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klagte, und die Zivilkammer verurteilte das Dienstmädchen zu 450 Schadenersatz.

Tennenbronn, 12. Juli. Heute abend um 5 Uhr brach hier in der Stühe der Kirche Feuer aus, welches begünstigt durch den herrschenden Zug­wind und die große Hitze und infolge Wasser­mangels so rasch um sich griff, daß in wenigen Stunden 23 Gebäude, darunter die evang. Kirche und das Schulhaus, die Wirtschaften zum Adler", zurLinde" und zurKrone" ein Raub der Flammen wurden. Sogar ein noch unbewohnter Neubau, dessen Umfassungsmauern heute noch stehen, ist derart ausgebrannt, daß er abgebrochen und wieder neu erstellt werden muß. Die auf dem Brandplatz erschienenen Feuerwehren von Schram­berg und St. Georgen haben sich bei den Rettungs­arbeiten rühmlich ausgezeichnet. Das Feuer ent­stand in einer Schmiede, die Ursache des Brandes ist noch unbekannt. Die Abgebrannten sollen bis auf einen einzigen versichert sein.

Mainz, 18. Juli. In der hiesigen Um­gegend hat in der letzten Zeit die Spargelfliege dermaßen überhand gekommen, daß die Spargel- ernte im Werte von mehreren Hunderttausend Mark total zerstört worden ist. Eine gestern abgehaltene Ausschuß-Sitzung des landwirtschaftlichen Vereins, an welcher der Provinzialdirektor der Provinz Rhein­hessen teilnahm, hat nun beschlossen, eine polizeiliche Verordnung zu erlassen, welche die obligatorische Vernichtung der Spargclschädlinge anordnet.

Bochum, 12. Juli. Man ist im Industrie- Bezirk der Ansicht, daß die Bestrebungen des Mit­begründers der Kasseler Trebertrocknungsgesellschaft Fabrikanten Otto in Dortmund, ein außergericht­liches Arrangement herbeizuführen, von Erfolg ge­krönt sein werden. Tie Kriminal-Polizei ist der Ansicht, daß sich der flüchtige General-Direktor der Treber-Gesellschaft, Schmidt, im Industrie-Bezirk verborgen hält und fahndet eifrig nach demselben.

Wilhelmshaven, 12. Juli. Auf dem KreuzerAriadne" wurden heute früh durch Platzen eines Tampfrohres 6 Mann verbrüht, von denen jedoch bisher noch keiner gestorben ist.

Berlin, 12. Juli. In der heutigen Ma­gistratssitzung ist die Ablehnung der nachgesuchten Erlaubnis um die Ueberführung der beiden städti­schen Straßenbahn-Linien über die Straße unter den Linden zur Erörterung gekommen. Auf Antrag des Oberbürgermeister Kirschner wurde beschlossen, über die Angelegenheit amtliches Stillschweigen zu proklamieren. Wie der Lokal-Anzeiger berichtet, hat der Kaiser auf die ihm eingereichten Pläne die Worte geschrieben:Drüber weg nicht, unten durch!" d. h. der oberirdischen Leitung werde die Eoncession versagt, aber gegen eine Unterpflaster­bahn werde ein Widerspruch nicht erhoben werden. Nach der Vossischen Zeitung wurde die vom

Oberbürgermeister Kirschner erbetene Audienz nur vorläufig verweigert, weil der Kaiser sich über die Führung der städtischen elektrischen Bahnlinie über die Linden noch nicht schlüssig gemacht hat. Die Entscheidung soll nach der Rückkehr deS Kaisers von seiner Nordlandreise erfolgen.

Berlin, 13. Juli. Stach einem Telegramm aus Leipzig brach in der großen Rieb eck'schm Brauerei A.-G. vermutlich in der Mälzerei Feuer aus, das sich mit rasender Schnelle über sämtliche vorderen Etablissements des Fabrik-Areals ver­breitete. Um 11 Uhr dauerte der Brand noch un­geschwächt fort. Die Wohnhäuser der angrenzenden Straßen sind durch die energischen Anstrengungen der Feuerwehr vom Brande verschont geblieben. Das gesamte vordere Areal der Fabrik, enthaltend die Mälzerei, Comptoire und Wohnungen ist nach dem Lokal-Anzeiger fast total ausgebrannt. Die hinter der Hauptfront liegenden Lagerräume, Bött­chereien u. s. w. waren bisher verschont geblieben. Menschen sollen nicht umgekommen sein.

Berlin. EineGymnasistenmensur" mit eigenartigem Ausgange fand im Walde in der Nähe von Nieder-Schöneweide statt. Dort hatten sich ein Dutzend bunte Mützen und Bänder tragende junge Herren" eingefunden, denen man es ansehen konnte, daß sie bis zum Abiturientenexamen noch einige Hosen auf den Schulbänken abzunutzen haben. Die Jünglinge gehörtenPennäler Verbindungen" an. Die Paukanten, Sekundanten und der Unpar­teiische hatten eben die Schläger ergriffen, als eini­gere ältere, mit Stöcken bewehrte Männer aus dem Gebüsch hervortraten und ohne jedes Federlesen die ganze Gesellschaft gehörig durchwalkten. An Widerstand dachten die Buntfarbigen nicht, in den Angreifern erkannten sie zu ihrem Schrecken ihre Väter. Dem Vater desSchriftwarts" waren die Schriftstücke der schlagenden BurschenschaftFran- conia" in die Hände gefallen, welche Nachricht von der auf Mittwoch angesetztenBestimmungsmensur" gaben. Er verständigte sich mit den anderen Vä­tern, um ihren Sprößlingen gemeinsam eine kleine Ueberraschung zn bereiten.

Berlin, 13. Juli. Ter Lokal-Anzeiger meldet aus London: Wie aus Peking depeschiert wird, sind die Verhandlungen der Mächte über die chinesische Kriegs-Entschädi­gung einen Schritt weitergekommen. Nach der Daily Mail wurde ein neuer Vorschlag, der einen Schuldentilgungs-Fonds schaffen und völlige Til­gung der Schuld bis zum Jahre 1934 sichern will, angenommen.

Mährisch Krona, 13. Juli. Der Blitz schlug in eine Turnhalle der hiesigen Bürgerschule ein als etwa hundert Kinder in derselben Turn- Uebungen abhielten. Eine Anzahl Kinder sowie der Lehrer wurden verletzt, letzterer schwer.

Budapest, 12. Juli. Aus Zakopane wird gemeldet: Die Sängerin BudziszewSka, welche eine Hochtour im Tatra Gebiete unternahm, stürzte mit ihrem Führer ab und wurde schwer verletzt auf- gefunden.

Brüssel, 12. Juli. Am Mittwoch herrschte hier eine große Hitze. In den letzten 48 Stunden sind nicht weniger als 9 Personen am Hitzschlage gestorben.

Amsterdam, 13. Juli. Wie hier einge­troffene Meldungen versichern, haben die Buren zahlreiche Verstürkuugen in der Kap-Ko­lonie erhalten. Die Zahl der Verstärkungen be­trägt nach der einen Meldung 9000 nach einer andern 15,000 Mann.

Paris, 12. Juli. Der Luftschiffer Santos Dumont unternahm heute vormittag bei fast wind­stillem Wetter mit dem von ihm erfundenen lenk­baren Luftschiffe mehrere Fahrten, die, wie Augenzeugen versichern, vollständig gelangen.

London, 12. Juli. Gestern war hier der heißeste Tag seit vielen Jahren. 85 Grad Fahren­heit waren im Schatten. Viele Menschen wurden auf der Straße ohnmächtig. Mehrere Personen wurden vom Hitzschlag getötet. Hunderte von Pferden fielen vor Erschöpfung nieder. Abends wehte eine leichte Brise.

London, 12. Juli. Die Times veröffent­licht einen längeren Bericht ihres Kriegs-Correspon­denten, welcher das Gefecht bei Vlaakfontein mit­gemacht hat. In dem vom 4. ds. datierten Briefe wird mitgeteilt, daß die Buren großen Mut an den Tag legten, indem sic die Geschütze der Engländer erstürmten. Dagegen sah der Korrespondent, wie ein Bur einen englischen Offizier, welcher seine Wunden verbinden ließ, niederschoß.

London, 18. Juli. Daily Mail erklärt in einem längeren Artikel über den Krieg, die Re­gierung habe systematisch den wirklichen Stand der Dinge verheimlicht. Die Lage sei bedeutend un­günstiger als amtlich dargestellt werde. Der Krieg könne nicht eher zu Ende geführt werden, als bis Botha und Dewet gefangen seien. Die Behörden schienen nicht die geringsten Anstrengungen zu machen, um dieses Ziel zu erreichen. Morning Leader bespricht ebenfalls die jetzige Lage und ist der Ansicht, daß die gelbe Presse, die Miffethaten, welche von englischer Seite begangen wurden, zu verdecken und die grausame Kriegsführung zu recht­fertigen habe.

London, 15. Juli. In Kapstadt wird eS mit großer Genugthuung ausgenommen, daß die englische Regierung beschloß, die Frauen und Kinder der Reservisten aus Kapland, die sich in Transvaal und dem Oranje-Freistaat ansiedeln wollen, un­entgeltlich zu befördern. Diese Maßregel ist auch für Auswanderer getroffen, welche sich dort nieder­lassen wollen.

vor Altstein, dem Gute des Barons. Das einzige Gasthaus der kleinen Stadt von wenig Komfort, und das Stübchen, das man den beiden Fremden zur Ver­fügung stellen konnte, war so überheizt und dunstig, daß ihnen davor graute, hier zu schlafen. Sie öffneten ein Fenster und ließen die frische Winterluft hereinströmeu. Dem jungen Manne that das wohl. Der Vater aber, der sich mutmaßlich während der Reise eine Erkältung zugezogen hatte, fing plötzlich zu frieren an und ließ das Fenster schließen. Er klagte über Sticke in der Seite, und Herbert, der sich nicht erinnerte, den Vater je krank gesehen zu haben, wun­derte sich über dessen verändertes Aussehen. Mit dem leidenden Ausdruck im Gesicht, den schmerzlich verzerrten Zügen machte der Graf plötzlich den Eindruck eines Greises.

Sollte das Schicksal es wirklich so gnädig mit ihm meinen," fragte Herbert sich, daß es ihn jetzt sterben läßt, ehe er das Gefühl der Heimatlosigkeit kennen gelernt hat? Wie beneidenswert wäre er al .dann!"

Der Zustand des alten Grafen verschlimmerte sich so, daß am anderen Morgen an Weiterreisen nicht zu denken war. Man schickte zu dem einzigen Arzte des Städtchens, und dieser erklärte die Krankheit für einen schweren Lungen­katarrh und schickte den Patienten ins Bett. Eine böse Zeit begann für Herbert. Ter Vater - war als Kranker durchaus nicht so liebenswürdig wie in gesunden Tagen und quälte den Sohn durch beständige Unzufriedenheit und Verdrießlichkeit. Er behauptete, Herbert sei gefühllos und sehe gleichgültig des Vaters Kranken­lager in einem elenden Gasthause an. Dem jungen Mann kam seine Ruhe gut zustatten; keine Ungerechtigkeit, keine üble Laune des Vaters riß ihn zur Heftigkeit hin. Im Gegenteil, er fühlte aufrichtiges Mitleid mit ihm, wie nur der bestgeratene Sohn es für seinen Vater hegen konnte. Auch nötigte ihm des Vaters Hilf­losigkeit kindlichere Gefühle ab, als er sie ihm sonst entgegenbrachte. Für ihn selbst war der wochenlange ununterbrochene Aufenthalt in der kleinen Krankenstube

eine Prüfung, unter der er schwer litt, denn er war an Lust und Bewegung gewöhnt. Aber selbst, wenn die Pflege des Vaters ihn nicht ans Haus gefesselt hätte, wäre es ihm kaum möglich gewesen, spazieren zu gehen. Es war die Zeit der Schneeschmelze, und in den engen Straßen log der Schmutz hoch. Die Sitte, ihn wegzukehren, herrschte noch nicht: man wartete ruhig, bis die Sonne das Werk der Reinigung vornahm, denn das that sie alljährlich. Die kleine Leih­bibliothek des Ortes bot wenig interessante Lektüre, und so dehnten sich ihm die Tage zu endloser Länge, und er war froh, wenn der Abend kam. Er wunderte sich, daß er schlafen konnte, aber doch war es Thatsache, daß er sich seit Jahren keines so festen bleiernen Schlafes erfreut hatte wie jetzt. Es mochte die Ruhe nach dem Sturme sein, die Ermattung nach langem Kämpfen und Ringen. Die Nacht, von der man mit Unrecht sagt, daß sie keines Menschen Freund sei, war in dieser Lage seine liebste Freundin, deren Kommen er mit Sehnsucht erwartete, und die ihm Vergessen seiner Sorgen brachte.

Onkel Franz war der Einzige, den Herbert durch einige Zeilen hat wissen lassen, wie es ihm ging. Der Baron hätte die kurze Reise nicht gescheut und wäre in Person erschienen, um den unglücklichen Neffen wiederzusehen und mit ihm alles zu überlegen, was überlegt werden mußte. Aber sein böser Husten fesselte ihn ans Haus, und der Arzt, welcher wußte, daß die einzige Schwester des Barons Herberts Mutter an der Lungenschwindsucht gestorben war, riet zur Vorsicht, und äußerte sogar den Wunsch, sein Patient möge in eine südliche Gegend übersiedeln. Der Baron mußte sich einstweilen damit begnügen, aus der Ferne für den Neffen zu sorgen und ihn keine Not leiden lasten. Da sich die Krankheit des alten Grafen Nordau in die Länge zog, so war natürlich des Onkels Hilfe notwendig; der Kranke ließ sich pflegen wie selbstverständlich, und der Sohn hielt es für überflüssig, dem Vater eine Erklärung abzugeben.

(Fortsetzung folgt.)