wohl hauptsächlich durch die Budapester Mit­teilungen über die Abberufung des Nuntius Agliardi. welche abermals in den Wirkungskreis des Ministers des Auswärtigen eingegriffen hätten, veranlaßt worden sein. Niemand wird sich der Empfindung entschlagen, daß mit Kalnoky ein Mann vom politischen Schauplatz abtritt, der sich um den europäischen Frieden und die Macht­stellung der österreichisch-ungarischen Monarchie große Verdienste erworben hat Der neue Leiter der auswärtigen Politik des Kaiserstaates steht im 46. Lebensjahre, von seiner politischen Tätig­keit ist bis jetzt in weiteren Kreisen noch nichts Sonderliches bekannt. Graf Goluchowski ist Pole und seine russenfreundliche Gesinnung gilt als offenes Geheimnis. Ob infolge dieses Um­standes die Dreibundfrage in ihrem Status im Laufe der Zeit in irgend einer für Deutschland nicht genehmen Weise Verschiebungen erfahren dürfte, muß erst abgewartet werden. Da er ober von Kalnoky selber dem Kaiser zu seinem Nachfolger vorgeschlagen worden war. so sollte man annehmen dürfen, daß die Persönlichkeit des neuen Ministers die nötigen Bürgschaften zur unveränderten Fortsetzung der Kalnoky'schen Politik gewähre. Vorerst wird Gulochowski zu zeigen haben, daß er wirklich der Mann ist, die innere Spannung zwischen den beiden Reichs­hälften auszugleichen, ohne dabei den religiösen Gefühlen der überwiegend katholischen Bevölker­ung zu nahe zu treten. Infolge der streng katholischen Richtung, welche Goluchowski nach­gesagt wird, dürfte ihm die Lösung dieser Auf­gabe nicht allzuschwer fallen.

London, 18. Mai. Nach einer Meldung derTimes" aus Tientsin erhoben Frankreich und Deutschland gegen alle Finanzabmachungen Einspruch, durch die China irgend einer Nation Sonderrechte übertragen würde. Der Einspruch scheine sich gegen ein amerikanisches Syndikat zu richten, welches die Zahlung der Kriegsent­schädigung gegen Eisenbahnkonzcssionen über­nehmen soll.

Am letzten Sonntag begab sich eine Ge­sellschaft von acht Personen, darunter auch eine gewisse Rosa Peter mit ihrem siebenjährigen Knaben Giuseppe auf das Dach desMailänder Domes, um die herrliche Aussicht daselbst zu genießen. In einem unbeachteten Augenblicke neigte sich der Knabe zu stark über die Brüstung vor, stürzte ab und fiel mit zerschmetternden Gliedern auf das Straßenpflaster.

Unterhaltender Heil.

Eine Hochzeitsreise.

Erzählung von F. Arnefeld t.

(Fortsetzung.)

Der Landrichter, der sich zuerst jede Ein- Mischung hatte verbitten wollen, ließ die alte Dame gewähren; sie kam ihm ja vortrefflich zu Hilfe. Hatte er jedoch gehofft, Frau v. Reh­feld in Verlegenheit geraten zu sehen, so täuschte er sich; ohne einen Augenblick zu zögern, er­klärte sie:

Rehfeld hatte in Wien für Getreide die Summe von zwanzigtausend Gulden in Empfang genommen und trug das Geld in großen Bank­scheinen in der Brieftasche."

Davon hak Dorothea nichts gesagt!" rief der Landrichter iu seiner Ueberraschung aus.

Erna richtete sich höher auf.Erscheint es Ihnen auffällig, daß ich darüber besser unter­richtet bin, als meine Kammerfrau?" fragte sie stolz.

Ich werde Nachforschungen nach der Brief­tasche anstellen lassen," versetzte der Landrichter etwas kleinlaut.Kennen Sie dies!" fügte er hinzu, indem er der jungen Frau einen kleinen, elfenbeinernen Totenschädel hinhielt.

Sie schüttelte verneinend den Kopf.Was ist das?"

Wahrscheinlich ein Berloque von der Uhr des Mörders, das der Ermordete ihm abgerissen hat; wir fanden es zunschen den erstarrten Fingern des Toten."

Erna nahm das winzige Spielzeug in die Hand und betrachtete es von allen Seiten.Ein

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Fingerzeig, Gott sei Dank ein Fingerzeig!" seufzte sie aus tiefstem Herzensgründe.

Hier ist noch ein anderer viel stärkerer," versetzte der Untersuchungsrichter,der Mörder hat die Waffe fallen lassen, mit der er den tödlichen Stoß geführt." Er zog den Dolch hervor.

Erna ward todenbleich und starrte mit stummen Entsetzen auf den Dolch: Frau Göldner aber rief:

Der Dolch" Sie kam nicht weiter; ihre Tochter war hinzugesprungen und legte ihr die Hand auf den Mund.Schweige, Mutter, um Christi Willen schweige!" hauchte sie.

Dieses Verbot sagt genug." versetzte der Untersuchungsrichter, der mitleidlos seinen Vor­teil verfolgte.Die Damen haben den Dolch erkannt."

Es hilft kein Leugnen und Vertuschen, Kind," sagte Frau Göldner schluchzend.Rechnen Sie ihr es nicht zu Herr Richter; wenn Sie alles wissen, werden Sie es begreifen."

Der Untersuchungsrichter neigte zustimmend das Haupt und fragte:Der Dolch ist Ihnen bekannt?"

Ja," antwortete Frau Göldner, ohne sich an die abmahnenden Winke ihrer Tochter zu kehren.Er ist ein Erbstück der Familie Treucn- feld; Benno's Großvater hat ihn aus Italien mitgebracht. Als Benno seine große Reise an­trat, bat er meinen verstorbenen Mann, der sein Vormund war, ihm das schöne seltene Stück mitzugeben; o, wer damals hätte denken sollen, wozu er dienen würde!"

Benno ist kein Mörder!" rief Frau von Rehfeld.

Auch Sie erkennen den Dolch als sein Eigentum?" fragte der Landrichter.

Sie neigte leise den Kopf.

Angesichts dieses Beweises ist kein Zweifel mehr möglich."

Weil der Dolch Benno gehört, muß er darum auch den Stoß geführt haben?" fragte sie dagegen.Ich habe den Mörder gesehen, es war jener Mensch, den ich beschrieben habe."

Wie sollte er zu dem Dolch gekommen sein?"

Sie legte die Hand an die Stirn.Das weiß ich nicht; aber ich werde es erfahren. Ich weiß, daß Benno unschuldig ist und schwöre bei Gott, dem Andenken an meinen Vater, bet Allem, was mir heilig ist, ich will nicht ablasien, bis ich das bewiesen habe! Hätten Sie sonst noch Fragen an mich zu richten?" wandte sie sich stolz an den Richter.

Für jetzt nicht", erwiderte dieser betreten, dagegen muß ich Frau Göldner bitten."

Die alte Dame zögerte; es war ihr doch peinlich, in Gegenwart ihrer Tochter ihre Aus­sagen zu machen; aber Erna versetzte:Sprich Mutter, sage alles, was Du weißt; auf etwas mehr oder weniger bösen Schein kommt es nicht mehr an. Die Wahrheit muß doch obsiegen."

Frau Göldner begann ihre Aussage, aber schon nach den ersten Worten stand Erna auf und bat. sich entfernen zu dürfen; es war ihr doch unmöglich, die Geschichte ihrer Jugendliebe und des an ihr verübten Verrates einem frem­den Manne durch den Mund ihrer Mutter be­richten zu hören.

Auch Frau Göldner seufzte erleichtert auf, als die Thür sich hinter ihr geschlossen hatte. Sie erzählte nun ausführlich, wobei sie sich be­mühte, die Handlungsweise des verstorbenen Herrn v. Rehfeld und auch die ihrige in ein möglichst günstiges Licht zu stellen. Je Heller sie diese Partien malte, um desto dunkler mußten die Schatten werden, die auf Benno Treuenfeld fielen. Wach ihrer Schilderung war er ein Mensch, der in seiner wilden Leidenschaftlichkeit zu allem fähig war, vor dem ihr Kind zu be­wahren, sie als die heiligste Mutterpflicht be­trachtet hätte. Es heiße zwar, er sei jetzt im Besitze eines großen Vermögens nach Europa zurückgckchrt; sie wolle aber nicht untersuchen, wie es erworben sei. Derartiges möge auch Herr v Rehfeld befürchtet haben und nun aus Edelmut, um Erna vor dem ihr an Benno's Seite drohenden Geschick zu retten, habe er sie

getäuscht und sich ihr als Gatte zum Beschützer gegeben. «Er hat sein Leben für sie gelassen!" schloß sie ihren langen Bericht.

Hätte bei dem Untersuchungsrichter noch ein Zweifel obgewaltet, daß Benno Treuenfeld der Mörder sei, so würde Frau Göldner's Aussage und besonders ihre Schilderung des in Rehfelde zwischen ihr und Benno stattgchabten Auftritts überzeugt haben. Er befahl den Angeschuldigten nun vorzuführen.Er kann nicht leugnen," murmelte er,die Beweise sind erdrückend."

(Fortsetzung folgt.)

Der Petroleumlampe ersteht voraus­sichtlich bald ein grimmer Gegner in Gestalt einer von Fabrikant Helfft erfundenen Spiritus­lampe mit Glühlicht ähnlich dem Gasglühlicht. Man würde damit ein sehr Helles billiges und explosionssicheres Licht bekommen und mit dem amerikanisch-russischen Petroleumwucher wäre es vorbei, dagegen dem deutschen Kartoffelbauer (aus Kartoffeln kann man bekanntlich Spiritus bereiten); geholfen. Der Kaiser hat sich über eine solche ihm vorgezeigte Lampe sehr lobend geäußert. Dem vorstehenden sei hinzugefügt, daß auch eine Petroleumglühlampe in Vorbe­reitung ist.

Für die jetzigen kalten Tage paßt trefflich folgendes alte kleine Gedicht:Im wunder­schönen Monat Mai. Da alle Knospen

sprangen, Bin ich in meinen Röcken zwei Und einem Pelz gegangen. Im wunder­schönen Monat Mai, Da alle Knospen

sprangen, Hab ich noch einmal frisch aufs neu Zu Heizen angefangen."

(Vom Katheder.j Professor (vortragend): Hierher gehören auch das bedeutendste satirische Lehrgedicht des Mittelalters, dasNarrenschiff" von Sebastian Braut, aus welches ich nächstens noch kommen werde!

(Beim Photographen.) Dame:Ich wünsche eine Momentphotographie wie lange dauert das?"Photograph:Momentphoto­graphie? O, ungefähr eine halbe Stunde."

Telegramme.

Friedrichsruh, 19. Mai. An der heut. Huldigungsfahrt aus den Rheinlanden zum Fürsten Bismarck nahmen etwa 750 Damen u. Herren teil. Die Huldigung nahm einen glänzen­den Verlauf. Oberbürgermeister v. Bohlen aus Remscheid feierte die Verdienste des Fürsten. Alsdann überreichten die rhein. Frauen Blumen­spenden mit poetischen Widmungen. Der Fürst dankte in längerer mit Humor durchwürzter Rede und schloß mit einem Hoch auf die rhein. Frauen. Von 60 rhein. Städten wurde hierauf ein Kollcktivehrenbürgerbrief überreicht und von 5 Städten besondere Ehrenbürgerbriefe.

Rom, IS. Mai. Gestern Samstag Abend 9 Uhr erfolgte in Florenz ein heftiges Erdbeben, welchem ein 5 Sekunden anhaltendes unterirdisches Rollen vorausging. Die Bevölkerung verbrachte die Nacht auf den Straßen, gegen 11 Uhr abends erfolgte ein weiterer stärkerer Erdstoß. Mehrere Personen wurden leicht verletzt. In der Um­gegend wurden kleinere Erderschütterungen wahr­genommen. Die Panik dauert fort. Aus der Umgegend laufen traurige Nachrichten über das Erdbeben in der letzten Nacht ein. In Grasstna sind 40 Häuser emgestürzt, in San-Martina ist die Kirche zerstört, auch in Lappaggi sind mehrere Häuser eingcstürzt, wobei drei Personen unter den Trümmern begraben wurden. Außer­dem sollen noch mehrere Bewohner des Ortes getötet oder verwundet sein. Die Zahl der Opfer ist noch unbekannt. Der Prinz von Ne­apel, die Behörden, eine Komp. Pioniere haben sich sofort nach den Unglücksstätten begeben.

London, 19 Mai. Wie dem Reuter'« schen Bureau aus Djeddah von heute gemeldet wird, ist ein türkisches Schiff mit 700 Mekka­pilgern etwa 50 Meilen nördlich von Djeddah auf ein Riff aufgelaufen. Alle an Bord be­findlichen Personen wurden gerettet, das Schiff selbst ist jedoch wahrscheinlich verloren.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.