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gekeilt sein. Auch das in großer Zahl ver­lorene. oft wertvolle Rindvieh wird unter den­selben sein Grab gefunden haben. Die Thal­wiesen mit ihren schönen Obstbäumen sind auf Jahre hinaus ertragsunfähig gemacht worden. Die Bäume überhaupt sind oft derartig be­schädigt worden, daß sie gefällt werden müssen, sofern sie nicht ganz aus dem Boden gerissen und von den Wellen fortgetragen wurden.

B a l i n g e n, 6. Juni. Abends10 Uhr. Wir haben jetzt wiederholt starke Gewitter mit anhaltenden Niederschlägen. Das Tele­gramm des Präsidenten Leibbrand lautet: Verheerungen außerordentlich groß. Hochwasser 3 bis 6 Meter über Mittelwasser. Anschwell­ungsdauer nur 10 Minuten, deshalb der rasche Eintritt der Schäden. Fünfzig Personen tot. 30 Häuser völlig, viel mehr nahezu zer­stört, nur bei Balingen steht noch eine Brücke allein, die anderen sind zerstört. 5 staatliche Ingenieure sind zur Stelle. 84 Pioniere sind erbeten, die ich morgen früh erwarte. Wir stehen letzt wieder vor einem Wolkenbruch."

Stuttgart, 7. Juni. Staatsminister v. Pischek reiste diesen Morgen 3.39 auf die Unglücksstätte nach Balingen ab. Um 9 Uhr 39 Min. ist folgendes Telegramm des­selben eingetroffen: Ministerium des Innern, Stuttgart. Verheerung furchtbar. Heute nacht und heute vormittag wieder starker Regen, der weitere Beschädigungen verursacht. Gesamt- zahl der bis jetzt ermittelten Tot en 37; etwa 10 Personen werden noch ver­mißt. Ein Kommando von 80 Pionieren ist heute früh */»8 Uhr in Balingen eingetroffen und wurde sofort auf die betroffenen einzelnen Gemeinden verteilt. Die gefährdeten Häuser sind gesprießt und werden weiter geschützt. Ich selbst bin seit '/,8 Uhr hier; auch der Landtags­abgeordnete ist anwesend. Pischek.

Ebingen. 6. Juni, Ab. 8.40. Soeben ist neues Hochwasser gemeldet. Es regnet in Strömen.

Eine größere Anzahl Abgeordneter, worunter der Hr. Staatsminister Frhr. v. Mittnacht, der Präsident der Kammer. Payer, Kanzler v.Weizsäcker. Tübingen, und Frhr. v. Gült- lingen erläßt angesichts des unerhört schweren Wasserunglücks, von welchemderBezirk Balingen heimgesucht wurde, einen Aufruf zur raschen Hilfeleistung.

Spaichingen. Das schwere Gewitter, welches vom 5. auf 6. ds. gegen Mitternacht über einen großen Teil des Heubergs nieder­ging, verursachte auch bet uns durch Ueber- schwemmungen nicht unerheblichen Schaden an Grundstücken, Brücken und Straßen. An der Poststraße zwischen Egesheim und Nusplingen wurde eine Brücke weggerissen.

Steinenberg, 7. Juni. Gestern mittag zwischen 2 und 3 Uhr ging ein wolkenbruch­artiger Regen nieder, der besonders in unseren Bergen gewaltig sein mußte, denn fast plötzlich wälzten sich unsere sonst ziemlich wasserarmen Bäche gleich mächtigen Gebirgsströmen über die die Aecker, Wiesen und Gärten gegen den Ort, alles mit sich fortreißend, Holzbeugen, Stangen, Stämme, Balken u.s.w. jagten pfeilgeschwind in und auf dem wilden Elemente dahin, das auch rasch mit sämtlichen Brücken aufräumte. Ställe, Scheunen, Keller und einzelne Wohnungen füllten sich meterhoch mit Wasser und bald sah man der ganzen Ortschaft entlang nichts mehr als lauter Greuel der Verwüstung. Wie groß der Schaden ist, der durch dieses Unwetter mit dem auch etwas Hagel verbunden war, an Feldern und Feldwegen angerichtet wurde, läßt sich im Augenblick nicht übersehen. Während des­selben Gewitters schlug der Blitz in Michelau in ein Wohngebäude, ohne jedoch zu zünden.

Stuttgart, 7. Juni. Das Remsthal hatte gleichfalls unter einem Wolkenbruch zu leiden. In ganz Süd-Württemberg gingen gestern Gewitter nieder, Donau und Neckar sind hoch geschwollen. Jetzt ist eine Aufheiterung des Wetters eingetreten.

Bei Kammerpräsident Payer war am 6. ds. nachmittags eine zweite Serie von Abge- ordneten zu einem Mittagsmahl im Ständehaus

eingeladen. Darunter befand sich auch der Ab- geordnete für Mergentheim, Ministerpräsident Dr. Frhr. v. Mittnacht, der in Anknüpfung an die eben beendete Beratung des Eisenbahnetats einen launigen Toast auf den Präsidenten und seine Gemahlin ausbrachte. Präsident Payer erwiderte dankend und trank auf die Kollegialität unter den Abgeordneten. Abg. Nußbaumer trug ein humoristisches Gedicht vor, das gleichfalls an die Eisenbahndebatlen anknüpfte.

Stuttgart, 5. Juni. Der frühere Rechtsanwalt, Prokurator Sigmund Schott. Jahrzehnte lang einer der hervorragendsten Führer der Volkspartci, auch lange Jahre hin­durch Mitglied des Reichstags und Landtags, ist, 77 Jahre alt, gestorben.

Hall. An Pfingsten fand hier eine Tagung des Vereins der württemb. Metzger statt. An die in der Turnhalle veranstaltete Fachausstellung, die am Sonntag vormittag durch Stadtschulkheiß Helber eröffnet wurde, schloß sich eine Preisverteilung an. I Diplome erhielten u. a. C. Frech in Hall und Cornelius Kahn, W. Schäfer und A. Zaiser in Stuttgart. Die Verhandlungen fanden am Pfingstmontag unter dem Vorsitz von Wollinsky-Ulm im Sol­bad statt. Beschlossen wurde u. a. eine Eingabe an das K. Ministerium betreffend die Sonntags­ruhe im Fleischergewerbe. Am Dienstag wurde ein Ausflug in die Nähe (Wilhelmsglück, Ein­korn u. a.) unternommen.

Altensteig, 30. Mai. Der Fremden- zuzug in unsere Gegend hat dank der Pracht- vollen Witterung schon begonnen recht rege zu werden. Am Dienstag versammelten sich die Apotheker des Schwarzwaldkreises hier, um über Standesangelegenheiten sich zu besprechen. Nach den Verhandlungen fand ein gemeinschaftliches Mittagsmahl im Traubensaal statt. Der Ein­gang zu dem künstlerisch geschmückten Saal trug zwar nicht die gewöhnliche InschriftWillkom­men" wie bei derartigen Gelegenheiten, denn der schalkhafte Wirt erlaubte sich den Scherz, die Zahl99" groß auf einen Bogen Papier zu schreiben und mit einem Kranz zu umgeben Die Herren aber erfreute der Spaß; den treff­lich ließen sie sich mit ihren Damen das vor­zügliche Mahl, das ihnen vorgesetzt wurde, schmecken und kehrten wohlbefriedigt von ihrem Ausflug in ihre Heimat zurück.

Alten steig, 6. Juni. Der heutige Jahrmarkt war sehr stark besucht. Von Händ­lern war viel Vieh zugetrieben worden, be­sonders viel Jungvieh, aber auch Kühe. Der Handel ging sehr lebhaft und erfolgten viele «Schläge bei anhaltenden Preisen; die Nachfrage nach Fettvieh war dagegen keine besonders große.

Ausland.

Aus der Schweiz, 6. Juni. Fast in der ganzen Schweiz sind in den jüngst ver- gangenen Tagen schwere Wetter niederge­gangen, besonders im Rheingebiet, so daß ein starkes Anschwellen des an sich schon hochgehen, den Rheines nicht ausgeschlossen erscheint. Ueber dem Amte Senftigen hat sich ein schreckliches Hagelwetter entladen. Die Hagelstücke, bis zur Größe von Wälschnüssen, stürzten eine halbe Stunde lang nieder, so daß Obstbäume und Ernte vernichtet sind.

Wien. 6. Juni. Das gestern nacht nieder- gegangene Gewitter mit Hagelschlag richtete in vielen Orten Niederösterreichs, namentlich in Loebersdorf, sowie in den Nachbarorten Wiener- Neustadt und Oedsnburg, große Verheerungen und ungeheuren Schaden an. In Wien selbst sind keine ernsten Unfälle zu verzeichnen.

Graz, 6. Juni. Gestern nachmittag wur­den in Leoben und Eisenerz 2 vertikale, ziemlich heftige, von unterirdischem Getöse begleitete Erd­stöße verspürt.

Paris, 6. Juni. Wie dasJournal des Debats" meldet, wird ein Corpskommandeur zur Unterstützung des Marschalls Martinez Campos nach Cuba entsendet. Die Kreditforderung, die heule von der Regierung in der Kammer einge­bracht wird, beträgt 15 Mill. Pesetas.

Vermischtes.

Solingen, 3. Juni. Ein merkwürdiger Zufall. Der Heiratsmonat Mai hat vorige Woche auf dem Standesamte einen höchst eigen­artigen Fall herbeigeführt. Vor dem Standes­beamten schloß ein junges Paar den Bund der Ehe; sowohlEr" als auchSie" führte den Namen Kirschbaum; Kirschbaum hießen auch beide Zeugen, bei denen der Zufall wollte, daß beide 25 Jahre alt waren. Hiermit sind die Kirschbäume, die bei dem Trauakt zu thun hatten, aber noch nicht sämtlich aufgezählt, denn der Protokollführer bei der Aufnahme des Aktes hieß auch Kirschbaum!

Professor Falb, der mit seinen Wetter- prophezeiuungen in letzter Zeit Glück gehabt hat, so daß sie leider buchstäblich eingetroffen sind, kann für die nächste Zeit noch keine günstige Witterung in Aussicht stellen, denn er sagt wört­lich:Mit dem 7. Juni (kritischer Termin III. Ordnung) ist eine ziemlich bedeutende Zu­nahme der Niederschläge und Gewitter zu er­warten. Doch dürfte diese Krise nur ein paar Tage andaucrn, worauf trockenes Wetter, ein Rückgang der Temperatur, besonders um den 13., wahrscheinlich wird. Im Hochgebirge stehen für diese Zeit wieder Schneefälle bevor. Dann um den 15. erwarten wir wieder Regen."

(Der Unterschied.) Sie:Was ist eigent­lich für ein Unterschieo zwischen einer Cravatte, die schon gebunden ist, und einer, die du dir erst binden mußt?"Er:Der Unterschied? Ungefähr eine halbe Stunde!"

Telegramm.

Stuttgart, 8. Juni. Heute früh 6 Uhr 5 Min. ist Seine Majestät der König in Begleitung des Generaladjutanten v. Falken- stein und des Flügeladjutanten v. Röder mittelst Extrazugs nach Balingen abgereist, um die Ver­heerungen im Eyachthal zu besichtigen und den hartbetroffenen Opfern der Wasserkatastrophe Trost und Hilfe zu bringen.

Ulm, 8. Juni. Von hier sind soeben weitere Pioniere nach Balingen abgegangen.

Tübingen, 7. Juni. Abends 6 Uhr. Kaum hatten sich heute mittag einige Sonnen­strahlen gezeigt, als gleich wieder ein Gewitter am Horizont aufstieg, jedoch in die Richtung nach Horb getrieben wurde, von wo auch Hoch­wasser gemeldet wird. Der Neckar steigt zu­sehends und bringt Gegenstände aller Art mit. Ein Pferd ist ebenfalls angeschwommen. Die Steinlach ist ziemlich gefallen; die Ammer aber ist im Steigen begriffen. Wenn die Gewitter nicht Nachlassen, ist für die hiesige Stadt Ueber- schwemmung zu fürchten. Durch die neu aus­geführte Kanalisation ist bis jetzt solche Gefahr beseitigt.

Saulgau, 8. Juni. Ein Unwetter, wie man wohl noch selten eines erlebte, zog gestern abend über Herbertingen. Dasselbe, von Osten kommend, entlud sich unter bedeutendem Hagel­schlag und furchtbarem Wolkenbruch. Der Schaden ist noch nicht zu übersehen.

Karlsruhe, 7. Juni. Bei Lahr ist , ein Wolkenbruch niedergegangen und hat große Verheerungen angerichtet und Schäden verur­sacht. Die Kinzigthalbahn hat ihren Verkehr wieder ausgenommen. Im Gebiet der Wutach, einem Nebenflüsse des Rheins, ist infolge Wolkenbruchs ein bedrohliches Hoch­wasser eingetreten. Der Bahnverkehr im Brey- thale ist unterbrochen, ebenso muße der Bahn­verkehr zwischen Wolfach und Freudenstadt gestern eingestellt werden.

Hongkong, 7. Juni. Das Reuter'sche Bureau meldet: Das deutsche Kanonenboot Iltis" eröffnete Feuer auf die chinesi­schen Forts in Hobe auf Formosa, ver­mutlich weil die dortigen Behörden sich weigerten» die Abfahrt eines Handelsdampfers mit dem Präsidenten Tang, Soldaten und Flüchtlinge an Bord zuzulassen. Die Forts wurden zum Schweigen gebracht, und die chinesischen Kanoniere flohen. Der Dampfer ging darauf in See.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Berlag von C. Meeh in Neuenbürg.