finden," befahl der Landrichter den Gerichts- dienern. Dieselben machten sich an's Werk. j.Es fand sich das Portemonnaie, das aber nur einige Goldstücke und etwas Silbergeld enthielt; ebenso waren die Uhr und Kette vorhanden.
„Man hat den Toten nicht beraubt, rief der Landrichter. Auch die Ringe scheinen noch an den Fingern zu sein."
Der Gerichtsdiener ergriff die Hand, welche der Tote festgeballt hatte, und versuchte sie auseinanderzubrechen; dabei erfaßte er einen kleinen harten Gegenstand, den der Unglückliche zwischen den erstarrten Fingern hielt und zog ihn mit vieler Mühe hervor.
„Was haben Sie da?" rief der Landrichter, der den Bewegungen des Mannes aufmerksam gefolgt war.
„Ich weiß es selbst nicht, Herr Landrichter", versetzte der Diener, „es scheint ein schnurriges Ding zu fein."
„Ein Totenschädel!" rief der Arzt, der ebenfalls scharf zusah. „Der Mörder ist doch nicht etwa ein Kollege von mir?"
„Sie halten dieses Stück für das Eigentum des Mörders?" fragte der Landrichter, indem er ganz dicht an das Fenster trat, um den auf- gefundenen Gegenstand genau zu betrachten. Es war ein winziger Totenschädel, sehr fein aus Elfenbein geschnitzt, der als Berloque an der Uhr getragen worden sein mußte; denn es befand sich ein Häckchen daran, das durchgeriffen war. In roter Schrift standen darauf die Buchstaben 'I. 0., die auf einem Grunde von ganz feinen roten Arabesken lagen.
„Der Unglückliche hat sich doch gegen den Mörder zur Wehr gesetzt und ihm in der Todesangst das Berloque von der Uhr gerissen", erklärte der Gerichtsarzt; „lange hat der Kampf freilich nicht gewährt "
„Immerhin lange genug, um uns noch ein Beweisstück in die Hände zu liefern." bemerkte der Landrichter; dieser Schädel und der Dolch sind charakteristisch für den Mörder."
Sollte dieser wirklich eine so leicht kennbare Waffe zurückgelassen haben?" wandte der Assessor zweifelnd ein.
„Wenn die Herren Mörder auch bei ihren gemeinhin äußerst schlau angelegten Plänen nicht wenigstens eine Dummheit begingen, würde man der Verbrecher nie habhaft", antwortete der Landrichter von oben herab, „und hier haben wir es, wie mich bedünken will, nicht mit einem Verbrecher von Profession, sondern mit einem durch eine rasende Leidenschaft blind und toll gemachten Menschen zu thun. Der Fall wird keine große Schwierigkeiten darbieten. Sie haben doch den Herrn Treuenfeld gut bewachen lassen?" wandte er sich wie im plötzlichen Erschrecken zu dem Stationsvorsteher.
Dieser verbeugte sich und erwiderte: „Das Zimmer, in das wir ihn einlogiert, liegt im zweiten Stock und hat nur eine Thür, vor welcher ein Polizist postiert ist; hätten wir aber selbst diese Vorsichtsmaßregel nicht angewendet, so würde doch Wache gehalten werden. Die alte Kammerfrau kauert vor der Thür und ist nicht wegzubringen."
„Sie scheint einen grimmigen Haß auf Treuenfeld zu haben; das erkannte ich schon in der Nacht", bemerkte der Obcrbeamte.
„Hören wir, was sie gegen ihn vorzubringen hat", versetzte der Landrichter und gab seine weiteren Anordnungen.
Der Oberbeamte konnte nur den bereits von ihm erstatteten Bericht wiederholen; die Schaffner bestätigten ihn, und der eine fügte noch hinzu, er habe die alte Kammerfrau, als er sie zu erwecken versuchte, in einem Schlaf befangen gefunden, der für ihn etwas Unnatür- liches gehabt habe.
„Sie war allein im Koupee?" fragte der Beamte und fuhr, als der Schaffner dies bejahte. fort: „Auch in dem anderen Koupee zweiter Klaffe hatten Sie nur einen Reisenden?"
Während der letzten halben Stunde, ja. Von Wien aus saßen vier Herren darin; zwei stiegen jedoch bald wieder aus, der dritte hatte ein Billet bis K. und verließ auch dort das Koupee."
„Wie lange hielten Sie sich aus?"
„Zwölf Minuten. K. ist die Station, bei welcher der Kourierzug am längsten Aufenthalt hat; dann dauert es beinahe dreiviertel Stunden, ehe wieder angehalten wird, weil einige kleine Stationen dazwischen liegen, an denen wir vorüberfahren."
„Und auf dieser Strecke geschah der Mord?"
Der Mann bejahte.
Der Landrichter ließ ihn abtreten und Dorothea herbeirufen. Das Verhör der alten Kammerfrau währte sehr lange. Als sie sich entfernte, funkelten ihre Augen wie die einer Katze; sie wußte, ihre Aussage hatte den Mörder vernichtet, und was ihr vielleicht noch nicht gelungen war, das vollendete Frau Göldner, an die sie telegraphiert hatte, und die jeden Augen- blick eintreffen konnte.
Der Landrichter hielt es nach allem, was er gehört, nicht für geraten, mit Benno Treuenfeld das Verhör im Bahnhofsgebäude fortzu- sctzen. Er ordnete sofort die Verhaftung des Verdächtigen an und ließ ihn in einer verschlossenen Kutsche nach dem Kriminalgericht schaffen.
Hierauf ließ er Frau v. Rehfeld zu sich bitten, erhielt aber den Bescheid, die arme junge Dame liege im tiefen Schlafe. Rücksichtsvoll befahl er, sie nicht zu stören und ihr nur beim Erwachen zu sagen, daß sie sich unverzüglich nach seinem Amtszimmer im Krlminalgericht begeben möge.
(Fortsetzung folgt.)
Calw. Freunde der Natur werden die Wahrnehmung gemacht haben, daß in diesem Jahr Eiche und Esche zu gleicher Zeit zu treiben begannen und jetzt schon einen recht entwickelten Blütenansotz zeigen. Eine alte Bauernregel sagt nun:
Grünt die Eiche vor der Esche,
Hält der Sommer große Wäsche;
Grünt die Esche vor der Eiche,
So hält der Sommmcr große Bleiche; Treiben Eiche und Esche zugleich,
So werden Bauer nnd Bürger reich.
Beiden Ständen wünschen wir. daß die Prognose auch wirklich zutreffen möge. (C. W.)
Ka s s e l, 4. Mai. Ein schwarzer Gymnasiast besucht, wie man in der „Nat.-Ztg." lieft, seit Anfang dieses Monats das hiesige Realgymnasium. Es ist ein Neger ous der deutschen Kolonie Togoland mit Namen Accu Atopie. Seine an anderer Stelle erworbenen Vorkennisse reichten in deutscher Sprache, Latein und den anderen Fächern so weit, daß er hier nach bestandener Prüfung in die Untertertia als Schüler ausgenommen wurde. Accu Atopie be- beabsichtigt, den Unterricht hier mehrere Jahre zu genießen.
Frankfurt a. M. Ein Bäckergeselle aus Württemberg verschluckte beim Singen aus Versehen sein Zahngebiß. Er schwebte über eine Woche lang zwischen Leben und Tod. Ein operativer Eingriff war erfolglos geblieben. Am Samstag trat die Krise ein. Der Geselle hatte Glück, denn das Gebiß ist auf natürlichem Wege abgegangen; der sangeslustige Schwabe steht seiner Heilung entgegen und wird in wenigen Tagen die Krankenanstalt verlassen können.
(Der Wunderdoktor Ast in Radbruch.) Ein Schüler Asts aus Alchin ist auf folgenden genialen Gedanken gekommen. Er reist in Norddeutschland umher und sammelt die Nackenhaare der Kranken. Dann bezieht er sich zu seinem Herrn und Meister nach Radbruch und bringt Diagnose und Medizin gegen ein gutes Honorar nach kurzer Zeit zu den Patienten zurück.
Eine sonderbare Mißgeburt kam in Wald- hsof bei Mannheim zur Welt. Die Frau eines Fabrikarbeiters gebar ein Kind mit zwei Gesichtern, vier Ohren, sechs Fingern an jeder Hand und sechs Zehen an jedem Fuß. Das kräftig gebaute Kind lebte, starb aber bald.
Aus der Schweiz, 7. Mai. Die tiefste Temperatur auf dem Gipfel des Mont-Blanc ist jetzt festgestellt. Am 14. April gelang es
zum ersten Mal im gegenwärtigen Jahre, die Spitze des Mont Blanc zu erreichen. Dort ist von dem französischen Physiker Janssen ein Minimum-Thermometer niedergelegt worden, und es ergab sich daß die niedrigste Temperatur während des vergangenen Winters —43 Grad Celsius erreichte. In Chamounix sank die Temperatur während derselben Zeit nur auf — 28 Grad, im Januar auf —35 Grad.
Ein tollkühner Sprung. Am letzten Donnerstag sprang, wie aus London berichtet wird, der Taucher Tom Burus von einem Zuge der elektrischen Eisenbahn in Liverpool, der sich in voller Fahrt befand, von einer Höhe von 100 Fuß in den Mersey. Er geriet dicht bei einem vor Anker liegenden Dampfer in das Wasser. Der tollkühne Schwimmer kam ohne jede Verletzung davon und erschien nach einem Augenblick wieder auf der Oberfläche.
(Zu was Studentenschmisse gut sind.) Ein ehemaliger Angestellter der belgischen afrikanischen Gesellschaft erzählt, die Wahrheit verbürgend, Folgendes: Besonders willkommen zum Dienst nach Afrika sind der Gesellschaft solche Herren, welche als Studenten in den Mensuren recht viel Schmisse im Gesicht davon getragen haben. Ein solcher Beamter genießt nämlich unter den Eingeborenen ein ganz besonderes Ansehen. Nach ihren Begriffen halten sie ihn der Narben wegen für einen überaus tapferen und bewährten Krieger und behandeln ihn dementsprechend auch mit einer an Erfurcht grenzenden Scheu. (Um Gottes willen, das könnte ja die Duellwut noch mehr fördern! D. R.)
Aus hygienischen Rücksichten hat man in französischen Krankenhäusern — wie das Internat. Patentbureau von Heimann u. Co. in Oppeln berichtet — die Fußböden mit einer Lösung von Paraffin in Petroleum bestrichen, wodurch dieselben eine braune Färbung erhalten und für Alles undurchdringlich werden. Ein einmaliger Anstrich soll für 2 Jahre reichen. So behandelte Fußböden können täglich mit einem feuchten Lappen, der in irgend eine antiseptische Lösung getaucht wurde, gewischt werden. Diese Einrichiung ist für Schulzimmer, Krankenhäuser sowie für Privathäuser von größter Bedeutung. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den geschätzten Abonnenten dieses Blattes Auskunft und Rat in Patentsachen gratis.)
(Aus Gesundheitsrücksichten.) Richter: Angeklagter, Sie wandern nun schon zum fünften Male wegen Diebstahl ins Gefängnis. Können Sie denn das Stehlen nicht lassen? — Angeklagter: Nee, det kann ick nich. Ick bin det meiner Jesundheit schuldig! — Richter: Wieso? — Angeklagter: Mir hat der Doktor sitzende Lebensweise vorjeschrieben! — (Vorm Wirtshaus). „Jetzt lieg i schon a Stund lang da und kein Mensch arretiert mich! . . . Js dees a schlechte Polizei!"
(LiMnt terribla.) Sängerin: „Ihr Beifall entzückt mich — aber meinen süßesten Lohn empfing ich von diesem kleinen Kunstenthusiasten da, der mir zwei Bonbons in die Hand schob. Wo hattest Du denn die Bonbons her. mein Kind?" — Der kleine Fritz: „Die kriege ich immer von Mama, wenn sie will, daß ich still sein soll!"
(Ein rücksichtsvoller Diener.) „Gnädiger Herr, die Mutter Ihrer Frau Gemahlin ist soeben angekommen!" — Aber, Jean, warum sagen Sie nicht einfach: meine Schwiegermutter?" — „Ich wollt' den gnädigen Herrn nicht erschrecken!" — sUcberhöflich.) „Johann, was wollen Sie denn schon wieder?" — „,»Ew. Gnaden hatten die Güte zu vergessen, mir mein Salair auszuzahlen.""
(Individuell.) „Bewundern Sie doch, meine Gnädige, die herrliche Landschaft! . . - Ist sie nicht erfüllt von reinster Frühlingspocste?" — „O, Herr Doktor, da sollten Sie erst meinen neuen Hut sehen!"
Redaktion, Druck und Verlag von L. Meeh in Neujenbürg.