Aus Stadt. Bezirk und Umgebung.

Schwann, 29. Juni. (Unlieb verspätet.) Äin Mittwoch abend, den 26. d. Mts, als dem Vorabend des Weggangs unseres hochverehrten Hrn. Oberförsters Hirzel wurde der Familie desselben von seiten des hiesigen Gesangvereins ein solennes Abschiedsständchen dargebracht. Mil zahlreichen prächtigen Lampions und 8 Pech­fackeln, welche von Hrn. Schultheiß Keßler namens der Gemeinde Ottenhausen zu dankbarer Ehrung des Scheidenden dem Verein bereit­willigst zur Verfügung gestellt wurden, zog die Sängerschar vor das Forsthaus, um welches sich eine dichtgedrängte Menge zusammengeschart hatte, um ihre Huldigungen mit denen der Sänger zu vereinigen. Zwischen die passend ausgewählten und gut vorgetragenen Abschieds- chöre hielt zuerst der Dirigent des Vereins, Hr. Schullehrer Wieland, eine von dankbarer Verehrung durchdrungene Ansprache an die scheidende Familie, in welcher er die Verdienste derselben um die hiesige Gemeinde würdigte und daraus hinwies, wie der Scheidende insbesondere zur landschaftlichen Verschönerung der Umgebung, sowie zur Hebung des Fremdenverkehrs unseres Orrs wesentlich beitrug. In der zweiten An­sprache wurde durch unfern hochbetagten Hrn. Schullehrer Mayer des wohlthätigen Sinnes der Frau Oberförster gedacht, wie sie ein Herz hatte für die Armen und Kranken, sowie für alle Anstalten der dienenden christlichen Liede, der inneren und äußeren Mission. Der Herr möge sie mit ihrer Familie auch im neuen Wirkungskreise zum Segen setzen; die hiesige Gemeinde aber werde ihr dafür ein dankbares Andenken bewahren. Darauf sprach der scheidende Hr. Oberförster für die erhebende und ehrende Ovation seinen gerührten Dank aus mit dem Bemerken, daß es wohl nicht bedurft hätte, ihm und namentlich seiner Frau den Abschied noch zu erschweren; sie würden das ihm lieb gewordene Schwann, die traute Heimat feiner Kinder, nie vergessen; nur um die Fortbildung seiner Söhne besorgt, verlasse er sehr ungern den hiesigen Ort. Die so überaus zahlreiche Beteiligung der hiesigen Bürger an den beiden Abschiedsfeicrn entsprach der allgemeinen Gesinnung für die Familie Hirzel. Die Sänger, welche teilweise bis in die herabsinkende Nacht hinein zuvor noch mit Einhe'msen von Heu beschäftigt waren, wollten sich darauf auch auf diese zweite angenehmere Leistung mit einer wohlverdienten Erfrischung erlaben; die hier übliche Polizeistunde ließ dies aber nicht zu. was von den Beteiligten lebhaft bedauert wurde.

B i r k e n f e l d, 30. Juni. Bei dem heute dahier stattgehabten Preissingen des Enz- Nagold-Gau-Sängerbundes erhielten folgende Vereine Preise: 1) In der II. Abteilung (Volks­gesang) I. Preis: Calmbach, Liederkranz;

H. Engelsbrand, Liederkranz; III. Schwann, Frohsinn; IV. Arnbach, Sängerbund; V. Grunbach, Sängerbund; je einen VI. Preis bei ganz gleichen Leistungen: Feldrennach, Liederkranz; Gräfenhauscn, Sängerbund. 2) In Gbteilung I. (höherer Volksgesang) den

I. Preis Liederkranz Neuenbürg; den II.

Concordia Calw. (Wir lassen Bericht folgen. Die Red.) H

Neuenbürg, 1. Juli. Der hiesige L.iederkranz, welcher sich am Preis sin gen beim Gauliederfest in Birkenfeld beteiligte, wurde daselbst für die beste Leistung im höheren Volksgesang mit dem ersten Preise bedacht. Auf die Nachricht von diesem schönen Erfolg ließen cs sich der Turnverein und der Militärverein und weitere Vertreter von Vereinen nicht nehmen, den hcimkehrenden Liederkranz am Bahnhof zu empfangen und zu beglückwünschen. Auch der Stadtvorstand u. mehrere Mitglieder der bürger­lichen Collegien, welche dem Liederkranz von jeher nahe stehen, hatten sich zur Begrüßung eingefunden. Unter Vorantritt der Feuerwehr­kapelle und zahlreicher Begleitung von Jung und Alt gings auf der Bahnhofallee zur Stadt, wo auf dem Marktplatz der Liederkranzvorstand in kurzer Ansprache den Dank des Vereins für die erwiesene Ehre abstattete. Alsdann sang der Liederkranz sein Preislied:Wem Gott

will rechte Gunst erweisen" von Mendelssohn. I Darauf vereinigte man sich in der Brauerei 1 Karcher und im Gasihof z. Bären, um nach des Tages Hitze noch ein guten Trunk zu thun.

Deutsches Keich.

Deutschland rüstet sich zu einer energi­schen Demonstration gegenüberdermarrokkanifchen Regierung, um endlich die noch immer ausstehcnde Genugthuung für die Ermordung des Kauf­manns Rockstroh zu erhalten. Ein Geschwader, aus dem PanzerschiffHagen", dem Kreuzer Kaiserin Augusta" und dem SchulschiffStosch" bestehend, erhielt Ordre, von Kiel nach Marokko abzugehen.

Karlsruhe, 26. Juni. Das neue schöne, mit bedeutendem Aufwand errichtete Schulgebäude im Westen der Stadt führt zu Ehren des Groß- Herzogs den NamenFriedrichsschulhaus". DerZug nach Westen" prägt sich bei uns in Karlsruhe besonders deutlich aus, wo es ja nach dem Rhein hin geht. Nicht lange wird es dauern, bis die Häuserverbindung zwischen Karls­ruhe und dem Stadtteil Mühlburg ausgebaut ist; Künstlerateliers, Schulen, in der vordersten Reihe die Kunstgewerbeschule, sind dahin verlegt; neuerdings wurden die Dragoner-, die Infanterie- Kaserne, das Kadettenhaus dahin bestimmt, dazu kommt das große Gebäude der Jnvaliditäts- und Altersversicherung Baden und das schon längere Zeit errichtete Ludwig Wilhelm-Heim mit seinen vielfachen Beziehungen zum Hofe und zur Innenstadt. Daß bei solchem Bauauf­schwung auch die Wirtschaften nicht fehlen, ver­steht sich von selbst. Immerhin ist die West- enlwickelung keine einseitige, denn gleichzeitig erhebt sich im Osten gegen Durlach hin ein mehr und mehr bevölkertes Industrieviertel. Was noch fehlt, sind nun vor allem gute Ver­bindungen zwischen den sehr weit auseinanver- liegenden Stadtteilen. Pferde- und Dampfbahn in ihrer jetzigen Gestalt sind unzureichend; viel­leicht bringt der elektrische Bahnbetrieb schon erwünschte Erweiterungen.

Aus Baden, 25 Juni. Die Stadt Mann­heim hat zwar bei der Volkszählung vom 14. ü. M. die erwarteten 100000 Einwohner nicht erreicht, bleibt aber mir 88 000 gegen Karlsruhe immer noch um etwa 8000 vor. Bruchsal zählt jetzt 12 384 gegen I I 902 im Jahre 1890, Wem- heun 9344 gegen 8243. Besonders interessant ist Freiburg mit seinen nunmehrigen 52 710 gegen 48909; hier scheint die Zunahme nicht so rasch als bisher forldauern zu sollen. Immerhin ist das Anwachsen der Stadt sehr bemerkenswert. Im Jahre 1880 zählte die Stadt erst 36 400 Einwohner.

Der antisemitische Abgeordnete Zim- mermann verfehlte nach dem Gartenfest der Marine in Kiel den zur Pinaffe führenden Steg und fiel ins Meer. Nur den scharfen Augen der Matrosen war es in der regendurchpeiljchlen Nacht zu verdanken, daß man sofort entdeckte, wo er ins Wasser gefallen war. Zwar völlig durchnäßt, aber glücklicherweise ganz heil, zog man ihn an Bord, wofür Zimmermann ein Marty­rium begann, das selbst den ärgsten seiner Feinde mit Mitleid für den Volksboten erfüllen mußte. Auf dem stockfinster gewordenen Meer hatte die Pinasse den Weg verfehlt und irrte nun drei Stunden umher, bis sie dieColumbia" glück­lich erreicht hatte. Erst um IV, Uhr nachts erreichte die Pinasse dieColumbia", nachdem sie um I I Uhr von der Marineakademie abge­fahren war. Während der ganzen Zeit goß es in Strömen vom Himmel. Uebrigens wird von Hr. Zimmermann behauptet, daß er einen reichen Dresdener Rentier alsDiener" zu den Feierlichkeiten mitgenommen habe. (Bekanntlich hatten die Reichstagsabgeordneten das Recht, einen Diener mitzusühren). DieserDiener" scheint aber schlecht auf seinen Herrn aufgepaßt zu haben!

Württemberg.

Stuttgart, 28. Juni. Die Kammer der Abgeordneten verhandelte am Dienstag über den Gesetzentwurf, betreffend die Verlänger­ung der Befugnis der Württ. Notenbank in Stuttgart zur Ausgabe von Banknoten. Die

! Vorlage wurde an eine Kommission verwiesen.

In erster und zweiter Lesung wurden sodann die Abänderungen des Ausführungsgesetzes zum Unfall- und Krankenversicherungsgesetz für den Land- und Forstwirtschaftsbelrieb an­genommen und schließlich verschiedene Petitionen erledigt. In der Mittwochssitzung, in welcher Präsident Payer wieder den Vorsitz führte, trat die Kammer in die Beratung des Gesetz­entwurfs. betreffend die Beschaffung von Geld­mitteln für den Eisenbahnbau pro 1895/97. Berichterstatter Stockmayer begründete den von der Regierung gemachten Vorschlag des Baues der Schmalspurbahnen von Lauffen a. N. nach Güglingen und von Buchau nach Schussenried. Mitberichterstatter Vog­ler hob die Vorzüge der Schmalspurbahn her­vor, ihre erleichterte Linienführung und den un­mittelbaren Anschluß an die Ortschaften und industriellen Etablissements, den sie neben ihrer Billigkeit habe. Ein Kilometer Normalspur koste bei uns im Durchschnitt 300,000 Mark, ein Kilometer Schmalspur lasse sich mit 4050,000 Mark Herstellen. In Sachsen mache man mit der Schmalspur ganz vorzügliche Erfahrungen, ebenso in Frankreich. Binz (B.-P.) hat im allgemeinen nichts gegen den Bau von Lokal­bahnen einzuwenden, nur meint er, man sei mit beiden Bahnen etwas rasch vorgegangen. El- linger V.-P) wird gegen alle Schmalspur­bahnen stimmen, weil diese nicht leistungsfähig genug seien. Für die Bahn von Lauffen a. N. nach Güglingen werden gefordert 750,000 Mk. Von den Beteiligten ist die Erstattung der auf 157,000 Mk. veranschlagten Kosten für Grund und Boden zu übernehmen. Es sprachen hierzu Betz (Heilbronn), Schmidt (Maulbronn) und Ministerpräsident von Mittnacht. Der letztere führte aus, daß bei dieser Bahn in jedem Falle nur von einer Schmalspur die Rede sein könne. Die Forderung wurde darauf mit großer Mehrheit angenommen. Für den Bau der Bahn von Schussenried nach Bu­chau, für welche 440,000 Mk. erforderlich sind, sprachen Gröber und Krig. Derselbe wurde ebenfalls mit großer Mehrher genehmigt. Ferner wurden genehmigt die Forderungen für d>e Verbindungsbahn Untertürkyeim Kornwest­heim, für den Güterbahnhof auf der 1 rag, für Herstellung eines zweiten Geleises der Strecke Bietigheim-Jagstfeld und für verschiedene Bahn- hoferweiterungen, ebenso 1. Mill. Mark für Dienstwohnungen in Stuttgart. Am Donners­tag wurde die Verhandlung fortgesetzt bei der Forderung von 772,000 Mk. für Ankauf dreier Häuser in der Friedrichstraße zum Zwecke der Erweiterung des Stuttgarter Ha upt-Post- gedäudes. An Stelle der Häuser soll ein Anbau zu Postzwecken für 200,000 Mk. erstellt werden. Die Kommission beantragte einstimmig Ablehnung, da die Sache nicht spruchreif sei. Ministerpräsident von Mittnacht trat für die Forderung in längerer Rede ein. Die Ansicht der Regierung sei in der Kommission nicht ge­hört worden, sie hätte sonst die notwendigen Aufklärungen gegeben. Die Postbehörde habe erklärt, daß sie unter den gegenwärtigen Zuständen

es wird über die ungenügende Beschaffenheit sowohl der Postverkehrsräume für das Publikum als auch der Dienstgelasse geklagt die Ver­antwortung nicht mehr tragen könne. Es müsse notwendig Wandel geschaffen werden, unter den obwaltenden Umständen aber wäre der vorge­schlagene Ankauf das vorteilhafteste Arrangement. Hähnle (V.-P.) rechtfertigte den Kommissions« anlrag, während Sachs (D. P.) sich entscheden für den Regierungsentwurf aussprach. Aner­kannt sei das Bedürfnis, und da die Kommission keinen anderen Weg der Abhilfe anzugeben wisse, müsse man die Vorlage annehmen. Oderpostrat Harsch gab eine detaillierte Darstellung der einzelnen Mängel, die im Postgebäude hervor­getreten sind; seine Angaben wurden durch Mit­teilungen des Oberpostinspektors Ockert ergänzt. Nach längerer Debatte wurde der die Regier­ungsvorlage verwerfende Kommissionsbcschluß mit 56 gegen 20 Stimmen angenommen.

König Karl Jubiläums-Stiftung. Se. König!. Mas. hat, wie der St.-Anz. mit­teilt, durch Entschließung vom 26. Juni d. I.