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AuS Stadt, Bezirk und Umgebung.
§ 8 Neuenbürg, 25. April. Nachdem Gesetz betr. die allgemeine Fortbildungsschule und die Sonntagsschule vom 22. März 1895 sind in sämtlichen Gemeinden des Landes Fortbildungs- u. Sonntagsschulen zur Weiterbildung der männlichen und weiblichen Jugend einzurichten. Letzten Samstag hielt der hiesige Gemeinderat gemeinschaftlich mit der Ortsschulbehörde eine Sitzung ab, in welcher einstimmig beschlossen wurde, es bezügl. der männlichen Jugend bei der gewerblichen Fortbildungsschule zu belassen, für die Mädchen aber an Stelle der seitherigen Sonntagsschule, welche künftig 3 Jahre lang besucht werden müßte, eine Fortbildungsschule mit 2 jährigem Kurs von je 80 Unterrichtsstunden einzuführen. Der Unterricht soll aus Zweckmäßigkeitsgründen nur während des Winterhalbjahrs, dafür aber wöchentlich zweimal (Montags und Mittwochs je von 3—5 Uhr) erteilt werden. Derselbe erstreckt sich auf Religion (10 St.), Aufsatz (20 St.), Rechnen (20 St.), und Realien (30 Std.) In letzteren ist Gesundheitslehre und Hauswirt- fchaftliches zu behandeln. Bleibt es in Hinsicht auf den Unterricht bei der männlichen Jugend auch beim Alten, so tritt für dieselbe doch eine neue Bestimmung anderer Art in kraft. Jedem Fortbildungsschüler unter 16 Jahren ist der Besuch des Wirtshauses verboten, und es werden diejenigen, die dagegen handeln, mit Arrest bestraft. Ein besonderes Ortsstatut wird dies den jungen Leuten zur Nachachtung kund und zu wissen thun.
Wildbad, 25. April. Das bekannte Anwesen des verst. Hofrats Dr. Burckhardt hier wurde von der kgl. Badeverwaltung angekauft. Der Preis hierfür soll 85 000 Mark betragen. Der Kauf ist in Stuttgart abgeschlossen worden mit dem Sohne des Verstorbenen, Medizinalrat Dr. v. Burckhardt.
Calw. Der vor einigen Wochen in Teinach verunglückte Bauer Rentschler von Breilen- berg, welcher in der Dunkelheit in die hochan- geschwollene Teinach geraten war und fortge- rissen wurde, ist nun bei Kentheim aus der Nagold gezogen worden. Der Ertrunkene hinterläßt eine Frau und 6 Kinder.
Pforzheim. Zum heutige« Jung- Schweinemarkt waren 164 St. Span- und Milchferkel, aber keine Läufer zugcbracht. Etwa 130 St. Ferkel wurden verkauft. Für die meisten wurden 25, 26 und 27 per Paar bezahlt.
Der Handel war lebhaft. Der höchste Preis, der aber nur für 1 Paar erzielt wurde, war 32 -/lL, und der niedrigste 20
Deutsches Aeich.
Karlsruhe, 24. April. Der Sonderzug des Kaisers traf pünktlich auf die Minute hier ein; am Bahnhof waren nur die Pers'Mcn anwesend, die bei einem nicht amtlichen Empfang zugezogen werden, darunter der kommandierende General des XIV. Armeekorps, General der Infanterie v. Schlichting. Schon wenige Minuten nach der Ankunft des Zuges durchfuhren die Hofequipagen die Karl-Friedrichstraße unter den Hochrufen der zahlreich versammelten Bevölkerung. Voran fuhr der Kaiser allein mit dem Großherzog in zweispännigem Wagen mit den rot uniformierten Jockeys. Der Kaiser hatte den Militärmantel übergeworfen und sah sehr gut und unermüdet aus. Die drei Morgenjagden zwischen 2 und 3 Uhr, welche nun bevorstehen, werden dem Schlaf hinreichend Abtrag thun; allerdings ist dann auch auf dem stillen Kaltenbronn von der Heimkehr nach der Jagd gegen 6 Uhr morgens Zeit genug zum gründlichen Ausruhen. Die Rückkehr hierher soll Samstag-Morgen nach der Jagd erfolgen.
Karlsruhe. 24. April. Die Königin Viktoria fuhr um '/, 12 Uhr auf ihrer Reise nach Darmstadl durch Karlsruhe. Der Kaiser und der Großhcrzog begaben sich auf den Bahnhof, um die Königin in ihrem Salonwagen zu begrüßen. Sie kehrten dann in das Schloß zurück. Um 2.35 reisten der Kaiser und der Erbgroßherzog nach Kaltenbronn ab, vom Großherzog am Bahnhof verabschiedet. j
Kaltenbronn, 25. April. Trotz ungünstigen Wetters erlegte der Kaiser am heutigen Donnerstag einen Auerhahn.
Karlsruhe, 24. April. Unter den anwesenden preußischen höheren Beamten befindet sich auch der Geheime Legationsrat v. Kiderlen- Wächter; er wird während des Aufenthalts des Kaisers hier verweilen.
Letzter Tage war in vielen Blättern die erstaunliche Meldung zu lesen, Deutschland habe sich an die Spitze einer mit Frankreich und Rußland gemeinsamen Aktion gestellt, um einen diplomatischen Druck auf Japan auszuüben, daß dieses auf das festländische Gebiet verzichte, das China laut Friedensvertrag an Japan abgetreten hatte. Leider scheint sich diese Meldung zu bestätigen, wenigstens haben Deutschland, Frankreich und Rußland bereits diesbezügliche Vorstellungen gemeinsam in Tokio erhoben. Deutschland hatte bis jetzt sich streng neutral gehalten und giebt diese Politik plötzlich auf. Volle Aufklärung hierüber wäre um so mehr zu wünschen, als von Frankreich und Rußland irgend ein Dank für Deutschlands Unterstützung doch wohl kaum zu erhoffen ist. Wohl aber riskieren wir, uns in Japan einen erbitterten Gegner zu verschaffen und die freundlichen Geschäftsbeziehungen Deutschlands und Japans zu zerstören. Merkwürdigerweise beteiligt sich England gar nicht an den Vorstellungen in Tokio, obgleich die Engländer seither am lautesten Japan mit einer Intervention bedrohten. Man glaubt, daß Japan den Engländern insgeheim besondere handelspolitische Vorteile versprochen, bezw. garantiert habe und wenn diese etwa auf Kosten von Deutschlands Interessen gemacht worden sein sollten, so wäre die gewünschte Aufklärung ja in ausreichendem Maße vorhanden. Auffallend ist es allerdings, daß die regierungsfreundlichen Blätter Englands plötzlich erklären, es sei England ganz einerlei, ob Japan festländischen Besitz Chinas bekomme oder nicht; England mische sich keinesfalls in den ostasiatischen Friedensschluß. Wünschenswert bleibt cs aber gleichwohl, daß das deutsche Volk Aufklärung erhalte, wenn diese auch — wie begreiflich — solange nicht erfolgen kann, als die politische Aktion noch im Gange ist.
Die Regentschaftsfrage in Detmold hat eine vorläufige Lösung erfahren, indem der lippesche Landtag am Dienstag mit 15 gegen 6 Stimmen einem Anträge zugestimmt hat, mit Einverständnis des Regenten folgendes Gesetz anzunehmen: Prinz Adolph von Schaumburg- Lippe wird als Regent bestätigt, bis die Thronstreitigkeit entschieden ist. Dann übernimmt der durch die Entscheidung nächstberechtigte Thronfolger die Regentschaft. Die Regelung erfolgt durch einen Gerichtshof. Tritt das Ableben des Fürsten Alexander ein, ohne daß eine Regelung erfolgte, so erlischt die Regentschaft. Tritt dieser- halb oder sonst eine Vakanz der Regentschaft ein, so ernennt der Landtag den Regenten aus der Zahl der Agnaten, bis eine Regelung erfolgt. Der Regent erhält 250000 aus der Domanialkasse der Staatsregierung und erklärt sich bereit, baldmöglichst einen Akt der Reichsgesetzgebung zu beantragen, durch den das Reichsgericht als Gerichtshof zur Erledigung der Thronstreitigkeit eingesetzt wird. Darauf wurde der Landtag vertagt.
Berlin, 25. April. Auf Befehl des Kaisers wird die Enthüllung desLuther- Denkmals auf dem neuen Markte hier am 11. Juni in feierlicher Weise statlfinden.
Berlin, 25. April. Anläßlich der Er- öffnung des Nordostseekanals stellte die Regierung dem Preßausschuß ein Schiff zur Verfügung.
Nimptsch, 24. April. Ein schwerer Wolkenbruch ging über Ostdeutschland nieder. Am stärksten sind die Städte Großkniegnitz, Quanzendorf und Großmilkau betroffen worden. Der Schaden ist infolge des starken Regens sehr bedeutend und vorläufig gar nicht zu ermessen. §8 „ D au e n d o r f, i. Elf. 24. April. Bei einem gestern Mittag hier niedergegangenen Gewitter wurde ein Junge von 14 Jahren vom! Blitze erschlagen. Der Arme war sofort tot. j
Württemberg.
Stuttgart, 25. April. Der bayerische Gesandte Gras Karl v. Tauffkirchen ist hier nach langem Leiden im 68. Jahre gestorben. Graf Tauffkirchen war seit 1872 am hies. Hofe und zugleich bei den Höfen von Karlsruhe und Darmstadt beglaubigt.
Stuttgart, 22. April. Das Reichsgericht verwarf die Revision der Redakteure Agster und Eichhoff von der „Schwäbischen Tagwacht." Beide Redakteure waren wegen Beleidigung des Oberlandesgerichtsrats Bücher, begangen durch den Artikel betreffend den bekannten Schaber'schen Mordprozeß, zu je 2 Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Ulm, 24. April. Gestern war hier der Wahlkreisausschuß der deutschen Partei des 14. Wahlkreises versammelt und veröffentlicht heute eine Erklärung, in welcher es heißt: Die Kandidatur Ehmanns ist von der deutschen Partei und der Wirtschaftspartei als eine gemeinschaftliche aufgestellt worden, auf Grund von festen Vereinbarungen, welche zwischen beiden Parteien vorausgegangen waren. Das Programm des Herrn Eymann dessen Veröffentlichung ohne Verständigung mit der deutschen Partei erfolgte» enthielt eine solch wesentliche Abweichung von den getroffenen Vereinbarungen, daß wir Herrn Ehmann nun als Kandidaten der Wirtschaftspartei betrachten müssen, trotzdem empfehlen wir den Mitgliedern und Freunden der deutschen Partei dringend Herrn Ehmann zu wählen. Zwar spricht sich der Kandidat für so weitgehende wirtschaftliche Maßregeln aus wie sie dis jetzt von der deutschen Partei nicht gebilligt sind; aber ein wirtschaftlicher Gegensatz soll kein Moment sein, die bisherige Einheit der national gesinnten Wähler unseres Wahlkreises zu sprengen. Ferner stimmen die ganz unzweideutigen Erklärungen des Herrn Ehmann über die wichtigsten politischen Fragen insbesondere das allgemeine Wahlrecht und die Umsturzvorlage mit dem Standpunkt der deutschen Partei überein, außerdem ergiebt sich das Bündnis der deutschen Partei mit den rechts stehenden Parteien als notwendige Folge der Thatsache, daß sich die Volkspartei allenthalben mit der Sozialdemokratie verbündet hat. Der entscheidende Gesichtspunkt aber ist, daß es gilt, angesichts der heutigen Zusammensetzung des Reichstags einen Mann von ganz entschieden nationaler Gesinnung zu wählen.
Ulm, 24. April. In der gestrigen Korrespondenz bezüglich der Fortsetzung der Bahnlinie Reutlingen-Münsingen zur Donauthalbahn, muß es heißen: „Allgemein wurde der Anschluß in Schelklingen (anstatt Geislingen) als der billigste und zweckmäßigste erachtet."
Ebingen, 20. April. Den Hauptgewinn der Fachsenfelder Lotterie von 15 000 Mk. hat, wie jetzt bekannt wird. Wtlh. Landenberger, Slrumpfweber bei Becher hier gewonnen, ein Mann, der das Geld recht gut brauchen kann und dem es zu gönnen ist. Landenberger und einige seiner Kinder sollen das Geld zum Loos, welches kurz vor der Ziehung gekauft wurde, zusammengelegt haben.
Bibera ch, 24. April. Die gegen Lisette von Riß und Joseph Rehm von hier wegen Mord's bezw. Anstiftung hierzu vom Schwurgericht Ravensburg erkannte Todesstrafe ist durch S. Maj. den König im Wege der Gnade in lebenslängliches Zuchthaus umgewandelt worden; die gegen Brigitte Köster, die Mutter der Frau von Riß, wegen Beihilfe erkannte Zuchtyausstraße von 12 Jahren hat eine Aender- ung nicht erfahren.
Ausland.
Die Wirkung der jüngsten Erdbeben in Krain Kärnthen und Kroatien stellt sich immer noch schrecklicher Haus, als man im Anfang berichtet hatte. Heftige Regengüsse machen die vielen geborstenen Häuser vollends ganz unbewohnbar. Ueberdies wiederholen sich die Erdstöße, wenn auch in schwacher Weise, weshalb die Leute größtenteils im Freien unter Zelten, in leeren Eisenbahnwagen u. s. w. übernachten.