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über ein Unrecht, das jener ihm zugefügt, beklagen zu können, und er ließ sich seinen Groll durchaus nicht nehmen. Benno's Versöhnungsversuche hatten ebensowenig Erfolg wie Erna's Bitten und Thränen, wie die Vorstellungen einiger wohlmeinender Freunde; selbst das Zureden seiner Frau blieb fruchtlos.
Die Zeiten hatten sich geändert, Frau Göld- ner redete jetzt Benno das Wort. Die Hoffnung, in die Residenz zu ziehen und dort eine glänzende Partie für ihre Tochter zu finden, war zerstoben wie eine schillernde Seifenblase; jetzt richteten sich die Augen der plänemachenden Frau wieder auf den Pflegesohn. Nach ihrer Berechnung mußte für ihn noch eine hübsche Summe aus den Trümmern seines Vater-Erbes herauskommen; er war jung, thatkrästig; er liebte Erna und brachte ihr jedes Opfer, kurz, er erschien ihr als der geeignete Grundstein, auf dem sich für sie wieder ein Gebäude aufführen ließ, in dem man gemächlich leben konnte.
Zu Erna's freudigem Erstaunen erwies sie sich Benno freundlich, richtete es ein, daß er hinter dem Rücken des Vaters die Geliebte sehen und sprechen durfte, und versicherte, sie werden nicht ablassech und es müsse ihr gelingen, ihren Gatten umzustimmen. Lange hielt diese gütige Gesinnung freilich nicht an; sie schlug in das Gegenteil um, als sie inne ward, daß sie in ihrer Berechnung einen argen Fehler gemacht hatte.
Benno hatte sich im Hause seiner Eltern ein Zimmer Herrichten lassen und arbeitete dort angestrengt, um sich ein klares Bild der Verhältnisse zu verschaffen. Er gewann sehr bald die Ueberzeugung, daß es unmöglich sei, die Gläubiger zu befriedigen, und daß deren Verluste auch noch bedeutend blieben, wenn er, wie er fest entschlossen war. auf seine bevorzugte Forderung verzichtete.
Frau Göldner, der er die letztere Absicht als etwas Selbstverständliches mitteilte, suchte ihn davon abzubringen; als sie sah, daß er unerschütterlich blieb. ward sie kühl und kühler gegen ihn, und an dem Tage, wo er seine Vcr- zichtleistung förmlich erklärt hatte, sagt sie ihm, sie hätte eingesehen, daß ihr Mann ihm nie verzeihen werde; sie halte es für unrecht, dem entschieden ausgesprochenen Willen desselben entgegen zu handeln; sie werde nie wieder die Hand bieten, daß er Erna sehe.
Vergebens bat und flthle Benno, ihm doch nur einen Abschied von dem geliebten Mädchen zu gestatten, seine Tage in der Heimat und in Europa seien gezählt; sie blieb hartnäckig und wußte jede Annäherung des jungen Don Quixote, wie sie ihn nannte, an ihre Tochter zu vereiteln. Er hätte sein Vaterland verlassen müssen, um auf lange unabsehbare Zeit in die weite Ferne zu gehen, wo er sein Glück versuchen wollte, ohne der Geliebten Lebewohl gesagt, ohne mit ihr das Gelübde unverbrüchlicher Treue aus- getauscht zu haben, hätten sich in der Nähe nicht Herzen gefunden, welche Teilnahme für die Liebenden fühlten und willig waren, ihnen Beistand zu leisten.
Etwa eine halbe Stunde von M. entfernt lag das Rittergut Rehfelde, dessen Besitzer ein Herr v. Rehfeld, ein Verwandter von Benno war, während seine Frau in einem verwandtschaftlichen Verhältnisse zu der Familie Göldner stand. Das kinderlose Ehepaar war jünger als Erna's Eltern, aber doch bedeutend älter als die beiden jungen Leute und darum so recht geeignet zu der Beschützerrolle, die es übernahm, und in der sich besonders die kränkelnde, etwas schwärmerische Frau v. Rehfeld sehr gefiel.
Benno's Wesen, Benno's Handlungsweise hatte sie gänzlich für den jungen Mann eingenommen; sein Schicksal erschien ihr romantisch, und es hatte für sie einen großen Reiz, die gütige Fee, die Vertraute der Liebenden zu spielen. Ihr Gatte, der die Sache etwas kühler und nüchterner ansah, war ihr darin nicht entgegen, da auch er Benno seine Achtung nicht versagen konnte und ein sehr großes Wohlgefallen an Erna fand. Es war ihm ein Vergnügen, sie in seinem Hause zu haben, und er unterstützte
eifrig die Einladungen, die seine Gemahlin an das junge Mädchen ergehen ließ.
So kam es, daß Erna und Benno Zeit und Ruhe fanden, sich öfter zu sehen. In Reh- felde nahmen sie von einander Abschied für lange, lange Jahre; hier schwuren sie sich unverbrüchliche Treue, hier verabredeten sie den Briefwechsel, der durch die Hände ihrer gütigen Beschützerin gehen sollte, da Benno's Namen im Göldner'schen Hause nicht genannt werden durfte.
Seine schriftlich ausgesprochene Bitte, daß ihm erlaubt werden möge, wenigstens vor seiner Abreise dem früheren Vormunde Lebewohl zu sagen, hatte die härteste Zurückweisung erfahren.
„Und dennoch gebe ich die Hoffnung nicht auf, Deinen Vater zu versöhnen", tröstete Benno die weinende Erna; er kann mir nicht ewig grollen für das, was ich ihm in einem Momente leidenschaftlicher Erregung zugefügt; er liebt Dich zu sehr, um sich nicht endlich durch Dich erweichen zu lassen. Bleibe Du nur fest, meine Erna, und alles wird gut."
„Zweifelst Du an mir?" fragte sie mit sanftem Vorwurfe.
„Nein; aber zweifle Du auch nicht an mir, Geliebte! Es können viele Jahre vergehen, ehe ich meine Aufgabe erfüllt habe."
„Welche Aufgabe?" fragte sie.
«Die Firma Treuenfeld u. Göldner wie ein Phönix aus der Asche erstehen lassen. Nicht eher kehre ich zurück, als bis ich so viel erworben, daß ich allen Forderungen gerecht wer- den und das alte Haus auf neuer, tüchtiger Grundlage aufbauen kann. Das bin ich meinen und Deinen Vorfahren schuldig, Erna, das soll auch meine Sühne für Deinen Vater sein. Glaubst Du, daß er mir dann verzeihen wird?"
„Er wird es, er wird es," flüsterte sie. —
Benno reiste ab, und auch die Familie Göldner verließ M. Der Traum der stolzen Frau hatte sich erfüllt; sie wandte der Stadt, in der sie so lange gelebt hatte, den Rücken, sie ging nach der Residenz; aber wie anders war alles gekommen.
Frau Göldner hatte einen Teil ihres ein- gebrachten Vermögens aus der Konkursmasse zurückerhalten, und die Zinsen desselben, sowie ein Johrgeld, das der sehr reiche Herr v. Rehfeld den armen Verwandten aussetzte, ermöglichte es ihnen, in einer bescheidenen Wohnung in einer Vorstadt der Residenz, wo sie Niemand kannte, und wo sie am unbeachtesten zu existieren vermochten, ein zurückgezogenes Leben zu führen.
Erna teilte ihre Zeit zwischen den Eltern und Rehfelde, wohin sie außer der Güte, mit welcher ihr die Besitzer begegneten, noch ein anderer Magnet zog — Benno's Briefe.
Der junge Mann war nach der Kapstadt gegangen und dort als Korrespondent in ein kaufmännisches Geschäft getreten, um sich zunächst mit den Verhältnissen vertraut zu machen und so viel zu erwerben, daß er selbständig ein Geschäft beginnen könne. Regelmäßig trafen seine Briefe bei Herrn und Frau von Rehfeld und durch deren Vermittlung an Erna ein. Er verhehlte nicht, mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen habe, und daß es harte Arbeit kosten weide, sein Ziel zu erreichen, aber er war guten Mutes und flößte der Geliebten durch seine frische frohe Zuversicht Hoffnung und Freudigkeit ein.
Sie bedurfte derselben, denn ihr Leben war immer schwerer und düsterer; sie ging von einem Krankenbett an das andere. Frau v. Rehfeld verfiel in eine lange, schleichende Krankheit, der sie erlag, gerade als Benno nach einem vierjährigen Aufenthalte am Kap zuerst mit Bestimmtheit von den guten Erfolgen seiner Thätig- keit berichtete und seine Heimkehr für einen nicht allzufernen Zeitpunkt in Aussicht zu stellen vermochte.
(Fortsetzung folgt.)
„Schlechte Zeiten." Im Würzburger Journal lesen wir folgende Betrachtung: „Die werkthätigen Freunde der Tagesliteratur werden immer seltner. Desto mehr freut es uns, hie und da noch einen dieser edlen Männer zu
finden. So schreibt das Schweinfurter Tageblatt : „Herr Bierbrauereibesitzer Heinr. Schuber hatte auch heute wieder, wie so manches Jahr, die Güte, uns durch Uebersendung eines Bundes der ersten Spargel, schöne, kräftige Exemplare, zu erfreuen. Wir werden uns dieselben unter bestem Danke für den edlen Spender gut munden lassen." In Würzburg schickt man den armen Zeitungsschreibern höchstens einen verfrühten Maikäfer oder einen Schmetterling, der sich im Datum geirrt hat. Von Spargeln, und wenn sie so hoch und so dick wüchsen wie der Neubauturm, fällt es keinem Menschen ein, einer „hochgeehrten Redaktion" die Erstlinge zu opfern, von den ersten Gurken, Bohnen und anderen Gemüsen, von den ersten Feldhühnern, Hasen, Schnepfen und anderen Feldfrüchten gar nicht zu reden. Schlechte Zeiten!"
Der kälteste bewohnte Ort der Erde ist der im östlichen Sibirien gelegene Flecken Werchojansk. Dort ist die mittlere Jahrestemperatur 17 Grad unter Null. Wenn bei uns eine so niedrige Temperatur ausnahmsweise vorkommt, so erscheint uns das schon recht unbehaglich — in Werchojansk fühlen sich die Menschen dabei doch recht gemütlich, denn die mittlere Temperatur in den drei Wintermonaten Januar, Februar März beträgt 49 Grad unter Null. Dabei sinkt die Weingcistsäule im Thermometer — Quecksilberthermometer können nicht verwendet werden, weil das Quecksilber bei 40 Grad unter Null erstarrt — an besonders kalten Tagen bis auf 65g Kälte! Der holde Frühling hat dort eine Durchschnittstemperatur von zwei Grad unter Null, ist also kälter als unser Winter — im „Wonnemond" hält sich die Temperatur gerade auf dem Gefrierpunkt. Der „heiße" Sommer in den Monaten Juli, August, September zeigt m Werchojansk eine mittlere Temperatur von 6„ Wärme, die drei Herbstmonate haben aber wieder eine Durchschnittstemperatur von 37g unter Null! Ueberraschend milde erscheint dagegen, wenn man nur die Temperatur in Betracht zieht, das Klima von Angmasalik, einem Flecken an der Ostküste Grönlands, wo seit dem vorigen Jahre eine meteorologische Station besteht. Hier beträgt die mittlere Jahrestemperatur nur drei Grad unter Null, die den einzelnen Jahreszeiten zukommenden Durchschnittstemperaturen sind 10 g unter Null im Winter, im Frühling gerade Null, im Sommer 3 g über Null und im Herbste 4 g unter Null. Hier sind auch die Temperaturschwankungen nicht so bedeutend, wie in Werchojansk, weil die Nähe des Meeres ausgleichend wirkt. Nichtsdestoweniger scheint auch der Aufenthalt in Angmasalik nicht gerade angenehm zu sein; rauh und stürmisch ist das Klima, rings umher starrt Alles im Eise, wie überhaupt gerade die Ostküste Grönlands sehr schwer zugänglich ist.
Eine für die Landwirtschaft äußerst praktische Trockcnmaschine für Gras, Klee, Getreide u. s. w. ist von I. Kern in Landeshut erfunden worden. Sie besteht im Wesentlichen aus einem Trockenraum mit Rüttelvorrichtung, die durch einen mit einem Ventilator in Verbindung stehenden zur Erzeugung heißer Luft dienenden Kessel in Drehung versetzt wird. Die großen Vorzüge, die durch die Maschine erzielt werden, sind: Erhaltung der Naturfarbe und des Aromas des Futters, Erhöhung der Freßlust und Gesundheit der Tiere, vermehrte Milch- und Fleischbildung, bei Klee Bildung eines gesunden, keimfähigen Samens und Bildung einer für die Bierbrauerei sehr ausgiebigen Gerste. Die Maschine dürfte sich wegen dieser großen Vorzüge schon in kürzester Zeit einer großen Anwendung bei der Landwirtschaft erfreuen. (Mitgeteilt vom Patent- und technischen Bureau von Richard Lüders in Görlitz.)
(Der Staub ist der größte Feind der Zimmerpflanzen, und dies namentlich während des Winters. Es hat sich genügend gezeigt, daß alle Gewächse, welche im Zimmer gehalten werden, viel besser durch den Winter kommen, wenn die Blätter von Zeit zu Zeit mit einem weichen Schwamme und erwärmtem Wasser vom Staube gereinigt werden. Bei kleinblätterigen Pflanzen ist ein Uebergießen oder Bespritzen zu empfehlen, was aber im Freien nur bei gelinder Witterung geschehen darf. Ein öfteres Abwaschen vertreibt auch die Insekten, und dies namentlich, wenn man dünnes Seifenwasser zum Abwaschen verwendet.
sUnterschied.j Lieutnant: „Was. Sie nehmen 20 pCt. auf drei Monate! Ja, erröten Sie denn da nicht vor Scham?" — Bankier: „Lieber Herr, ich wechsle zwar Geld, aber nie die Farbe."
Hätte Gott zur Erschaffung der Welt eine Kommission einberufen, die Welt wäre heute noch nicht fertig.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.