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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Z Wildbad, 30 Apr. SeineMajestät der König kam gestern Abend 11 Uhr 30 Min. mit Extrazug hier an. begleitet von Oberjäger­meister Frhrn. v. Plato. Er übernachtete in seinem Salonwagen und gieng um 2 Uhr in Begleitung des Jägermeisters Grafen v. Dillen- Spiering auf die Auerhahnjagd, die aber in Folge des kalten, nebligen Wetters erfolglos war. Um 6 Uhr kehrte der König zurück und nahm das Frühstück im Badhotel; 7.30 reiite er wieder nach Stuttgart zurück. Zur Begrüßung und Verabschiedung Seiner Majestät hatte sich Stadtschultheiß Bätzner auf dem Bahnhof ein- gesunden. Wie wir vernehmen, soll die Königin auch Heuer wieder Wildbad besuchen.

Am 1. Mai kommt die Haltestelle an der Nagoldbahn zwischen Unterreichenbach und Liebenzell, am Eingänge des Mohnbach- thales, zur Eröffnung. In dankenswerter Weise hat die württ. Bahnverwaltung die Benützung sämtlicher Züge genehmigt. Nicht nur für Neu­hausen. sondern auch für Naturfreunde ist diese Haltestelle sehr erwünscht.

Deutsches Aeich.

Karlsruhe, 29. April. Der Kaiser war von seinem Jagdaufenthalt auf Kaltenbronn wie auch von der Jagdleitung außerordentlich befriedigt, und man hofft, daß er im nächsten Jahre wiederkehrt. Einzelne Staarsgeschäfte wurden doch auf dem einsamen Waldhöhenortc erledigt und der zum vorübergehenden Dienst in das Auswärtige Amt berufene Gesandte v. Kiderlen-Wächter dort empfangen. Die Ab­sperrung des Jagdhauses war eine ziemlich strenge, und nur Personen mit Passierscheinen wurden zugelasfen.

Darm stadl. 29. April. Nachdem der Kaiser heute früh die hiesige Garnison alar- miert und darauf auf dem Exerzierplätze eine Uebung abgehalten hatte, reiste er, vom Groß­herzog und dem militärischen Gefolge zu Pferde an die Bahn geleitet, um 7 Uhr 14 Min. nach Schlitz weiter.

Berlin. 29. April. Der Kaiser verlieh, demReichsanzeiger" zufolge, dem Landesdirektor v. Levetzow, dem früheren Präsidenten des Reichstages, den Kronenorden erster Klasse.

Berlin, 29. April. DieNordd. Allg. Ztg." widerlegt die Darstellung einzelner Blätter, als ob die deutsche Politik mit dem Eintritt in die diplomatische Aktion an der Seite Rußlands und Frankreichs eine überraschende Wendung vollzogen habe. Das Blatt weist darauf hin, daß man in England nach den ersten Siegen der Japaner das Eingreifen in die kriegerischen Ereignisse selbst zu Gunsten Chinas befürwortete und auch später eine Bereitwilligkeit zu mäßig­ender Einwirkung auf die Sieger zeigte. Deutsch­land durfte sich weder durch den Wandel in der englischen Haltung noch durch gerechtfertigte Sympathieen für die Kriegsleistungen der Japaner abhalten lassen, den deutschen Jnteressenanteil zur vollen Geltung zu bringen. Daß sich Deutschland hierbei in Gemeinsamkeit mit den Nachbarn im Westen und Osten befindet, kann uns auch im Hinblick auf unsere offene, ehrliche Friedenspolitik in Europa nur hochwillkommen sein. Daher sind die Blätter in vollem Recht, die wünschen, daß Deutschland, so wenig es be­rufen, fremde Interessen zu beschützen, mit Ruß- land zusammengehe, was auch einer energischen Vertretung der deutschen Handelsbeziehungen in Ostasien zustatten kommen werde.

Mehrfach ist das Gerücht aufgetaucht, daß der Reichstag vor Pfingsten bis zum Herbst vertagt werden solle, um hierdurch zu ver- hindern, daß die bislang noch nicht erledigten Vorlagen zum größten Teilunter den Tisch fallen", welches Schicksal die meisten der schweb­enden Beratungsstoffe bei einem thatsächlichen Schluffe der Reichstagssession vor Pfingsten zu gewärtigen hätten. Es wird indessen versichert, daß ein solcher Bertagungsplan bei den maß­gebenden Reichstagsmitgliedern nur geringen Beifall finden würde, man glaube in parlamen­tarischen Kreisen, daß außer derUmsturz-Bor­lage" diejenigen Gesetzentwürfe, welche überhaupt

Aussicht auf Annahme besitzen. bequem vor Pfingsten durchberaten werden könnten. Daran, daß der Reichstag noch über Pfingsten hinaus zusammenzuhalten wäre, ist im Ernste nicht mehr zu denken; wenn trotzdem die Regierung dem Hause noch so wichtige und umfassende Be­ratungsstoffe in dem nachösterlichen Sessions- abschnikte vorlegen sollte, wie die signalisierten Gesetzentwürfe über die Börsenrcform und die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes, so wäre dies unter den obwaltenden Umständen ein unnützes Beginnen.

Die Generaldebatte des Reichstages über die Novelle zum Branntweinsteuergesetz vom vergangenen Freilag und Samstag hat durch ihren Verlauf noch keinen sicheren Ausblick auf das Schicksal dieses im Interesse der notleidenden Landwirtschaft eingebrachteo Gesetzentwurfes er­öffnet. Unbedingt ablehnend gegen die gedachte Novelle haben sich in der ersten Lesung indessen nur die Redner von sozialdemokratischer und freisinniger Seite geäußert, während sich die Redner der Nationalliberalen, der beiden kon­servativen Fraktionen und eines Teiles der Lentrumspartei im Allgemeinen recht entgegen­kommend verhielten. Trotz verschiedener von l tzteren Seilen vorgebrachten Bedenken im Einzelnen ist es darum nicht unwahrscheinlich, daß es noch zu einer Verständigung über die genannte Regierungsvorlage kommt.

Am Montag beschäftigte sich der Reichs­tag milder zweiten Beratung des Gesetzentwurfes über die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnen- Schiffahrt, für die sich naturgemäß nur ein kleiner Interessentenkreis im Hause zusammen­gefunden halte. Die meisten Abgeordneten stellten sich auf den Standpunkt der Kommissions beschlösse, die in 141 Paragraphen gedruckt Vorlagen In mehr als vierstündiger rein geschäftsmäßiger Debatte brachte der Reichstag die Beratung des ganzen Entwurfs zu Ende, ohne wesentliche Aenderungen an den Ausschuß beschlössen vorgenommen zu haben. Es folgt der Gesetzentwurf über die Flößerei.

Berlin, 29 April. In der Wohnung des Armeebischoss Dr. Aßmann ist in der Nacht zum Sonntag ein Einbruchsdiebstahl verübt und eine größere Anzahl Gegenstände gestohlen wor­den, darunter das kostbare mit Brillanten be­setzte goldene Bischofskreuz mit Kette u. Bischoss- ring. Bischof Aßmann sichert eine Belohnung von 500 bis 1000 Mark für die unverletzte Wiedervringung des Kreuzes und Ringes zu.

In Mainz wurden Sonntag Mittag die Brüder Nothaker, Knaben von 6 und 8 Jahren, auf der Jngelheimer Aue von zwei herrenlosen Hunden überfallen und schlimm zugerichtet. Während dem jüngeren Bruder der Arm zer­fleischt ist. liegt der ältere mit 31 Bißwunden bedeckt im Spital. Schiffer befreiten die Kinder, die ihren Vater zu suchen ausgegangen waren, von den Hunden.

Metz. 29. April. Der Durchbruch des großen Wasserbehälters bei Epinal bewirkte gestern Nachmittag ein rasches Steigen der Mosel, welches um 3 Uhr mit einer Höhe von 3,06 Metern den höchsten Stand erreichte.

Württemberg.

Stuttgart, 27. April. Ein bayerisches Blatt hatte jüngst die Nachricht von derAmts­müdigkeit" zweier Minister, nämlich des Kultus­ministers Dr. v. Sarwey und des Justizministers Dr. v. Faber, verbreitet und als Grund der Rücktrittsabsichten der beiden angegeben, sie seien von der Erklärung des Ministerpräsidenten Frhrn. v. Mitt nacht in der Frage der Berfassungs- revision völlig überrascht worden, da sie auf eine solche Wendung nach den voraufgegangenen Sitzungen des Staatsministeriums nicht im min- besten vorbereitet gewesen wären. Der Minister- Präsident nahm in der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten Veranlassung, jene Gerüchte als vollkommen grundlos zu wider­legen. Die Eigenmächtigkeit, sagte Frhr. von Mittnacht, die ihm zugeschrieben werde, müßte ein eigentümliches Licht auf die württembergischen Zustände werfen. Er habe deshalb die Kollegen, die mit ihm im Amte seien, gebeten, sich darüber auszusprechen, ob seine Erklärung etwas über

die Verhandlungen des Staatsministeriums Hin- ausgehendes enthalten habe. Darauf hätten seine Kollegen schriftlich erklärt, daß die Er­klärungen des Ministerpräsidenten mit den Be­schlüssen des Staalsministeriums in vollem Ein­klänge ständen und daß sie ihnen auch jetzt noch vollständig zustimmten Damit sei die Solidari- täl des Ministeriums nachgewiesen. Seit dem Herbst 1893, so schloß der Ministerpräsident, werden die württembergischen Verhältnisse in der in> und ausländischen Presse mit unwahren Zeitungsnachrichten verfogt; man wird den Zeitungskorrespondenten, die nichts berichtigen, von nun an etwas schärfer auf die Finger sehen müssen.

Vom 1. Mai ab erhält der Bahnhof Stutt­gart die BezeichnungStuttgart Hauptbahnhof." Die Station Hasenberg die BezeichnungStutt­garter Westbahnof." Nachdem nunmehr der Westbahnhof für den Stückgüterverkehr in vollem Umfang eingerichtet worden ist, beginnt am Mittwoch 1. Mar die Thätigkeit der auf An­regung des Stuttgarter Handelsvereins ins Leben gerufenen Zollabfertigungsstelle auf dem West­bahnhof. Da bis jetzt die Frachtsätze nach den einzelnen Bahnhöfen der Stadt uoch verschieden sind, jo werden dort vorerst hauptsächlich solche Zollgüter für die ganze Stadt zur Abfertigung gestellt werden, welche bei Singen, Schaffhausen und Basel die deutsche Grenze überschritten haben und über Böblingen hierher gebracht werden. Biele der im westlichen Stadtteile wohnendem Empfänger werden aber auch die geringen Mehr­kosten für Fracht nicht scheuen und die für sie bequemere und billigere Zufuhr ab Westbohnhof für solche Güter verlangen, welche über Cann­statt oder Feuerbach hierher gelangen.

Stuttgart, 30. April. Den Geschäfts­leuten von Stuttgart und ganz Württemberg, welche telephonisch mit Geschäftsfreunden in München und Augsburg verkehren und seither oft ungebührlich lange warten mußten, bis sie endlich die gewünschte Telephonverbindung be­kommen konnten, wird die Nachricht erwünscht sein, daß eine weitere Telephonleitung von Ulm bis München nunmehr fertiggestellt ist u. nächster Tage dem Betrieb übergeben werden kann.

Cannstatt, 19. April. Anläßlich der bevorstehenden Badezeit teilt die C. Z. einige Einzelheiten über den Besuch Cannstatts m früheren Jahren mit. Die Zahl der Kurgäste belief sich 1835 auf 594, 1838 auf 781, 1840 auf 959, 1841 auf 1142. 1842 auf 1380, 1845 auf 1684. Infolge der im Jahre 1845 eröffneten Eisenbahnlinie von Cannstatt dis Eß­lingen und der in den Jahren 1946 bis 1849 bewerkstelllgten Bollenvung der Hauptbahn von Heilbronn bis Friedrichshafen steigerte sich die Zahl der Kurgäste erheblich; der Besuch hielt sich auf einer gewissen Höhe bis zum Jahr 1872, von welchem Zeitpunkt ab ein Rückgang eintrat, der trotz aller Anstrengung sich bis heute nicht zur alten Blüte hat heben lassen.

Gmünd, 27. April. Die Sonntags­schulfrage ist hier, nach Anhörung der Orts­schulräte und des Handels- und Gewerbevereins, von den bürgerlichen Kollegien in der gestrigen Sitzung geregelt worden. Der seith. Sonntags­schulunterricht fällt weg, dagegen haben die Knaben im Sommer am Montag Nachmittag von 46 und im Winter am Mittwoch von 13 Uhr, die Mädchen Sommer wie Winter am Mittwoch von 13 Uhr eine Fortbildungs­schule zu besuchen.

Weinsberg, 29. April. Reallehrer Kahl aus Wimpfen sprach gestern im Gewerbe- verein über die gegenwärtige Lage des Hand­werkerstandes und die Forderungen zur Besserung derselben. Redner schilderte in 1 ^/i ständigem fließenden Vortrag die gegenwärtige Krisis im Handwerk, hervorgerufen durch die allgemeine Steigerung der Lebensansprüche und die gegen­wärtigen Wirtschaftsbedingungen. Er wies durch Zahlen nach, daß der Kleinbetrieb 61°/», der Großbetrieb 39°/° der Handwerker in Anspruch nimmt und daß demzufolge der Kleinbetrieb am meisten vertreten sei. Redner tadelt insbesondere das Submissionswesen und spricht sich u. a. gegen den Befähigungsnachweis und Muster­prüfung aus. Weiter bedauert er den großen