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mit 154 gegen 97 Stimmen den Antrag des Abg. Müller-Fulda (Zentr.) a*d, die Geltungs­dauer der Brennsteuer und der Exportprämien bis 1898 zu begrenzen. Dagegen wurde ein Kompromißantrag des Abg. Dr. Lieber (Zentr.), die Geltungsdauer bis 1901 zu erstrecken, gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen.

Berlin. 22. Mai. Wie diePost" er­fährt, wird gegenwärtig im Reichsamt des Innern ein Gesetzentwurf betreffend die Bildung von Handwerkskammern ausgearbeitet.

Württemberg.

Die Abg. Spieß und Gen. haben betreffend der Malzsteuer folgenden Antrag eingebracht: Die k. Staatsregierung zu bitten, eine weitere Ermäßigung der Malzsteuer für die kleineren Bierbrauereien einzuleiten unter gleichzeitiger Erhöhung der Steuer der Großbetriebe. Unter­zeichnet sind: Spieß. Aldinger. Sachs. Geß. Balz. Commerell. Haffner. Luz.

Die Legitimationskommission der Ab­geordnetenkammer hat nunmehr auch die Wahl­anfechtung für den Bezirk Ulm (Haug) be­handelt und den Beschluß gefaßt, über einzelne Behauptungen der Anfechtungsschrift Beweis erheben zu lassen. Es soll insbesondere be­hauptet sein, daß in Langenau das Wahlsgeheim­nis verletzt worden sei, weil der Wahlvorsteher die Stimmzettel vor dem Einlegen in die Wahl­urne entfaltet habe, und daß in dieser Stadt auch wahlunfähige, in öffentliche Armenunter­stützung stehende Personen abgestimmt haben.

Asperg, 22. Mai. Nächsten Sonntag wollte der Bezirkskriegerverein eine Versammlung hier abhalten, zu welcher sich auch viele aus­wärtige Vereine angemeldct hatten. Nun ist aber in letzter Zeit eine bösartige Krankheit, die Genickstarre, hier ausgebrochen, infolge dessen das kgl. Oberamtsphysikat eine größere Ansammlung von Menschen in nächster Zeit für höchst bedenklich und gefährlich bezeichnete. Die anberaumte Versammlung wurde daher schleunigst abbestellt. Merkwürdig ist. daß zu Ende des vorigen Jahrhunderts ebenfalls eine Epidemie in hiesiger Stadt herrschte, welche die Ein­wohnerzahl sehr dezimierte.

Ausland.

Manila, 22. Mai. Der spanische DampferGravina" ist gescheitert. 168 Per- sonen sind ertrunken. Einzelheiten fehlen noch. (Manila ist die Hauptstadt der spanischen Phi­lippinen in Ostasien und liegt auf der Insel Luzon.)

Liverpool, 22. Mai. In einem Speicher, in welchem 4000 Ballen Banmwolle verwahrt wurden, entstand heute Feuer, das sich schnell ausbreitete und bis Mittag gelöscht werden konnte. Der Schaden wird auf 30000 Pfund (600000 Mk.) geschätzt.

Mterhaktender Heil.

Eine Hochzeitsreise.

Erzählung von F. Arnefeld t.

(Fortsetzung.)

Der Landrichter blickte betroffen auf; das war genau die Beschreibung, welche Frau von Rehfeld von dem Mörder gegeben hatte; bald lächelte er aber still vor sich hin, er glaubte, die Erklärung dafür bereits gefunden zu haben.

Der Schaffner hat ausgesagt. Ihr Reise­gefährte habe den Zug auf jener Station ver­lassen," fuhr er fort

Kann er nicht heimlich wieder eingestiegen sein?" entgegnete Benno.Der Zug stand lange genug still. Die Thüren waren geöffnet."

Herr v. Rehfeld und seine Gemahlin hatten das Koupee nicht verlassen."

Nein, ich auch nicht; aber Dorothea war ausgestiegen. Als man sie wecken wollte, lag sie in einem tiefen, unnatürlichen Schlaf und ! O. mein Gott," unterbrach er sich,jetzt wird mir auch das klar."

Was?"

Als der Rotbärtige ausstieg, stolperte er wieder; dabei kam er mit der Hand, in der er

das Tuch hielt, meinem Munde und meiner Nase so nahe, daß ich einen scharfen Duft ein­atmete. Gleich darauf überfiel mich eine tiefe Müdigkeit, so daß ich einschlief und nicht gewahr wurde, daß der Schaffner die Thür schloß und der Zug sich wieder in Bewegung setzte"

Was wollen Sie daraus folgern?"

Daß der Bösewicht mich und auch die Kammerfrau betäubt hat. um sein Verbrechen ungestört ausführen zu können."

Sie sind doch aber dazugekommen."

Die Betäubung ist bei mir unvollständig gewesen und hat nur kurze Zeit vorgehalten. Den ersten Hilferuf, den Frau v. Rchfeld aus­gestoßen hat, habe ich, wie ich mich jetzt entsinne, wie aus weiter Ferne, wie im Traume ver­nommen; beim zweiten fuhr ich empor und stürzte in das Koupee."

Sie untersuchten Hrn. v. Rehfelds Wunde?"

Nein, ich bin ihm gar nicht zu nahe ge­kommen. Bei meinem unvermuteten Erscheinen fiel mir die Dame ohnmächtig in die Arme; gleich darauf hielt der Zug, und man sprang dem Unglücklichen bei.

Benno schwieg; auch der Landrichter saß einige Minuten nachdenklich.Ich mache Ihnen mein Kompliment", sagte er dann.Sie haben in aller Eile eine Fabel ersonnen, die sich hören läßt."

Eine Fabel!" rief Treuenfeld.Sie glauben mir nicht?"

Nur haben Sie dabei einige wichtige Um­stände. außer Acht gelassen", fuhr der Land­richter, ohne auf die Unterbrechung zu achten, fort.Da ist zuerst Ihr Zugeständnis und das Zeugnis Anderer, daß Sie Herrn v. Rehfeld nach dem Leben getrachtet haben, und dann der Dolch, den Sie und andere als Ihr Eigentum erkennen."

Aber diese beiden Umstände zeugen doch für mich!" schrre Benno mit aufgehobenen Händen, Es wäre ja Wahnsinn, hätte ich nach Allem, was vorher gegangen, den Mord verüben wollen; es wäre Wahnsinn, hätte ich mich dazu meines eigenartigen Dolches bedient, um diesen am Orte der That zurückzulassen."

ES war Wahnsinn," bestätigte der Land­richter, dieLeidenschaft und die Rachsucht haben Sie toll und blind gemacht; erst als das Ver­brechen begangen war, erwachten Sie aus Ihrem Rausche."

In der Leidenschaft überfällt man keinen Schlafenden."

Herr von Rehfeld hat nicht geschlafen, er hat sich gegen seinen Mörder zur Wehr gesetzt; in seinen erstarrten Fingern fanden wir das Berloque; haben sie es noch nicht vermißt?"

Er hielt dann Benno den kleinen elfen­beinernen Todtenschädel hin.

Ich kann nichts vermissen, was ich nie besessen habe," erwiderte dieser,ich kenne diesen Gegenstand nicht."

Oder wollen ihn nicht kennen," bemerkte der Landrichter; es kommt darauf kaum noch etwas an."

Auf dieses Berloque kommt Alles an," versetzte Benno außer sich.Herr Landrichter, Sie halten damit die Spur des Mörders in Händen."

Ich werde ihr nachgehen," erwiderte der Richter.

Noch einmal versuchte er seine ganze Kraft, den Angeschuldigten zum Geständnis zu bringen; Benno beharrte aber bei seinem Leugnen.

Mit der Pistole in der Hand wollte ich Rehfeld gegenübertreten, zum Zweikampf mit mir wollte ich ihn zwingen" wiederholte er, und ich hätte ihn nicht gefehlt; aber ein Meuchelmörder bin ich nicht. Wäre ich jedoch im Rausche der Leidenschaft, wie sie wähnen, dazu geworden," fügte er stolz hinzu,so würde ich den Mut haben, mich zu der That bekennen und ihre Folgen auf mich zu nehmen!"

Der Landrichter zuckte die Achseln.Viel­leicht besäßen sie den Mut, wenn er Ihnen nicht im Hinblick auf Frau v. Rehfeld gebräche."

Hält man diese Dame etwa für eine Mitschuldige? fragte Benno mit verächtlichem

Lachen, setzte aber sogleich voll tiefster Herzens, angst hinzu:Es ist nicht möglich; Sie können sie nicht beschuldigt, nicht eingekerkert haben!"

Noch nicht; ich kann Ihnen aber nicht verhehlen, daß sie sich durch ihre sichtlichen Be- mühungen. Sie zu retten, wenigstens des Ein» Verständnisses mit Ihnen verdächtig gemacht; Sie thäten ihr einen besseren Dienst, wenn Sie ein Geständnis ablegten."

Erna weiß, daß ich unschuldig bin; sie zeugt für mich; sie glaubt an mich!" rief Benno, und es ging wie Sonnenschein über sein bleiches, finsteres Gesicht.Sie meinen, ich solle um ihretwillen ein Geständnis ablegen? ich aber sage Ihnen: Um Erna's willen muß ich mich verteidigen bis auf Aeußerste, und die Wahrheit wird und muß an den Tag kommen. Meine Ehre ist die ihrige, ihr Ruf der meine. Wieder gilt cs zu kämpfen für die Reinheit der Namen Treuenfeld und Göldner, Gott wird mich dabei schützen, wie er mir schon einmal beigestanden hat."

Hoch erhobenen Hauptes verließ er das Verhörzimmer und ließ sich in sein Gefängnis zurückzuführen: der Richter blickte ihm nach­denklich nach; er sah voraus, daß ihm der Eiseknopf noch etwas zu schaffen machen werde.

(Fortsetzung folgt.)

Ein Anteil des zweiten Hauptgewinnes in der letzten Klasse der sächsischen Lotterie ist dieser Tage nach Berlin gefallen und der glück­liche Gewinner desselben ist ein Gcrbergeselle, der schon einmal von Frau Fortuna derartig begünstigt war. Damals, vor etwa 8 Jahren, erhielt er auf seinem Anteil etwa 20000 Mk., die jedoch in kaum zwei Jahrenalle" gemacht waren. Der Gerber mußte dann wieder arbeiten, hatte aber einen festen Glauben, daß er noch einmal in der Lotterie gewinnen werde. Von seinem kärglichen Verdienst sparte er sich soviel ab, um ein Zehntel-Los spielen zu können; derGlaube" sollte belohnt werden; jetzt hat das Glückskind etwa 26000 Mk. gewonnen, für die er sich eine Leibrente gekauft hat.

Basel, 14. Mai. Hier kamen kürzlich auf der Bahn nicht weniger als 30000 Wachteln durch, die von Italien nach Landen geschafft wurden und in drei Wagen untergebracht waren. Schon auf dem hiesigen Bahnhof bemerkte man in den Käfigen viele tote Tierchen. Als die Eisenbahnangestellten ihnen Wasser reichten, drängten sich die Vögel gierig zu den Näpfchen; der Durst hatte sie vollständg zahm gemacht. Ob derartige Sendungen nicht auch unter den Begriff Tierquälerei fallen? Diese Frage der Baseler Nachrichten" dürfte mit einem kräftigen Ja" beantwortet werden. Was brauchen über­haupt die Leute in London Wachteln zu essen? Man stelle vielmehr diese anderen nützlichen Vögelchen unter den Schutz strenger internatio­naler Gesetze.

(Vertauschte Rollen.) Grillmann ist von Berus Schauspieler, verleugnet aber gern im Privatleben den Mimen; besonders liebt er es, sich bei jeder Gelegenheit einen militärischen Anstrich zu geben.P<ccolo, das .Militär- Wochenblatt'!" schnarrt er eines Tages im Cafe, den schneidigen Lieutenantston markierend. Dann. Piccolo, ruft ein alter Oberst, der in der Nähe sitzt, mit echt theatralischem Pathos, bringen Sie mir die .ThcaterZeitung'!"

(Wörtlich zu verstehen.) Hinz:Na, haben Sie denn die Stellung bekommen, von der ich Ihnen erzählte?"Kunz:Nein, der Meier hat sie mir vor der Nase weggeschnappt. Und den nannten Sie immer einen rücksichts­vollen. netten Menschen!" Hinz:Ich sagte Ihnen ja, daß er so 'was Zuvorkommen­des hat."

Gedankensplitter.

Manche Menschen können keines ihrer Ziele er­reichen, sondern nur darüber hinausschießen.

Wer Alles blos um Geld thut, wird bald Alles um Geld thun.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.