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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Seine Majestät der König hat die evang. Pfarrei Gräfenhausen dem Pfarrer Sauter in Neubronn, Dek. Aalen, übertragen.

Deutsches Reich.

Berlin, 19. Mai. Der Reichstag hat sich die Ermahnungen, die ihm wegen der ewigen Beschlußunfähigkeit in den letzten Tagen von den Blättern aller Parteien zu teil geworden sind, zu Herzen gehen lassen. Am Montag war endlich wieder ein beschlußfähiger Reichstag bei­sammen. Das Zentrum Halle seine Reserven einrücken lassen und auch die Rechte war zahl­reich erschienen, wahrscheinlich weil gestern kein Renntag in Carlshorst war. Auf der Tages­ordnung standen zwei koloniale Gesetzentwürfe, einer betreffend die Bestrafung des Sklaven- raubeS und des Sklavenhandels und einer betr. die Kaiser!. Schutztruppen für Südwest-Afrika. Die Sozialdemokraten hatten wohl nur um die Verhandlungen hinauszudehnen, eine Menge von Zusatzanträgen gestellt, die sie hauptsächlich durch den nach langer Gefängnishaft wieder freige­wordenen Genossen Stadthagen vertreten ließen» Die sozialdemokratischen Anträge, 12 an der Zahl, wurden alle abgelehnt, der Entwurf da­gegen mit einigen vom Zentrum vorgeschlagenen Aenderungen angenommen. Der weitere Ge­setzentwurf über die Kaiser!. Schutztruppen für Südwestafrika und für Kamerun wurde, nach einer Rede Richters über das Mißverhältnis zwischen Zivil und Militär in den Kolonien, dem Budgetausschuffe überwiesen. Sodann wurde zu der namentlichen Abstimmung über das Zuckersteuer-Notgcsetz geschritten, das nun endlich unter Dach gebracht werden konnte, da 236 Abgeordnete anwesend waren, von denen 191 für, 45 gegen das Gesetz stimmten. Das Ergebnis wurde von der Rechten natürlich mit großer Heiterkeit ausgenommen, da sie nun doch ihren Willen durchgesetzt hatte.

Die umlaufenden Gerüchte über angebliche Gegensätze im prenß. Staatsministerium, über Rücktrittsabsichlen speziell des Ministers v. Köller und des Staatssekretärs v. Bötticher, ja sogar einen möglichen Rücktritt des Reichs­kanzlers Fürsten Hohenlohe selber u.s.w. werden von offiziöser Seile fortgesetzt für unbegründet erklärt. Möglich, daß sich die vorhandenen Wölkchen am Berliner Regierungshorizonte wie­der verziehen, aber jedenfalls ist die infolge Scheiterns derUmsturz-Borlage" zunächst ent­standenen Situation keineswegs so klar. Die nicht nur gegen den Minister v. Köller, sondern in letzter Zeit auch gegen den Reichskanzler selber gerichteten Quertreibereien der Kölnischen Zeitung sollen das Werk einflußreicher Hinter­männer des rheinischen Weltblattes sein, und es läßt sich noch keineswegs übersehen, welche Wirkungen sie schließlich haben werden.

Ein neuer deutscher Bund ohne Reichs­tagswahlrecht. Die Schles. hochkonservativ. Zeitung hat den Vorschlag gemacht, das deutsche Reich für eine Stunde aufzulösen und dann einen neuen Bund ohne Reichstagswahlrecht zu schließen, ohne selbst die Absicht auszusprechen, daß dies in der That geschehen sollte. Aengst- liche Gemüter fürchteten aber doch, es könne an dieser Hypothese etwas Wahres sein, zumal sie zu einer Zeit veröffentlicht wurde, wo der Kaiser in Schlesien weilt und weil das Blatt in der That zu Hoskreisen in naher Beziehung steht. Im Ernste denkt natürlich kein Bundes­staat daran, solchen Phantasien zur Verwirklich- lichung zu verhelfen, da diese Verwirklichung ein vollendeter Staatsstreich wäre. Es wäre auch in der That leichter, den Bund aufzulösen, als ihn nach einer Auflösung wieder zu Stande zu bringen. Mann kann vollkommen beruhigt sein, daß von dieser Seite und auf diesem Wege das Reichswahlrecht keine Aenderung erfährt.

Berlin. Um eine Verminderung des Schreibwerks herbeizuführen, sind jetzt auch die Eisenbahndienststellen angewiesen worden, in den an die Vorgesetzten Direktionen bezw. In­spektionen zu erstattenden Berichten alle über- flüssigen Ergebenheits- und Höflichkeitsausdrücke,

wiegehorsamste,geneigtest" u. a. m. für die Folge fortzulassen. überhaupt alle Berichte so knapp als möglich abzufaffen.

Württemberg.

Stuttgart, 17. Mai. Landtag. Die Kammer der Abgeordneten setzte heute die Beratung des Kultetats von Kap. 50 ab fort. Eine große Debatte entwickelte sich bei Kap. 61 Universität, wo die Kommission die thunlichste Verminderung der aus dem Dispositionsfonds zu bestreitenden Ausgaben, die Revision des Prüfungswesens und die Förderung des Zuzugs tüchtiger Privatdozenten durch eine Resolution angeregt hat. Es sprachen neben dem Referenten Hartranft (Böblingen) Abg. v. Geß, der eine scharfe Kritik gegen verschiedene Seiten des jetzigen Universitätsbetriebs, namentlich gegen die Beruf­ungen, richtete, Domkapilatur v. Linsenmann, Kanzler von Weizsäcker der die Angriffe des Abg. v. Geß zurückwies; ferner der Herr Staats­minister des Kirchen- und Schulwesens Dr. Sarwey, der sich der Universität lebaft annahm, sodann F. Haußmann. In der folgenden Sitzung setzte die Kammer der Abgeordneten die Debatte über die Universität Tübingen fort. Abg. Schrempf beklagte die Verhältnisse in der theologischen Fakultät; mit der Be- seitung einiger unbequemer Pfarrer sei den vor­handenen Mißständen nicht abgeholfen. Abg. v. Geß dankte dem Abg. Haußmann dafür, daß er ihn gestern unterstützt habe und betonte wiederholt, daß er mit großem Wohlwollen der Universität gegenüberstehe, aber er wahre sich das Recht der Kritik. Es sei kein richtiger Zu- stand, daß in Tübingen mehr als die Hälfte der Professoren Ausländer seien. Redner kam noch­mals auf die Brüfungsordnung zu reden und hob sein Recht hervor, diese Dinge zur Sprache zu bringen. (Beifall). Prälat v. Wittich ver­teidigte die Prüfungsverhältniffe an der theo­logischen Fakultät. Kanzler v. Weizsäcker erklärte: Wenn in Tübingen zahlreiche nord­deutsche Professoren angestellt sind, so gleicht sich das dadurch aus, daß an nicht württem- belgischen Hochschulen zahlreiche Württemderger als Lehrer wirken. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir auch Deutsche sind, und wir würden, wenntzwir hierin eine Aenderung träfen, ent- schieden einen Schritt rückwärts machen. Auf die Anfrüge des Abgeordneten Glaser (Soz.), wies es mit der von manchen Seiten geforderten Errichtung eines Lehrstuhls für Homöo­pathie stehe, erwiderte Kultusminister Dr. v. Sarwey mit der Bitte, diese Sache einstweilen in der Erörterung zurückzustellen, da hierüber eine Eingabe vorliege, die erst von der Petitions- kommisston erledigt werden müsse. Schließlich wurde der TitelUniversität" genehmigt.

Stuttgart, 17. Mai. (Zukunfts­bahnen in Württemberg.) Die Denkschrift betr. die der Eisenbahnverwaltung bekannt ge­wordenen Eisenbahnprojekte u. Eisenbahnwünsche ist mit hübschen Karten soeben erschienen. Haupt­bahnprojekte sind es nur 2, welche wohl auch in naher Zukunft ausgeführt werden, nämlich 1) BöblingenTübingen, 2) Bodenseegürtelbahn mit der württ. Strecke: JmmenstadtFriedrichs­hafenLangenargen Kreßbronn. Lokalbahn­projekte sind es nicht weniger als 24, nämlich 1. MünsingenSchelklingen, 2. Kirchheim u. T. Oberlenningen, 3. BlaufeldenLangenburg über Gerabronn, 4. BiberachOchsenhausen, 5. MöckmühlMergentheim, 6. Unterkochen Dischingen, 7. Münsingen-LaichingenAm­stetten, 8. EbingenOnstmettingen, 9. Göppingen Gmünd, 10. SüßenWeißenstein. 11. Geis­lingenWiesensteig, 12. RenningenBöblingen, 13. SchorndorfWelzheim, 14. Freudenstadt Schönmünzach, 15. LaichingenLonsee (vergl. auch Ziffer 7), 16. HallKünzelsauMöckmühl, 17. TübingenHerrenberg, 18. Balingen Rottweil, 19. BiberachBuchauHerbertingen, 20. GaildorfWasseralfingen, 21. Künzelsau Mergentheim, 22. Marbach a. L. (O/A Mün­singen)Untermarchthal, 23. GüglingenZaber­feldBretten, 24. UrachMünsingen. In die der Denkschrift beigegebene Landeskarte sind alle diese Bahnprojekte und Wünsche mit der Hoff­nungsfarbe Grün hübsch eingezeichnet. Die

Karte nimmt sich sehr hübsch aus. Wenn nur das Geld zu d>esen Bahnen schon da wäre. Seid umschlungen Millionen!

(Stuttgarter Möbelmesse 27. bis 29. Mai.j Zur Mai-Möbclmesse kann mit Rück­sicht auf die in der Gewerbehalle aufgestellten einige Hundert Plane für den Rathaus-Neubau und des dieserhalb in der Meßzeit daselbst tagenden Preisgerichts das Innere der Halle für Meßzwecke diesmal nicht benützt werden. Die gesamte Möbelmesse wickelt sich somit im Freien (auf dem Gcwerbehalleplatz und auf dem Hegelplatz) ab. Bezüglich der zur Messe kom­menden Polsterware, sowie teilweise auch der polierten Ware wird vom Marktamt für Schutz­bedachung gesorgt werden.

Besigheim, 21. Mai. Die hiesige Stadlgemeinde ist durch den gestern Abend er­folgten Tod unseres allgemein beliebten Stadt­schultheißen Iung in Trauer versetzt. Er brachte sein Leben auf 77 Jahre.

Tuttlingen, 18. Mai. Ockonom und Gasthofbesitzer Lang aus Erringen liefert von heute ab Milch hierher zu 14 ^ per Liter. Die hiesigen Milchoerkäufer, welche bisher 16 ^ per Liter verlangten und vor 2 Jahren auf 20 L aufschlagen wollten, aus welchem Anlaß der hiesige Konsumverein entstand, werden wohl oder übel nun auch auf 14 heruntergehen müssen, wenn sie nicht den ganzen Absatz verlieren wollen. Auch für den Konsumverein, der die Milch ebenfalls zu 16 ^ verkauft, bedeutet das Auftreten Längs eine Konkurrenz.

Tuttlingen, 14. Mai. Die hiesige im Bau begriffene Elektrizitäts-Anlage hatte sich bisher wegen der etwas zu hohen Preise der Glühlichter und des Motorenbetriebs nicht der gewünschten allgemeinen Beteiligung zu erfreuen. Durch Bekanntmachung mit dem heutigen setzt die Maschinenfabrik Eßlingen, welche das Werk anlegt, die ehemals angcsetzten Preise bedeutend herab und lädt die Interessenten zur Besichtig­ung ihrer Voranschläge freundlichst ein.

Tübingen, 20. Mai. (Getrübte Flitterlage) hat ein Brautpaar erlebt, welches am Samstag seine Hochzeit feierte. Schon am Sonntag früh wurde der Gemahl wegen Be­trugs verhaftet.

Stuttgart. sLandesproduktenbörse. Bericht vom 20. Mai von dem Vorstand Fritz Meglinger.s In der abgelaufenen Woche war Anfangs eine ruhigere Stimmung am Getreideweltmarke eingetreten, am Schluffe erhöhten Amerika und Rußland ihre Forderungen, Amerika klagt über Frostschaden, Rußland über Trocken­heit. Die süddeutschen Märkte melden ruhigeren Verkehr ohne nennenswerte Preisänderung, nur Bayern ver­kehrte in fester Stimmung. Zu erhöhten Preisen wurden größere Abschlüsse an heutiger Börse gemacht. Wik notieren per 100 Kilogr.: Weizen bahr. 15 50 ^

bis 16 -4L 50 russ. Azima 16 »4L ^ bis 16 »4L 50 ^ russ. Nikolajeff 16 -4L 50 bis 16 -4L 75 Kernen 16 »4L 50 bis 16 -4L 80 ^r, Dinkel 10 -4L 40 Donaumais 13 -4L 75 Odessa 13 -4L 75 ^z, Hafer» bayr. 13 »4L 75 ^ Oberl. 1s>. 14 «4L Landhafer 12 -4L Mehlpreise pr. 100 Kilogramm

inkl. Sack bei Wagenladung: Mehl Nr. 0: 27 -4L 50 ^ bis 28 »4L 50 Nr. 1: 25 »4L 50 ^ bis 26-4L 50 Nr. 2: 24 -4L ^ bis 25 »4L »1, Nr. 3: 21 -4L 50 4- bis 22 -4L 50 Nr. 4: 18 »4L 50 bis 19 -4L 50 Gries 28 50 -4. Kleie 6 »« 80 ^4.

Ausland.

Wien, 21. Mai. Graf Goluchowski begann bei dem heutigen Empfang seines Be­amtenkörpers seine Ansprache mit dem Ausdruck des Schmerzes über den Rücktritt Kalnokys und erklärte, dessen Verdienste feiernd, daß er die Geschäfte in seinem Geiste und Sinne weiter­führen werde.

Aus Laibach geht erneut ein Aufruf um Hilfe durch die deutschen Gaue. Der Aufruf ist mit warmer Schilderung der Schäden erfüllt, welche die fortdauernden Erdstöße über diese Stadt und ihrer Umgebung gebracht haben.

Paris, 21. Mai. Der Min ist er rat beschloß, einen Kredit zu verlangen, um anläßlch der seit dem Kriege 1870 verflossenen 25 Jahre für die gefallenen Soldaten in Paris ein Denk­mal zu errichten.

Aus Madagaskar wird ein neuer Er­folg der französischen Waffen gemeldet. Das erste Bataillon des Kolonialregiments, welches aus sakalavischen» also eingeborenen Schützen.