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Der Präsident der französischen Republik, Faure, hat in voriger Woche seine Heimatstadt Havre besucht und wurde dort großartig gefeiert Ueberhaupt gelingt es dem jetzigen Präsidenten, sich populär zu machen, ein Ziel, das seinem Vorgänger. Perier. immer wieder vereitelt wurde. Die französische Polizei ist aber sehr auf der Hut vor Anarchisten; drei sehr verdächtige Jndi viduen wurden verhaftet. Sonderbarer Weise sind die kurz nach der Ermordung Carnols be­schlossenen Gesetze gegen die Anarchisten fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Seitdem aber in Paris ein Streik der Omnibus- u. Trambahn­bediensteten ausgebrochen ist und die Streikenden arge Ausschreitungen begehen, erinnern mehrere Pariser Blätter die Regierung nachdrücklich an die noch bestehenden Gesetze wider den Umsturz.

Paris, 25. April. Von 1 lOO Omnibus­wagen verkehren heute wieder 500. Dos Ende des Ausstandes wird im Laufe des heutigen Tages erwartet.

London, 25. April. Wie derTimes" auS Niu-Tschuan vom 23. gemeldet wird, herrscht wegen der Mißernte des letzten Jahres im Süden der Mandschurei Hungersnot. Die Besetzung durch die feindlichen Heere führte Stockungen der Land- und Seefrachten und eine völlige Lähmung des Handels von Niu-Tschuan herbei.

Tokio. 24. April. Gestern haben hier die Vertreter Rußlands, Frankreichs und Deutsch­lands die Vorstellungen dieser Mächte gegen denjenigen Artikel des chinesisch-japanischen Friedensvertrages, welcher die Einverleibung fest­ländischen chinesischen Besitzes in das japanische Reich festsetzt, zum Ausdruck gebracht Diese Erklärung wurde durch den stellvertretenden ja­panischen Minister des Auswärtigen entgegen­genommen. sDieser wichtige diplomatische Schritt ist die erste Lebensäußerung des französisch- deutsch-russischen Dreibundes, der sich auf An­regung der deutschen Reichsregierung im euro­päischen Interesse zusammengeschlossen hat.

Hazebronch, 24. April. Die Bewohner des Ortes Winnezeelle demolierten das Haus des neu angestellten Schullehrers, weil die bisher von Klosterfrauen geleitete Schule gegen ihren Willen in eine staatliche umgewandelt worden war.

Unterhaltender Teil.

Eine Hochzeitsreise.

Erzählung von F. Arnefeld.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Dorothea hatte die Worte mit einer solchen Hast hervorgesprudelt, daß es unmöglich gewesen wäre, sie zu unterbrechen. Benno Treuenfeld hatte die Arme unterschlagen und betrachtete die Alte mit heimlichem Grauen.

Benno, was bedeutet das alles?" fragte die junge Frau mit bebender Stimme.Ist unser Zusammentreffen in dieser furchtbaren Stunde mehr als das Werk des Zusalls?"

Er legte ihr die Hand auf den Arm.

Still, still, Erna", bat er, und jetzt klang seine Stimme weich und traurig,nicht hier will ich Dir Rede stehen. Es ist eine lange Ge­schichte voll Irrtum und Frevel, die ich Dir zu berichten habe."

Die Geschichte sollst Du den Richtern er­zählen und ich erzähle sie auch!" schrie Dorothea, die kein Wort von den halblaut geflüsterten Worten des jungen Mannes verloren hatte. Halten Sie ihn fest, binden Sie ihn, er ist der Mörder!"

Wahnsinnige Beschuldigung!" rief die junge Frau.Ich habe den Mörder gesehen. Ich erwachte, als mein armer Mann mit ihm rang; ich sah, wie er den Stoß führte und sich aus dem Fenster schwang. Benno Treuenfeld kam erst, nachdem ich zwei Mal vergeblich um Hilfe gerufen und das Notsignal gegeben hatte. Bei seinem unvermuteten Anblick wurde ich ohn­mächtig."

Dorothea schlug ein höhnisches Gelächter auf, das angesichts des Toten doppelt gräßlich klang.Fein ausgeklügelt", höhnte sie,wer

es nicht besser wüßte, möchte sich anführen lassen."

Ich schwöre"

Was gilt Ihr Schwur? Wer weiß, ob"

Weib lästere nicht", donnerte ihr Benno Treuenseld zu.

Mörder, Deine Frechheit geht zu weit!" zischte sie.Bindet ihn, laßt ihn nicht ent. schlüpfen "

Ruhig, Frau," gebot ihr der Oberbeamte; unseres Amtes ist, weder zu verhaften, noch zu verhören; wir haben nur dafür zu sorgen, daß der Tote wie die Lebenden dem Gerichte überliefert werden "

Was soll das heißen, mein Herr", fragte Benno Treuenfeld wieder mit hochfahrendem Ton.Ist der Wahnsinn ansteckend. Wollen Sie vielleicht mich, wollen Sie vielleicht gar jene Dame da als Gefangene behandeln?"

Ich habe bereits erklärt, daß es nicht meines Amtes ist, zu verhaften," erwiderte der Beamte gelassen; wohl aber bin ich verantwort- lich, daß nichts geschieht, wodurch der That- bestand verdunkelt werden könnte, daß Niemand sich entfernt, dessen Zeugnis von Wichtigkeit sein kann. Sie werden es sich gefallen lassen müssen, Ihre Fahrt zu unterbrechen und auf der nächsten Station zurückzubleiben, ich habe bereits dorthin telegraphieren lassen."

Daß man die Miffethäter in Empfaug nimmt," grollte Benno.

Nicht ich bediene mich der Bezeichnung." versetzte der Oberbeamte kalt; im übrigen thue ich meine Pflicht."

Benno Treuenfeld wandte ihm den Rücken und wollte in das bisher von ihm innegehabte Koupee zurückkehren, aber der Oberbeamte be- deutete ihm, daß er samt der jungen Frau, dem Arzte und einem Beamten in dem anderen Kou­pee Platz zu nehmen habe. Mit einem ver­ächtlichen Achselzucken fügte sich Benno schweigend dem Befehl.

Die alte Dorothea war nicht zu bewegen, den Toten, den man mit einem Tuche bedeckt hatte, zu verlasse»; sie kauerte neben ihm. Auch der Oberbeamte blieb, nachdem er das Zeichen zur Weiterfahrt des Zuges gegeben hatte, samt einem Untergebenen in dem Koupee, welches der Schauplatz der grausigen Nachtszene gewesen war.

Als der Zug nach Verlauf einer halben Stunde in den Bahnhof der nächsten großen Station dampfe, standen die daselbst stationieren Polizisten schon bereit, den Wagen und dessen Insassen in Empfang zu nehmen. Der erstere wurde abgehängt und blieb, während der Zug weiterfuhr, unter Bewachung der Polizisten zu­rück. Auch der Tode wurde bis zur Ankunft der Gerichtsbeamten in seiner Lage belassen.

Der Oberbeamte samt den in dem Wagen bei Auffindung der Leiche anwesend gewesenen Schaffnern waren abgelöst worden, damit sie ihre Aussagen unverzüglich abgeben konnten. Für die junge Frau und Dorothea hatte man im Bahnhofsgebäude Zimmer hergerichtet und auch Benno Treuenberg mußte es sich gefallen lassen, in einem solchen, das obendrein noch scharf bewacht ward, den Morgen zu erwarten.

II.

Seit beinahe einem Jahrhundert bestand unter der FirmaTreuenfeld u. Göldner" in der mittelgroßen Provinzialstadt M ... ein Dro- gucn- und Farbenhandlung, welche sich bei ihren Abnehmern wie bei ihren Lieferanten des makel­losesten Rufes erfreute. Wer daselbst kaufte, durfte versichert sein, daß er die besten Waren und die angemessensten Preise erhielt, und an den großen Handelsplätzen würde kein Haus Ausland genommen haben, der Firma Treuen­feld u. Göldner zu einem sehr hohen Betrage Kredit zu gewähren. Ein solcher wurde jedoch niemals beansprucht. Die ersten Begründer des Hauses hatten es sich zum Grundsätze gemacht, ihr Geschäft nie weiter auszudehnen, als die da­für erforderlichen Mittel reichten; und die Söhne und Enkel setzten ihren Stolz darein, den Tra­ditionen der Väter streng zu folgen.

Dreimal hintereinander hatte es sich ge­troffen, daß ein Treuenfeld und Göldner jeder nur einen einzigen Sohn gehabt, welche in jungen

Jahren an dem Geschäfte beteiligt wurden und an die Stelle ihrer Vater getreten waren.

Die Geburt von Benno Treuenfeld gab die Hoffnung, daß cs auch in der kommenden Generation bei dem alten Herkommen bleiben werde; sie verwirklichte sich jedoch nicht; im Göldner'schen Hause blieb der heißersehnte Stamm­halter aus. Und auch sonst schien es. als wollten zunächst die Verhältnisse in beiden Familien durch ihre Gestaltung darauf Hinweisen, daß auf dieser Erdenichts dauernd ist. als der Wechsel."

Das Treucnfeld'sche Haus ward nicht, wie in vergangenen Tagen, belebt und verschönt durch Töchter, welche die Verbindungen mit ange­sehenen Familien noch verzweigter machen konn­ten; Benno's Mutter kränkelte seit der Geburt des Knaben und starb als er sechs Jahre alt war. Sein Vater, der die Gattin tief bedauerte, konnte sich nicht so schnell zu einer zweiten Wahl entschließen. und ehe er noch dazu ge­kommen war. seinem Hause wieder eine würdige Leiterin und Repräsentantin zu geben, ereilte den gesunden, kräftigen Mann durch einen Sturz mit dem Pferde ein jäher Tod. Benno war neun Jahre alt. als man seinen Vater blutend und bewußtlos in's Haus brachte; wenige Tage später stand er, gänzlich verwaist, an dessen Bahre.

(Fortsetzung folgt.)

Ein wahrer Goldregen ist über Mantua niedergegangen. Ein armer Postbote namens Benazzi gewann 100 000 Mark. Benazzi. seine Frau und seine 10 Kinder sind vor Freuden halb wahnsinnig geworden. Aber noch zahl­reichen anderen Personen hat die Glücksgöttin eine Osterfreude bereitet. Die glücklichen Ge­winner haben gegen die fünf Lottobanken in Mantua einen richtigen Sturmangriff eröffnet, um die gewonnenen Treffer einzukassieren. Die 5 Banken haben zusammen 80 000 «Hl. auSzahlen müssen.

Das größte Theater der Welt wird gegenwärtig in New-Iork gebaut. Es ist dies das Olympia-Theater, das sich der einstige Mit­eigentümer des berühmten Coster und Bial'schen Etablissements. O. Hammerstein, errichten läßt. Das Haus sog 10000 Personen und nicht weniger als 300 Logen mit einem Faffungs- raum von je 12 Personen besitzen. Der Riesen­bau soll in einem Jahre fertig sein.

Ein neuer Beitrag zur Sammlung komischer Entschuldigungszettel. Folgenden originellen Brief erhielt ein Lehrer des Rhein­landes:Härrn Lerrer! Weil miene Thogder fom 23 dieses Manarz bies zum 28 One Ent- schuldiginung fon där Schule Geblieben iest das iest folgender Grund Weil das Kniend Keine Schue Hate darum Mus ieg bieten des sie die Güte haben und Thäten Wer das Kinnd Ent- schnldiegcn Oder Ich mus Bieten das dieser Brief mit där Liesde dem Hären Bürger Meister for Gelegt Würde Weil man Kein Aerzlieges Aetäst Einreigen Kan Wen Man Keine Schue hat Agtunffol N. N."

sDer richtige Ort.) Dichter: Ich gebe zu, daß mein neues Stück auf ein sehr gebildetes Publikum rechnet. Die Szene spielt in Kappa- dozien und man muß mit dem Charakter und den Sitten dieses Landes genau bekannt sein, um das Stück würdigen zu können. Theater­direktor: Da kann ich nur den einen Rat geben: lassen Sie Ihr Stück in Kappadozien aufführen!

sZeitgemäße Erklärung j Lehrer:Meister muß sich immer plagen! Was will Schiller da­mit sagen?" Schüler:Daß sich der Geselle seine Sonntagsruhe leisten kann, der Meister aber nicht.

Bestellungen

auf den

Gnzthkler

für die Monate Mai und Juni

wollen noch bei den Postämtern und Postboten gemacht werden.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.