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hatte, und sie mochte die Kämpfe, welche sie unvermeidlich für sich heraufsteigen sah, nicht be> stehen, ohne den Geliebten zu ihrem Schutze und ihrer Ermutigung in der Nähe zu wissen.'
Gewohnt, sich mit allen ihren kleinen Sorgen und Schmerzen an ihn zu wenden, unfähig, ihm eine Regung ihres Innern zu verbergen, machte sie ihn auch zum Vertrauten ihrer Wahrnehmungen und Befürchtungen; er lächelte darüber, wie er gekachelt, wenn Erna hilseflehend zu ihm aufgefchaut, wenn sie ein französisches Exercitium nicht bewältigen konnte, das er in wenigen Minuten niederschrieb, oder wenn sie eine Bürde nicht zu tragen vermochte, mit welcher er Fangeball spielte. Es erschien ihm einfach undenkbar, daß ihm Erna's Hand verweigert werden könne.
„Deine Mutter mag immerhin ein anderes glänzendes Los für Dich träumen; sie sowohl, wie Dein Vater können, dürfen nicht nein sagen, wenn ich bitte, Dich mir zur Frau zu geben," sagte er mit Bestimmtheit.
„Siedürfen nicht", fragte Erna verwundert.
„Nein. Der einzige Sprosse der Treuenfeld und die einzige Tochter der Familie Göldner gehören zu einander. Wärst Du ein Knabe gewesen, so würde keine Frage obgewaltet haben, daß Du und ich an die Stelle unserer Väter zu treten und die Firma fortzusetzen haben; da nun die beiden Vertreter des Namens in dieser Generation verschiedenen Geschlechts sind, so ist es ganz selbstverständlich, daß sie sich heiraten."
„Aber, Benno", rief sie verletzt, „das klingt ja beinahe, als wolltest Du mich nur heiraten, weil ich eine Göldner bin."
Er zog sie an sich und küßte sie sanft auf die Stirn. „Du weißt das besser, Erna", versetzte er lächelnd; „es bedarf keiner Beteuerungen meinerseits. Allerdings liegen die Verhältnisse so, daß weit eher anzunehmen wäre, man könnte uns beide gegen unseren Willen zu einer Verbindung bestimmen, als uns daran verhindern wollen."
„O, Benno", seufzte sie, „gerade das macht mir Angst, wo alles anscheinend so klar und glatt liegt, da treiben finstere Mächte am ersten ihr böses Spiel."
Er streichelte ihre Wangen und hob gleichzeitig drohend den Finger. „Erna, ich glaube, Du bist, während ich abwesend war und Deine Lektüre nicht überwacht, an die Schicksalstragödien geraten und hast aus ihnen ungesunde Anschauungen gesogen. Nein, nein, Herz, die neidischen Mächte haben wir nicht zu fürchten. Da Du mich liebst, gicbt es keinen vernünftigen Einwand, den Dein Vater machen könnte, wenn ich heute vor ihn hinträtc und um Deine Hand anhielte."
„Doch, es giebt einen", entgegnete sie mit einer überlegenen Miene.
„Welchen?"
„Daß ich, daß wir beide noch zu jung sind."
Benno schwieg und blickte zu Boden, das Kind hatte recht; es berührte ihn gar eigentümlich, Erna klüger, überlegter als er selbst war, zu finden.
„Darum", fuhr sie fort, „ist es besser, wir schweigen; glaube mir Benno, es ist besser so." wiederholte sie dringender.
„Sei es denn, Erna." sagte er, ein Jahr ist schnell herum. Dann kehre ich wieder, dann nehme ich meinen Platz im Geschäfte ein, und dann soll sich auch mein Vaterhaus, das so lange verschlossen und verödet gestanden hat, wieder öffnen. An dem Tage, wo ich Teilnehmer der Firma Treucnfeld u. Göldner werde, ziehe ich in mein Haus ein, und Du wirst mich nicht lange allein Hausen lassen.
Eine innige Umarmung besiegelte nochmals den Bund; dann kehrten sie aus dem Garten, wo die Unterredung staltgefundcn hatte, in das Haus zurück.
Wenige Stunden später verließ Benno die Stadl.
(Fortsetzung folgt.)
Die Kneipe, Die Kneipe ist der größte Feind des deutschen Familienlebens. Das ist der leitende Gesichtspunkt, den der bekannte
Kulturhistoriker Otto von Leixner in der ersten seiner „Ungehaltenen Reden eines Ungehaltenen" ausspricht. Man spricht neuerdings, meint der Verfasser, so viel von Zielen der nationalen Erziehung. Ich habe nur eins gefunden, die höchste Ausbildung des Durstes. Schon bei halbwüchsigen Jungen beginnt der Unterricht darin. Gymnasiasten, Kunstschüler und Zöglinge anderer Unterrichtsanstalten sehen im Trinken eine besonders mannswerte Beschäftigung und ahmen die unsinnigen Trinksitten der Erwachsenen nach. Schon physiologisch ist es wider den Verstand und rein unmöglich daß ein Mensch nach Stillung des natürlichen Durstes wirklichen Vorteil und Genuß von weiterem Trinken habe. Aber Verstand ist ja eben in dieser modernen Art des Trinkens und Kneipens überhaupt nicht vorhanden, und wo welcher ist oder war, wird er allmählich fortgeschwemmt. So trinkt denn der deutsche Jüngling weiter, zunächst nur, um nicht als Philister zu gelten; wenn er aber dann ein Mann geworden ist, hat sich die Unmäßigkeit bereits zu einem Bedürfnis ausgebildet, das unerbittlich seine tägliche oder allabendliche Befriedigung fordert, einen Zustand, wo das Alkoholgift bereits den Organismus bis zum Einschlafen gelähmt hat. Nach eingehender, gewissenhafter Erwägung sagt er zusammenfassend: „Die Kneipe ist heute ein Volksübel ge- worden, ob sie nun in Marmor und Sammet prunkt oder nur eine muffige Bierstube sein mag. Die Kneipe ruiniert unser Familienleben und die Gesundheit des Leibes wie der Seele, die Zukunft aber verlangt von uns, daß wir mit allen Kräften deutschen Gemüts uns selber adeln, um die Entsumpfung des öffentlichen Lebens beginnen zu können. Eins der Worte, das wir uns dabei Zurufen sollen, ist: „Los von der Kneipe!"
(Was in Amerika die Geistlichen verdienen.) Die protestantischen Bischöfe beziehen in den Vereinigten Staaten unter allen amerikanischen Geistlichen die höchsten Gehälter: sie beginnen mit 12 000 Mk. nebst 1200 Mk. Reiscspcsen und hören mit 50000 Mk. auf. Das Durchschnittsgehalt ist 20000 Mk. Die Methodisten» bischöfe haben ein Gehalt von 12 000 Mk. nebst 6000 Mk. Wohnungszuschuß und Reisespesen. Die katholischen Bischöfe erhalten zwischen 12000 und 20000 Mk., die Erzbischöfe 40000 Mk. Die Pfarrer beziehen einen Durchschnittsgehalt von 4000 Mk., in den großen Städten allerdings auch bis 10000 Mk. Die Kongregationalisten haben außerdem 4 Stipendien von je 40000 Mk. Die Presbyterianer besolden 8—10 ihrer Prediger mit 40000 Mk. jährlich; sechs davon leben in New-Uock. Einer erhält sogar 60000 Mk. Die Baptistenprediger erhalten alle 24000 Mk. jährlich.
(Ein neuer Regenmacher in Sicht) und zwar ist dies wieder ein Amerikaner, der nach einem Belieben Regen schaffen will. Wie das Intern. Patenlbuieau von Heimann u. Co. in Oppeln darüber erfährt, ist seine Methode, wie gewöhnlich, erstaunlich einfach. Er hat nur nötig, gewisse Substanzen zu mischen, die ein Gas ergeben. Eine Ladung dieses Gases, im Volumen von ca. 1500 Kubik-Fuß, wird freigelassen. steigt bis zur geeigneten Höhe und fällt (dann plötzlich. Die umgebende Atmosphäre ergießt sich in das so entstandene Vacuum und schafft aus diese Weise die für einen Regen erforder- lichen Bedingungen, der, wie ja bekannt, durch das Gegeneinandertreffen verschiedener Luftschichten entsteht. Obwohl die benutzte Gasmenge klein ist — 1500 Kubik-Fuß füllen nur einen bescheidenen Raum — so soll doch die Wirkung in einem Umkreis von 20 englischen Meilen verspürt werden und soll die gefallene Regenmenge bis 6 Zoll betragen. So sagt der Erfinder. Wenn es zutreffen würde, so wäre den Landwirten eine große Sorge abgenommen, namentlich in Jahrgängen wie 1893. (Obengenanntes Patcntbureau erteilt den geschätzten Lesern dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patentsachen gratis.
Kanonen aus Papier. Es klingt unglaublich, aber doch ist es Thatsache, daß man sich jetzt in Amerika damit besaßt hat, Geschützrohre für die schwersten Geschosse und Ladungen aus Papier herzustellen. Dies geschieht, wie das Patent- und technische Bureau von Richard Lüders in Görlitz mitteilt, in der Weise, daß besonders langfaserige Papierpülpe mit Bleiglätte, Wachs, Talg und sonstigen Stoffen gehärtet und zähe gemacht und sodann in geeignete Formen gegossen wird. Diesen Gußstücken wird nun innen ein stählerner Kern eingefügt, während sie außen mit Draht umwunden und das Ganze mit festen Messing- oder Stahlbändern beschlagen wird, worauf die Parallelstangen angebracht werden. Diese Stangen sind aus Stahl und sind in hohem Grade federnd, so daß nach deren Befestigung an den Bändern eine Kanone erhalten wird, welche bei dem Abfeuern nach- giebt, ohne irgend welche Gefahr von Zerspringen zu bieten. Die Hauptvorzüge der papiernen Geschütze bestehen in ihrer Elastizität und ihres geringen Gewichts, welches Letztere den Transport bedeutend erleichtert und die Beförderung mittelst leichtgebauter Wagen ermöglicht, während ein metallenes Geschütz gleicher Größe zur Fortschaffung eine Lokomotive benötigen würde.
Gegen Schnupfen wird folgendes Mittel empfohlen. Ein Theelöffel voll Kampferpulver wird in ein mehr tiefes als weites Gesäß gegossen und dieses zur Hälfte mit kochendem Wasser gefüllt. Ueber dasselbe stülpt man dann eine dreieckige Papiertüte, deren Spitze man soweit abreißt, daß man die ganze Nase Hineiostecken kann. Auf diese Weise atmet man die warmen kampferhaltigen Wasserdämpfe 10—15 Minuten lang durch die Nase ein. Das Verfahren wird nach 4—5 Stunden wiederholt, und selbst der hartnäckigste Schnupfen leistet ihm nicht Widerstand, meist verschwindet er schon nach dreimaligem Einatmen.
(Mittel gegen Motten im Pelzwerk) Um Pelzwerk Jahre lang aufbcwahren zu können ohne daß sich Motten darin einfinden, dient nach einer Mitteilung des Intern. Patentbureau von Heimann u. Co. in Oppeln folgendes Mittel. Man bringt in Spiritus etwas Kampfer sowie gepulverte Schale vom spanischen Pfeffer und läßt das Ganze einige Tage in der Ofenoder Sonnenwärme stehen bis eine vollständige Auflösung erfolgt ist. Diese so erhaltene Flüssigkeit wird nun durchgeseihl und das Pelzwerk gleichmäßig damit bespritzt, worauf man letzteres zusammenwickelt und in feste Leinwand einschlägt. In Rußland, wo dieses Mittel als ein Geheimnis der Pelzhändler angesehen wird, ist es unter dem Namen — chinesische Mottentinctur — bekannt. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den geschätzten Abonnenten dieses Blattes Auskünfte nud Rat in Patentsachen gratis.)
(Die Politik in der Zeitungssetzerei.) Metteur (Zum Lehrling): „Hast Du die Schweiz abgekloppt?" — Lehrling: „Jawohl!" — Metteur: „Dann ziehe Italien ab und hänge Savoyen an. Nachher schieße Rußland aus, umbreche Oesterreich, bringe das Mittelstück von Bulgarien, schließe China in die Mitte, korrigiere Griechenland, stecke die Türkei ein, feuchte Afrika an, lege den Antrag Kanitz ab, binde den Oberbayerischen Bauernbund aus und löse den Reichstag auf!"
(Glänzend gewordene Kammgarn-Stoffe) erhalten ihr früheres Aussehen wieder durch Bürsten mit einer Abkochung von Blauholz und Süßholz. Man weicht für etwa 10 ,Pfg. Blauholz und 5 Pfg. Süßholz 24 Stunden in 1 Liter Regenwasser ein, kocht es dann einige Stunden und setzt der Lösung, wenn sie erkaltet ist, für 10 Pfennige Terpentinöl zu.
(O diese Fremdwörter!) Arzt: Sie hätten eher nach mir schicken sollen, Herr Feigclstock, Sie leiden stark an Rhachitis! — Frau Feigelstock: Siehst Du, ich Hab Dir's immer gesagt, Du raachst zu stark!
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.