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an. Grün ist seine Farbe und im glänzenden Grün schimmern in leuchtenden Farben Veilchen, Maiglöckchen, Schlüsselblumen. Hahnenfuß. Gold­nessel, Sauerklee. Und neues Leben regt sich unter schattigem Laubdach. Die Amsel flötet ihre Weise, der Specht hämmert im Geäst, die Taube girrt; es regt sich das Liebesleben im Walde, so süß und doch so mühevoll für die kleinen Sänger! Eintönig schallt der Ruf des Kuckucks. Er giebt uns Gewißheit, daß der Winter endlich zu Ende.-

Im Busche am Waldessaum hat Frau Gras­mücke ihr Nest gebaut. Etwas liederlich ist der Bau geraten, vielleicht hat das Böglein zu lange gewartet, bis Mutterpflichten zur Eile mahnten. Nun sitzt die Grasmückenmutter auf den Eiern, sorgsam die Flügel über dieselben breitend, mit den Hellen Augen Umschau haltend. Eben ist der Herr Gemahl, der der Gattin ein Ständchen gesungen, auf eine Weile davongeflogen, sich im Walde zu ergehen und das Frühstück zu holen.

Kuckuck! Kuckuck!" Der Ruf erklang doch in der Nähe und Frau Grasmücke späht auf­merksam umher. Richtig, da sitzt der graue Vogel auf einem niederhängenden Aste der nahen Buche und seine listigen Augen halten Umschau im Gehege. Jetzt hat er die Grasmücke er­blickt und lüstern schaut er herüber. Die Gras­mückenmutter kennt den losen Gesellen, fester drückt sie sich auf ihre Eier und wie Spott klingen ihre Worte:

Nun, Freundchen suchst Du wieder Unter­schlupf für ein ungelegtes Ei?"

Der Angeredete merkt wohl den Spott, doch er muß ihn ertragen, will er zum Ziele kommen.

Du spottest", sagte er traurig,doch wenn Du wüßtest, welche Mühe ich habe." Kuckuck Kuckuck Kuckuck rief er, seine Rede abbrechend und wohl zwanzig Mal klang der Ruf hintereinander.Siehst Du, da wurde ich wieder gerufen!" wandte er sich wieder zur Grasmücke.

Du wurdest gerufen? Von wem?" Neu­gierig sind alle Grasmückenmütter.

Ich wurde gerufen und um die Zukunft befragt!"

Um die Zukunft? Und die kennst Du?"

Natürlich, gewiß, selbstverständlich, ohne Zweifel!" Und der graue Vogel blähte stolz sein Gefieder.

Du machst mich neugierig, wer hat Dich gefragt?"

Wer? Nun, der Finkenbauer, der am Walde auf seinem Acker arbeitet und auf seine Gesundheit achtet, wie ein junges Mädchen auf seine Tanzschuhe, er hat mich gefragt, wie lange er noch lebe."

Und Du hast wohl zwanzig Mal gerufen!"

Jeder Ruf gilt ein Jahr!"

Des bist Du gewiß?"

Natürlich, selbstverständlich, ohne Zweifel. Siehst Du, Du kleines Ding, so habe ich meine Arbeit, vom Morgen bis zum Abend, und es fehlt mir die Zeit, ein Nest zu bauen. Kaum habe ich einen Grashalm im Schnabel, so fragt so ein Menschenkind um seines Lebens Dauer -. Kuckuck! Kuckuck!"

Da hat wohl wieder Jemand gefragt?"

Du sagst es!"

Aber Du hast nur zwei Mal gerufen, der wird nicht alt!"

Frau Gevatterin, das war etwas Anderes. Des Fmkenbauers Tochter, die blonde Marie, die hinter dem Vater her in die Furchen Bohnen legt und die aus Liesenbach des Grundmüllers Fritz gern hat, frug mich, wie lange ihr Braut­kranz noch wartet."

Das weißt Du auch?"

Selbstverständlich, natürlich, gewiß, ich bin das unfehlbare Orakel des Waldes, an mich wendet sich Arm und Reich, Jung und Alt, Vornehm und Gering, Knecht und Magd und Allen gebe ich Antwort in ihrem LiebeSleid und ihrer Liebcsfreude und siehst Du^ da habe ich keine Zeit, mein Nest zu bauen, und dann seid Ihr alle fertig und nirgends finde ich mehr ein Grashälmchen oder ein Moospflänzchen, ein Heim für meine Kleinen zu gründen, Ihr habt Alles verbraucht!"

Fast könntest Du mir leid thun, Du ge­plagtes Orakel, aber flieg' nur getrost weiter, erst im Vorjahre habe ich Dir ein Ei ausge­brütet. Aber der Wechselbalg aus demselben hat mir meine eigenen Kinder fast alle hinausge- gedrängt aus dem Neste und mir und meinem Manne weidlich Mühe gemacht mit seiner Er­ziehung der Vielfraß!"

Ja. Du bist eine treue Mutter!"

Danke für Dein Kompliment, mein Ber- ehrtester, nun mach', daß Du fort kommst, mein Mann ist noch ungehalten auf Dich, sorg' daß er Dich hier nicht antrifit."

Dein Mann? Ha, ein saubrer Patron! scharmuziert da unten im Haag mit Frau Lis- peth, der Grasmückenwittwe, deren Mann gestern der Habicht zerrissen!

Was Du sagst! Mein Mann? Du lügst! Doch ..." und schnell schlüpfte die Grasmücken­mutter vom Neste, dem ungetreuen Gemahl eine Gardinenpredigt zu halten. Das verstand sie aus dem ff-

Wie der Kuckuck lacht. Rasch schlüpft er zur Erde, das schnell gelegte Ei faßt er vor­sichtig mit dem Schnabel und legt es ins Gras­mückennest, die Eier der Grasmückenmutter vor­sichtig um es ordnend. Dann schlüpft er davon, denn durch den Busch naht sich das zankende

Grasmückenpaar.-Noch sitzt Freund Kuk-

kuck lachend auf dem Aste und putzt sein Gefieder. Am Waldrande vorbei zieht eine jubelnde Knaben­schaar.

Kuckuck, Kuckuck ruft aus dem Wald.

Lasset uns singen, tanzen und springen,

Frühling, Frühling, wird es nun bald!" klingt's aus den jugendlichen Kehlen.

Kuckuck!" schallts aus dem Walde herüber. Die Knaben bleiben stehen. Ein pausbackiger Bursche hält beide Hände wie ein Sprachrohr vor den Mund und laut schallt sein Ruf:

Sag' mir, Kuckuck, wann bringt mir der Storch ein Schwesterlein?"

Schon setzt sich der Gefragte in Positur, um Antwort zu geben, da hört er einen der älteren Knaben spöttisch sagen:

Pah, Heini, Unsinn, Aberglaube!"

Dem Kuckuck bleibt der Ruf in der Kehle stecken.

Was? Aber Aberglaube ach wie das Volk doch aufgeklärt wird." Betrübt streicht er durch das Unterholz davon. Heini wartet vergebens auf Antwort.

Wird wohl wieder ein Brüderchen geben I" spottet der ältere Knabe. Dann stürmt die ganze Schaar davon. Weit hinten im Walde aber erklingt wieder der Kuckucksruf hinein in das Land. Wem giebt er diesmal Antwort?

Ein seltsamer Selbstmordversuch, der eines Nachtwandlers im Schlaf wird von Berlin gemeldet. Der bei seinen Eltern wohnende 22jährige Kaufmann Max D. war schon von Jugend an mondsüchtig und die Seinigen hatten alles aufgeboten, um ihren Sohn von dem krankhaften Zustand zu befreien. In der Nacht zum Montag hörte die im Neben­zimmer schlafende Mutter ein lautes Röcheln, das aus dem Zimmer ihres Sohnes drang, und als sie sich sofort in das Nebenzimmer begab, fand sie den Max an der Thürklinke hängend und fast leblos. Der junge Mann wurde los­geschnitten und von einem Arzt wieder zum Be­wußtsein gebracht. Jetzt stellte es sich heraus, daß der Selbstmordkandidat absolut nichts von seinem Vorhaben, sich zu töten, gewußt habe, vielmehr der Selbstmordversuch von D. im traumhaften, nachtwandlerischen Zustande be­gangen worden sein muß. Es lag auch für den jungen, in recht guten Verhältnissen lebenden Mann durchaus kein Grund vor, sich das Leben zu nehmen.

(Todessturz in ein Grabgewölbe.) Von Paris wird berichtet: In Begleitung ihrer Tochter, der Gräfin von Marcieux, hatte sich die greise Marquise von Chanaleilles auf den Friedhof Pere-Lachaise begeben, um dort an der Familiengruft, in welcher die sterblichen Ueber- reste ihres Gatten, sowis ihres Sohnes ruhen, ein Gebet zu verrichten. Kaum hatten die bei­

den Damen die Kapelle betreten, als eine Platte, deren Zementierung morsch geworden sein mußte, nachgad und die unglückliche Marquise gerade auf den Sarg ihres Sohnes in das 6 Meter tief gelegene Grabgewölbe hinabstürzte. Die entsetzte Tochter wollte ihrer Mutter zu Hilfe eilen, wobei jedoch auch sie hinabstürzte. Auf ihre Hilferufe eilten sofort mehrere Kirchhofs­wärter herbei, welche die Verunglückten mit Seilen emporzogen. Obgleich man die Damen sofort nach einer benachbarten Apotheke transportierte, hauchte die Marquise nach Verlauf einer Stunde den Geist aus. Die Gräfin von Marcieux hatte ein Bein gebrochen, auch trug sie eine Verletzung des Handgelenks davon.

Heinrich VII., König von England, be­auftragte den Bischof Bonner mit einer Gesandt­schaft an Franz den I., wobei er eine harte und drohende Sprache führen sollte. Der Bischof bemerkte, er besorge für sein Leben.Fürchten Sie nichts, sagte der König, wenn er Sie um­bringt. lasse ich allen Franzosen, die in meiner Gewalt sind, die Köpfe abschneiden."Das glaube ich wohl, erwiderte der Bischof, aber ich besorge nur. es möchte keiner so gut auf meinen Rumpf passen, als der, den ich jetzt trage."

(Luftreinigung in Krankenzimmern.) Das beste und einfachste Mittel ist unstreitig das öftere und längere, nach Umständen auch das beständige Offenhalten von Fenstern, namentlich der oberen Flügel. Das frühere Abschließen von jedem Zutritt der frischen Lust ist eine ver­altete und verkehrte Maßregel, der wohl kein Arzt mehr huldigt. Weiß er doch, daß frische gesunde Luft oft ein besseres Heilmittel ist, als alle Arznei. Daß man den Kranken durch Zu­decken und auf jede andere Weise gegen Luftzug so viel als möglich schützen muß, versteht sich von selbst. Um schnell alle verdorbene Luft zu entfernen, beobachtet man folgendes Verfahren: Nachdem man den Kranken vor Luftzug sicher gestellt hat^ öffne man die Fenster, gieße auf eine vorher heiß gemachte Schaufel oder einen Backstein etwas guten Essig und gehe damit mehrere Male im Zimmer auf und ab. Der Geruch, der sich dabei entwickelt, ist in Verbind­ung mit der frischen Luft für die meisten Kranken sehr angenehm und erfrischend. Will mau mit anderen Stoffen im Krankenzimmer räuchern, so muß es stets bei geöffneten Fenstern ge­schehen, denn Räuchermittel allein zerstören nicht die verdorbene Luft, sie verdecken nur für einige Zeit die üblen Gerüche.

(Gutes Zeichen.)Wie weit ist denn Deine Schwester mit ihrem Gesangunterricht?" Papa hat hegte zum ersten Mal die Watte aus den Ohren gethan!" (Gesichert.)Sie, ich glaube, der Mensch, mit dem Ihre Tochter jetzt verkehrt, hat keine reellen Absichten!" Na, er hat noch seinen Regenschirm bei uns stehen; wenn er meine Tochter nicht heiratet, kriegt er den einfach nicht wieder!" (Apropos.) Hauswirtin: . . . Herr Kritzler ist nicht zu sprechen er schreibt an seinen Lebenserinner­ungen!" Gläubiger:Da will ich erst recht zu ihm ich habe ihn auch etwas zu erinnern!" (Aus dem Gerichtssaal.) Richter:Haben Sie den Diebstahl allein ausgesührt?" An­geklagter:Nein, unter gütiger Mitwirkung einiger Freunde!"

(Malitiös.) Barbier (zu einem 17jährigen Gymnasiasten):So. nun sind Sie für dieses Jahr rasiert!" (Ein Feigling) Kunde: Von Ihrem Jungen lasse ich mich aber nicht mehr rasieren!" Barbier (verächtlich):Und Sie wollen drei Feldzüge mitgemacht haben?"

(Variiertes Sprüchwort.) Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wann Du nach Hause kommst.

Dechiffriraufgabe

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Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.