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Stuttgart, 13. Juni. Der Herr Staatsminister v. Pischek begiebt sich am Freitag früh wiederum in das Ueberschwemmungsgebiet bei Balingen.
Ulm, 12. Juni. Infolge erneuter Regengüsse ist die Donau wieder gestiegen. Das Donauthal oberhalb der Jllereinmündung steht infolge von Rückstauung nun seit nahezu einer Woche unter Wasser. Der Schaden an Wiesen und Feldern ist enorm.
Tübingen, 13. Juni. Gestern Borm. war der Neckar in stetigem Steigen begriffen. Doch gegen Mittag konnte ein langsames Fallen verzeichnet werden, welches bis Abends anhielt. — Durch die anhaltenden Regengüsse in vergangener Nacht welche sich ganz besonders über den Schönbuch hin ergossen, ist der Gold ers- bach derartig angeschwoüen, daß im unteren Teil des Dorfes Lustnau die Bewohner dos Vieh rc. retten mußten. Der Goldersbach hat schon schweren Schaden angerichtet, denn er steigt so rasch, wie selten ein Bach.
Ravensburg, 12 Juni. Die Schilderungen des schauerlichen Unglücks im Eyachthale durch das Amtsblatt und dessen warmer Appell an die Mildthätigkeit seiner Leser sind nicht ohne Erfolg geblieben. Innerhalb 3 Tagen sind bei dem Blatte über 3000 «fL für die durch das Hochwasser im Balinger Bezirk Beschädigten eingelaufen und 3000 ^ sind bereits nach Balingen abgesandt worden.
Die Besitzer von 4°/oigen württ. Staats- obligationen vom Jahr 1879, welche noch keine neuen Couponsbogen haben, werden darauf aufmerksam gemacht, daß solche nur noch bis 15. ds. Mts. durch Vermittlung der Kameral- ämter bezogen werden können. Nach diesem Termin giebt nur noch die Staatsschuldenzahlungskasse neue Couponsbogen ab.
Urach, 8. Juni. Die im Münsinger Hardt gelegenen Bauernhöfe: Ludwigshöhe, Bäumlers- burg, Achenbuch und Boschenhof sind für den Militärschießplatz einstweilig, d. h. für den Fall, daß die Entscheidung zu Gunsten des Münsinger Hardt fällt, angekauft. Wegen des übrigen noch notwendigen Areals werden gegenwärtig Erhebungen angestellt über Preis, Beschaffenheit und Steueranschlag der Güter.
In Gechingen hat Hr. Schultheiß Ziegler infolge anhaltender Krankheit sein Amt, das er viele Jahre lang verwaltet hat, vor wenigen Wochen niedergelegt. Bei der gestern stattgefundenen Wahl eines Ortsvorstehers erhielt Ver- waltungsaktuar Ladner in Gechingen die meisten Stimmen. Der Mitbewerber Fabrikant Hubler, erhielt 36 Stimmen weniger, Ladner ist somit als gewählt zu betrachten.
Der Kommandant der Stuttgarter Berufsfeuerwoche Jacoby ist mit seiner Familie vom Judentum zum evangelischen Christentum übergetreten. Als Taufpaten für die jüngeren Kinder fungierten die Gemeinderäle Stähle und Lutz.
Zum Liederhalle-Boykott. In einer Ausschußsitzung des Liederkranzes machte gestern der Vorstand Obcrpostmeister a. D. Steidle den Vorschlag, die Liederhalle zu keinerlei politischen Versammlungen mehr abzugeben. Der Vorschlag wurde jedoch mit erdrückender Mehrheit abge- lehnt. 143 neu angemeldete Mitglieder wurden ausgenommen.
Stuttgart, 13. Juni. Durchschnittspreise des hiesigen Schlacht- und Viehhofes pr. Pfund. Schlachtgewicht: Farren und Stiere 61—63 Rinder 67—69 Schweinen 44—49 -Z, Kälber 83—88
Stuttgart. fLandesproduktenbörse. Bericht vom 10. Juni von dem Vorstand Fritz Kreglinger.s Der Getreideweltmarkt war in der abgelaufenen Woche verschiedenen Schwankungen unterworfen. Anfangs der Woche ermäßigte Amerika seine Forderungen, auf weitere eingelaufene ungünstige Saatenstandsberichte wurden die Preise gegen Ende der Woche erhöht. Die nicht stark beschickten süddeutschen Märkte verkehrten in guter Stimmung. Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen, Land In. 17 bayr. 16 ^ bis
16 50 Azima 16 ^ 75 Nikolajeff 17 -/L 25
Kernen, Oberländer In 17 -4L 50 ^ bis 17 -4L 70 bayr. 17 «4L 40 Gerste, Ungar. 17 «4L — bis
IS -4L — Landhafer, 11 -4L 50 Landhafer In
12 «« 52 Donaumais 14 «4L — — Mehl
preise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack bei Wagenladung: Letztwöchentlich.
Ausland.
Die Rede, welche Kaiser Franz Josef beim Empfange der Delegationen gehalten hat, charakterisiert sich als eine markante Friedenskundgebung. Unumwunden wird die Fortdauer der friedlichen Konstellation in der hohen Politik betont und im Speziellen das nach wie vor ausgezeichnete Verhältnis Oesterreich-Ungarns zu den anderen Mächten hervorgehoben Wenn sich der österreichische Herrscher so rückhaltlos, ohne jede Einschränkung. dargestcllt im Sinne des Fortbestehens des Einvernehmens zwischen den Mächten geäußert hat, so kann man hieraus den Schluß ziehen, daß weder die armenische Frage noch die ostasiatischen Vorgänge eine bedenkliche Rückwirkung auf den europäischen Frieden äußerten.
In den südlichen Kronländern von Oesterreich sind schon wieder Erdstöße vorgekommen, namentlich in Laibach, wo die entsetzte Be- völkerung abermals eine Nacht im Freien zubrachte. Ebenso sind in der Gegend von Salz- bürg schwere Wolkenbrüche niedergegangen. — Die Delegationen beider Reichshälften von Oesterreich und Ungarn sind zur Zeit in Wien zur Beratung des gemeinsamen Budgets versammelt. Für Verstärkungen des Heeres und der Marine werden beträchtliche Mehrfordungen verlangt und von den Delegationen nach den Ansprachen der beiden Vorsitzenden an den Kaiser Franz Joseph voraussichtlich genehmigt werden.
Paris, 10. Juni. Der Nachkomme des Uhrmachers Naundorfs, welcher Charles Louis de Bourbon, duc de Normandie" zeichnet und sich für den rechtmäßigen Erben des Thrones Ludwigs XVI. ausgibt, veröffentlicht in einzelnen Blättern einen Protest gegen die Teilnahme französischer Schiffe an den Kieler Festen. Das seltsame Schriftstück schließt mit folgenden Worten: „In meiner Eigenschaft als der Erste aller Franzosen erkläre ich angesichts der Welt, daß ich in keiner Weise, auch nicht durch ein schuldiges Stillschweigen, Complice der Demütigung von Kiel bin."
In der französischen Deputiertenkammer wurde wieder einmal ein Sturmlauf gegen das Ministerium Ribot versucht und zwar mittels einer Interpellation über die auswärtige Politik Frankreichs. Die Gegner des Ministeriums wollten den Beweis führen, daß Frankreichs Aktion mit Rußland und Deutschland gegen den Frieden von Simonoseki eine durchaus verfehlte und unnötige gewesen sei, aber das Ministerium hatte sich auf diesen Angriff genügend vorbereitet und schlug ihn mit großem Erfolge ab. Der Minister des Auswärtigen gebrauchte bei seiner Rede die Wendung, daß Frankreich als Verbündeter Rußlands einfach seine Pflicht ge- than habe und eben durch dieses Bündnis gesichert sei, um den Werken des Friedens und Fortschritts seine ausschließliche Aufmerksamkeit schenken zu können. Aus dieser Redewendung schließen verschiedene französische Blätter auf das Bestehen eines formellen Schutz- und Trutzbündnisses zwischen Frankreich und Rußland, was aber immerhin gewagt erscheint nach allem, was bis jetzt in dieser Angelegenheit bekannt geworden ist. Die Franzosen sind nun einmal der Meinung, sie würden ohne ihre Anlehnung an Rußland von dem Dreibund überfallen werden und sind von dieser thörichten Furcht absolut nicht abzubringen. Uns Deutschen kann dies gleichgiltig siin und wir brauchen auch von einer formellen Allianz zwischen Frankreich und Rußland solange nichts zu fürchten, als diese bloß den Zweck hat, Frankreich vor einem etwaigen Uebersall Deutschland zu sichern.
Paris, 12. Juni. Gerüchtweise verlautet, daß der Wortlaut des französisch-russischen Vertrages nach den Kieler Festlichkeiten veröffentlicht werden soll. Nach anderen Meldungen soll die Kieler Zusammenkunft zu bedeutsamen französisch-russischen Kundgebungen Anlaß geben. Solche Taktlosigkeit wird man weder der russischen. noch der französischen Regierung zutrauen
dürfen. Wie nun, wenn auch der Dreibund eine Kundgebung machen wollte?
Paris. 12. Juni. Der Deputierte Cornudet verständigte den Kriegsminister, daß er ihn über die Verteilung politischer Flug- schriften unter die Dragoner von Chambäry interpellieren wolle. Cornudet behauptet, diese Flugschriften seien von der dortigen Geistlichkeit verbreitet worden und bezwecken unter den Soldaten Propaganda für den Clerikalismus zu machen.
Bei der öffentlichen Ziehung der Klassenlotterie in Belgrad wurde irrtümlich der Haupt, treffer von 150 000 Fr. zweimal gezogen. Zuerst wurde Nr. 26 388 als Gewinnerin des Haupttreffers ausgerusen, später jedoch Nr. 10067. Das der Ziehung beiwohnende Publikum geriet in die größte Aufregung. Die Z'ehungskommis- sion wurde mit Vorwürfen überhäuft. Der Besitzer der Nr. 26 388 beabsichtigt, den Haupttreffer im gerichtlichen Wege zu beanspruchen.
Die Spanier sind in großer Not wegen des noch immer wachsenden Aufstandes auf der Insel Cuba, welcher von Amerika her immer wieder neue Zuzüge an Mannschaften, Geld, Munition u. s. w. erhält. Die spanische Regierung hat auf Ersuchen des Marschalls Martinez Campos weitere 10 Bataillone zur Verschiffung nach Cuba bereit gestellt und wird wohl noch weitere Truppen dorthin senden müssen.
vermischtes.
Berlin, 7. Juni. Durch das Telegramm; „Bitte Geld schicken — Richard -j-" wurde dieser Tage eine Frau S. hier in die größte Aufregung versetzt. Das Zeichen -s- ist im internationalen Telegraphenverkehr als Schlußzeichen einer Depesche gebräuchlich, wie das Zeichen --- den eigentlichen Text von Adresse und Unterschrift trennt. Frau S. hatte das Schlußzeichen für das Kreuz gehalten, welches man hinter die Namen der Verstorbenen zu setzen pflegt und glaubte, ihr Sohn Richard, welcher in London sich aushielt, sei plötzlich gestorben und sein Freund telegraphiere um Geld. Glücklicherweise wohnte ein Telegraphenbeamter in demselben Hause, der die Frau ausklären konnte.
sDann allerdings.^ Kleine Milly: Du, bei uns ist schon wieder der Storch eingekehrt! — Kleine Elly: Ja, Papa ist auch so ärgerlich! Er hat schon das letzte Mal gesagt, wenn der Storch wiederkommt. macht er gar nicht auf. Aber der ist ja so dreist, der läßt sich nicht abweisen. — Kleine Elly: Na, wie oft kommt der Storch denn zu Euch? Kleine Milly: Ach. so vier Mal im Jahr. — Kleine Elly: Dann allerdings! — Ihr seid ja auch so viel Kinder!
sBoshafl.^j Fräulein: Sehen Sie mal, hier sind noch alle meine Schulzeugnisse, die ich aufbewahrt habe! — Herr: Alle Wetter, hat man aber damals aber dauerhaftes Papier gemacht !
Telegramm.
Berlin, 14. Juni. Seit gestern abend steht in der Köpeniker Vorstadt Bellepine der Viktoriaspeicher, der Heu, Möbel, Getreide, Spiritus und andere leicht brennende Stoffe enthält, in Flammen. Sämtliche Reserven der Feuerwehr werden herangezogen. Mehrere Feuerwehrleute wurden verletzt, 3 wurden in das Krankenhaus gebracht. Infolge des Windes sind die benachbarten Gebäude gefährdet. Fünf Dampfspritzen und sechs Handdruckfpritzen sind thätig. Es heißt. 300 000 Zentner Lumpen lagern in dem Speicher
London, 14. Juni. Der vor 7 Wochen von Akyab mit 3000 Tonnen Reis nach Europa abgegangene Dampfer „Quine Anna" gilt mit Mann und Maus für verloren.
Paris, 13. Juni. Wie verlautet, hat der Befehlshaber des nach Kiel abgegangenen französischen Geschwaders. Contre-Admiral Men- ard, beschlossen, nur sehr wenigen seiner Leute zu erlauben, in Kiel ans Land zu gehen.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.