Unterstützung des freisinnigen Kandidaten seitens I der anderen bürgerlichen Parteien bei der Stich- I Wahl in Lennep-Mettmann erinnern? Oder aber werden sie mehr daran denken, daß Hr. Casselmann bei der Eisenacher Stichwahl wesentlich mit Hilfe der Sozialdemokratie siegte?
Nürnberg. 5. Mai. In der Angelegenheit des großen Postdiebstahls ist schon wieder die Untersuchung einen bedeutenden Schritt vorwärts gelangt. Nachdem die Frau des verhafteten Postbediensteten zugestanden hat, daß ihr Mann gestohlenes Geld im Besitz gehabt habe, hat nun dieser Postbedienstete auch sein bisheriges Leugnen aufgegeben und sich so weit zu einem Geständnisse herbeigelassen, daß er angab, er habe in der Nähe des Thatoris (im Abortraume) 100000 Mk. in Banknoten gefunden und dieses Geld in zwei Paketen (in Taschentücher eingewickelt) in einem Acker vergraben. Der Postbedienstete ist nun an den von ihm angegebenen Versteckorl seitens des Gerichts geführt worden, es fand sich aber nichts mehr. Der von ihm bezeichnte Versteckork ist ganz dieselbe Stelle, welche 'der verhaftete Musiker und Schreiner angab, der in seiner Hobelbank eine größere Summe verborgen hielt und welcher erklärte, er habe 30000 Mk. gefunden, aber 20000 Mk zurückgetragcn.
Württemberg.
Stuttgart» 4. Mai. Landtag. Beratung des Antrags Hähnle und Genossen (Volkspartei), die K. Staatsrcgierung möge ihre Bevollmächtigten zum Bundesrat instruieren, dahin zu wirken, daß die Umsturzvorlage die Zustimmung des Bundesrals nicht erteilt werde. Für den Antrag (also gegen die Vorlage) sprachen Lang (Vp.), Frhr. v. Gültlingen, der wie die Reichspartei gegen sie stimmen wird, Kloß (Soz.) Gröber (Ztr.) lehnte cs ab, dem Antrag zuzustimmen und begründete dies in längerer Rede, Geß (fr. V ) für den Antrag. Hauß- mann (Vp) polemisiert in längeren Ausführungen gegen Gröber, ebenso Kloß. Der Ministerpräsident erklärte: Für die Einbringung der Gesetzcsvorlage seien alle deutschen Negierungen verantwortlich und auch die württcmbergische. Er nehme keinen Anstand, zu erklären, daß, wenn die Gesetzesvorlage nach den Kommissions- anlrägen angenommen werde, sehr gewichtige Bedenken dagegen bestehen würden. Sollte dieses der Fall sein, also die Annahme der Kommissionsbeschlüsse erfolgen, so würde die württcmbergische Regierung dem Votum der Kammer diejenige Beachtung schenken, die es beanspruchen darf. Zum Schluß wurde dann der Antrag Hähnle. Storz und Gen. mit 56 gegen 24 Stimmen angenommen (Zentrum und 4 rittersch. Abg.)
Wir geben im nachstehenden die Rede des Abg. Frhrn. v. Gültlingen nach dem stenographischen Bericht wieder:
Meine Herren! Nachdem der Reichstag sich in 8 Sitzungen mit dieser Vorlage beschäftigt hat und ich allen diesen Sitzungen von Anfang bis zu Ende bei- grwohnt habe, werden Sie es begreiflich finden, wenn ich nicht das Bedürfnis habe, über diese Umsturz- Vorlage länger zu sprechen. Ich habe mir das Wort Nur erbeten, um meine Abstimmung zu diesem Antrag kurz zu motivieren. Ich werde gegen diesen Antrag stimmen, nicht etwa, weil ich prinzipiell gegen ihn bin, sondern weil ich Bedenken trage, mich über einen konkreten Gegenstand, der mir anderweitig zur endgiltigen Entscheidung vorliegt, schon vorher an anderen Orten »u binden. Ich habe mit derartigen Bindungen schon schlimme Erfahrungen gemacht und ich möchte mich Nicht wieder in eine derartige Gefahr begeben. Man kann ja ganz gut auch in Reichstags-Angelegenheiten sich allgemeinen Bitten an die K. Regierung anschließen, wie wir dies vorhin mit überwiegender Mehrheit ge- than haben; allein gerade bezüglich solcher konkreten Gegenstände, wie sie hier zur Beschlußfassung vorliegen, Möchte ich mich nicht zum Voraus binden. Ich habe aber auch noch andere Bedenken gegen diesen Antrag. Es heißt hier: „Dem Gesetz-Entwurf in seiner derzeitigen Gestalt."
Die derzeitige Gestalt des Gesetzentwurfs ist mir aber offiziell nicht bekannt. Das was hierüber in den ZeituNgen steht, stimmt nicht alles miteinander überein, ich weiß daher nicht, was richtig ist.
Den Bericht der Kommission habe ich noch nicht erhalten, ich würde also hier über etwas abstimmen, von dem ich keine ganz bestimmte positive Vorstellung habe. Sodann wirft man dem Gesetzentwurf seine dehnbaren Bestimmungen, seine Kautschuckparagraphen vor. Nun ist hier beantragt, zu bitten, daß auch jedem Anderen die freie Meinungs-Aeußerung oder die Freiheit der Lehre» der Wissenschaft und der Kunst gefährdenden Gesetzes-Entwurf die Zustimmung des
Bundesrates nicht erteilt werde. Diese Worte sind doch gewiß auch dehnbar und ich könnte ihnen in ihrem vollen Umfang nicht zustimmen. Was speziell die freie Meinungs-Aeußerung betrifft, so bin ich weit entfernt, dieselbe unterdrücken zu wollen, auch ich bedarf in meinem bürgerlichen und politischen Leben, ja sogar in meinem privilegierten Leben dieser Freiheit der Meinungs-Aeußerung und möchte in keiner Weise darauf verzichten, sie aber auch in keiner Weise einem andern verkümmern, allein m. H., ich muß mich bei dieser freien Meinungs-Aeußerung hüten, in Konflikt zu geraten mit der bürgerlichen und staatlichen Ordnung und mit den zu ihrem Schutz gegebenen und erforderlich erachteten und erachtet werdenden Gesetzen.
M. H.! Ich habe gesagt, daß ich nicht aus prinzipiellen Gründen gegen diesen Antrag sei, sondern aus den von mir soeben erörterten Gründen. Ich kann noch weiter hinzufügen, — Sie haben auch aus öffentlichen Blättern gelesen und ich habe Grund anzunehmen, daß das was in öffentlichen Blättern zu lesen war, richtig ist — daß namentlich meine Fraktion dem Gesetzentwurf, so wie er jetzt liegt, nicht zustimmen wird.
Sie wird in erster Linie stimmen für diejenigen Paragraphen, welche gegeben find zur Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin. Sie soll aber gesonnen sein, in der Gesamtabstimmung gegen den Entwurf, so wie er jetzt liegt, zu stimmen.
M. H.! Das sind Nachrichten — eine Sitzung hat die Fraktion noch nicht gehabt, festgesetzt ist also der betreffende Beschluß noch nicht — ich kann aber soviel sagen, daß ich von meinem Standpunkt aus keinen Grund habe, dieser Absicht der Fraktion irgendwie entgegen zu treten und mich in diesem Punkt von ihr nicht trennen werde.
Ludwigsburg. 7. Mai. Vorgestern rückten ca. 500 Mann des Beurlaubtenstandes zu I4tägigen Hebungen in hiesiger Garnisonsstadt ein, welche Mannschaften in den Privathäusern hätten untergebracht werden müssen. Um die Quartierpflichtigen ihrer Last teilweise zu entheben, hat die Stadtgemeinde voriges Jahr in der Nähe des Schlachthauses und Bahnhofes ein größeres Quartierhaus zur Aufnahme der Einberufenen erbauen lassen. Nach Abrechnung der den Quartierträgern zustehenden Vergütung hat jeder Quartier-pflichtige noch für einen Gemeinen 21 für einen Unteroffizier 24 ^ pro Tag an die Stadlgemeinde zu zahlen. Mit Bezahlung dieses Betrags kommt für die Quartierträger jede weitere freiwillige Reichung in Wegfall. Von dieser praktischen Einrichtung wurde hier so ausgedehnter Gebrauch gemacht, daß sofort nach Bekanntmachung derselben sämtliche Quartierstellen verkauft waren.
Freuden st adt, 2. Mai. In den Wäldern auf den Winterseiten lagert noch immer sehr viel Schnee; in der Rotmurg bei Mittelthal soll der Schnee noch 1 Meter hoch liegen, während im Thale unten es grünt und blüht.
Nagold. 6. Mai. Schwarzwaldverein. Nachdem auch Nagold mit der stattlichen Zahl von 103 Mitgliedern in die Reihe der Schwarzwaldbezirkvereine eingetrelen ist, hielt gestern im hiesigen Rathaussaal der Hauptvereinsausschuß, bestehend aus den Abgeordneten von Altensteig, Calw, Freudenstadt, Nagold, Neuenbürg, Schramberg und 2 Mitglieder des Stuttgarter Vereins unter dem Vorsitz von Rechtsanwalt Stockmayer aus Stuttgart eine Ausschußsitzung zur Vorbereitung der am Peter- und Paulfeiertag in Schramberg abzuhaltenden Jahresversammlung. Am Nachm, des Sonntag Jubilate hielt der Ausschuß seine Frühjahrsversammlung in Nagold. Nach einem Mittagessen im Gasthof zur Post begannen die Verhandlungen im Saale des Rathauses, welchen auch zahlreiche Mitglieder aus Nagold und Umgebung anwohnten. Der Vorsitzende, Rechtsanw. Stockmayer, stellte zunächst die Wahl des Ortes der nächsten Hauptversammlung zur Besprechung. Von Schramberg war eine freundliche Einladung von dem Vorstand des dortigen Bezirksoereins, Fabrikant Arthur Junghaus eingegangen, begleitet von einem mächtigen Strauß prachtvoller Marschall Niel Rosen. Ebenso überbrachten Oberamtmann Maier und Stadtschultheiß Stirn von Neuenbürg eine Einladung nach Neuenbürg. Die Abstimmung ergab eine Mehrheit für Schramberg, und zwar für Feiertag Peter und Paul (20. Juni). Wegen der etwas schwierigen Berkehrsverbindung hofft man auf Entgegen- kommen der Eisenbahnverwaltung. Zum Zwecke der Aufstellung deS Etats wurde nun von säurt- lichen Bezirksoereinen Bortrag erstattet über die nächsten dringenden Bauprojekte betr. Wege, Brücken, Aussichtstürme, Wegweiser, Markier« ungen, Ruhebänke und dergl., welche zeigten,
daß noch eine ganze Menge dankbarster Aufgaben ihrer Lösung harren. Es wäre deshalb sehr zu wünschen, daß das gemeinnützige Wirken des Vereins noch von vielen Seiten her, durch Beitritt zum Verein, kräftig unterstützt würde. Eine längere Beratung erforderte die Abänderung der Satzungen im Sinne der größeren Dezentralisation der Bezirkvereine. Solche Vereine können sich künftig auch innerhalb eines Oberamts bilden, wenn sie mehr als 50 Vereinsmitglieder haben. — Bei dieser Gelegenheit mögen die vom Schwarzwaldverein herausgegebenen Schwarzwaldkarten wieder empfohlen werden (Verlag von W. Kohlhammer in Stuttgart), die von tüchtigen Fachmännern bearbeitet und praktisch ausgeführr sind. Erschienen sind 5 Blätter: I. Baden-Baden-Herrenalb, II. Pforz- Heim-Wildbad-Calw, III. Fceudenstadt-Oppenau, IV. Wildbad-Horb-Dornstetten, V. Alpirsbach- Schramberg-Hausach.
Stuttgart. (Landesproduktenbörse. Bericht vom 6. Mai von dem Vorstand Fritz Kreglinger.j In der abgelausenen Woche haben die Preise auf dem Getreideweltmarkt eine weitere Steigerung erfahren und waren die Offerten durchweg 50 pr. Sack höher Es fanden wiederum größere Abschlüsse sowohl in amerikanischem als auch in russischem Weizen statt. Auf den inländischen Märkten waren die Zufuhren etwas stärker, doch fanden dieselben zu höheren Preisen schlanke Aufnahme. Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen, Nikolajeff-Gyrka 16 -4L 75 Nikolajeff-Azima 16 -4L 75 4 ,, Azima 16 ^ 15 ^ bis 16 -4L 25 La- plata 18 -4L 50 ^ 5 , bis 16 -4L 75, Kernen, Oberl. la. 16 -4L 70 bis 16 ^ 75 Landkernen 16 -4L — -4, dto. In. 16 -4L 25 Landhafer la 13 50 ^ Alb-
Hafer la. 18 -4L 75 bis 14 -4L — ^, Donaumais 13 -4L 75 Odessamais 13 -4L 50 — Mehlpreise
pr. 100 Kilogramm inkl. Sack bei Wagenladung: Letztwöchentlich.
Anstand.
In beiden Reichshälften der habsburgischen Doppelmonarchie hat der Zwischenfall mit dem päpstlichen Nuntius Agliardi eine höchst kritische und verworrene Situation geschaffen. Zunächst bestätigt es sich, daß der gemeinsame Minister des Aeußern Graf Kalnoky seine Demission gegeben hat, weil sich Kalnoky durch das allzuhltzige Vorgehen des ungarischen Ministerpräsidenten Baron Banffy beim Vatican in Sachen des Monsignore Agliardi blosgestellt sah. Ob der Zwischenfall nun auch den Rücktritt Banffy's und seines gesamten Kabinets veranlassen wird, darüber liegen indessen noch keine zuverlässigen Meldungen vor. Vorläufig wird da nur gemeldet, daß sich Baron Banffy nach seinem Empfange durch den Kaiser Franz Josef von Wien nach Pest zurückbegeben habe, vor Antritt der Rückreise konferierte Banffy noch mit dem Minister v. Kallay. Offenbar herrscht aber in Wiener Hoskreisen eine sehr kühle Stimmung gegen den leitenden Staatsmann Ungarns, wofür besonders der Umstand zeugt, daß Baron Banffy dem am Sonntag in der Wiener Hofburg stattgefundenen großen Empfang nicht beiwohnte, während doch Graf Kalnoky und die anderen österreichischen Minister, ferner der Nuntius Agliardi und das gesamte diplomatische Korps anwesend waren. Baron Banffy soll sein Nichterscheinen damit entschuldigt haben, daß er — seine Galauniform nicht mitgebracht hätte! Bei dem Empfange zeichnete der Kaiser Kalnoky und Agliardi durch Ansprachen aus, was darauf hindeutet, daß die Genehmigung deS Entlassungsgesuches des Grasen Kalnoky nicht sehr wahrscheinlich sei. Es heißt denn auch, Kalnoky habe nur deshalb seine Demission genommen, um der Krone bei der Schlichtung der Angelegenheit freie Hand zu lassen.
(Zum Friedensschluß zwischen China und Japan.) Obwohl China die von Japan gestellten Friedensdedingungen angenommen hat und der Friedensvertrag vom Kaiser bereits unterzeichnet worden ist, hat die japanische Regierung, den freundschaftlichen Vorstellungen Frankreichs, Rußlands und Deutschlands Gehör schenkend, nun dennoch endgiliig auf die Besitzergreifung der Halbinsel Liamang, einschließlich der Festung Port Arthur verzichtet. Die japanischen Gesandten wurden beauftragt, dies den betreffenden Regierungen mitzuteilen. Japan wird aber mit China über eine entsprechende anderweitige Entschädigung für diesen Verzicht verhandeln und es wird in diesen Ansprüchen durch die euro-