich auf 14000 Mark. Die Offerten bewegten sich sämtlich, soweit sie von Baumeistern ausgingen, zwischen 8- bis 12 000 und einigen Hundert Mark. Herr W. im Dorfe R. aber, zur Zeit Schachtmeister bei einem der Baumeister in Großenhain, erbot sich, den Chaussierungsbau für 6897 vfL herzu­

stellen, also um über 1000 »IL billiger als das Mindestgebot und knapp halb so teuer als der Voranschlag lautete.

Von einer Erbschleicherei durch Hypnotismus berichten Pariser Blätter. Eine alte Rentnerin, die Witwe Guindraud, hatte in ihrem Testament eine Summe von 300 000 Franken dem magnetischen Ehepaar Jouve vermacht. Die natürlichen Erben der Frau Guindraud griffen die Giltigkeit des Testa­ments an, indem sie behaupteten, die alte Dame sei von den Jouves auf magnetischem Wege hypnotisiert worden. Aber das Zivilgericht von Lyon erklärte das Testament mit folgender Be­gründung für giltig:Die wissenschaftliche Theorie der Hypnose kann auf das Gewissen der Richter verwirrend wirken, aber sie hat noch nicht den wissenschaftlich unanfechtbaren Charakter erhallen, der gestatten würde, dieselbe zur Grund­lage einer richterlichen Entscheidung zu machen." Die Erben haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.

(Die größte Windmühle der Welt) befindet sich in den Vereinigten Staaten auf Lang Is­land. Dieselbe ist ganz von Holz gebaut, 45 Meter hoch und enthält 10 Stockwerke durch die eine sanft ansteigende Treppe führt. Diese Mühle treibt, wie das Berliner Patentbureau Gerson u. Sachse schreibt, eine Saug- u. Druck­pumpe, welche ein auf einem kleinen Hügel be- legenes Wasser-Bassin anfüllt. Letzteres, welches 300000 Liter faßt, wurde, obgleich es mehr als 60 Meter über der Pumpe liegt, bei günstigem Winde oft schon in noch nicht ganz 48 Stunden gefüllt.

(Dreizehn Todesurteile!) Aus Lemberg wird gemeldet: Das Przemysler Militärgericht verurteilte von 26 Husaren, die ihren Wacht­meister bei Rzeszow überfielen und ermordeten, drei Unteroffiziere, sowie zehn durchs Los be­stimmte Mann zum Tode, die übrigen zu lebens­länglichem Kerker. Die zum Tode Verurteilten sollen bereits erschossen worden sein; doch wird von anderer Seite diese Nachricht für unrichtig erklärt.

Um sehr große Stachelbeeren zu erzielen, kann man folgendes Mittel anwenden. Man wählt hierzu zunächst einen Stachelbeerstrauch mit großsrücht- igen Beeren. Nachdem diese die Größe eines Nußkernes erreicht haben, umwickelt man einzelne Zweige mit Moos mittels dicker wollener Fäden, stellt ein flaches Gefäß mit Wasser unter den Strauch und läßt die an­gefeuchteten Fäden in das Wasser hineinhängen. Ver­möge der Kapillarität zieht sich nun immer Wasser in die Höhe an den Zweig. Es muß natürlich gesorgt werden, daß fortwährend Wasser in dem Gesäß ist. Nach Verlauf einiger Wochen werden die Beeren an den betreffenden Zweigen eine ernorme Größe erreicht haben.

(Gemüse von geschossenem Salat.) Wenn der Sa­lat im Samen geschossen, verwendet man statt der Blätter die Stengel zu einem wohlschmeckenden Gemüse. Man streift die Blätter davon ab, kocht die Stengel, nachdem man sie mit dem Wiegemesser nicht zu fern geschnitten, in Wasser und Salz weich, gießt sie auf einen Durchschlag, läßt sie einige Zeit in kaltem Wasser wässern um das bittere auszuziehen, gießt sie nochmals ab und preßt sie trocken aus. Dann bereitet man ihn mit Bouillon oder Sahne, garniert ihn mit Kalbs-, Lamm- oder Hammelcotelettes, Sezeiern oder auch mit gebratenen Kartoffeln und giebt ihn mit dieser Beilage zur Tafel.

(Vergeßlich.) Rummel:Wo fährst Du denn hin, daß Du's so eilig hast? Bummel: Nach München zu Poehlmann,, will seine Ge- > dächtnislehre lernen, das Examen rückt heran." ! Rummel:Na, das freut mich, da erinnerst ! Du Dich vielleicht auch an den Hunderter, den ich Dir vor einem halben Jahre gepumpt habe!" ^

(Letztes Mittel.) Menschenfresser (zu einem gefangenen Missionär): Haben Sie noch einen Wunsch, ehe Sie verspeist werden? Missionär: Ich möchte noch einen Bortrag über die Vor­züge der Pflanzenkost halten.

(Druckfehler.) Hocherfreut zeigen an, daß uns heute eine gesundes Cöhnchen geboren wurde.

I. Cohn u. Frau. geb. Silberthal.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.